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Philosophie und Leben. Jg. 5, H. 1 (1929)

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Academic year: 2022

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(1)

^tlofop^te mtö Heben

5. J A H R G A N G + 1. H E F T + J A N U A R 1929

„ I m Ö t e n f t e ö e r O o l b e e t n ^ e t t c r f t r e b t u n f e r e J e t t f c ^ r i f t e in e U d )=

ltd je S J l u g f p r a ^ e ö e r ü e r f ^ t c ö e n e n t u t l t a n f ^ a u U ^ e n K i d j t u n g e n . “

^ÜoJopfjfo m b !Keftgi0n im SRcnföenle&en

‘öon (£ I j c 35ßent ( d) c r , 33onn

$ a s Seben eilt bafjin unb forbcrt unjcre ganze Straft, unfer 6orgen unb Schaffen Ja g um Sag. 2Ibcr in allem ©etricbe fommt jebem bcn=

fenben 3Rcnfcf)en einmal bic 6tunbe, wo er ftillftcl)t unb fragt: 3öof)in gel)t ber 2Bcg? 2ßas bebeutet alles ©ein? ‘JBas xft ber 6inn unfcrcs ßebens? 5Benn wir biefe fragen [teilen, bann geben mir ©ebanlen 9laum, bie zur ^ßlnlofopbie führen. $cnn nid)t wcltfrembc Spcfulationcn bilben ben wahren 3nl>alt biefer 3Biffenfd)aft. 3l>re Aufgabe ift es oicl=

meljr, ben im Sebenslampf ftefrenben 3Renfcf)en 3iel unb 9ftcf)tung zu weifen. 6ud)t fie bocf) Antwort auf bie fragen: ‘2Bas ift ber ewige 6tnn oon all bem enblofen 2öerben unb Vergeben, bas fooiel 2uft, aber aud) unenblid)es 2eib fdjafft! ©teilt bas Seben nichts anberes bar als ein blinbes (Spiel non Straft unb 6toff, ober ift ein 6inn in biefem ©e=

fd>c^en? Unb was bebeutet alles SKüben unb Schaffen ber 5Dtenfd)en?

®ient es nur ben fleinen irbifd)en Reefen, ober ift es ber 33crroir!=

lid)ung einer Slufgabe gewibmet, bie allem 2Rül)cn erft bie red)te 3öeil)e gibt? 6o regen fid> uralte 3Rcnfcf)l)eifsfragen in uns, bie feit Urzeiten fd)on bie STiefc ber 5Rcnfd)cnfceic aufgerü()rt fjaben: in ber €>cbipus=

6age ober in ber ©cfcf)id)tc oon £)iob. 2Rel)r als je aber haben wir heute, wo es gilt, neue Sßege zu fucf)en unb neue Sßerte auf neue Safeln ZU febreiben, bic W id )t, uns mit biefen Problemen auseinanbcrzufetßcn.

38elcf)e Antwort aber hat bie ^ilofoptjie auf unfere gragen zu bieten?

©ehen auch bic ßöfungen, bie bie oerfchiebenen (Spftcmc bieten, weit auseinanber, fo ift ihnen boch eine Überzeugung gemeinfam: 3hnen allen ift bas wecfyfelnbe ©picl bes finnlid)=wahrnehtnbaren ©efdjc^ens 2lus=

bruef unb Offenbarung eines bahinterftchenben 3öirflicf)en. Vielleicht er=

wibert man: ber ^ofitioismus ift oon biefer Überzeugung frei. 2lber im

^ofitioismus bürfen wir wohl ein fruchtbares gorfchungs^rinzip, nid)t aber eine Söfung metaphpfifcher Probleme erbliden. Slufeerbem möchte id) bic Hcnncr bes^ofitioismus an bie ©ebanfengänge oon 3ohn (Stuart SERills (£ffap über bie Religion erinnern. «Sclbft bem oorficf)tig abwägen»

ben inbuftioen Genfer liegt bic 3bee, bajj Orbnung unb 3»edmäf3igfcit

^Pbilofopbie unb Seben. V.

(2)

2 ® a s © p f t c m u n b b a s 2 e b e n

in ber Statur als Slngeichen eines göttlichen 3Baltens gu beuten feien, nicht völlig fern. 3mmerf)in werben beutfcbe Genfer fid) eher auf ben 33oben non Hant ftellert unb gugeben, bafj es über menfcbliches können binausgehe, bas Söefen bes wahrhaft Seienben in gwingenbem ®enfen gu erfaffen, unb bafj wir feine allgemein=t>erbinblicf)en Urteile barüber bilben fönnen. SKit biefem 9tad)weis bat Jlant eine unenblid) wertvolle

!ritifd)e Aufgabe geleiftet. Slber barüber binausgebenb I>at ber religiöfe

©enius Sd)leiermacbers gegeigt, bafe wir ba, wo rationales ®en!en nid)t mehr gureiebt, ein intuitives, unmittelbares (Erfaffen befitjen: im religiöfen ©efübl. S r bat in ben„9reben über Religion" bargetan, bafe es uns gegeben ift, in unmittelbarer Soibeng eine innere 2Infcf>auung bes Unenblidjen gu hegen. SERit biefer Slnerfennung fc^afft <Sc^>leier=

machet ben im tiefften 9Renfd)enbergen wurgelnben religiöfen ©efütjlen freie 33abn. (Er gibt ben (Stimmen wieber 9taum, bie Sluguftin »ermit­

telt, wenn er fagt: „® u , fterr, fjaft uns auf bid) bin gefchaffen unb unfer f>erg ift unrubig, bis bafe es rubet in bir." Unb er oerficbert uns, bafe auch beute noch bas ‘’Propbetenwort gilt: „<So ibr midi con ganzem

§ergen fuebet, fo will id) micb finben laffen." Sollten mir mobernen SKenfd)en biefer ©ewifjheit entbehren tonnen? Ober finb ^leflejion unb religiöfes ßmpfinben nid>t melmebr etwas, was bie in ber Unrube bes mobernen Sehens ftebenben 39tenfd)enlinber mebr bebürfen, als frühere

©efd)ted)ter? ®ie 3öiffenfrf>aft verfperrt uns bie ^Pfabe nid)t, bie gu ben Quellen bes ßebens führen, fie geigt uns vielmehr ibre ©pur. 6cbleier=

macber, ber tiefe Kenner bes SJtenfcbenbergens, toeift bie 33egiebungen nacb, bie Söiffenfchaft unb Religion in ber Seele bes benfenben 5Renfd)en eingeben: „3eben wahrhaft 5öiffenben »erbet ibr aud) anbäebtig finben unb fromm, unb wo ibr Sffiiffenfcbaft fet)t, ohne Religion, ba ift fie ent=

roeber nur übergebangen unb angelernt ober fie ift franltjaft in fid)!"

3Bir (eben: pbilofopbifches ©enfen fcbliefet religiöfe (Ergriffenheit nicht aus, fie forbert biefe »ielmehr als let$te Krönung ihres ©ebäubes.

£)a< 3 ©yffem unb £>as> 2eb<m

33on g r a n j 3. 33 ö f) m

S ie 6ebnfud)t nach einer verlorenen Unmittelbarteit bes Sehens, ge=

boren aus ber gefamten SMturlage ber le<3ten Oabrgebnte, bat auf allen

©ebieten fulturellen Schaffens, befonbers in Religion unb Äunft, 3U Vertiefung unb SBiebererwedung geführt. 3)iefe 23erbienffe wollen wir am wenigften gefebmälert fehen. 2lber auf philofophifchem ©ebiete ging es babei ohne prinzipielle Sötijjverftänbniffe philofophifcher 2lrbeit nicht immer ab. ®ie oermeintliche ßntbedung war eigentlich fehr einfach: man merfte, bafe bas philofophifche „6 p ft e m" etwas a n b e r e s fei als bas

(3)

® a s © p f t e m u n b b a s C e b c n 3

2 e b e n ; weil man aber bas 2eben um {eben ‘'Preis wollte, fo opferte man bas 6pftem. SÖian merfte n i d> t , bafj cs nie einem ?Pbilofopben einaefallcn toäre, ein 6pftem ausaufübren, wenn bas 2eben felbft fcbon ßpftem wäre. S ie grunbfäftlicbe Slnbersbeit bes pt?xIofopf)ifrf?cn ©pftems }d)liefet prinaipiell jebe 23ergleicbsmöglid)feit mit bem 2eben aus; ihm liegt ein anberer 3Bille gugrunbe, ber burd)aus nidjt mit bem 2ebens=

roillen in Slonflift gu geraten braucht. ®te ^tjilofop^ic teilt nicht l e b e n , fonbern fie will bas 2eben »erfteben; unb toenn fie bas f)öd)fte toill, bann toill fie bas 2eben lehren. 2tls 5ßiffenfcbaft ift ibre Aufgabe ein (Srfenntnisäiel, unb toenn fie jubem nod) ibre Erfenntniffe in ben $ienft bes 2ebens ftellen fann, bann bat fie ibre toiffenfcbaftlicbe unb menfd)=

lid)e Aufgabe ooll erfüllt. 33on einer prinsipiellen Skrgctoaltigung bes 2ebens bureb bas 6pftcm gu reben, bat man in bem 'älugenblide fein 3led)t mebr, in bem man ben oorfantifeben ©tanbpunft einer abbiiblicben Srfenntnis aufgibt unb jebes £r!ennen als ein „Umformen" ber 2Birf=

Iid)feit, ber finnfreien fotoobl als ber finnbejogenen, betrachtet. ®ie lebensnahe" ber oerfcbtebenen 5öiffenfcbaften barf nur relatio genannt roerben unb beliebt fid) nur auf ben aus bem 2eben genommenen 3n=

balt, nie auf bic toiffenfcbaftlicbe gorm, bie als foldje toefensmäfeig oon allem 2eben unterfebieben ift, gerabe burd) bas, was fie jur toif{en=

fcbaftlidjen gorm maebt. Oeber toiffenfcbaftlicbe begriff ift eine „Kon=

ftruftion" unb als folcbe niebt ber „6ad>e" angebörig, fonbern aus bem ßrfenntnistoillen bes gorfebers ftammenb. Obne biefen 3Mlen bes gor=

fd)ers, ber bas ©egebene in bie gorm ber 2öif|'cnfd)aft jtoänge, gäbe es nie eine Söiffenfcbaft. 3öte ber 33ilbbaucr bem gegen jebe gorm inbiffe=

renten SOiarmor bie plaftifdje ©eftalt aufprägt unb ibn baburd) in bie 6pbäre ber Äunft erbebt, fo prägt ber erfennenbe Stftenfd) bem 3Beltftoff bie gormen ber grfenntnis ein unb bringt baburd) erft SBiffenfcbaft ju=

ftanbe. 3Ber ein foldjes Unternehmen als Nationalismus ablebnen will, um bem 2eben in feiner „Unmittelbarfeit" recht 31t geben, ber ift freilich nicht au toiberlegen; eine toiffenfcbaftlicbe Sluseinanberfefeung ift nur auf bem ‘Boben ber 2ßiffcnfd)aft felbft möglich. ®iefer N a t i o n a l i s m u s b e r g o r m ift eine toiffenfcbaftlicbe Nottoenbigleit, unb toer ibn nicht anerfennen toill, mujj ficb betouftt fein, bafj er bamit nicht nur bie 9Üiög=

liebfeit einer beftimmten 2lrt ber 3öiffenfcf)aff, fonbern bie SÖcoglicbfeit ber 5ßiffenfcbaft überbaupt oerneint. ^as 2öort „Nationalismus" ift in ber 3Biffenfcbaft in einen nicht gana oerftänblicben Verruf gefommen;

man mag ibn auf fittlicbem ober religiöfem ©ebiet ablebnen: in ber Sßiffenfcbaft ift er au f)aufe, unb id) toüfjfe niebt, roo er ein Necbt hätte, toenn niebt auf biefem ©ebiete, toenn man ihn nur r e d) t o e r ft e b t-

?Bir oerlangcn 00m Zünftler nid)t, baf? er ohne bie gormen fünftle=

(4)

4 S o s S p f f e m u n b b a s 2 e b c n

rifcf)cr © e f t a lt u n g fein en S t o f f b e a r b e ite . U n b w e n n m a n t>on ib m fo r=

b e r te , bafe fittlicb e o b e r r e lig iö fe f o r m e n fe in S c h a f f e n b e ftim m e n müfe=

ten , fo b a t m a n fo ld )e g o r b e r u n g e n im m e r a l s e in e n (E in g r iff in bie A u to n o m ie b e s M n ft le r if c b e n m it N e c b t ab g e tru e fe n . 23on b e r 3 ö iffe n = f d )a ft a lle in » e r l a n g t m a n b a s U n m ö g lid je , b a fj fie o b n e , o b e r bocb n id )t a lle in m it r a t io n a le n g o r m e n , ib r e A u f g a b e lö fe n fo lle . (E s m irb a b e r im m e r ein u n b e lo b n te r (S fjrg c ts b le ib e n , w e n n b ie 3 ö iffe n fd > a ft m it N e >

ltg io n u n b S?u n ft w e tte ife rn to tll, u n b b ie fe r (£t?rgciä f a n n a u d ) b a b u r d ) n id )t g e r e c h tfe r tig t » e r b e n , b a jj bie 2 ß iffe n fd )a ft fe in S e t jt e s ift u n b fe lb ft ein e r 2 5 e r a n fe r u n g in e in e m r e lig iö fe n © la u b e n b e b a r f. 6 s ift f ü r fie lo b n e n b e r , o o n b e r (E rfe n n tn is it>rer © r e n je n gu m 3 B iffe n u m ib r e ig e n e s 3 B e fe n D o r ju b r in g e n , u m fid j n a d ) N ta fe g a b e if>res ‘f f i e f e n s u n b A u f g a b e n in f r e ie r S lu to n o m ie au [te ilen .

'S i e 2 ß iffe n fd )a ft u n b m it ib r bie ^ ^ ilo f o p ^ iie b a t firf) a lfo n id )t o o r b e m N a t i o n a l i s m u s b e r § o r m j u b ü te n ; b a s f a n n fie n id jt, f o la n g e fie 2 B iffe n fd )a ft b le ib e n w ill. ® a s S p f t e m a b e r ift n u r f ü r b ie u n ic e r f a le S r f e n n t n i s f o r m b e r u n io e r fa le n S ß iffe n fc b a ft: b e r ^ b ilo f o p h t e , u n b a l s fo ld )e n o t w e n b i g e g o r m b ie fe r 3 ß iffe n fd )a ft. ® ie © e f a b r b a g e g e n , bie » o m N a t io n a le n Ijer b e r ^ b t lo f o p b t e b r o b t, fö n n e n m ir a l s 3 n te llc f=

t u a l i s m u s b e s © e b a l t s bezeichnen. 3 B ir » e r fte b e n b a r u n t e r bie tb eo re=

tifcbe U m b e u tu n g b e s atb e o re tifc b e n O n b a lts b e r ‘J ö e l t , b e r in bie 2B if=

fen fcb aft a l s 6 t o f f e in g e b t. 2 B e n n m ir bie 5 ö e l t w iffen fcb aftlic b bureb r a t io n a le f o r m e n b e g r e ife n m ü ffe n , fo mufo b e sr o e g e n bie 5 B e lt felb ft niebt „ r a t i o " fein . b a t u n s K a n t g e g e ig t, w ie tie f b ie tb eo retifeb e n g o r m e n in bie © p b ä r e b e r © e g e n f tä n b lid )f e it e in g e fe n ft fin b , a b e r er b a t u n s aueb g e z e ig t, b a jj nirf>t e in m a l in b e r tb eo retifeb e n S ö e l t , b. b.

in b e r N a t u r , a l s bem „ 3 u f a m m e n b a n g b e r S r fc b e in u n g e n ib r e m ® a fe in n aep , nacb © e f e ß e n " bie © e g e n f tä n b e fid) in r e in e N a t i o n a l i t ä t a u f=

lö fe n la ffe n . 6 c b o n im tb eo retifeb e n © e g e n f tä n b e b le ib t ein r a t i o n a l un=

e r llä r lic fje r N e f t b e s „ 2 In fc b a u lic b e n " , fcb le d )tb in © e g e b e n e n ; u m fo m e b r m ü ffe n m ir b a r a u f t> erjid )tcn , äftb etifeb e o b e r r e lig iö fe S i n n g e b i l b e in r e in r a t io n a le n © e b a lt u m ju m ü n s e n , fo fe b r a u d ) tb e o retifeb e g o r m e n a m A u f b a u b ie fe r © e g e n f tä n b e b e te ilig t fein m ö g e n . ® a s “^ b ä n o m e n 5 Cr S u n f t , b e r (S ittlic b fe it, b e r N e lig io n b le ib t tI)eoretifd) im m e r u n a b lc it b a r u n b ift a u d ) f ü r bie ‘p ln t o fo p b ie n u r a l s „ g a f t u m " 3u b e g r e ife n . ® a f 3 e s fo e t w a s w ie S u n f t in b e r 3 B e lt g ib t, !a n n fe in p b ilo fo p b ifc b e s S p f t e m a p r i o r i » e rftä n b lic b m ach en ; a b e r w e i l e s ein e fü n ftle rifc b e 3 B ir flid )=

fe it g ib t, b e s b a l b o e r fu d )t b ie “^ b ilo f o p b ie b e re n (E ig en ge fet?licb feit j u p e r fte b e n u n b a r b e ite t bie 3 ö e r t e b ^ a u s , b ie bie fü n ftle rifcb e ‘f fie lt a l s folcfye fo n ftitu ie r e n . © e n a tb e o r e tifc b e n © e b a l t m u f; fie b a b e t u n a n = g e ta fte t la ffe n , u n b je b e u tlicb e r fie u m bie E i g e n a r t if)r e s e ig e n e n tbeo=

retifeben B e m ü h e n s w eife, u m fo w e n ig e r w ir b fie b e r © e f a b r a u s g e fe ftt

(5)

® o s S p f f e m u n b b a s S e b c t i 5

fein, ihre theoretifche gormmit bem Onhalt ber 2ßelt p cermechfeln, ben btefc gorm umfchliefjen foll.

Die ^f)t[ofopI)ie !ann als 2Biffenfcbaft ihr 9tcd)t nidjt anbers als tbeoretifd) austocifcn. ©ie tut es burd) ben öintueis auf bie unum=

fd)ränfte SInroenbbarieit ber tt>eoretifct>en gorm (^anarchte1 bes 2ogos, 2asf) unb burcf) bie Slnerfennung autonomer atI)corctifrf>er 2ebens=

ciel>altc. Unb gerabe bet folcber unparteilicher Slnertennung !ann fie forbern, bafe auch ihre eigene tt?eoretifd)e Autonomie 2Iner!ennung finbe.

60 ermeift ftd> bas p(?xIofopI)ifd)e ©pftem burd)aus nicf>t als eine 33cr=

geroaltigung bes 2ebens, als eine Rötung bes 2ebenbigen, fonbern als ber einäig mögliche 2Beg, bas 2eben in feiner ©efamtbeit theoretifd) 3U

»erftehen, welches t£>r einiges (Erfenntnisjiel fein fann.

2lber noch einer anberen 23esiehung 3tüifd)en ^^ilofop^ie unb geben fei f)icr abfcf>Iiefeenb gebaefjt. 2Bir fprachen bisher nur r>on ber ibeellen

©truftur ber ^bilofopbie als Sßiffcnfcbaft, nicht fon ihrer Sßirflichfeit im pbilofophierenben SÖienfcben. SSJlufeten mir im erften gallc burd) bie

^Betonung ifjrer ( E r f e n n t n i s aufgabe eine möglicbft reinliche <Sd)ei=

bung 3toifcf)cn ‘’Philofopbie unb Scbcn ßolljtehen, fo roirb es fid) für bas einzelne Onbtmbuum immer barum hanbeln, bie pbilofopbifd)e SSefinnung rrneber in ben 3ufammenbang bes perfönlid>en 2ebens Ijineinauftellen.

3ft bie ^hilofopbie an fid), glcicbfam com ©ubjeft unabhängig gebacbt, niebt 2eben, fonbern ( E r f e n n t n i s bes 2ebens, fo bebeutet fie bod) für bas ©ubjeft felbft ein ©tüd 2eben, »ielleicbt ben jentralen 35renn=

puntt bes 2ebens. ©iefe 'Soppelbejiebung ber ‘’PhiWophic 3um 2eben roirb nid)t immer als foldje beutlid) erfannt, unb aus ber Vermengung ber obje!tir>-roiffenfd)aftIid)cn unb ber fubjeftiomenfchlicben Aufgabe ber

^b'lofopbie entfpringen oft prinzipielle Unflarbeiten in unferem s~)3ro=

blem. gür bas pbüofopbicrcnbe ©ubjeft bleibt cs immer richtig, bafe es nur „aus bem 2eben heraus" philofophieren fonne, unb es roirb fid) auch nie mit ber blojjen Srfenntnis gufrieben geben, fonbern beftrebt fein, bas 2eben an ber Srfenntnis gu orientieren. 2ftit biefer gorberung bes ©ubjefts an ficb felbft pollgieht es ben ©ebritt com 3ßiffen jur 2Beis=

beit, b. b- pm 2eben aus bem 3öiffen. 3n biefer 55ebeutung haben bie 2llten ihr 3Bort „ ‘’Pbilofophie" nerftanben unb noch Äant, ber gemifs nid)t in bem Verbacbt fteht, ein geinb bes ©pftems gu fein, hat biefe

‘Bebeutung 311 erneuen »erfuebt. (^ritif ber praft. Vernunft, ®ialeftif, 1. §>auptft.) 3a, in biefem ©inne finb alle groften Genfer ber Ver=

gangenheit „2ebensphilofophen" gemefen, unb ihnen mar „bie <’Phifo=

fophie, fo wie bie ‘ffieisheit, felbft noch immer ein 3beal, welches objeftio

*) 21llbctr[d)a|f. — 2mil 2asf, gefallen 1915, 6cf)üler 'Ridcrts (® . ?>.).

(6)

6 D e r D i l e t t a n t i s m u s u n b ( e i n e 5Se j i e f >u n g

in ber Vernunft allein oollftänbig Dorgeftellt wirb, fubjeftio aber, für bte ‘’Perfon, nur bas 3^1 ihrer unaufhörlichen 23eftrebungen ift" (Slant).

2)arin freilich unterfdiieben fie fid) »on ber heutigen, „übertt?iffenfc^>aff=

lieben" Sebenspbilofopbie, bafe fie mit © oetbe ber 3Keinung roaren, bafe

„bte SBeisheit nur in ber 2Baf>rt)etf fei". S ie oollenbete 3öaf)rf)etf aber toäre bas oollenbete ©pftem aller ßrfenntniffe, ein bem totr uns nur im Unenblicben nähern fönnen, bas aber als 3bee im Sinne Slants unferer tt>iffcnfd?aftlid)en Slrbeit ooranleud)tct.

„ D e r £)üeff<m fism u<3 unb ferne §5egtef)ung gu 25Mff<m|cf)aff un5 ^ tto jo p fn e “

33on © e r f> a r b S H a m p , 23remen

©ooiel ich fehe, ift man bisher ben stoifeben echter Kultur einerfeits, Dilettantismus anbererfeits beftebenben Scaiebungen bei uns faum ernftlicb nachgegangen, emsig oielleicht ©oethe ausgenommen, ber frei=

lieb oom rein fünftlerifcben 6tanbpunfte btefes Julturtoicbtige Problem 3U löfen unternahm, jebod), ohne mit biefer Aufgabe 3U ßnbe gu fom=

men, in einer bisponierten Stofffammlung ftcdcngeblieben ift1).

60 ocrtounberlicb biefe 3Tatfad)e auch auf ben erften 33lid fein mag, fo erflärt fie fid) boeb aus einer gewohnheitsmäßigen 23erad)tung, bte ber Deutfcbe oon jeber altem Dilcttantifcben gegenüber befunbet bat, roäbrcnb 3. 33. in ben romanifeben ßänbern ber Dilettant ficb ungleich größerer 2Bertfd)ä6ung erfreut. ‘S e i uns bagegen gilt Dilettantismus meiftens als gleicbbebcutenb mit toertlofem ^fufebertum. 2Ibcr ein fold>es in 23aufcb unb Sogen oerbammenbes Urteil ift burebaus ungereimt unb falfd). ßrft neuerbings polljicht ficb bei uns ein Umfcbtoung ber öffent=

lieben SRetnung jugunften bes Dilettantismus, nur ift bas SDtißlicbe ba=

bei, bajj äur Slbwechftung einmal ber ‘’JJenbel nad) ber gerabe entgegen^

gefegten (Seite febtoingt unb fo oielfacb eine Überfcbäfeung bes bislang ilnterfcbätjten jur golge bat. Das aber ift eine ©efabr für ben 33eftanb unferer gefamten Kultur, bte man nicht ernft genug nebmen fann. £s gilt, fid» oon betben (Ejtremen gleich weit entfernt ju halten. 3?or allem aber mujj gvoifeben einem e cf) t e n unb einem f a l f d) e n Dilettantts=

tnus unterfebieben toerben. Das ift nicht all^u febtoer, toenn man fid) ju- oor auf bas 3ßefen bes Dilettantismus befonnen hat. „6tch=befinnen"

unb „fcharf unterfebeiben" machen ja u. a. ben Denfcr.

Der Dilettant ift tocfcntlicb toeber eigentlicher ^ f u f cb e r noch auch 30! e i ft e r eines gacbes, obwohl er oon betben etwas in ficf) trägt. Da=

’) 33g!. ©oetbes Jämtlidjc SBerfc, Sb . 37, 6 . 250 ff. -(«erlag <M. §effe).

(7)

® e r ^ D i l e t t a n t i s m u s u n b ( e i n e 3 3 e ä i e t ) u n g

narf) ift aller Dilettantismus fojufagen eingeflemmt gwifchen ausgefprod)c=

nem „^fufchertum" unb oollenbeter „2Reifterfd)aft"; er ^»ält bie SKitte gwifchen biefen beiben ^Polen. 2Ran fann it>n batjer} o 3U beftimmen »er=

fuchen, baß man ihn »on beiben (Enben her eingrenst. Das (Ergebnis wirb bann etwa fo ausjufpredjen fein: D i l e t t a n t i s m u s ift e i n e 2 l r t 0 D n 2 i c b h a b c r t u m r > 0 r n e h m l i d ) a u f b e m © c b i e t e b e r f r e i e n K ü n ft e u n b b e r 3 B i f f e n f d ) a f t c n , b e m es a l s f o I d) e m e i g e n t ü m l i c h i f t , b a ß es ni c ht m i t be m 3 l n f p r u d ) e a u f t r i t t , a u f ben g e n a n n t e n © e b i e t e n w i r f l i d) S d ) ö p f e r i f d ) e s l e i f t e n 3 u w o l l e n . 3Bo fid) ber Dilettantismus beffen bennoeb anheifebig macht, haben wir cs nicht mit bem echten, wertoollen, fonbern mit bem u n e ch t e n Dilettantismus bes “’Pfufcbertums, ber Quadfalberei, 3U tun.

Der c cf) t e Dilettantismus ift nun nicht etwas, was fein fann ober auch nicht fein fann, fonbern was unter ben fortgefchrittenen Kulturoer- hältniffen unt>ermeiblid) ift unb im eigenften 3ntereffe ber Kultur felbft liegt. (Er fteht unb fällt nämlich tnit ber für alle höhere Kultur beaexch=

nenben A r b e i t s t e i l u n g , bie wie ehemals (im SDtittelalter) bas Sluseinanberfallen oon Klerus unb ßaientum, fo bas oon fchaffenbem Künftlertum unb ber ©emeinbe ber bloß „Kunftoerftänbigen" bewirft hat unb nod) immer bebingt. Die neuere 3eit enblich bringt mit bem 'iluffchwung ber 2Biffenfd)aft ein neues Saientum f)ert»t>r, bas, ohne eigentlid) probuftio an ber gorfd)ung beteiligt 3U fein — wenigftens auf beftimmten ©ebieten — gleichwohl bie gortfehritte ber 5öiffenfd)aft mit lebenbiger, oerftänbnisooller Teilnahme begleitet.

Ohne biefes teilnehmenbe 3krftänbnis eines größeren Kreifes felbft nicht ober boch in einem beftimmten gache nicht=fchöpferifd)er SRenfchen wäre alles Schöpfertum, einerlei auf welchem ©ebiet es fid) auswirft, fd)lcd)ferbings finn* unb jwedlos. Diefer für alle Kultur unentbehrliche, echte Dilettantismus ift gerabeju eine Lebensfrage ber Kultur unb ba=

mit jebes fd)öpferi}d)en SERenfchentums, bas auf bie Dauer in oollfom- mener 3folterung (auch felbft im engeren Kreife ber probuftio Schaffen- ben) nicht wohl beftehen fann1).

2lud) bie w t f f e n f d) a f 11 i d) e Kultur ift nicht ohne ihn benfbar, 3umal heute, wo banf Sd)ule unb treffe wiffenfchaftliche Dinge in weite 35olfsfrcife gebrungen finb. 3nfolgebeffen hat aud) ber „wiffenfd)aft=

liehe" Dilettantismus in unferer Seit mehr 3U= als abgenommen, fogar erheblich 3ugenommen. Das ift an fid) fein Schaben, im ©egcnteil fjöcbff

') 60 erfennt ber Äünftler aus ben SBirfungen, bie er auf bie funfteerftänbigen Steife beroorbringf, gleiil)er»eife fid) felbft unb fein Sffierf. gut »en fonft fcf)afft er benn aud), wenn niefjf für bie funftempfängli<f)en „Siebtjaber" feiner Kunft (ber fiom«

ponift 3. 33. für bie tunftbegeifterten SCRufifbilettanfen)? —

(8)

8 S e t S i l e t t o n t i s m u s u n b f e i n e 2 3 e j i e f ) u n g

wünfebenswert, wäre nur ntd>t feine 2lfterart, ber falfcf>c ©ilettantis=

mus, in nabeau gleichem SKafee ebenfalls mitgewaebfen. Um ber burd) biefen brobenben Slulturgefabr ju begegnen, folange es nicht au fpät ift, tut flare 33efinnung unb Unterfcheibung not, um fo mehr, als bas gleiche 3öort über trennenbe Slbgrünbe leicht binwegtäufebt unb wie fo oft Jßefensunterfchiebe »erwifebt. ® a beifit es fcharf aufehen unb ftets bie 6 ad) c allein im 2tuge behalten.

S e r echte w i f f e n f d) a f 11 i ch c Dilettantismus ift nun aunäd)ft ge=

fennaeichnet burch feinen Nefpeft nicht fowobl oor ben Ergebniffen ber 2Biffenfd)aft als »ielmebr in erfter Sinie »or bem jeber 3Biffenfd)aft eigentümlichen V e r f a h r e n , bie Sßahrheit au fuchen unb au finben.

(Siefes planmäßige, möglichft einbeutige Verfahren macht bas mittels feiner erlangte 2Biffen recht eigentlich erft aur 20 i f f e n f ch a f t. 2Bif=

fenfd)aft bebeutet planmäßig, an §>anb einer beftimmten 3Retbobe ge=

wonnenen Söiffenserwerb im ©egenfat? unb im Unterfchieb »on ber allen 3ufällig!eiten preisgegebenen, „febweifenben" 2lrt bes »orwiffenfd)aft=

liehen Kentens, bas infolge biefes Umftanbes au einer längft nicht fo ge»

fieberten, wenn auch für bie 3®ede bes täglichen Sebens leiblich aus=

reichenben Erfahrung gelangt.) S a s hieräu gehörenbe Seitenftüd ift jene 2Ifterart »on Dilettantismus, bie »on methobifchen Sorgen wenig ober gar nicht befebwert ift, ja barüber hinaus wohl »ermeint, allem 3D^ctho=

bifchen feine 33erad)tung ober ©eringfehä^ung beweifen au müffen.

(Sin ‘Seifpiel für bas letjtere ift namentlich bie 2Irt, t»ie heute in lid)t=

freuen, t»unberfüd)tig=abergläubifchen fpiritiftifchen Streifen otfultiftifche Singe bebanbelt werben; man hat meiftens nicht bie geringfte Sllmung

»on ben elementarften Slnforberungen, bie an ein regelrechtes, auffd>Iufe=

reiches Experiment au ftellen finb, ba man Weber im Experimentieren noch iw beobachten gehörig gefchult ift. ^ein ‘ffiunber, baß unter foI=

d>en Umftänben am Enbe herausfommt, was man im ftillen »on Slnfang an gewünfeht hat- Ein folches „Ergebnis" ift aber wiffenfchaftlid) ohne allen 2Bert. Eine gewiffe Sdjulb an bem Sluftommen eines folcben ®i=

lettantismus trifft boch auch bie Vertreter ber 'üßiffenfcbaft, bie bie o!fuI=

tiftifchen Phänomene allaulange ber Beobachtung nicht für wert ge=

halten haben. ®ie golge war, baß fie in bie §>änbe »on Scharlatanen unb ^Pfufcbern gerieten, bie burch ihre bebenflicbe Slunft banf bem Un=

»erftanbe betörter 2eid)tgläubiger für fich Kapital au fchlagen wußten unb babet nicht fchlecht fuhren. 3um ©lüd ift nun aber in jüngfter 3eit hierin ein 5Banbel eingetreten, namentlich feit man bie bergebörigen Er=

febeinungen ftreng metbobifd) au erforfeben begonnen bat1). ®amit

5ßgl. 21. SEftcfJcr, SBtffenfdjaftlid)« Offultismus (Sammlung „SBiflenfcfeaft unb 33tlbung"). — Hm bie 2lusbilbung bes nnf|enfcf)aftlicf)en Verfahrens baben fiel) u. a.

3i. Saerroalb („Spiritismus unb Offultismus") jowie Sifdjner Derbient gemad)f.

(9)

S e r ^ D i l e t t a n t i s m u s u n b ( e i n e 2 3 e ä i e t ) u n g 9

fd)toinbet benn auch £>er Icfete Neft oon Sjiftensberechtigung bes fpiri»

tiftifchen, pfeubotüif|'enfd)aftlid)en Dilettantismus, ber, wo er mit bem Slnfprucf) ber 3Biffenfd)aftlid)fcit auftrift, als U n f u g bejeichnet toerben müjjte. ©leiches gilt oon bem fchtoinbelhaften Dilettantismus ber heu=

tigen Slftrologen, ba bie Slftrologie allem 2lnfd)ein nach heute im 33e=

griffe fteht, 3um Stange einer Sßiffenfchaft emporjufteigen burch 2lus=

bilbung einer beftimmten Sülethobe, bamtt aber bem ^fufchertum ein für allemal entriffen 3U toerben1). Übrigens hat bod) fchon ein Slepler bie 2lftrologie nicht annähernb fo geringfehäfeig behanbelt tote heute noch bie Vertreter ber Naturoiffenfchaft2).

'Jöenn ber SRethobe fchon in ber SBiffenfchaft eine entfeheibenbe Nolle 3ufommt, fo erft recht in ber ^3hiIofophie, beren ©egenftänbe nur fehr mittelbar unb „bunfel" gegeben finb unb fid) baher auch nur fehr fchroer 3ur „©egebenheit" bringen laffen; es hanbelt fich hier um bie „lebten Dinge", toie um ben ©runb aiies 2ßirflid)en unb bergleic^en mehr. Um fo mehr mujj barauf gefehen toerben, bafj jeber «Schritt, ben bas Den=

fen macht, ausreichenb unb ftreng methobifd) gefichert ift. Ein falfdjer Dilettantismus aber glaubt, folcbe methobifche 33orfid)t belächeln 3U bürfen, ba er fid) über bie 2ftctf)obe etwa traft genialer «Sehergabe, bie

„ins Verborgene fo3ufagen mit einem einigen 53lide ficht", tocit er=

haben fühlt. 6eit Kant ben Slriti3ismus gelehrt, haben toir, wenn aud) in mancherlei 2lbtoanblungen, eine brauchbare philofopbifchc SUlethobe, bie man nicht ungeftraft ignoriert. 60 toäre ber gan3e geiftoertoüftenbe SÖtaterialismus unb feine oerfeinerte gortfetjung, ber heute noch immer in »eiten Greifen unferes Voltes herrfchenbe Naturalismus nicht mög=

lieh getoefen, toenn bie Vertreter eines falfchen Dilettantismus als bie 6d)öpfer biefer „pf)tlofopbi}d)en Nichtungen" bes 19. 3ahrf)unbcrfs Slants ftrenge 6d)ule burchgemacht hätten; benn &ant hatte biefe „Ntcb=

tungen" bereits grurtbfät}lich übertounben3). —

Slujjcr ber Nefpefticrung unb ber ausreichenben Kenntnis ber SKc=

thobe charafterifiert ben echten toiffenfchaftlichen Dilettantismus auch bics, bafe er abfolute 6cf)ranfen 3toifd)en ‘SMffenfchaft unb 3Biffenfd)aft nicht anerfennt, fonbern fid) ftets trofe 2lnerfennung ber methobifchen Unferfchiebe jebes gad)es bie 2ßiffenfchaft als lebenbiges, einheitliches

©an3e gegenwärtig hält. 2lucb ber gorfcher ift ja auf allen b en ©er­

bieten Dilettant, too er nicht felbftänbig forfcht, alfo nicht eigentlich „3u f>aufe ift". D a er nun nicht alles beherrfdhen fann, ja heute nicht einmal

*) 33gl. Jf). 33ai)er, ®ie ©runbprobleme ber 2tftrologie (33erlag §. SDieiner, Scipäig).

2) 53gl. bie 9to»effe „5)as ©et>eimnis bes SBeltalls" Don SB. gifeber (6treder

& ©gröber, Stuttgart).

3) S5gl. 2(. SSRcfTcr, Äants Ceben unb 'Pbilolopf)ie (6fteder & Sd>röber, Stuttgart).

(10)

10 S) e r ^ D i l e t t a n t i s m u s u n b f e i n e S S e j i e i j u n g

fti^> in allen Seilen feines eigenen gaches genügenb ausfennt, ift es 5a nicht am beften, er befchränft fiel) ausfchlie&lich auf bie ©egenftänbe feines befonberen ©tubiums, ohne einen 33licf über bic Sinfriebigung feines engen <23e3irfs in ,Nachbars ©arten" ober barüber hinaus in bic weiten ©efilbe ber 3ßiffenfcf)aft ju toerfen? 3m ©egenteil. 3öill er nicht oerfnöchern unb bei feinem ©tubium auftroefnen, fo bleibt ihm, recht oerftanben, gar feine anbere 3Bahl, als auch bie Slrbeit feiner 9Jtif=

forfd)er auf anberen ©ebieten als bem feinigen mit Anteilnahme unb einem getotffen 33erftänbniffe 3u oerfolgen. 3n biefer frinficht aber ift er Dilettant im b e ft e n ©inne. S r oerfällt aber fofort einem f a l f d) e n

‘Dilettantismus, wollte er ohne ben 9iefpe!t oor ber eigenartigen S!Re=

thobe bes anberen ©ebietes etwa bie feinige innerhalb feines gaches bewährte auf ein anberes gelb mffenfchaftlicher gorfchertätigfeit t>er=

pflanjen unb fich anheifefng machen, bamit bie gleichen (Erfolge ju er=

Sielen. Sin Dilettant in biefem fd)led)ten ©inne ift 3. 25. O. ©pengler, ber in feinem „Untergange bes 2lbenblanbes" es unternimmt, gefd)i<f)t=

liehe ®inge nad) btologifdjer Skthobe 3U behanbeln, toobei ihm bic Kulturen Wartungen einer Sanbfchaft finb, bie nach beftimmten 9la=

turgefefoen toachfen, blühen unb oertoclfen. fuerbei roirb aber in echt naturaliftifchcr ‘ffieife bas 5Bcfen ber Kultur im Untcrfchiebc oon ber Statur oöllig oerfannt1). Sin ^Dilettant 00m gleichen ©chlage ift ber

©chöpfer ber SBelteisletjre (Sis als SBeltcnbauftoff!), ber 3ngenieur f)örbiger, ber unter Verachtung ber mathematifch=rechnerifchen 3Re=

thobe unb ber Sehren ber theoretifchen ‘’Phpfif mit rein technifdjen, bem

§>üttemoefen entlehnten SRethoben ben Problemen ber Sfftronomie 3U Seibc toilfü Unb bas ohne jebe Sinficht in bas methobifd) Unfinnigc foldjen Unterfangens. ®afe man biefe tote auch bie ©penglerfche Sehre mit fooiel ‘Beifall im großen '’Publifum aufgenommen hat, bemeift nur bie tatfächlich toeite Verbreitung bes falfchen, aller echten 5Biffenfchaft feinblichen 'Dilettantismus, ber fich nachgerabe 3U einer ernften ©efahr für unfer Kulturleben auszutoachfen begonnen hat.

©0 ift ber ^Dilettantismus auch für bie SBiffenfchaft heilfam unb un=

oermeiblich, jebod) in feiner Slfterart nichtsbeftotoenigcr unheilvoll unb gefährlich- ®ie Sdjtheit ober Unechtheit einer Kultur im fchon fort=

gekrittenen ©tabium läfet fid) übrigens nicht suleßt baraus erfennen, toelche 2lrt oon ^Dilettantismus in ihr bic oorherrfchenbc ift, unb barum eben ift es oon höchftem 3ßert, ben lederen eingehenb 3U ftubieren, wenn man bie erftere genau fennenlernen will, ©onft fehlt eins ber loichtigften ‘öeftimmungsftücfe.

*) 93gt. 21. SReffer, 6pengler als ^Pfeilofopf). ® as 25ucf) enthält bie äut Seit befte, mit betannfe tritifdje 2Iuseinanberfetjung mit Spenglers gefdt)ic^>tspf)itofopt)tfcf)en 2In- fd)auungen neben einer gebrängten, objettiDcn ®arffet(ung feiner £et>re.

(11)

® e r D i l e t t a n t i s m u s u n b f e i n e 3 3 c ä i e f ) un g 11 2Rit einigen ^Borten fei gum 6cf)luffe noch einmal bas pbtlofoptjifdjc

©ebiet furg geftreift. ©erabe bie ^ilofoplne t>at in letzter Seit eine Überflutung burd) ben 'Dilettantismus erlebt roie faum gucor. Oft bies aud) in mancher f>infid)f ein erfreuliches Seichen für bie Zunahme bes allgemeinen Öntereffes an pf)ilofopt)ifd>cn ®ingen, fo barf anbererfeits bod) aud) nidjt bie ©efahr nerfannt »erben, bie baraus einer echten pf)ilofopf)ifd)en Kultur erroächft, gumal wenn fid) folcfje an fid) Iobens=

inerte Teilnahme oerbinbet mit einer gcroiffen ©eringfehäßung, tnenn nicht gar Verachtung bes SRethobifchen unb ber ftrengen com ^p[>ilo=

foppen geforberten ®enfgucf)t. ® a s Ergebnis ift bann mehr als be=

trübenb. 2lud) ^ilofopfjie mujj, foroeit fie (ehrbar, toie alles anbere ge=

lernt unb iljr Verfahren hinlänglich bis gut 33eherrfd)ung geübt n>er=

ben. Das erforbert im Slnfang feine geringe SKüfje, unb nichts ift fo

»erfetjrt, rote bergleichen allgu leicht gu nehmen, roogu ein falfcher ®i- lettantismu5 ftarf geneigt ift. 2lber um alles 3öertr>olle muffen mir SSRenfchen uns eben mühen, roenn toir es uns gu eigen machen wollen, unb gtoar genau in bem SERafoe mühen, als es »orgüglich unb toertooll ift. „V o r alles haben bie ©ötter ben ©djtoeift gefegt", fagt fdjon -£>eraflit.

f>eute ift es otelfad) fchon bat>in gefommen, bafe man lieber auf ber methobifchen SBillfür ergebene Dilettanten i)ört als auf bie günftigen Vertreter ber ^3t)xIofopJ)te. 3Ran preift nid)t feiten in hohen Sönen bie im fchlechten 6inne bilettantifcfjcn Verfertiger oon 6pftemen unb 6 9= ftemchen, bie toie ^ilge nach einem lauen ©ommerregen aus bem 3Balb=

boben auffchieften, falls fie nur einen Schimmer ober (Schein »on „Qri=

ginalität" auftoeifen. Sßie bie 3cit abergläubifd) unb rounberfüchtig, fo ift fie nicht minber auch originalitätsfüchtig unb bant einer entfprechenb eingeftellten Sagcspreffe über bie 9Jtafjen fenfationslüftern. ©etmfo — gur 6teuer ber SBahrhcit fei es gejagt — bie philofophifche 3unft, roelt=

fremb unb in ihrem gelehrten Sünfel überheblich, voie fie oft ift, trägt hier eine getmffe SERitfchulb; fie nerbammt fehr gu Unrecht ben 'Dilettan­

tismus in 33aufch unb Vogen unb hält fich faft überängstlich 00m Seben unb feinen Problemen fern. 6ie treibt oielfach „3ngud)t" unb toirb an biefer einmal guoerfichtltd) gugrunbe gehen. 3f)re Unterfd)äfeung bes 'Dilettantismus unb feines Vkrtes für eine gefunbe philofophifche tur ift aber cbenfotoenig gu billigen roie bort bie unberechtigte über=

fchäftung philofophierenber ‘Dilettanten auf Soften ber ed)ten Genfer, bie anberen feinestoegs bas felbftänbige ®enfen abnehmen unb es ihnen fo beguem wie nur irgenb möglich machen tüollen.

(£iner grofeen unb getreuen ©efolgfchaft erfreut fid) heute in Urteils- lofen 'Dilettantenfreifen befonbers eine ©ruppe oon $rgten, bie nach bem Vorgänge eines £>aedel etwa noch immer „V klträtfel" löfen unb

(12)

12 5) e r ^ D i l e t t a n t i s m u s u n b ( e i n e 3 3 e ä i e l ) u n g

babei ganj materialiftifd) ober (was im ©runbe basfelbe) naturaliftifd?

eingeftellt finb, ohne eine blaffe Slhnung baoon 3U haben, bajj rein nafur»

roiffenfchaftliche SERethoben — fie mögen im übrigen noch fo oorfrefflid) fein — 3ur 2öfung philofophifcher gragen nun einmal nichts taugen1).

2Bie ehebem bie theoretifche Natumiffenfchaft (Biologie eines fmecfel, nächftbem bie (Energetif eines Ofttoalb u. a.), ift es heute pielfad) bie praftifche Naturtoiffenfdjaft ber SDlebisin, bie im f ch I e d) t e n Sinne bilettantifch philofophiert. ‘ffiie ehebem jene, fo finbet auch f * e heute ein banfbar laufd>enbes ^ubltfum. Neuerbings ift es bie pfpd>oanaIptifd>e 6d)ute eines greub, Slbler, 3ung u. a., bie ba, wo fie „Jßeltanfchauung"

gibt, ber befonberen ©unft bilettantifch Ungebilbeter ober fmlbgebilbeter gewiß fein fann. Ss foll hier nichts gegen bie ^fpchoanaipfe als f)eil=

mefhobe feelifcher 33ehanblung bes Patienten gejagt »erben. “211s folche hat unb behält fie trot? allem ihren nicht 3U leugnenben hohen “ffiert. 3BO fie fid) aber unterfängt, in religionsphilofophifche ober päbagogifdje gragen entfcheibenb mit htnein3ureben, »ie bies Pon ihren Vertretern mehr unb mehr gefchieht, ift fie, »eil bamit einem falfchen philofophifchen Dilettantismus Vorfchub leiftenb, rücffichtslos als fulturfchäbigenb 3U befämpfen. Sßie bort ber Naturalismus, ift hier ber alles relatioierenbe

^Pfpchologismus eine nicht minber ernfte ©efahr für bas Kulturleben. — Sntfprechenbes gilt non ben „philofophifchen", bie Köpfe »ertnirrenben, ftrenggläubigen Slpofteln einer Naffentheorie, bie bas Qbangelium »om

„reinen" 25lut als eines „gan3 befonberen Saftes" oerfünben unb in ihrer NaiPität non ber 6cbmerig!eit philofophifchen ®enf»erfahrens eielfach nichts ahnen. Unfere heutigen Nöte finb oielfach fo oerroidelt, bafj man fie nach einem einfachen Ne3ept, bas man nod> ba3U als ein 2lllheilmittel anpreift, nicht aus ber 3ßelt fchaffen fann. ‘Diefe einfeitigen Naffenbenfer finb nur »erfpätete Nad)3Ügler eines Naturalismus, ber noch immer nicht übertounben ift unb 3um 6chaben einer echten philofo- phifchen Kultur fein Untnefen in urteilslofen Köpfen toeiter treibt.

Sine »erhängnisoolle überfchwemmung broht ber philofophifchen Kul=

tur aud) Pon feiten bilettierenber, mit bem Nüfoeug ber ^hilofophie nicht genügenb oertrauter Nechtsbefliffenen unter unferen heutigen 3u=

riften, bie aus bem ©efichtswinfel ihres fpc3tell juriftifchen Orbnungs- perfahrens bie 2Belt mit ihrer befonberen „2Beltanfd)auung" beglücfen wollen. ®od) fönnen mir hierauf aus ©rünben bes Raummangels nicht weiter eingehen, 3umal ber gan3e, hier nur in gebrängter Kürse behan=

beite ©egenftanb bemnächft eine ausführlichere ®arftellung an anberem Orte erfahren foll.

*) ?>tet3U »gl. aud> meinen 2lrtifel: „<5d)openl)auer unb bie Strätefdjaft" im 10. £>efte biefer 3eitjd>rift »on 1925, <3. 360/361!

(13)

9 t u b o i f S K a t i a o 1 3 a pf e I a l s ^ P f p d j o l o g e 13

fHubolf S R a ria Jo o ^ a p fd a ls <’PJyd)o(oge un£>

fifftxc^-rcllgxöfcr g u r r e t

35on 2t u g u ft 331 c f f c r

I.

® a s erfte fmuptwerf bes öftcrretc^xfd)en (1874 geborenen), jet$t in Sern lebenben ‘’Pfpchotogen unb ^Pbilofapben1), erfdnen unter bem STitel

„^P a n i b e a l" fcf)on 1901 (im Verlag Sartf), Seipjig). 6s fanb lange wenig Beachtung. 2lucb id) muß befennen, bafe id) }d)on oor 3af)ren cs 3U lefen oerfud)fe, bajj id) es aber ermübet gur (Seite legte, ehe id) nod) bis 3ur SDZitte getommen war.

Seitbem finb mir aber bod) Spuren ber fteigenben SBirfung f>ol3= apfels wieberbolt begegnet: fo in bem ber „Sugenbbewegung", ber mir am reichten an geiftigem ©e^alt' 3U fein fdjien, in ber „grei=

beutfeben." fiter haben wieberbolt einaelne begeifterte Oünger ^oljapfels burd) 33orträge unb Hurfe weitere Anhänger für bte Sefjre 3U gewinnen gefuebt. gerner bat im 3af)re 1923 ber 33ertag Sugen $tcberid)s bas 3Berf „^Panibeal" in febr oeränberter unb erweiterter gaffung in 3Wei ftattlicben Sänben berausgebraebt. (©eh- 28 951!., geb. 34 3Kf.) Das ‘ffierf bat oielfacf) in Rettungen glän^enbe Beurteilungen ge=

funben. Schon über bie erfte Auflage bat ©raf Hermann 5?epfer=

ling geurteilt: „2ßobl als erfter bat ^»oljapfel es unternommen, für bie etbifebe Seroollfommnung empirif^pfpchologifche ©runbfäfce auf=

3uftellen, wobt als erfter ben fonfreten 3bcalbegriff, ben ewig ficb wanbelnben, ben auch id) oertrete, au faffen oerfuebt, unb man tnufe 3ugefteben, baß beibes ibm fo gut gelungen ift, baß f)ol3apfe[ ficber, je weiter bie Seit fortfdjreitet, b. b- je mehr bie SDlenfcbbcit bie oon ibm in a b stra c to abgeffedten ‘ffiege gebt, befto höhere ‘Jöcrtfcbätjung erfahren wirb."

2Iud) bie 3ütiger §ol3apfels fangen an ficb literarifcb 3U betätigen:

5)er „ ,;Pfpd)ofosmos"=33er[ag, 2Rüncben, 2eip3ig, 3ürid) bat begonnen, eine Schriftenreihe „2Ius ber ©ebanfenwett bes „ ‘’Pantbeal" erfcheinen 31t taffen.

(£nbtich hat f)ot3apfeI felbft im 3af)re 1928 ein 3weites großes SBert

„ <2BcIterIebnis" (2 33be., ©ieberiebs 3ena, geh- 19 2Rf., geb. 26 SOI!.) oeröffentlicht.

2lil bas beftimmte mich, erneut mich mit f>ol3apfel 3U befchäftigen.

®er Stnbrud bes „^anibeal" war wenigftens in feinem erften Sanb

J ) 9Bie ein 9toman, ber burd) bie bunfeiften Siefen bes ®afetns f)inburd>fül)rt, lieft ficb „bas geben fiotjapfets" eon SBtabimit 3tftro» (mit einem 93orn>ort pon Romain 5tolianb. 3ena, ®tebertcf)s, 1928. 73 6. ©ef). 3.25, geb. 5.75).

(14)

14 3i u b o I f SDtarta §> o 1 j a p f e I a l s ' P f p c f r o l o g e

biesmal berfelbe wie bei meinem erften 23erfud). (Es mürbe mir aud) flar, bajj biefer (Einbrud feirt bloß fubjeftioer mar: es fehlt eben bem 2Berf bie fpftematifche Anlage, bie ftraffe Kompofition, bas Beherrfd)f=

fein oon einem aentralen Problem ober einem leitenben ©ebanfen.

6d)on bas SnbaltsPergeicbnis läjjt bies erfennen. (Es lautet (für ben 1. 33b.): (Einfamfeit, (Schnfucht, Hoffnung, ©ebet, Kampf, ©ewiffen, Kunft, 3beal, Söclten.

(Es finb lofe, ja gelegentlich sufammenhanglos aneinanber gereifte, oorwiegenb pfpdjologifche Betrachtungen über bie genannten Seemen.

Diefe Betrachtungen felbft finb oielfad) non ermübenber Breite unb »er- lieren fiel) nicht feiten in Detailfragen. 2öas ihren fachlichen 3öert für bie (Seelenfunbe angeht, fo fcheint cs mir fchmer, jufammenfaffenb barüber 3u urteilen.

Die SDtethobe »on ^oljapfels '’Pfpchologie ift biejenige, bic in ben Kreifen unferer bas cjpcrimcntale Verfahren fehätjenben gachpfpchologcn etwas geringfd>ät;ig „6chreibtifchpfpd)otogie" genannt 3U merben pflegt.

9Ran will bamit fagen, bafe berartige pfpchologifd>e (Schriften in ber Siegel lebiglich auf 6elbftbeobad)tung, (Erinnerung an eigene (Erlebniffe, pfpchologifche (Erfahrung unb — Konftruftion in ber ^Phantafie beruhen, bafe fie ber Kontrolle buref) (Ejperimente unb Beobachtungen bgw.

6elbftbcobad)tung anberer entbehren.

Damit ift natürlich noch nicht bewtefen, bafj folche „Schreibtifcb- pfpchologie" wertlos wäre. (Es fommt eben barauf an, w e r am (Schreib- tifd) fifet. (Ein 9Tieöfd)e 3. 33. hat auch feine anbere SDtefhobe ange- wenbet. Söieoiel tiefe pfpcEwlogifche (Einfid)ten perbanfen wtr ihm! 3d>

habe nicht ben (Einbrud, bajj f>ol3apfcl als ^fpchologe ihm ebenbürtig ift. Och will aber nicht Perfchweigen, bafj 3. B . Stomain Slollanb ur­

teilt: „Keiner ift auf ben SReeresgrunb ber 6eete fo tief wie f)ol3apfel eingebrungen, in bie 3U einem üftefc perftridten Sebensfäben Pon (Egois­

mus unb Siebe, bes SRitgefühls unb bes ©egcngefühls, ber @d)affens=

Jraft unb bes 3erftörungsbrangs — ber Kräfte, bie retten unb per- nichten . . . f>ol3apfel erweift fid) Pon einer ©enialität ber Beobachtung unb pfpd)ologifd)en Ontuition, welche pon Mitgefühl befeelt ift, ber ,Quelle ber (Erfennfnis1. Die großen Bewegungen ber (Seele erfcheinen por uns wie plaftifd)e ©efichte. Aber in ber Befchreibung ber beob­

achteten ©efühle herrfd)t bie ftrengfte ^Prägifion unb Qbjeftipität ber SBiffenfchaft."

Die Ausführungen bes sweiten Banbes erhalten baburch mehr 3n=

fammenhang unb innere Einheit, bafj hier bie Betrachtungen über bas

© e w i f f e n (bie übrigens fchon im erften Banbe begannen) ffärfer porwalten. Diefe Betrachtungen finb es aud), bie es bebingen, baß bas ,,‘panibeal" burchaus fein blofe pfpchologifches 2Berf, fonbern sugleid)

(15)

9t u b o I f S D t a r i a £> o I3 a pf e I a l s 'P f 9 d? o 1 o g e 15

ein etbifcbes ift, unb jtnar nicht nur ein folcbes, bas »orbanbene Sittlicbfeit tbeoretifcb unterfucbt, fonbern bas für eine neue t)öE>crc Sittlicbfeit praf=

tifct) eintritt. SBäre fwlaapfel nur tbeoretifcb forfd>enber ^fpcJjoIoge, bann batte er fcbtoerlicb unter ber Ougenb begetfterfe Oünger gefunben. (Er ift eben mebr: er ift fittlicber — unb, wie wir nocb feben werben — religiös fer Reformator, &ünber neuer SQicnfcbbeitswege. 60 wirb es »erftänb=

lieb, baß er perebrenbe 3ünger finbet.

Schon ber Untertitel bes Söertes „^anibeal" oerrät biefen ©oppeI=

ebarafter unb feine foatale Neugeftaltung. Sache ber s‘j}fpd)ologie als folcber ift lebiglid) bie (Erforfcbung bes t at f äd>l i rf ?en Seelenlebens, für irgenbwelcbe „Neugeftaltung" bes Seelenlebens ift fie in feiner 3ßeife juftänbig. ©enn eine folcbe feßt ooraus, baß icb über bas 3Tatfäd)licbc binausgebe au bem, was nacb meiner ‘Jßertfcbä^ung fein f 01 1, was p e r b i e n t , laffacbe au »erben. 2llfo für alle ©ebanfen über Neu=

geftaltung ift engere Stellungnahme ju Söerten unb Obealen Voraus*

feßung.

S o febwebt aud) t)oIaapfel eine neue, böbe^e, mertoollere ©eftaltung bes „©ewiffens" Por. Önfofern er fie »or unfere Seele ffellf unb mit bid)terifd)er Straft ausmalt, fann er gübrer für innerlich jugenblicbe SSJtenfcbcn werben. 2lber in biefer feiner Sßirffamfeit ift er nicht mehr

„ ‘pfpcbologe"; er ift »ielleicbt mehr, Befferes als bas — jeboeb folcbe Bewertung bürfte faum notig fein.

3öas aber für bie Scbäßung bes „^anibeal" namentlich in wtf|en=

fchaftlicb unb pbtlofopbifd) gefcbulten Greifen fdjtocr ins ©ewicht fallen wirb, ift ber Umftanb, baß £>oIaapfel felbft pon bem 5)oppeId)arafter feines Sßerfes fein flarcs Bewußtfein au haben fdjeint: Nirgenbs finbe ich Betrachtungen über bas prinaipiell fo bebeutfame Problem: tote man benn aus ber Betrachtung unb (Erforfcbung bes tatfäcblid) Sßirflichen au bem gelangen fönne, was man für wert hält, »erwirfliebt au werben.

3111c bie gragen über bas Verhältnis oon pfpd)ologifchen Unterfud)ungen über bie tatsächlichen 3öcrfungscrlebniffe au wertpbilofopbtfdben über bie ©eltung pon 5Bertungen unb weiterhin aur praftifeben Vertretung oon ‘ffiertüberaeugungen — gragen, über welche bie neuere 2ßertphilo=

fopbie1) oiel Siebt perbreitet bat — fie roerben für f>olaapfel, foweit ich fehc, überhaupt nicht ©egenftanb bes Nacbbenfens. 3a, einaelne $uße=

rungen machen ben (Einbrud, als meine er, bie ^fpchologie fei für all bas allein 3uftänbig. S o äußert er einmal (I, S . 413, N r. 641): „(Es ift hoch an ber Seit, baß enblid) auch bie Seelenforfcbung, bie (Erfcnntnisfunft, welche berufen ift, bas Sehen ber Ntcnfcbcn am unmittelbarften au lcn=

fen, ihm 3öege weift au neuem (Erbenwanbel unb neuer 2lnbad)f."

!) 25gt. mein 23ucf) „Scuffc^e SBertpfnlofopfne bet ©egenroart". Seipsig, “ERcinicfe.

(16)

14 5t u t> o 1 f S K a r i a §>ol3a p f c I a l s ' P f p c f j o l o g e

biesmal berfelbe tüte bei meinem erften Verfucf). E s würbe mir auch Har, bafs biefer Einbrud fein blofe fubjeftioer mar: es fehlt eben bem 3Berf bie fpffemattfdje 2lnlage, bie ftraffe Äompofition, bas Beherrfd)t=

fein oon einem zentralen Problem ober einem leitenben ©ebanfen.

6d)on bas 3nhaltsoer3eid)nis läjjt bies erfennen. 6s lautet (für ben 1. Sb.): Einfamfeit, 6chnfucf)t, Hoffnung, ©ebet, Äampf, ©ewiffen, Äunft, 3beal, ‘Selten.

Es finb lofe, ja gelegentlich sufammenhanglos aneinanber gereihte, oortoiegenb pfpchologifche Betrachtungen über bie genannten Themen.

Diefe Betrachtungen felbft finb oielfad) oon ermübenber Breite unb oer=

Heren fid) nicht feiten in Detailfragen. 2öas ihren fachlichen SBert für bie

©eelenfunbe angeht, fo fcheint es mir fdjtoer, jufammenfaffenb barüber 3u urteilen.

Die SRethobe oon fjolgapfels ^Pfpchologie ift biejenige, bie in ben Greifen unferer bas ejperimentale Verfahren fchäfeenben gachpfpchologen etwas geringfd)äßig „€>chreibtifchpfpd)ologie" genannt 3U »erben pflegt.

3Ran toill bamit fagen, bajj berartige pfpchologifche Schriften in ber Siegel lebiglich auf 6eIbftbeobad)tung, Erinnerung an eigene Erlebniffe, pfpchologifche (Erfahrung unb — Äonftruftion in ber “^hantafie beruhen, bafe fie ber Kontrolle buref) Efperimente unb Beobachtungen ba».

Selbftbeobachtung anberer entbehren.

Damit ift natürlich noch nicht betoiefen, bafs folche „€>cf)reibtifch=

pfpchologie" wertlos wäre. E s fommt eben barauf an, w e r am <3chreib=

iifc£) fitjt. Ein Nietjfche 3. B . hat auch feine anbere SOtethobe ange=

wenbet. 2öieoiel tiefe pfpd>o!ogifrf)e Sinfichten oerbanfen wir ihm! 3d) habe nicht ben Einbrud, bafe |?ol3apfet als ‘’Pfpchologe ihm ebenbürtig ift. 3cf) will aber nicht oerfd>weigen, bafe 3. B . Nomain Nollanb ur­

teilt: „Heiner ift auf ben SÖteeresgrunb ber (Seele fo tief wie fw^apfet eingebrungen, in bie 3u einem Net$ »erftridten ßebensfäben oon Egois=

mus unb Siebe, bes 3JtitgefühIs unb bes ©egengefühls, ber €>chaffens=

fraft unb bes ^erftörungsbrangs — ber Kräfte, bie retten unb oer=

nid)ten. . . f)ol3apfel erweift fid) oon einer ©enialität ber Beobachtung unb pfpchologifchen 3ntuüion, welche oon Mitgefühl befeelt ift, ber .Quelle ber Srfenntnis'. Die grofeen Bewegungen ber Seele erfcheinen oor uns wie plaftifche ©efichte. 2lber in ber Befchreibung ber beob=

achteten ©efühle hctrfd)t bie ftrengfte ^räsifion unb Objeftioität ber 3Biffenfchaft."

Die Ausführungen bes 3Weiten Banbes erhalten baburd) mehr 3u=

fammenhang unb innere Einheit, bajj hier bie Betrachtungen über bas

© e w i f f e n (bie übrigens fchon im erften Banbe begannen) ftärfer oorwalten. Diefe Betrachtungen finb es aud), bie es bebingen, bafs bas

„^Panibeal" bttrehaus fein bloß pfpchologifches 2Berf, fonbern augleid)

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