• Nie Znaleziono Wyników

Philosophie und Leben. Jg. 7, H.3 (1931)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Philosophie und Leben. Jg. 7, H.3 (1931)"

Copied!
32
0
0

Pełen tekst

(1)

*j|M)t!ofopt)te u n b Heben

7. J A H R G A N G + 3. H E F T + MÄRZ 1931

„ 3 m O t e n f t e b e r I D o l I t e e t n h e t t e r f t r e b t u n f e r e 3 e t t f $ r i f t e i n e f a d)-- l t d) e S l u s f p r a i h e b e r b e t r i e b e n e n t o e l t a n f d j a t t l i t y e n E t < h t u n g e n . “

Erkenntnistheoretisch.es Heft

2>er refafüriffifd)e ^Pojitttrismus

Von 2 B a 11 f) c r 9 i a u f c f ) e n b e r g e r

Sic Vertreter bes ‘■pofitimsmus, ber „3mmaneng", leugnen jeben prin=

gipiellen Unterfchieb g»ifchen 3nnen= unb 2lufeen»elt, g»ifd>en ^Pfp=

d)tfcf)em unb ^tjpfif^em unb erflären beibes als pfpcfjoptjpl'ifcf) „neutral", tiefes pfpcf)opl)pfifd) „neutrale" ©ebiet ift ber alleinige ©egenftanb »if=

fenfchaftlicher (Erfenntnis, nur biefes ift ftreng „immanent". 2 llles bar=

über hinaus Siegenbe, insbefonbere bie 2 lnnahtne einer r»om 6 ubjeft un=

abhängigen 2 lufeen»elt ift 9Hetaphpfif, bie ftreng gu meiben ift. Gbenfo fcheibet aus einem »iffenfchaftlichen Weltbilb aus alles prinzipiell ilner=

fahrbare, b. h- nicht unmittelbar finnlid) Wahrnehmbare. 6 o finb wir nad) bem ^ofitioismus 3 . 55. nicfjt berechtigt, non ber Gjiffeng eines

„Würfels" gu reben, ba biefer uns immer nur beftimmte glächen feines Körpers gufeEjrt, unb mir nicht imftanbe finb, bie fed)s glasen eines Wütfels gleichseitig gu überfchauen. Ser „Würfel" als folcher wirb bem=

nach einfad) als ein „'Begriff" erflärt. Wahrnehmbar finb immer nur be=

ftimmte glächen unb ihre gefefcmäfeige golge. 3a, ein ‘’Pofitioift1) t>er=

fteigt fid) gu ber Behauptung, bafe ein „W ürfel" nicht nur nicht ,,»af)r=

nehmbar", fonbern aud) nicht „norftellbar", ja nid)t einmal als „wahr- nehmbar ober oorftellbar benfbar" (!) fei. W ir fönnen gunächff biefem 6 d)riftfteller oerfichern, bafe es Seute gibt, benen nicht nur ein „Würfel"

eorftellbar, fonbern benen noch erheblich Schmierigeres norftellbar unb oor allem benfbar ift.

Sie Behauptung, bafe bie fechs glächen eines Würfels nicht gleichgeitig unmittelbar erfafebar feien, ift inbeffen oöllig unrichtig. 3d) fann einen Würfel gtoifchen bie ginger beiber f>änbe nehmen unb feine fechs glächen gleichgeitig fühlen, Unb g»ar erftredt fid) biefes ©efühl fotoohl auf bie

©röfee ber nerfchiebenen glächen, »ie auf bie Befd>affenheit ihrer Ober=

fläche (ob glatt, rauh, »eich ober hart) unb auf bas ©e»id)t bes S?ör=

pers. Surch bas gühlen ber ©röfee ber glächen, ihrer Oberflächenbefd)af=

*) 31. Sünmetmann in [einet Sluffafetei^e „® ie phänomenale unb bie pbpfifalilcbe SBelt". SD'loniftifdjc SRonafsbefte, 3g. 11.

^J&ilofop&le unb Seben. VII. 5

(2)

62 ©er r e l a f i n i f t i f d ) e P o f i t i e i s m u s

fenheit, ber Unburch 6 ringlicf)feit unb ber (Seltnere bes Körpers toirb mir biefer Körper als Realität unmittelbar gewife. Ser Saftfinn übertrifft ben

©eficljtsfinn an Ginbringlicf)feit ba, wo es gilt, Realitäten gu fonftatieren.

Sie gefeftmäfeige golge ber oerfdjiebenen glä^en bes 2 Bürfels, bie id) mit bem ©efid)tsfinn wahrnehme, wirb alfo burch ben Saftfinn erweitert unb erflärt baburd), bafe id) burch ben Saftfinn unmittelbar toahrrtehme, bafe ein „3Bürfel" (gum minbeften als pfpd>ifd)e Realität) ejiftiert; unb umgefehrt ift bie gefefcmäfeige golge, bie id) bei Srehung bes Söürfels mit bem ©efid)tsfinn tonftatiere, eine Grgänjung unb Verifizierung mei=

ner Safftoahrnehmungen. Beibe ergänzen fid) unb ftimmen inhaltlich mit=

einanber überein. Sie Behauptung, bafe ber „3Bürfel" lebiglich ein „Be=

griff" fei, ift bemnad) oöllig unrichtig. Ser 3Bürfel ift fein Begriff, fon=

bem gum minbeften eine pfpd)ifd)e Realität. Ob er barüber hinaus noch mehr ift, b. h- ob er unabhängig oon meiner ‘Wahrnehmung ejiftiert, ift eine grage für fich.

Sie foeben befprochene unmittelbare Sßahmehmung burch gühlen ift nur bei einem Söürfel möglich, ber fid) mit ben gingern unferer |>änbe umfpannen läfet. 2 Bir gweifeln aber feinen Slugenblid, bafe etn Diel grö- feerer SBürfel, 3 . B . ein gelsblod, in bemfelben ©inne ejiftiert wie ber fleine SBürfel. frntten wir f>änbe fo grofe wie ber gelsblod, fo fönnten wir aud) ihn umfpannen, ihn unmittelbar fühlenb „wahrnehmen". Sie Bebingungen ber (Ejiftens eines grofeen gelfens finb bie gleichen wie bie eines fleinen SBürfels. Sas ©Ieid>e gilt nun aud) für gan 3 grofee Körper, wie fummelsförper, wie für unwahrnehmbar fleine, wie Eleftronen unb 3onen. Kein Vernünftiger wirb baraus, bafe (Eleftronen unb Oonen nicht wahrnehmbar finb, ben ©chlufe 3 iehen, bafe fie nicht ejiftieren, fonbern nur Begriffe feien. Vielmehr hanbelt es fid) in allen biefen gälten nur um ©röfeenoerhältniffe, genauer gefagt, um Verhältniffe ber ©röfee un=

feres Körpers unb unferer Sinnesorgane 3 U ben genannten Körpern. Sie

©onne, wie ein Eleftron eyiftiert in bemfelben ©inn wie ber SBürfel, ben meine §>anb umfpannt.

(Es mufe an biefer ©teile bemerft werben, bafe bie Be 3 etd)nung nicht wahrnehmbarer realer Raturfaftoren, wie ber 2 ltome, ber Energie, ber

£id)tgefd)Winbigfeit, ber d)emifd)en Affinität ufto. als „Begriffe" überhaupt jeben ©inns entbehrt. Ser Begriff ber 2id)tgefd)winbigfeit beträgt nicht 300 000 Kilometer in ber ©efunbe, ber Begriff bes 2Itoms bewegt fid) nicht, ber Begriff ber Energie fefct fich nicht oon einer gorm in bie anbere um1). Serartige ©äße ergeben feinen ©inn unb beweifen bamit un=

mittelbar ihre Unrid)tigfeit. Sie 2id>tgefd)Wtnbigfeit ift fo wenig ein Be=

griff, wie ein ©d)tner 3 , ben id> empfinbe, ein Begriff ift. ©emeint finb

*) 3Sgi. SSteRer, 2luguft: Ser !riti[cfre Stealismus. 1923, 6 . 27 f. (SBiflen unb 9Bir-

len, 33b. 9.) 95 erla 0 33raun, Satlsru^e.

(3)

® e r re [ at t » i f t i f c&e (! P o ( i t i ßt smu s 63 in ollen biefen gällen Realitäten (feien es innere ober äufeere). Sluch ber Umftanb, bafe bie ©efcung einer Realität, wie 3 . 33. biejentge eines SItoms, 3 unäd)ft hppothetifd) ift, bafe beffen (Ejiften 3 weiter burd) bie 9Birflid)feit erhärtet, an ihr nachgeprüft werben mufe, macht bas Sltom nid)t gu einem begriff. SBir nehmen »ielmehr in biefem gall Dorläufig an, bafe ein Sltom ejiftiert, b. h- wir nehmen an, bafe wir bas 2 Itom wahr=

nehmen fönnten, falls wir genügenb fdjarfe ted)niftf)e SRittel (Vergröfee»

rungsgläfer) hätten. 3Ran fpridjt in wiffenfd)aftlid)en 3lbhanblungen nicht oon reinen ^Pljantafiegebilben, gebraucht biefe nicht gur „(Erflärung"

t>on Raturerfcheinungen, fpridjt nicht Don Sltomen, bie nirgenbs ejiftieren.

Vielmehr weift ber Umftanb, bafe irgenbeine Einnahme eine reale Ratur=

erfcheinung wirtlich erflärt, bar auf hin, bafe biefer Slnnahme in bem 3 «=

fammenhang ber Singe irgenb etwas Wirfliches entfpridjt. Hierauf fann nicht fd)arf genug hingewiefen werben.

W ir haben es bemnad) bei alten Realwiffenfd)aften mit Realitäten;

unb beren näherer Veftimmung su tun, unb es fann fid) nur bie grage ergeben: <Sinb biefe Realitäten nur Vewufetfeinsrealitäten ober finb es Realitäten, bie aud) unabhängig Don unferm Wahrnehmen ejiftieren? ,

®as ßefetere leugnet ber ^ofitiDtsmus unb Derweift auf bie Onbifferen 3 , ^ bie urfprünglidje fubjeftioe (Einheit Don 6 ubjeft unb Objeft, Don phpfi=

fd)en unb pfpcf)tfd)en Vorgängen. ®as urfprünglid) bem Vewufetfein ©e=

gebene, Don ihm Vorgefunbene, fenne bie Unterfdjeibung Don ^Pljpftfdjem unb ^fpchtjchem nicht, fei gegenüber biefen Gegriffen „neutral". ®iefe urfprüngliche (Erlebniseinbeit Don (Subjeft unb Objeft fommt bei Äinbern unb primitiöen SRenfcben Dor, fie beweift aber in erfenntnistheoretifcher 33 e 3 iebung nicht bas minbefte. Vielmehr liegt im ©tanbpunft bes ‘’Poft*

tioismus, eine in ber ^Philofophie fich leiber immer wieber seigenbe (Er=

fd>einung, bafe irgenbeine primitioe ober paraboje Sinnahme als ber Weisheit lefeter ©djlufe erflärt unb mit allen SKitteln ber Wiffenfchaft Derteibigt wirb. Sas natoe Verfinfen in bas Objeft, bas fich felbft oer=

geffenbe Hingeben an bie Wirflichfeit als bas Slbfolute, bie Derftanbes*

mäfeige ©cfceibung Don ©ubjeft unb Objeft bagegen als bas Relatioe 3 U be 3 eid>nen, wie es Simmermann tut, ift gerabe fo, wie wenn ich einen Difuellen (Einbrud, ben ich M d ) beute, als bas Slbfolute, ben burch Rachbenfen ermittelten, als richtig erfannten 6 acf>Derhalt bagegen als bas Relatioe bejeicbnen wollte. ®as Kinb hält ben ©egenftanb, ben es im ©piegel fieht, für wirflich; es betrachtet bie 6 onne als eine golbene (Scheibe, ben 9Jtonb als eine golbene 6 td)el ufw. ®er erwachfene 9Jtenfd) aber burchfchaut biefen (Schein. Unb wie es in biefem galt bem (Erwach=

Jenen geht, fo burchfchaut ber benfenbe SRenfch überhaupt bie STäufdjung ber urjprünglichen (Erlebniseinheit Don 6ubjeft=0bjeft, erfennt fie als 3rrtum. (Er weife, bafe feine ©efühle, feine Willensafte nur ihm allein

5*

(4)

64

© e t r e l a t i a i f t i f c f o e P o f i t i o i s m u s

angeboren; er weife ferner, bafe ein ©egenftanb ber Slufeenroelt nicht ein- fach in fei« Bewufetfein hinüberwanbert, bafe er gioifchen bem ©egen­

ftanb ber Slufeenwelt unb feinem fubjefttoen Slbbilb unterfcheiben mufe;

er weife enblich, bafe berfelbe ©egenftanb Don anbern SÖtenfchen wahr- genommen wirb, unb 3 War in feinen wefentlichen 93eftimmungen als in­

haltlich gleich-

Ser ^ofifioismus bagegen beruft fich auf bie Einheit ber Empfinbungs- weit, tut fo, als ob biefe Empfinbungswelt Don einem einzigen 23ewufet- fein, Don einem erfenntnistheoretifchen Subjett fchled)thin, wahrgenom­

men werbe.

©egen ben ‘'Pofitioismus ift gunächft ju bemerten, bafe bie Einheit ber Empfinbungswelt, bafe bie einheitliche SBelt, bie er behauptet, gar nicht ejiftiert, fonbern nur Dorgetäufcht ift. Es gibt nicht e i n Bewufetfein, es gibt nicht ein „25ewufetfein überhaupt" ober ein „Bewufetfein fchlechthin", fonbern es gibt in 3Birflid)feit Diele, fehr Diele 93ewufetfeine, fehr Diele erfennenbe ©ubjefte. Unb es gibt infolgebeffen nicht eine Empfinbungs­

welt, fonbern fehr Diele Empfinbungswelten — fo Diele, als es erfen­

nenbe ©ubjefte gibt. 3ebe Empfinbungswelt ift ontologifch an ein anbe- res erfennenbes ©ubjeft gefnüpft, fteht unb fällt mit biefem.

3ßolIte ber ‘’Pofitimsmus btes leugnen, bann würbe er auf ben ©tanb- punft bes ©olipfismus gurüdgeworfen, ber nur bas eigene Bewufetfein als ejiftierenb anerfennt. Siefer ©tanbpunft aber wiberfpricht fich felbft fdjon baburch, bafe er fid) an anbere wenbet, ja fchon baburch, bafe er Don

„feinem" Bewufetfein fpricht (womit bas anbere Dorausgefefet ift). Ser

©tanbpunft bes ©olipfismus bürfte als Theorie überhaupt nie aufge­

treten fein, niemanb bürfte Don ihm Kenntnis genommen haben, fonbern er müfete in bem einzigen ejiftierenben Bewufetfein ftreng behütet ein fümmerliches Safein frtften.

Ser ^ofitiDismus bagegen nimmt eine einheitliche Empfinbungswelt für alle ©ubjefte an. Er tut fo, als ob eine Söelt ejiftierte, als ob eine 3bentität ber 3öelt Dorliege, währenb tatfächlich Diele (Empfinbungs-) SBelten ejiftieren unb biefe nur gleichen Onhalt haben. Er macht aus ber

©leichheit bes 3nhalts eine 3bentität ber SBelt! Sie ©leichheit bes 3n=

halts aber Dermag ber ^ofitioismus in feiner Süßeife ju erflären. ©erabe hier aber liegt bas Problem!

Slllerbings macht auch ber ‘’Pofitioismus ben Verfud), bie inhaltliche Übereinftimmung ber Bewufetfeine begreifbar su machen, Derwicfelt fid) aber babei in gan 3 naioe Söiberfprüche. Er begrünbet feine Theorie bio- logifch, macht bas jeweilige ©efamtweltbilb Don ber Entwidlung ber

^entralneroenfpfteme abhängig. fjier erfcheinen auf einmal bie Empftn-

bungen, bie als lefote Elemente alles 2öirfli<f>en gu gelten haben, in ihrer

(5)

5>er r e l a t t » i f f i f < f > e “^ o f t t i D i s m u s

65

©efamtbeit abhängig Don einem gang fpegiellen Empftnbungsfomplej, bem ©ebirn! $ie. ©efamtbeit ber Sßirflicbfeit (Empfinbungswelt) ruht auf einem wingigen Ausfcbnitt ihrer felbft. 33on ber 53eränberung tt>tn=

giger Seile ber 3Btrffid)!eit (©ebirne) bängt bie Qualität ber 33eränbe=

rung ber ©efamtwirflicbfeit ab! ©ies ift, erfenntnistbeoretifd) unb meta=

pbpfifcb betrachtet, eine oöllige ilnmöglirf)feit! ©obalb man Empfinbungen unb Vorftellungen als lefcte Elemente alles 3Birflichen ertlärt, muß man bei biefen Elementen ftebenbteiben, barf fie nicht ibrerfeits wieber gu erflären oerfucben. Am allerwenigften aber barf biefe Erflärung aus einem Seil biefer 3Birflid)feit felbft entnommen werben! Niemals fann ein Ausfcbnitt einer wie irgenb gearteten 3Belt einen Erflärungsgrunb für bie ©efamtbeit, für bie Qualität biefer felben Söelt abgeben!

©er bisherige ©ebanfengang wirb aber collenbs gu einem unmög=

liehen, wenn man bebenft, bajj bie Entwidlung ber ©ebitne oon gang beftimmten Entwidlungsftabien ihrer Umgebung, b. h- eben ber Söelt ab=

hängig ift, bie ibrerfeits wieber oon ber Entwidlung ber ©ebirne abbän=

gig fein foll! Auch ber ^ofitioismus fann nicht leugnen, bajj bie Ent=

ftehung oon ©ehirnen oon einer beftimmten 55efcbaffenheit ber Erbober=

fläche (Abfüblung, Entftehung organifeben Sehens) abhängig ift. 3)er

^ofitioismus bewegt fid) alfo in einem eoibenten 3 irfel: ®ie SBelt (als

©umme ber Empfinbungen betrautet) ift abhängig oom ©ebirn (als einem wingigen Empfinbungsfomplej) unb bas ©ebirn (als Empfinbungs*

fomplej) ift wieber abhängig oon ber 3Belt (als ©umme ber Empfin=

bungen)! Einmal ift bie Söelt bebingt burch bas ©ebirn unb bas anbere 2Ral bas ©ebirn burch bie SBelt. ®iefer eingtge Einwanb ftürgt bas gange, biologifch funbierte ©ebäube bes ^ofitioismus um!

3Ran wirb oieileicht bagegen einwenben, bafj ber oorgetragene Ein=

wanb auch anberen 9Beltanft$ten gegenüber, 3 . S . gegenüber bem SRaterialismus, gutreffe. Sies ift aber feineswegs ber galt. S'lach materialiftifcher Anfid)t ejiftiert bie 5öelt in 9taum unb 3eit unabhängig oom erfennenben ©ubjeft, im wefentlichen in ber ©eftalt, in ber wir uns bie 2Belt Dorftellen. Alles ©eiftige ift ein Ergeugnis bes ©ehirns, oer=

änbert fich mit biefem. ®er oom ©ubjeft unabhängige ^Progeft ber 3Jtate=

rie wirb aber babureb gar nicht berührt. $>a bie Empfinbungen auf ben unabhängig oon ihnen oerlaufenben Söeltprogefc eingeftellt finb, fich ihm anpaffen, fo ift unfere 35orftelIungsweIt im wefentlichen ein treues Ab=

bilb ber ®irflid)feit. 5)iefe 3Beltanfd)auung ift in fich wiberfpruchslos.

©obalb man bagegen Empfinbungen unb 33orftellungen als lefete Ele=

mente alles ©eienben erflärt, muß man, wie fd>on bemerft, bei ihnen ftehenbleiben, barf fie nicht wieber (biologifch ober fonftwie) gu erflären oerfuchen; fonft oerwidelt man ficf) in unentrinnbare SBiberfprücbe.

SSleibt man aber bei Empfinbungen als letjten Elementen ftehen, fo

(6)

66 $) e t t e l a tioiftifc^ c < P o ( i t t » t s m u s

ergebt ficf) fofort bie grage: 2 öte erflärt fid) bie inhaltliche ftbereinftim=

mung ber Dielen 33orftellungs»eIten? Siefe Übereinftimmung bebarf einer Klarlegung. 9Ran fann fie nicht einfach als Jatfadje hinnehmen.

3Ran fann biefe äbereinftimmung als Zufall erflären ober fie als eine präffabilierte göttliche Harmonie auffaffen. Soch fommen beibe 2 luffaf=

jungen nicht als ernftpnehmenbe, toiffenfchaftliche Erflärungen in 33e=

tracht.

Ein unmittelbarer fnntoeis liegt in ber Empfinbung felbft. Onhaltlich übereinftimmenb finb nämlich nur biejentgen Vorftellungen ber Derfd)te=

benen Subjefte, bie Empfinbungen genannt werben. 2llle übrigen fee=

Itfchen Vorgänge finb bei jebem Subjeft in einem beftimmten 3^itpunfte anbers (©efühle, Strebungen, ^hantafieoorftellungen uf».). $ie 33er=

fchiebenheit ber feelifchen 3nhalte ift hier fo grofe, baß nicht mit Unrecht bei jebem Subjeft oon einer anberen “Seit gerebet »erben fann. Sie Empfinbung hat weiter bie Eigentümlichfeit, bafe fie unmittelbar auf ein oom Subjeft Unabhängiges bezogen »irb, fobalb auch nur bie aller=

primitioften Stabten ber Enttoidlung eines Snbioibuums übertounben finb. ®iefe Sd)etbung gegenüber ben anberen Erlebniffen bes 3nbioibu=

ums finbet fid) fchon bet bem unmittelbar ©egebenen Dor. ©an 3 unrid)=

tig ift bie 2luffaffung, bajj biefe Unterfcheibung etwa fünftlid) in bas ur=

fprünglicf) ©egebene hineingetragen »erbe.

Enblich hat bie Empfinbung bie Eigentümltd)fett, bajj » ir über ihr Kommen unb ©ehen, ihr Verharren unb 2 lnbers»erben nicht felbft ent*

fcheiben fönnen »ie bei anbern Vorftellungen, baß » ir ber Empfinbung gegenüber einen Swang empfinben, »ährenb » ir unferen < ’Phantafieoor=

ftellungen gegenüber uns frei fühlen. Sffiir fühlen in ber Selbftänbigfeit ber Empfinbung, bajj etwas grembes, Don uns Unabhängiges auf uns ein»irft. So oft » ir ein rotes 23laft betrauten, haben » ir bie Empfin=

bung „rot", fobalb » ir bas 53latt entfernen, oerfd)»inbet biefe Empfin=

bung. ©erabe fo oerhält es fich bei ben ©ehör=, ©eruchs= unb ©e=

fchmadsempfinbungen. 2lm einbringlichften aber tritt bie Selbftänbigfeit ber Empfinbung in ber Saftempfinbung auf. fjier fühlen » ir am un=

mittelbarften bie Slbhängigfeit oon bem fremben ©egenftanb. fjier tritt 3 u bem 3»ang, mit bem » ir ben 3nhalt ber Empfinbung perjipieren, noch ein Weiteres hinzu: ber SBiberftanb, ben ber bie Saftempfinbung herDorrufenbe ©egenftanb uns entgegenftellt. 33etfpiel: SBir gehen auf eine gels»anb 3 U unb betaften fie. 3Btr fühlen bie gormen ihrer Ober*

flädje, fühlen, ob fie rauh, glatt, »arm, falt, »eich ober hart ift. 3 Btr nehmen aber au&erbem »ahr, bafj bie gels»anb unburchbringlid) ift, bajj fie bem Verfuch, »eiter oor»ärtS 3 ufd>reiten, unübenoinbltchen 2Biber=

ftanb entgegenfefct. 3öir finb »erhinbert, in ber oon uns beabfidjtigten

Dichtung »eiter 3 ugehen, muffen eine anbere 9tid)tung einfchlagen, »enn

(7)

® e r t e l a t i D i f t i f $ e ^ o t i t i o i s m u s 67 wir uns bewegen wollen. 2llle anberen ©ubjefte bes Erfennens, bie fid) ber gelswonb nähern, machen biefelbe Erfahrung.

Sßelche 2 lnnaf)me liegt gegenüber all biefen 2 atfacf>en näher, als bie Slnnahme, baß eine Don ben ©ubjeften unabhängige Realität alle biefe Empfinbungen fjeroorruft? 3n SBahrfjeit ift bies bie einzig mögliche unb bie eingig wiffenfdjaftliche Erflärung. Oeber anbere Erflärungsoerfud), etwa ber, baß bie Übereinftimmung ber Empfinbungen burch eine prä=

ftabilierte Harmonie herDorgerufen werbe, müßte als abenteuerlich t>er=

worfen werben.

Söenn fiele ©ubjefte bes Erfennens, bie in ihrer Erifteng Doneinanber unabhängig finb, bei Betrachtung unb 93efühlung eines ©egenftanbes alle inhaltlich bie gleichen Empfinbungen hohen, fo gibt es bafür nur e in e Erflärung, nämlich bie, baß biefe Übereinftimmung burd) einen oon allen ©ubjeften unabhängigen ©egenftanb oerurfacht ift (beffen nähere Qualität gunächft bahingeftellt bleiben fann). Einen foldjen

©egenftanb nennen wir eine „Realität".

2Iber aud) ohne bie inhaltliche Übereinftimmung ber Empfinbungen in Dielen ©ubjeften, würbe ber Gfjarafter ber Empfinbung in einem einzigen

©ubjeft bie 2lnnabme einer Dom ©ubjeft unabhängigen Realität not=

wenbig mailen. Sie Empfinbung unterfdjeibet fich funbamental Don einer bloßen 33orftelIung, weift in ihrem ©runbeharafter auf eine Dom ©ub=

jeft unabhängige Realität hin. SBenn ich t>or einer gelswanb ftehe unb bur<^> fie hinburebfehreiten möchte, fo fann in mir nicht ber ©ebanfe ent=

ftehen, biefe gelswanb fei nur eine 53orftellung Don mir. ®ie Sinnahme, baß mir bort eine gelswanb nur erfcheine, fönnte mich nicht abhalten, tatfäd)lid> Dorwärtsgufchreiten. 9tur eine gelswanb, bie unabhängig Don mir ejtftiert, fann biefe Sßtrfung ausüben.

öch fann auch nicht ernftlich annehmen, baß bie allgemeine Organi»

fation meiner Vernunft mid) gwinge, eine gelswanb angunehnten, wo tat- fächlich feine egiftiert („e;iftieren" im ©inne eines ©eins unabhängig Dom ©ubjeft). JliemafsTänn eine "allgemeine Organifation meiner SJer- nunft bie Erflärung bafür abgeben, baß ich 3 « einer beftimmten Seit an einem beftimmten Ort eine beftimmte gelswanb Don gang beftimmter

£>öhe, Rreite, Oberflächengeftaltung ufw. als ejiftierenb angunehmen ge=

gwungen bin, wäbrenb an anberen ©teilen bes ^Raumes ein berartiger 3 wang nicht oorliegt, ich ins ßeere fchaue ober gang anbere ©egenftänbe, eine grüne Sßiefe, 53aumftämme ober ein £>aus oor mir fehe. Siefe gang inbiDibuellen 3Komente meiner ‘ffiahrnehmung, bie bis auf minutiöfe Eingelheiten ausgebehnt werben fönnen, finb niemals burd) eine all­

gemeine Organifation meiner Vernunft erflärbar. Ebenfowenig finb fie erflärbar aus einer beftimmten 33efchaffenheit ber Sentralneroenfpfteme.

SUur bie Dielgeftaltige, unenblid) reiche Statur (bie fein menfdjliches

(8)

68 ® e r rel at t ui f t if c&e ' P o f f t t o i s m u s

Senfen erfchöpft), nur Singe, bie unabhängig Dom erfennenben ©ubjeft ejiftieren, finb in ber Sage, berartige Sßirfungen hetoorgurufen, eine Be=

reicfjerung bes menfd>lid)en ©elftes herbetguführen, wie es täglich unb ftünblich geschieht. Sie erfennenben ©ubjefte roären unfäglicf) arm, wenn fie fich immer nur in ihren eigenen Vorftellungen bewegen würben.

Slufeerbem mufe bemerft werben, bafe eine 3 öelteinrid)tung, bie uns Singe Dorfpiegelte, wo in SBahrheit gar feine finb, einer ungeheuren gopperet gleichfäme. Ser 2ßahrheitsd)arafter ber 5öelt, ber Statur wäre in grage geftellt, ja vernichtet.

SBir fönnen aber an einer gelswanb weitere, für unfer Problem ent=

fcheibenbe geftftellungen machen. Söenn wir mit großer ©ewalt unfern Sopf gegen bie Sßanb rennen, fo oerfchwinbet bie gange Vorftellungs=

weit bauernb ober Dorübergehenb. Sie geringfte Verlegung unferes ©e=

hirns hebt unfere gange Empfinbungs= unb Vorftellungswelt auf. Sies wäre unmöglich, wenn bie gelswanb, wenn unfer ©ehirn lebiglich (Emp=

finbungen unb Vorftellungen wären. Senn wie follte eine (Empfinbung, eine Vorftellung bgw. eine fleine Veränberung an ihnen, bie gange (Emp=

finbungs= unb Vorftellungswelt aufheben? (Empfinbungen unb Vorftel»

iungen fönnen immer nur Vorftellungen heroorufen, niemals aber bie gange Vorftellungsreihe abreifeen.

Sin weiterer fehr wichtiger Beweis für bie (Ejifteng einer transfubjef=

tioen SBelt ift bie Vielheit ber ©ubjefte unb ihre Verftänbigung unter»

einanber. Ser ‘’Pofitimsmus will ohne eine transfubjeftioe Sßelt aus=

fommen, ohne gu bebenfen, bafe bie Verftänbigung Dieter, ooneinanber unabhängiger ©ubjefte unb Vorftellungswelten bereits eine transfubjef=

tioe SBett Do ra us fe tj t . Oebes oorftellenbe ©ubjeft hat feine eigene Vorftellungswelt, bie nur ihm unmittelbar gugänglid) ift, in bie nur er felbft unmittelbare (Einficht hat. Sie oerfchiebenen Vorftellungswelten oerlaufen geitlicf), finb ihrer (Efifteng nach aber Doneinanber unabhängig.

(Eine reale Begiehung, ein Rapport gwifchen ben Dielen Vorftellungs*

weiten ift nur möglich, wenn ein Don allen unabhängiges, geitlich ge=

artetes SUtebium (gleidwiel welker 2lrt) Dorhanben ift. Somit allein fchon ift bie (Efifteng einer Don allen ©ubjeften unabhängigen, trans=

fubjeftiDen SBelt erwiefen.

Ser ^ofitioift bagegen bürfte, wenn er feinem ©runbfaft, nur bas unmittelbar SBahrgenommene als wirflich anguerfennen, treu bleiben wollte, bie pfpd)ifd)en Vorgänge in anbern SKenfchen unb in Sieren nicht anerfennen, müfete ihre (Ejifteng leugnen. (Er müfete auch bie (Efifteng Don eigenen, unbewufet Derlaufenen, nicht wahrgenommenen pfpcfjifchen Vor=

gängen Derneinen.

Safe bie Singe ba finb, aud) wenn wir fie nid>t fd>auen, betaften,

hören, riechen unb fchmeden, fann natürlich auch &er ^ofitioift nicht

(9)

® e r relatiDiftifcfce ‘’P o f i t i D t s m u s 69 leugnen (er müßte fid) fonff auf Ausfagen über bas ihm augenbücflid) im Vewußtfein ©egenwärtige befcfjränfen!). 3öie ber ‘’fJofittüismus ficf) aber bie Eftftena »on nur wahrnehm b a r e n , tatfä<hlid) ntcf)t r»aE)rgenom=

menen Singen nach feiner 3Tf)eorie benft, ift gänzlich unerfinblid). 3ft bas nirf>t SBabrgenommene, nur in feinen ‘Söirfungen Erfchloffene auch eine Smpfinbung? Oft basjentge, woran ber ^ofitioift nie gebaut f>at, bas aber für ihn wahrnehmbar ift, eine 33orfteüung, folange es nicht toaf)r=

genommen ift? Ober welche anbere Art »on Ejiftena hat es, bis es t»ahr=

genommen wirb?

6 s muß h^r aufs fchärffte bemerft werben, baß basjenige, was nur als mögliches Objeft in betracht fommt (barüber hinaus nichts ift), über»

haupt feine Ejiftena befifjt. (Es gibt nur ein wirfliches, fein mögliches

©ein. — Sas transfubjeftioe ©ebiet, au beffen Annahme wir nach Vor=

ftehenbem gezwungen finb, wirb »on einem ‘’Pofitfoiften fchfanfweg als bas ©ebiet ber „fumpfigen unb übelriedjenben 9tieberungen ber 3Reta=

phpfif" erflärt. Es wirb burch biefe unb ähnliche Ausbrücfe ber Schein heroorgerufen, als ob es fich babei um eine SJtetapbpfif alten ©tils, um tranfjenbente ©pefulationen etwa ber ©cholaftif, hanbeln würbe, wäf)=

renb wir in 3Birfli<hfeit auf ©chritt unb Sritt auf transfubjeftioes (außerhalb uns liegenbes) ©ebiet ftoßen unb uns in ber ^rajts fehr genau nach ihm richten müjfen, wenn wir nicht au ©chaben fommen wollen (bas tun wohlgemerft auch die ^ofitioiften!).

Sie phpfifche, transfubjefti»e 3öelt, »on ber alle 9lealwiffenf<haft rebet, in ber fie fich bauernb bewegt, wirb als „berüchtigte SRetaphpfif"

beseidmet!

Alle äußere Realität wirb in „^Bahrnehmungsfoinaibenaen"1) auf=

gelöft. 3Borauf bie „Koinaibenjen" ber SBahrnehmungen beruhen, wie fie fich erflären, bas wirb nicht unterfucfjt. 3ßenn mir »on ber Eifenbahn ein 33ein abgefahren wirb, fo ift bies nur eine „2Bahmehmungsfoinai=

bena". Ser fie begleitenbe wahnfinnige ©chmera ift, als SBeltelement betrautet, pfpchophpfifth „neutral". „3Reift hanbelt es fich in ber “’Phpfif um bas Koinaibieren einer Seigerfpiße mit einem ©falenteil." Somit ift bas 9tealitätsproblem in »erblüffenber Einfachheit gelöft. Auch bas -Raumproblem löft fich fehr einfach. Ser allein ejiftierenbe 9taum ift ber

„anifotrope ©ehraum". Eine befonbere 53ebeutung haben bie 33egriffe.

©ie werben als „foaial" bezeichnet. ©ie finb »on eminent „foaiologifcher 53ebeutung", fie fchlagen bie biologifch=pfpchologifche 33rüde »on einem 3nbi»ibuutn aum anbern! Samit gilt bie inhaltliche öbereinftimmung ber

»erfchiebenen Empfinbungswelten als hinrei<henb erflärt.

Siefe ^hilofophte foll bie ©runblage ber 3Biffenf<haft ber 3ufunft

J) Soinjibenj = 8 ufammentreffeit.

(10)

70 S i n H e i l u ng e n unb ©ege n ft ä n b e

bxlbcrt! On 3öahrheit ift ber relatioiftifche ^ofitimsmus unb feine ju=

nebmenbe Ausbreitung in naturwiffenfchaftlichen Greifen ein 3 ei<f>en bes Riebergangs, ber Sefabens. 2llle abwärtsgehenben Zeitalter finb burd>

Relatimsmus charafterifiert.

Sie alleinige Aufgabe aller Sßiffenfchaft unb aller '’Phitofophie ift bie Grfenntnis ber 393 a h r h e i t. Sie Säfte ber 3Biffenfchaft müffen richtig (in fich wiberfpruchslos) unb wahr (mit ihrem ©egenftanb übereinftim=

menb) fein. Ob fie benföfonomifch (b. h- einfach unb bequem 3 U benfen) finb, biefer ©eficfjtspunft fommt erft in britter unb »ierter Sinie, barf überhaupt nicht entfeheibenb fein. Sas 9Kerfwürbigfte aber ift: 3ßenn toir ben ^ 3 ofitimsmu 5 unter bem ©efichtspunft ber Senföfonomie betrachten, fo fommen wir auch hier au einem negativen Refultat. Sie realiftifche Theorie ift bie weitaus öfonomifchfte fchon beshalb, weil fie ficf) überall in ber ^Prajis bewährt hat. „ 2 Kan oerfuche nur einmal ein ©efeft wie /t>as ber ©ranitation nicht in bejug auf reale SRaffen, fonbern auf blofee

j Bewufetfeinsinhalte oon Subjeften ausjubrüden!", fagt SKeffer1) mit Recht. Sine berartige “^Phpfif würbe fich fehr merfwürbig, oor allem fehr unöfonomifch ausnehmen. Sie ^ofitioiften pertreten ihre Säfte theo=

/retifch. Sobalb fie jur ^rajis übergehen, gebärben fie fich als Realtften.

/ Safe ber ‘’Pofitioismus in ber Theorie mit einem „SRinimum an 33e=

v griffen" arbeitet, ift nicht 3 u leugnen. Beffer würbe man fagen: mit einem SERinimum an Senfen. Sarin liegt in SBahrheit feine „Senf=

öfonomie".

@mjfeflung<m unb (§>eg<mffan£>e

Sft o r t (5 © e i g e r ®)

5Bie fich uns bie 2Belt barftellt, bas hängt nicht nur oon beren eigener Befchaffenheit ab, fonbern auch oon ber 2lrt, wie wir 3 U ihr innerlich

„eingeftellt" finb. f>ier follen 3 Wei befonbers bebeutfame (Einteilungen unb bie ihnen entfpred>enben ©egenftänbe (Objefte) charafterifiert werben.

393ir beginnen mit ber uns natürlichen unb gewohnten (Einftellung, bie man auch als bie naioe ober bie „unmittelbare" be 3 eichnen fann. (Es ift bie unrefleftierte Haltung bes gewöhnlichen Sehens. §ür fie ift charafte»

riftifch bas ©egenüber oon Subjeft unb Objeft. Unb 3 War finb für biefe f>altung oon oornherein Subjeft wie Objeft in unbeftimmter Vieljahl ba. Beibe ftehen in regfter Söedjfelbegiehung 3 ueinanber. Sie Subjefte beachten bie ©egenftänbe, faffen fie auf, benfen über fie nach, bewerten

!) a. a. O. 6 . 31.

*) S ie SBirflidjfeit bet 3öi(Tenfcf)aften unb bie 3Kefap^pfi(. Bonn. Hoben. 1930

183 ©. ©eb. 8 ,— 9Rarf, geb. 10,— SÖlarf.

(11)

( E i n t e i l u n g e n unb ©egenftänbe 71 fie, erftreben, genießen, bearbeiten fte ufw.1). Slnberfeits wirten bie Objefte unmittelbar auf bie 6ubjefte, lenfen ihre 2lufmerffamfeit auf fid>, beeinbruden fie, regen fie au |janblungen an ufw. SERannigfache 33e»

jiebungen finben aud) unter ben (Subjeften felbft unb anbererfeits unter ben Objeften ftatt.

f 2 lls „pbpfifch" (ober „materiell") gilt für biefe Ginftellung alles, was

! als Objeft im Raume fid) befinbet: Käufer, 33äume, Sltöbel.

2 lls ,,pfpd)tfd)" (ober „feelifd)") wirb bas beftimmt, was oon bem : ©ubjeft unmittelbar als bem 6 ubjeft jugebörig erlebt wirb (unb bar=

über hinaus als bas, was bem ©ubjeft unmittelbar als Seil, als 3 U=

ftänblichfeit, als ©runblage angehört): feine Hoffnungen, Wünfd>e,

■ Sriebe, 2eibenfd)aften, Slfte bes Erfennens, Wollens, güblens unb (Schärens, feine (Einteilungen, (£haraftereigenfchaften, bas Unbewußte, bas bie Spnamif bes Seelenlebens beherrfcht. „SJleine greube wirb a l s m ir j u g e h ö r i g erlebt unb ift beshalb pfpd)ifd), bie Rofe, über bie ich mich freue, ift nicht mir augehörig (nicht gleichfam ein Stüd meines öcb) unb fann beshalb unter feinen Umftänben pfpcfjifch fein — aud) wenn fie bloß bäUuainiert ift."

Rid)ts, was unmittelbar als Objeft ober als bem Objeft augehörig »or=

gefunben wirb, barf bei biefer naioen (Einteilung bem ^fpchifdjen au=

gewiefen werben: garben unb 2 öne alfo, überhaupt bie fog. fefunbären Dualitäten (anfchculichen Sigenfchaften ber Singe) finb für biefe (Ein=

ftellung jebenfails n i cf) t pfpd)ifcb; benn fie werben ja oom 6 ubjeft nicht als 93eftanbteil feiner felbft, fonbern als 53eftanbteil ber Objefte erlebt.

2lud) was bie Subjefte an räumlid)en Objeften phantafieren ober h<*l=

litatnieren, wie 2 uftfd)iffe, Riefen, Srachen, barf nid)t als pfpd)ifd) be=

aeichnet werben. ©n 2 uftfd)iff ift bod) nichts ©eelifches. Seshalb, weil biefe Objefte nicht in ber objeftioen, realen Welt ejiftieren, fönnen wir fie als „mentale"2) Objefte charafterifieren.

2 lber es gibt für bie naioe (Einteilung nod) weitere Objeftbereid>e.

©o gehören a- 55- alle Kunftwerfe ber objeftioen Welt an, ohne bloß

„phpfifch" au fein, „^bpfifd)" ift an einem ©emälbe nur b^s 6 tüd 2 einwanb mit ben baranbängenben garbteilchen, nid)t bas finnoolle 33tlb, fei es eines 9Renfd>en ober einer 2 anbfchaft. 2 lber bas in erfter 2 inie nennen wir, wenn wir oon bem ©emälbe reben. 2 lber bas 93ilb ift aud) nichts ^Pfpcf>ifd>es, b. h- bem etnaelnen 6 ubjeft innewohnenbes. (Es ift auch niefot bloß ein „mentales" Objeft; ein foldjes wäre ein 33ilb nur, folange es — unausgeführt — bem Künftler als „3bee" porfchwebt. <So=

balb es gemalt ift, gehört es ber wirflichen Welt an.

*) ®ie ©egenftänbe fönnen alfo fotoo&I „juijanben" toie „Dor&anben" fein (im 6 inne §eibeggets, 3g. 1930 f>. 2, 6 . 37).

2) Von tat. mens = Verftanb, ©enffraft.

(12)

72 (Ei nf t et l ungen unb © egenftänbe

Sieben ben Kunftwerfen finb fjier als reale finnoolle (ober, roie man aud) fagt: „geiftige") ©ebilbe au nennen SMturprobufte aller 2 Irt, fo Staaten, ©efetje, Sprayen, 3öiffenfd)aften, 9Koralen, Religionen, Kirchen ufto.

Einen baoon oerfchiebenen Objeltbereid) bilben bie i b e e 11 e n ©egen=

ftänbe, wie begriffe, logifdje unb mathematifd>e ©efefte, SBefen unb Vtefensgefeömäjjigfeiten. So ift ber “Begriff Weber etwas ‘’PhP“

fifd>es noch etwas ^fpchifches, er wirb aud) oon uns in ber naioen Ein=

ftellung nicht als ein »on einzelnen Subjeften abhängiges mentales Objeft gebadjt. 3 - 53. bie 2 Biffenfd>aften oon ben 3 ahlen, bie 9Katf>e»

matif, faßt bie Sahfen als oon ben Subjeften unabhängige ©ebilbe, über bie wahre (ober aud) falfd>e) 2 lusfagen gemacht werben fönnen;

3 . 23. bajj fie in gerabe unb ungerabe 3 ahlen 3 erfaIIen. SRan mag folche „ibeelie" ©egenftänbe aud) „geiftig" nennen, aber fie finb nicht wirtlich (real) wie bie oorhergenannten (Staat ufw.).

Sie Subjeftsunabhängigfeit ber geiftig=realen wie ber ibeellen Objefte ift eine oom Subjeft »orgefunbene Unabhängigfeit, itber ihren U r = f p r u n g ift bamit nichts ausgefagt. Es fönnte fehr wohl fein, bajj Kunftwerfe wie fahlen Stopfungen bes 2Renfd>engeiftes wären; aber baburch gewinnen fie Weber pjpchifchen nod) blofe mentalen Eharafter, b. h- fie werben Weber gu etwas Seelifchem noch blofe Eingebilbetem.

Somit ergeben fid) für bie n a i o e Einteilung f ü n f ©ruppen oon

©egenftänben (b 3 W. Sachverhalten, STatbeftänben):

1 . Sie pfpchifcfjen (wie Vorftellungen, ©efühle, SBillensafte).

2. Sie phpfifd)en (wie Steine, STterleiber).

3. Sie mentalen (^hantafiegebilbe, fjallusinationen).

4. Sie realen geiftigen (wie Staaten, Kunftwerfe).

5. Sie ibeellen (93egriffe, fahlen).

Viel ärmer ftellt fich bie objeftioe SBelt bar für bie 3 w e i t e Ein=

ftellung, bie wir als „materialiftifche" be 3 eid>nen bürfen, weil fie ber naturwiffenfchaftlichen Vetrachtungsweife entfpricht. 23ei bem gewaltigen Einfluß, ben bie Staturwiffenfchaften in ber Steu^eit auf bas allgemeine

©eiftesleben ausgeübt haben, begegnet uns biefe naturaliftifche Einftel=

lung auch Dielfad) außerhalb bes naturwiffenfchaftlidjen gorfd)ungs=

bereits, insbefonbere fann ja eine gewiffe 2 lrt ber 2 ßeltanfd)auung als

„naturaliftifch" charafterifiert werben, fofern fie oorausfefct, bajj natur=

wiffenfchaftliche 33etrad)tungs= unb gorfdjungsweife bie ein 3 ig wahrhaft

„wiffenfd)aftlid)e" fei unb bajj bie gefamte 3BirfIid)feit als „Statur"

gefaßt werben müffe.

23ei biefer naturaliftifchen Einftellung nimmt man bie Ejiftens einer

an fid) feienben, in fid) gegrünbeten realen Slujjenwelt sum 2 lusgangs=

(13)

S i n f f e t l u n g e n unb ©egenftanbe 73 punft (alfo bas Safein eben ber 3Birflid)feit, bie man fd)on im gewöhn- lid>en Sprachgebrauch „bie Statur" gu nennen pflegt).

Von einem ©ubjeft als Beftanbteil biefer SBelt (Statur) weife bie naturaliftifche (Einteilung g u n ä d> ft nichts. 3n biefer Statur brauchten feine ©ubjefte gu ejiftieren. Aftronomie unb <£rbgefct)icf)te nehmen ja aud) an, bafe ungeheure 3 eiträume hinburd) noch feine ©ubjefte ba waren.

2 atfäd)Iid) gwingt fid) nun aber ber naturwiffenfd)aftlicf)en gorfd>ung neben biefer äufeeren Statur (b. h- neben bem „^pf)pfifc^>cn") bas ^3fp=

djifche als wirtlicher Satbeftanb auf. (Es gibt bod) fo etwas wie 3 Bat>r=

nehmungen, Senf=, ©efüt)Is=, VMllensafte. SOtan mufe atfo oerfucfjen, biefes ‘’Pfpdjifdje ebenfalls in bie Statur einguorbnen; gumal bie <£rfat)=

rung bafjin weift, bafe rege Begießungen gwifchen bem ^pf)pftfd)en unb

“■Pfpchifcben befteben.

2Bie nun biefe (Einorbnung gu »ollgiehen fei, barüber befielen oer=

fchiebene Anfichten. Staber barauf eingugehen brauchen wir h i e r nicht ba fowobl bie materialtftifche Theorie, bie in bem ‘’Pfpdnfcben lebigltd) ein (Erzeugnis bes ^bpfifdjen fief)t, wie bie Sehre oon bem pfpd) 0 =p 5 pfi=

fcben ^Parallelismus unb oon ber 5öed)felwirfung alle im Stabmen ber naturaltftifd)en (Einteilung möglich finb.

Aus biefer (SinfteUung, unb gwar n u r aus ihr, erhebt fich bann noch ein metaphpfifches Problem: ob nämlich bas ‘’PhPftfche unb bas ^fpchifdje lefcte, auch metaphpfifch getrennte ©einsarten finb ober nur „©eiten"

(„Auswirkungen" bgw. „Attribute") einer einzigen lefcten Stealität. (Es ift nicht gufällig, bafe in einer wefentlich „naturaliftifch" eingeftellten 3 eit, wie ber gweiten f)älfte bes 19. Oabrhunberts, befonbers um biefes meta=

phpfifche Problem: Sualismus ober SJtonismus, geftritten worben ift.

2Bie bie naturaliftifch (Eingeftellten in ber Siegel bagu neigen, im ^)3fp=

chifd>en nicht eine Stealität gleidjen Sted>tes unb gleicher Urfprünglichfeit wie im 'Pbpfifdjen gu fehen, fo wirb oom Staturalismus auch nur bas Phpfifche als begrifflich, burch fid) felbft beftimmt, angefehen, bas ^Pfp- d)ifche bagegen lebiglid) als bie Verneinung bes ^PhPl'ifdjen, als bas Stidjt^^hpfifche. ©as Phpfifche wirb nämlich begrifflief) beftimmt als bas Steale in Staunt unb Seit, wohl aud) als bas „Objeftioe"; bas ‘pfpehtfehe bagegen gilt als bas Sttd>t=Stäumlid)e, Sticbt-Objeftioe, „BIofe=@ubjef=

tioe". 3hm fehlt eine eigenftänbige Begriffsbeftimmung. Gin STatbeftanb wirb aljo nur barauf unterfudjt, ob er phpfifch fei; ift er es nicht, fo wirb er gum ^fpdnfcben gerechnet. Unter ben Begriff bes ^fpdnfchen wirb alfo febr Verfd>iebenartiges eingeorbnet, was oon ber naioen (Einftel=

lung fich als oerfchieben oom ^Pfpdjifchen unb auch als untereinanber

»erfchieben fid) barftellt.

Sahin gehören bie anfchaulichen garben unb Söne (unb bie „fefun=

bären"Qualitäten überhaupt). Ser Staturwiffenfchaft gelten fie, weil nid)t=

(14)

74 ( Ei nf t el l ungen unb ©egenftänbe

quantitativ, als nicht-phpfifd). 60 »erben fie ohne weiteres zum ^Pfpchi- fchen hmübergefchoben; obwohl bod) bie „naioe (Einteilung" (bes „ge=

funben 9 Renfchenoerftanbes") es nie jugeben wirb, baß ein Blau ober ein Srompetenton etwas C ^5fpc£>ifc£)es (<Seelifd)es) fei.

®a man bei ber naturmiffenfchaftlichen Untersuchung ber Dbjefte aud) nicht fo etwas wie ©d>önheit ober fonftige SBerteigenfc^aften an ihnen entbeden fann, fo fietjt man aud) in allen Söerten etwas “’Pfpchifches;

man fagt etwa: bas ©ein ber ©dwnheit befteht im ©d)önheitsgefühi, mit bem bas ©ubjeft auf bas Objeft reagiert.

3n ber natürlid)en (Einteilung bes gewöhnlichen ßebens bagegen laffen wir uns — mit 3ied)t — burcf) biefe ‘’ßfeubowiffenfchaft nicht beirren, fonbern fahren fort, bie Dbjefte felbft fchön ober häßlich unb überhaupt wertooll unb wertwibrig ju nennen.

(Ebenfo hat man naturaliftifche (Einteilung unb feinen Blid für gei=

ftige ©ebilbe, wie etwa Sßortbebeutungen (Begriffe), gür bie natur=

wiffenfchaftltche Betrachtung ift phpfifcf) lebiglid) bas gefprodjene 3Borf als önbegriff oon Suftfdjwingungen, bas gebrudte ober gefdjriebene als Quantum oon ®ruderfd)wärje ober STintc auf Rapier. ®ie „Bebeu*

tungen" rechnet man einfach 3 um ^fpchifchen, währenb bod) nur bas 3ßort= unb Bebeutungs e r l e b n t s baf)in gehören.

(Ein fo 3 iologifd)=fulturelles ©ebilbe wie ber ©taat ift für bie natura- liftifche (Einteilung entweber ibentifch mit ber ©efamtheit ber SSRenfchen, bie 3 um ©taate gehören, ober man erflärt, ber ©taat ejiftiert nur als Borftellung in bem (Einzelnen, ift alfo etwas 'Pfpchifches.

(Enblid) gibt es für eine folgerichtig naturaliftifche (Einteilung feine

„©ubjefte" als Slusgangspunfte pfpd)ijd)er 2lfte, SEräger jeelifchen (Er- lebens. 9ftan hat oielmehr nur Blid für bie einseinen pfpchifchen Bor­

gänge, bie im 3 ufammenhang mit ©ehirnprojeffen entftehen, bie fich etwa miteinanber oerbinben (affojieren), bie oerfchwinben unb wieber reprobujiert werben fönnen. gür bie Slnnahme eines oon biefen pfpchi=

fchen ©efdjehniffen ju fonbernben ©ubjefts befteht fein 2 lnhaltspunft.

©0 fieht man etwa im 3d) nur bie ©efamtheit ober ben einheitlichen 3ufammenhang ber Bewußtfeinserlebniffe, ober man läßt bas 3cf) mit bem 2 eib ibentifd) fein. Kurj, ber Naturalismus führt su einer „^fpdw- logie ohne ©eele" (3d)=©ubjeft).

Sille biefe Beifpiele geigen, wie fehr bie naturaliftifche (Einteilung, wenn fie burd) eine etnfeitig naturwiffenfchaftlidje Bilbung unb SBelt»

anfchauung jur herrfchenben wirb, leicht blinb wirb für bie wefenhaften Berfd)iebenartigfeiten ber ©egenftänbe, wie insbefonbere bie „geiftige"

SBelt in ihrer ©onberart erft wieber entbedt wirb burd) ,,(Ent=bilbung", burch SRüdfehr jur naioen (Einteilung bes „gefunben SERenfd)enoer=

ftanbes".

(15)

@pra<$finn unb ( E r f e n n t n i s 75

©pracf)fmn unb Crrfennfms

V o n S o f e f © ( ^ t o a n ä e r

I

©innig betrachtenb fteht ber SRenfd) ber Statut gegenüber; jener Statur, bie ebenfowohl ihn, ben 23etrad)ter, wie jebes Anbere „als aud) Eines", bas fie — bie Statur — ift, umfaßt. Oebes Onbioibuelle tritt uns als ©lieb ber Statur ober ber SBelt entgegen. 2 öelcf)es ift nun ber ©inn bes Einen unb welches ber ©inn eines jeben ©liebes biefes Einen?

< 2öelc£>es ift ber ©inn bes Veguges ber Einheit gu alten ihren ©liebem?

2Bas nennen mir ba ©inn? Sen Erfüllungswert, ben mein objeftio gerichteter 2 Bahrnehmens= unb Verftehensbrang in ber jeweilig gemach»

ten Sßahrnehmung finbet, will ich als ben ©inn bes t>on mir 3Bahr=

genommenen bezeichnen. 2 Bir bezeichnen aber als ©inn auch unfere orga- nifche gähtgfeit unb 33emitteltf)eit bes SBahmehmens, bod) aud) nur infofern, als wir bas Vermittelte, bas ©efehene, ©ehörte ufw. an fich erfüllt gelten laffen unb banad) unfer finniges Senfen einftellen unb richten. Unb biefes unfer finniges Senfen: muß es nicht ebenfalls als finnliches Söahmehmen betrachtet werben? ©ewiß bod), inbem es ja aud), wie jeber Objettiofinn, organifd) in unferem Sprachgefühle finnlich bemittelt fein muß, auf baß wir benfen fönnen unb wahmefjmen, was wir benfen bgw. bis gum Senfjeftt gebacht haben.

3n begug auf unfere Objeftiofinne wirb unfer Senfen, feinem Vollguge nach, als unfer ©ubjeftiofinn begeichnet. S a ift nun gu beachten, baß in biefem unferem SOtenfchheitsfinne alle Objeftiofinne ein» unb ausmünben unb fo als feine ‘Jöerfgeuge bgw. SRittel ober ©lieber erfcheinen. Ohne Senffinn erfchiene unfer objeftiofinnliches SBahmehmen feelenblinb, taub ufw. SOtuß uns boch nur ein SBahmehmen für bie Vielheit bes Objeftio»

finnlichen eigen fein, um bas SDtannigfache als Einheit — fei es nun biefer ober jener ober aber ber Söeltfadje — finnig erfaffen gu fönnen.

Saburd), baß wir unferen Senffinn willentlich unb unabhängig oom jeweils objeftiofinnlich SBahrgenommenen aud) betätigen fönnen, werben wir ;uns feiner erft bewußt unb mittelbar auch barüber, baß unb wie bem objeftiofinnlich SBahrgenommenen fein hoher Erfaffungsfinn gleichfam als ibenffinnliche Stefonang oerliehen wirb.

©timmt man nun biefem methobologifd) erfaßten ©tanbpunfte bei, fo ftellt fich uns bie grage ein, ob bem organmittelbaren Senffinne, b. i.

„bem ©prachfinne" an unb für fich ber gleiche Erfüllungswert, ber ber

übrigen ©innlid)feit gufommt, beigumeffen ift. 3Benn uns bas gefehene

9lotfein feinen Zweifel übrigläßt barüber, baß es fo unb nicht etwa grün

ober gelb ift, fo fann biefer ©acfjoerhalt auch als bie Einbeutigfeit bes

(16)

76 S p r a c & f i n n u n b G c r t e n n t n i s

Sinnlichen bezeichnet werben. 9tur bie einbeutigen finnlichen SBabmeh- mungsmittel befähigen uns, bas 2 Bahrgenommene ein- unb gemeinfinnig erfaffen unb nerftehen ju lernen. Unb all unfer Semen unb Sehren ten- biert nach Einbeutigfeit bes Verftehens, ftellt uns ben Sntwidlungsprozejj Zur Einbeutigfeit, ber fich int Sinnlichen fchon oolljogen hat, bar.

333enn bem fo ift, fo follte boch der Erfenntnistheoretifer in erfter Sinie fein Augenmerf auf bie Einbeutigfeit unferer fprachfinnlichen Senfmittel, ber 3 öortbegriffe unb ‘Begriffsurteile, lenfen, um zunächft zu einer taug­

lichen ©runblage unferes Erfennens zu gelangen. 3n geroiffem Sinne nur finb danach bie Senfer ber pofitioiftifchen Dichtung »orgegangen, haben unfere Erwartungen aber nid>t erfüllen fönnen, tnbem fie unfere Sprach- unb Senffinnlichfeit ber Objeftiofinnlichfeit anftatt über-, untergeorbnet haben. Sie “^hilofophen ber anberen Züchtungen aber machten fich’s be­

quemer unb bogen einfad) ben Sinn ber Sprachmittel nach ihren inbtoi- buellen ©ebanfengängen aus unb zurecht, tonnten baher, wie es tm Volfsmunbe helfet, alles erflären, inbem fie aus bem Sdjwarj ein SBeifs, unb wie fie es eben brauchen, machten.

Soll benn unfere ^hifofophte ju neuem Seben wtebererwachen, fo nur in unferer Vefinnung auf ben gemeinen Sinn unferer Sprache, unb b. h- auch auf unferen gefunben 39tenfd)en»erftanb. Siefen 2Beg habe ich als Saie in Sache meines (Erfennens begangen, unb was ich ba oorfanb, ja,

— tonnte ich bas meinen SRttmenfchen miterfühlen laffen, fo wäre ich ihrer ©efolgfchaft ficher. Vielleicht bient es ber Anregung zu neuer Senf­

richtung, wenn ich in aller Kürze auf ben Kontraft zweier Senfrichtungen oerweife.

II

Dr. Walter Schönfelber befchreibt uns in feiner „Einleitung in bie

^Philofophie" u. a. ben Realismus bahin: „Ser Realismus gibt bie An­

ficht bes natoen SRenfchen wieber, bem es nicht im Jraume beifommt, baran zu zweifeln, bajj fein §aus wirflid; ejtftiert, auch wenn er fi<h gerabe nicht in ihm aufhält. Sie Außenwelt — baoon ift er überzeugt — ift ba unb wirb burch Erfahrung wahrgenommen, unb zwar entfpricht bie durch bie Wahrnehmung nermittelte ©eftalt in allen Stüden genau ber

©eftalt bes abgebilbeten Originales." Sazu will ich nun — ganz unb gar als foldjer naioer 3Kenfch — Stellung nehmen.

Kein normalfinniger SRenfch wirb benfen, bajj bas §aus fich felbft als f>aus wahrnimmt bzw. ihm felbft als f)aus gilt. Es gilt uns Wahr- nehmern als ein fotches, infofern wir es eben wahrnehmen gelernt haben.

Aljo gilt es uns in biefer erfenntnismethobifchen f>infid)t als unfere ge­

machte, gehabte unb gewußte Wahrnehmung, unb zwar in allen Voraus-

fefcungen biefer Wahrnehmung, wozu bod) auch bie oon unferem Aufent-

(17)

© p r a c H i n n unb ( E t f e n n t n i s 77 halte unabhängige Sjifteng bes Kaufes gehört. 3nbem id) an mein f>aus benfe, nehme ich es ja benffinnlid) wahr, fo, toie es ift unb nicht fo, rote es nicht ift. Sas ©ein bes Kaufes oerfteht fid) aber als bas (Sein bes oon mir als fjaus 2 Bahrgenommenen unb es oerfteht fid) bamit auch bas Alter unb jeglicher 3 uftanb bes f>aufes, juoörberft feine Realität, »on felbft als mein SBahrgenommenes. golglid) ift es überhaupt benfunmög= . lieh, bas £>aus als folches unabhängig »om SBahrgenommentoerben eji- ftierenb gu benfen, es wäre benn, bafe toir es etwa als lebenben ©öften [ aud) felbft feienb benfen. ©prachfinnig fann auch »on einem f)aus bgw.

Sing an fich nicht gefprochen werben, benn biefes oermeintlidje An=fid) hat ebenfowenig mit bem f>aus wie mit irgenbeiner Singesfache etwas gemein, es betrifft »ielmehr bas guftanbsfäd)lid) »on uns gu erforfchenbe

©ein bes SBeltwirfens. Sarnad) lenft fich bes nai»en SRenfd>en gange Aufmerffamfeit auf bie ©runbfrage: 2ßas bebeutet uns ber Begriff

„Sein " unb was ber Begriff „bas SBahrnehmen" bgw. „bie 3öahmeh=

mung"? Ungegwungen geht aus unferem ©prachfinne gunächft her»or, bafe ©ein unb SBahrnehmen einen Korrelatiobegug uns barftellen. Ser Begriff „bas ©ein" (einer <Sad>e) begieht fid) finnig auf jenes Unwahr- nehmbare unb abftraft 3nbi»ibuell= bgw. ©elbftgültige, welches in feiner Söirf lieh feit, b. h- in feinem 3Birfen (unb nur in biefem, nicht aber als es felbft) gemeingültig mit anberem folchen tnbicibuell bebingten SBirfen fein fann unb woburch alfo wieber ein abftraft inbioibuelles ©ein, wel=

ches, als es, wirft, gegeben ift unb in welcher 2 Beife eben alles ©ein bes 3Birfens gemäfe ber allgemeinen SBirfensgleichung bes ©eienben auch gum ©ein ber einen alles 3nbi»ibuelle umfd)Iiefeenben 3Belt gufammen=

fällt.

All mein Sßahmehmen hingegen fann ich erfaffen als bie — fagen wir

— nährwertlich wirfenblid>e Bebingnis meines abftraft inbi»ibuellen

©eins. Sagu gehört aud) mein wie mir, fo meinen 3ftitmenfd>en wahr»

nehmliches Söirfen, alfo mein Sun unb §>anbeln. Alfo hängen wir inbi»i- buelle SRenfdjen in unferer 3ßirflid)feit wahmehmlich gufammen unb bas

©ein biefes Sufammenhanges gilt an fid) abermals unwahrnehmlich als bas ©ein ber in begug auf jebes »ergängliche 3nbi»ibuum un»ergäng=

lid)en Art. (Als unfer 33olf= bgw. SERenfchheitfein.) Unb fo hängt alles weltgliebrig inbi»ibuelle ©ein wirfenblich im ©ein ber 9Belt gufammen.

Roch, eine furge Schlußfolgerung: 3d) bin, inbem ich wahrnehme unb wahmehmlid) wirfe (hanble — in begug auf bas menfchliche ©ein). SBas nehme ich wahr? 3ch nehme bas SBirfen jenes inbfoibuell ©eienben, bas ich nicht bin unb bas mir barnad) im Begriffe bas Anbere entgegentritt, wahr. Alfo bin ich, inbem auch bas Anbere ift, bas id) wahmehme, aber nicht felbft bin. Alfo fefet mein inbioibuelles ©ein notwenbig bie gliebrig feienbliche 3nbi»ibualifation bes Anberen »oraus unb fd>Iiefet ebenfo bie

'Pbilofopbie unb ßeben. V II.

0

(18)

78 ‘•Phtlofopbifd) e g r a g e n

Wahrnehmens= alfo aud) bie Senfmöglichfeit bes ©eins felbft aus, inbem es ja ben Korrelatiobegug jeglich ©ebacf)tem uns barftellt. Sllfo erfdjeint bie grage: Was ober wie bas ©ein ift, unb bas ift bod) bie grage nach bem ©ein bes ©eins, abfurb. Sllfo fann aud) nicht nad) einem pfpd)ifd)en ober phpfifchen ufto. ©ein gefragt »erben; ebenfowentg nach bem Wir=

ten bes Wirfens; too^l aber nad) bem ©ein bes Wirfens, bgw. ber Wirflid)feit wie aud) nach &em Wirfen refpeftio ber Wirflichfeit bes

©eienbem. Sas bebeutet aber aud): bafe toir nur nad) ber ^Phpfis ber

^Pfpche unb umgefehrt forfd>en fönnen. 2 llfo fönnen wir uns nur phpfifd) als ein inbioibuelles ©ein bes Weltwirfens in unferer Wirflichfeit, b. I).

unferem aftionellen Vewirftwerben unb funfttonellen Wirfen erfennen lernen unb werben in biefer ßrfenntnis aud) ben (Erfüllungswert unferes Vegehrens üorfinben.

Von biefem wefentlichen ©efid)tspunfte meiner begrifflichen Weltwahr=

nehmung aus wenbe id) mich nod)mals bem gu. öd) greife foeben nad) meiner Uhr, fie geigt bie überfchrittene get)nte Xagesftunbe. Rach

©djönfelbers ‘'Philofophie ejiftierte aber meine Uhr fett acht Uhr früh, in welcher 3 eit id) nach ihr fah, nicht. Stlfo hoben Räberwerf unb feiger ber ilhr währenb ihrer Richtejifteng prägife ihren Sauf oollgogen?! Öch bin wahrhaft gu nato um bas benfen gu fönnen. SIber gehen wir weiter.

Öch foll übergeugt fein baoon, bafe bie burch bie Wahrnehmung oer=

mittelte ©eftalt in allen ©tücfen genau ber ©eftalt bes abgebilbeten Ori=

ginales entfpricht? Kein Saie oerftetjt auch nur, wooon in obigem ©aß ge=

fprochen wirb, was bas Original unb beffen Slbbilb mit unferem Wal>r=

nehmen gu tun hat. Samit fefct bod) ber ^hifofoph eben basjenige, was er bem Säten gum naben Vorwurf macht, im Raume feienb ooraus unb grünbet barauf feinen Sehrbegriff, ßr fragt bamit eigentlich wie bie f)auswahrnehmung gu unferer fjauswahrnehmung fommt unb benft fich biefe nochmals (im f)irne wohl) abgebilbet. Slber bann entfteht ja bie grage, wie biefes Slbbilb bann wieber gu unferem Vewufetfein fotnmt?

3u grofe ift bie Kluft gwifchen unferem unb feinem Senfen, als bafe fie mit wenigen Worten überbrüdt werben fönnte. Sem mufe ein fonfret ermittelter Sehrbegriff Dom menfchlichen ©ein unb Wahrnehmen unb im allgemeinen Dom ©ein bes Weltwirfens oorangehen, woraus heroor=

gehen mag: bafe fo mancher ^Philofoph fich es heute noch nicht träumen läfet, wohin ber Weg menfd)licher (jrfenntnis uns einft führen mag.

"Scheutet eine Grfenntnis ber ®inge nicht beten teilweife ober gänjtiche (Entwertung?

351 an möchte meinen, bafe bas, was man einmal erfannt bat, fünftigbin für einen ohne altes 3nterefie ift, ba es unter fotchen Umftänben feinertei „©eheimniffe" mehr birgt.

Reifet „etwas ertennen" ober erfannt haben nicht es übenoinben bjw. es „hinter fid)

geworfen haben"?

(19)

3 n n e r e ( Entwi cflungen 79 S ie in biefen gragen ausge(procf)ene Vermutung tjaltc ich in gewiflem Umfange für berechtigt. Sas SBort: „3Bas erfannt ift,, ift erlebigt" ift wohl begrünbet. 3nbeffen bie 9Beit=©efüi)Ie, bie fich ^Tffl”~^e5"eimms»OTen7r"gegenüber regen, finb bocf) nicfjt nur pofitioer Slrt; oielfacf) überwiegen bie negatioen, foweit nämlich bas Unbefannte, Uner­

klärliche, ©eheimnis»olle auch bas Unberechenbare, gurcf)t= unb ©rauenerregenbe ift.

Sofern berartiges burch ben gortjdjritt ber (Erfenntnis gebannt wirb, enthält fie boch auch pofiti»en Sßert. (Ebenfo, infofern ein Streben im SJtenfchen auf bie (Erfenntnis felbft geht, bie (Erfenntnis um ber (Erfenntnis willen erftrebt. (Enbiid) wirb auch bie erteilte (Erfenntnis infoweit ftets wieber als pofitio wertooll oon uns erlebt werben, ols fie uns bie 3Jt6gIid)feit ber (Erteilung unferer Siele, alfo erfolgreichen |janbelns bietet.

Onnere ©nftmcftungm

@m fcf)toeres ßeben v.

Ser Bruch mit meinen (Ehef wirfte ficf) bann bahin aus, baß id; eine anbere Stelle im Sahre 1922 annahm, ich ging in ein gach über, wo fonft höhere Sd)ulbilbung ge>

forbert wirb, aber ^erfonalmangel liefe meine (Einreihung ju. 3d) hoffte unter 3Ren- }<hen ju fommen, bie ob ihrer Vorbilbung mir in manchen 3 ®eifelsfragen Siebe unb Slntwort ftehen fonnten, unb fah mich aber bereits nach furjer Seit bitter enttäufcht.

3ch fann getroft behaupten, bafe unter 50 2lngeftellten faum 4—5 waren, bie einmal weiter in ihrem Seben gebacht hatten, als bis jum morgigen Sage. Sie fannten 53er»

gnügen jeglicher, oft recht fragwürbiger 2lrt, aber ben Sinn bes Safeins? 3a, ift es benn wert, barüber fich ©ebanfen ju machen? „3Bir leben, md;t um unlösbare Staffel üu löfen auf (Erben, fonbern bie furje Beit hier recht oergnügt ju »erbringen." Sas unb ähnliches hörte ich fehr oft. Unb ba trat 3 u ben ©rübeleien über SBelt unb SBelt- gefchehen bas 32ad>benfen über bie 2 Renfd)en felbft hinju.

Sas tagtäglich »or 2lugen ftehenbe Beifpiel meiner Sollegen, meine injwifd)cn nicht immer als glücflich ju betrachtenbe Verlobung mit bet 3ugenbltebe, bie früheren (Er- lebniffe unb (Erfahrungen, bie Seit ber 3nflation, bie ben letzten ©lauben an eine all*

liebenbe SDtenfchheit mit roher ©ewalt jerftörte, all bas brachte mich immer weiter in eine Bahn, beren id) nur mit ganjer Sraft unb unter 2 Iufbtetung meines lebten 9Bil­

lens entrinnen tonnte. 3ch glaube, hätten mir feiner Seit Schopenhauers SBerfe jutn Suchen aus bem Chaos gebient, ich wäre ben SBeg allen gleifches gegangen. 2lber mein Schicffal hatte fich noch immer nicht erfüllt.

Sch wünfehte, ich hätte weniger über bas Safein unb feine ©ewalt nachgegrübelf, meine Sebensbahn wäre in ruhigeren ©leifen gelaufen. 2lber nicht ich allein habe ja über mein Seben ju beftimmen, mein Sd)idfa( will es unb ich mufe ihm folgen. Unb alle Singe, wo id) glaubte über bas Schicffal gefommen ju fein — fie waren nur fcheinbar! SGßir nehmen oft an, bem Schicffal einen Streich gefpiett ju haben, unb es war gerabe umgefehrt, nur, bafe wir es faum merften, ober boch erft hinterher! Stur ein Beifpiel: 3$ fagte mir, als id) bie neue Stelle anfrat, nun bin ich bem Schicffal boch entronnen, benn bafe ich eine -Stelle einnehmen burfte, bie mir früher bas Schicf- fal burch ben nicht ftattgehabten Sd)ulbe(uch »erjagte, bas hat es ficher nicht gewollt.

Slber es war, wenn heute ich surüdblicfe, ju meiner weiteren (Entwicklung boch nötig, wo hätte ich fonft folihe Sltenfdjen, wie ba, fennengelernt? Unb fo in noch manchen anberen Singen, bie hier unerwähnt bleiben mögen, bringen fie boch längft begrabene Singe jum Vorfchein. Unb man mufe gewiffe Singe »ergeffen lernen, um ruhig leben 3U fönnen!

B in ich auch in bem jweiten Beruf ein Stüd weitergefommen unb habe ihn heute noch inne, bie Befriebtgung, bie mir einft ber erfte gebraut hatte, er »ermag fie nicht 3 u bringen, ©ewife fpielen bie heutigen ßeitoerhältniffe eine grofee Stolle babei. Slber wenn man älter Wirb, bann fefet man fich anbere Siele unb biefe finb heute in ben wenigften gälten su erreichen.

Sies wären meine Sebensauf 3 ei<hnungen; etwas fehr in bie Sänge ge 3 ogen, aber

6*

(20)

80_____________________ 3 n n c r c E n t w i d l u n g c n

meines (Erachtens nötig, um meinen 9Beg jur ^hiloloptjie au »erftehen. 3tus meinem (Erleben heraus fonn(e |icf) mein 6 elbft wohl nicht anbers entwidetn, als es gefdjehen ift. 9Ber ben SBeg jum Stadjbenfen gegangen, ber muß früher ober fpäter bei ber

^hilojophie enben.

©o hatte id) beinahe bis 3 ur Stifte ber jmanjig fo gut wie nichts über ‘‘Philofophie gehört, noch gelefen. ©tubien hatte ich unbewußt fd)on getrieben, bas eigentliche ©ebiet jeboch blieb mir fremb.

SBie fchtoer bann auch bas ©tubium in fpäferen Sahren unb heute noch, wenn es fich um fad)philofophif$e ©Triften hanbett, einem Saien wirb, bas fann nur einer be­

urteilen, ber fich 'n ähnlicher Sage befunben, ober ber an fich erfahren hat, was fud)en unb nicht finbenfönnen heißt. .

311s erftes SBerf, was nun nicht gerabe aufmunternb auf mid) wirfen fonnte, ließ ich mir aus einer 53uchgemeinfchaft, aus weither id) bereits anbere furjgefaßte unb leicht »erftänbliche wiffenfchaftliche 3Berfe bezogen hatte, (E. Bon fjartmanns „Ph ä­

nomenologie bes fittlichen SJewußtfeins", fommen.

Unb ich habe ftubiert, ja, ich möchte fagen buchftabiert SBort für SBort, geile für geile. Stidht bie, jeben höheren Schülern geläufigen grembworte, waren mir befannt, wieoiel weniger bie fachphilofophifdjen 2lusbrücfe in btefem 3Berfe. 3ch mag es nicht

»erftanben haben, was ich fas, aber mein Ehrgeis ließ es nicht ju, 3 U raffen unb ein einmal begonnenes SBerf beifeitejulegen. ®as nädjfte war ein philofophifches 3Börterbuch unb banacf) ber „Kleine 53rodhaus", welche mich über manche Hüppen hinweghalfen. ® a nun gerabe burch ben Krieg unb bie 3nflation eine Sittenlofigfeit unb Unmoral im 95olfe fjerrfchte, fo war es gerabe bas rechte 23uch, bas mich troß bes außerorbentlichen ferneren 33erftef)ens besfelben in cielen eine Erhebung über bas

®afein braute. Später famen bann noch jwei 93ücher »on bemfelhen 33erfaffer hinju:

„Philofophte bes Schönen" unb „® as Problem bes Sehens", ©erabe bas leßtere war es, was mir »ieles ju fagen hatte, es war aber auch basjenige, was mir neue gwetfel im ganäen wiffenfchaftlichen Streben wachrief.

3ch fas jur geit §aedels „Statürliche Schöpfungsgefchichte", unb wenn ich auch baburdj ju ber Einfid)t gefommen war, baß bas ©efchehen fid) tatfächlich fo abge=

wicfelt haben fonnte unb nod) ahwidelte, wie er es befchrieben, fo fehlte mir her Schlußftein — er Jagte mir nicht bas Setjfe: bas SBoher — SBohin! ©leiChjeitig über»

badjte ich We Sd)öpfungsgefd)id)te ber 'Sibel — unb auch hier nur f)t;potf)e[en, feine 3

U

belegenbe SEBahrheit. Unb in f>artmanns 95uche bas Eingehen auf fo unb footele

©eiehrte, ein SBiberfprucf) hier, eine gufage bort — bas Enbe wie überall — bas SBoher, bas SBohin bleibt ungeflärt, ift unerforfchlid)! 3d) grübelte, id) »erfuchte aus mir felbft heraus 3 U erflären, ich fam bem giele nicht näher. Unb ob ich heute weiter bin? 3ch glaube, man muß erft ein ganzes Seben überblicfen fönnen, um bas Sehen unb fein SBerben unb Vergehen bis 3 U einem gewiffen fünfte begreifen 3 u fönnen ...

Es folgten bie SBerfe »on Kant, Sichte, Schopenhauer, einige fletne Slbhanblungen anberer '’Ph'loIophen; 3 uleßt war es Stießfdje, mit bem id) mich beschäftigte. Seiber blieb er mir anfangs recht unoerffänblid) unb ich legte ihn mir für fpäter surücf. 3eßt wieber lefe ich >t>n unter guhilfenahme ber Erflärungen bes ^rofeffor Söteffer. Stod) bereitet er mir Schwierigfeiten, aber bie geit wirb mir bas Eingehen in feine S c h if­

ten leichter machen.

2 Ils ich Schopenhauers „©runbprobleme bet Ethif" mit „Sfnhang über Kant" ge=

lefen hatte, war ich brauf unb bran, Phüofophie ^hilofophie fein 3 u laffen, benn wenn

ein ©elehrter über bas Sßerf bes anberen in nicht gerabe fchönen SBorfen her 3 ieht, fo

fagte ich mir, barf man auf feinen etwas geben, benn ein jeber »erfrift nur fein eigenes

SBerf unb anerfennt bas eines anberen gar nicht — jeber benft, bas feine nur enthält

bie einsige SBahrheif unb am Enbe finb es bodj nur Sinnahmen, bem SRenfchen fraft

feines Skrffanbes entfprungen, in eine gorm gegoffen, unb »on ber SBirflichfeit genau

fo weit entfernt wie jeber anbere auch, ©o alfo fönnen uns SJtenfchen faum etwas

allgemein ©ültiges »ermitteln, benn immer werben fie »on ihren eigenen Erfahrungen

aus gehen unb finb fomit »on gehlern nicht frei. SBäre es nicht beffer, bie SBiffenfchaft

arbeitet fianb in fjanb unb taufet bie Erfahrungen »orher aus, ehe fie biefelben

burch ®ru<f »eröffentlicht? Vielleicht ift bies für mich Saien bas SJerftänbüchfte, in

Cytaty

Powiązane dokumenty

len, burch i&gt;ie es fein SouDeränitätsred)t ausübt, unenffchieben urteilt, bann fann es fich nicht wunbern, wenn nachher auch fein Parlament unenffcfjieben

haltet barum aus, Slriftofraten bes ©eiftes.. Sen Sheologieprofeffor glaubt er feinem SBefen nach fo genau 3 U fennen, bafe er es für unmöglich erflärt, bafe

©elöbntffe unb Entfchlüffe, bie er im Angeficht ©ottes für bas fommenbe Seben abgelegt hat. $&gt;a hat er, von höherer Sebensbeurteilung aus unb von jenfeitiger

*) 3n ber gorberuna eines übernationalen Staates ftimmt “prof. §orneffer überein mit 'Prof. griebrich 3BSlbelm goerfter. ®od) meint biefer, bafe bie ftaatlidje

Sie ©runbgebanfen biefer chriftlichen SRetaphpfif unb ihre Seutung bes Sebens- finns finb nicht nur in ber firchlich beeinflußten, insbefonbere ber [cholaffifd;en

©efprädjen mit einem greunbe weiter. 3öir grübelten wirflid) übet fd)Wierige gragen nad). 9tod) weife id), wie wir uns einmal bis fpät in bie 9tad)t hinein

mittelbar aus feinen Sebenserfabrungen beraus feftftellen fann, bafe er mit anberen 3Renfd)en jufammenlebt, nicht nur äufeerlid), fonbern aucb innerlich; bafe er

Senn bas ift wohl ficher: es fönnen fich SJtenfchen fehr fchäfeen unb bod) für eine gemeinfame Epe untauglich fein. SRebrere Ehen fenne ich, wo beibe ganj