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Philosophie und Leben. Jg. 7, H. 1 (1931)

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Academic year: 2022

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(1)

^ i l o f o p ^ t e t m i > H e b e n

7. J A H R G A N G + 1. H E F T + J AN UA R 1931

„3m Ö icnftc öer IDolJtöetnhett erftrebt unfece Je it f^ n ft eine fa$>

Itdbe 2tuöfprathc öer fterf^tebenett totttanfchaultchen Etcbtungen.“

£>te Aufgabe u n jm r ty ttfö n ft

{3 ^ @infuf)rung 5es 9leuen Qahrgangs)

"33om H erausgeber

2 lls Seitgebanfe unferer 3 eitfchnft fc^toebte uns t>on 2 lnfang an »or eine 3lnnäfrerung unb 33erfnüpfung (©pnthefe) »on ^tjilofoptjie unb 'Seben. (Es ift oerftänblich, baß erft im Saufe unferer Slrbeit uns immer flarer unb umfaffenber bewußt wirb, in wie mannigfachem €>inne biefe

€>pnthefe aufgefaßt unb oerwirflicht werben fann. Unb wenn wir über- bies bemerfen, baß man in ber aeitgenöffifchen ^Pfrilofopfrie ebenfalls in biefern ober jenem (Sinne ber genannten ©pntfrefe auftrebt, fo ift uns bas eine erfreuliche 35eftätigung unferer 3 ut>erfi<f)t, baß unfere 2 lrbeit 3Bert habe unb buref) bie geiftkje Sage unferer 3 eit geforbert fei.

2lls 33eleg für bas ©efagte möchte ich frier aunächft eine Äußerung bes granffurter ^ilofophen Robert ' D r i l l anführen. (Sr fchreibt (in ber „granffurter Leitung", 3fr. 586/88, »om 9. 8 . 30):

„3n ben gragen allgemein menfchlicher 2 lrt gibt es nicht abfolut 5leues. 3frre ^Probleme, ihre Jatfacfren, ihre StnftDorten waren immer fchon ba. ®as 23olf, elementar empfinfrenbes 33olf, hot fte in feiner ein=

fachen 5öeife geftellt unb beantwortet. ®asfelbe fraben ju allen 3 eiten bie wahren dichter getan. Unterfudjt bann ein ©etehrter folche fragen mit wiffenfchaftlicher SDteth&be, fo wirb es ein Kriterium ber 5lichtigfeit fein, ob fein Ergebnis mit ber int ©oethefchen ©inne .gemeinen’ 2 luf=

faffung übereinftimme. Ä a n t hat bas gemußt. 2 lls er nach umfang=

reichen unb außerorbentlicfr fcfrwierigen Unterfuchungen bas (Ergebnis hinftellte, baß auch friß fcfrärffte ßogif über SERoral unb religiöfen ©lauben im ©runbe nicht mehr ju fagen imftanbe fei als bas, was ber einfache

“SDtenfch fchon wiffe, ba antwortete er auch gleich auf ben erwarteten (Einwanb: (Ein fo großer Slufwanb uitb biefes magere 9tefultat. ®ie Slntwort: Oft benn bas nicht gerabeju ein 23eweis ber Slicfrtigleit, ober meint man, bie Statur fei fo parteiisch, baß fie bie (Einficht in bie ent=

fcheibenben Sebensfragen, an benen bie ganae SDtenfchheit intereffiert ift, einigen ‘’Philofophen oorbehalte? Slber biefe Söeltweisheit gereichte S?ant aium 33erberben. 5)as wäre ja noch fchöner, wenn bie ‘■profefforen ber

"^büofopbie unb Sieben. V H . 1

(2)

2 S i e Sl uf gabe u n f e r e r 8

“^ilofopfne gerabe in ben toicfjtigften Angelegenheiten aud) nicht met>r wüfeten als ein SBalbbauer!"

9tun, ic^ will für meine ^erfon gern befennen, 'bafe id) gegenüber manchen großen gragen auch fchltefeltch ju bem (Ergebnis gefommen bin, bafe id> barüber im ©runbe niefjt mebr toiffe als — „ein 3Balbbauer".

Aber beshalb habe icb bod) nicht ben (Einbrud, bafe meine Arbeit an ber.

^Beantwortung btefer fragen üerlorene 3Rü^e gewefen fei. ®enn es fommt bei ber philofopl)ifd)en Srfenntnis niefjt nur auf bas an, w a s man weife, fonbern in hohem 9Kafee aud) barauf, w i e man etwas weife, oib nur bumpf gefühlsmäßig, unentwidelt, in einer nid>t formulierbaren unb ausfprecf)baren SBeife ober flar beftimmt, begrifflich formulierbar unb begrünbbar; ob icf) etwas weife als (Einzelnes, 3foIiertes ober ob icb es weife in einem gröfeeren 3ujammenE)ang, in einem 6pftem. Unb aud) bas 3^ t d) t = SBiffen beibeutet etwas Anberes, je nachbem, ob id) es er=

lebe — Deraagt, ßeqwetfelt — als ein finnlofes, hartes <Sd)idfal ober ob id) burch (Einblid in bas (Erfenntnispermögen bes SJtenfchen unb fein Verhältnis ju Umwelt unb SKitwelt jur Srtenntnis gelange, warum uns bie Söfung biefer ober jener Probleme »erjagt ift ober warum wir über

‘öermirtungen niebt hinausfommen.

Aber b as bleibt bet allebem richtig, bafe bas ‘’Phüofophieien ein=

fad>en SRenjdjen — wie bes „SBalbbauern" unb bes Arbeiters — eben jenes feelifdje ©ejehehen im 2 e b e n barftellt, aus bem alle ^ i I o = f o p h i e beroorgegangen ift unb mit bem fte ftd) in gühlung haften mufe, foll fie wirflicb feelenooll bleiben, foll fte nid)t nur für eine Heine 3ahl Don gad)Ieuten, fonbern für «in 33oIf etwas bebeuten. greilid) liegt barin gerabe eine eigenartige STragif bes ©eifteslebens, bafe es in feiner lebenbigen ‘Betätigung, in feiner fehöpfertfehen ^robuttion immer in ©efahr ift, feine (Einheitlichfeit au jerftören burd) Teilung ber Arbeit (man benfe an alle bie üblen goIgeerfd>einungen ber immer fortfd>rei=

tenben „©pegtalifterung" auf allen ^ulturgebieten!) unb feine innere Sebenbigfeit au hemmen unb au erftiden burd) bie ©ebilbe (SBerfe, (Einrichtungen), bie aus bem fchaffenben ©eift wefensnotwenbig ^>er©or=

gehen unb in benen er fid) gletchfam auch äufeerlid) barftellt („objeftimert").

itber biefe ©elbftgefährbung bes ©elftes hat ber 3Rarburger ^pi)iIo=

foph unb ‘’PfP'hologe (Eri<^> 3 aenf<h in feinem 2 Berf „3Birflid)feit unb 3Bert" (Berlin 1929, 6 . 209 f., ogl. unfere 23efprechung, Sahrg. 1930,

§>. 9, €>. 269) folgenbe beachtenswerte ©ebanfen ausgefprochen:

„®ie 33ilbung bes ,obje!tiPierten‘ ober objeftioen ©eiftes ift ein ©onber=

fall ber aunehmenben Desintegration (©elbftjerfpaltung, ® i f f e r e n = 3 i e r u n g) einer allgemeineren ©efefcmäfeigfeit bes Sebens. 5)iefe Er=

fcheinungen bes objeflioen ©eiftes Jönnen nur bann in ihre liefen oer=

folgt unb eingehenb ergrünbet werben, wenn man fie in ihrer Urfprungs=

(3)

$ i e Sttufgabe u n f e r e r 8 ef tfc&rift 3

ftelle erforfcf)t, eben am Sebenbigen felbft. Sie Grfenntnis ber ©efeftc ber Srfdjeinung gibt bann ohne weiteres auch bie 3Jlittel an bie £>anb, etioa heroorgetretene 6 d)äben gu feilen. Sie im ßaufe ber (Entwidlung erfolgenbe Desintegration, oon ber bie ‘Bilbung bes objeftioierten ©ei=

ftes einen 6 oitberfall barftellt, ift ein überall im fiebensgefcheben auf=

tretenber Vorgang, ein Vorgang, ber auftreten muß, wenn es £ntwid=

lung geben foll; benn (Entwidlung ift immer ein f>inauswachfen über bie unbifferenaierte Einheit bes Anfangs ... Ser Sifferenjierungsprojejj ber Desintegration fann auf aweifach oerfdjiebene 2 lrt erfolgen: organifcb, wobei bas ‘’ßrobuft ber Sifferenaierung mit bem urfprünglid) integrierten 95eftanb in 'bauernber 93erbinbung bleibt, ober unorganifd), wobei es eine 2 lrt »on grembförper in bem Seelenleben barftellt ... Sie oft be=

flagten Schaben unb SBertwibrigfeiten, bie in unferer Kultur I>ert>or=

treten, finb Stfferenaierungsfchäben, Schaben unb Srlranfungen, bie baljer rühren, bafc ftd> bie ßntwidlung auf eine befonbere 2 lrt oolljogen hat, auf eine 2 lrt, bie »on ben SJtethoben abweicht, bie bas Seben fonft ... einfd)lägt, eine ©ntwidlung beroorjubringen ... Sie gorbe=

rung, bie Kultur (alfo auch bie “^pijilofopljie!) lebensnahe au geftalten,

»erlangt ben Sinflang ber Kultur mit biefen allgemeinen Sebensgefeften;, fie forbert ... organifdje Sifferenaierung ftatt ber unorganifcf>en."

Ser hier oerlangten „organifdjen" Sifferenaierung unferes ©etftes*

lebens unb Äulturfcfjaffens möchte auf bem philofophifchen ©ebiet unfere 3eit}cbrift bienen. Saju bat fie bebeutfame Aufgaben nad) awei Seiten

^in au erfüllen. Sie hat nad) SJlöglichfeit benen, bie nocf) in „inbifferen*

aierter", alfo urtümlicher, nicht fad>Itd>er SBeife pt>iIofopt>ieren unmittel»

bar aus ben (Erfahrungen, Äonfliften unb Jtöten ihres ßebens heraus, bie feelifche gühlung unb bas gebanfliche 33erftänbnis für foldje 2Berfe ber

„bifferenjierten" gachphilofophie ju ©ermitteln, bie ihnen etwas für ihr 2eben unb beffen ©eftaltung bebeuten fönnen. 2luf ber anberen (Seite aber beanfprucht fie aud) bie 2lufmerffamfeit ber ‘’Pfnlofophen „oon gacf)", nicht nur infofern, als fie ihnen burd) ihr SSeifpiel bie Anregung gibt, fich felbft an biefer bringenben Kultur auf gäbe echter „^opulari=

fierung" au beteiligen, fonbern aud) baburch, bafs fie ihnen Sinblid ge=

»ährt in bas ^Pbifofophieren einfacher — „ungebilbeter" unb barum auch unoerbilbeter — SRenfdjen, bie ja in unferer 3 eitfchrift ebenfalls au 3Bort fommen. Senn gerabe baraus- wirb ber „gacbphilofoph", ber 5öert barauf legt, in „lebensnaher" 3öeife au philofophieren, mannig=

fache Anregung unb 6 toff aur Selbftfritif fchöpfen fönnen.

(Ein lebensnahes ‘’Pbifofaphieren wirb aber gana oon felbft mit ber 3 eit baau fommen, ben Schwerpunft au legen auf'bas menfcf)lid)e Seben felbft.

2 lls aentrale grage taud)t aber hier auf bie nach bem 6 i n n bes

2f tenf d) enl ebens. Unb wenn wir biefe fdjon im Porigen 3ahrgang

(4)

4 S i c St u f g q 6 ,e u n f e t e r S e i t [ c f r t i f t

in ben SKittelpunft unferer (Erörterung rüdten unb toenn toir basfelbe in biefem [Jahrgang au tun gebenfen, fo entfprad>en n>ir bamit — wir be=

fennen: inftinftio unb ohne betoujjte Slbficht — einem immer ftärfer her=

oortretenben 3 U9 'ber heutigen SadjpIjilofopEjen (wie ©dreier, f)eibegger, 3aenfd) u. a.), nämlid» bem, eine p h i l o f o p h i f c h e ^ l n t h i o p o l 0 “ 8 i e, eine philofophifche Sehre oom SKenfchen aufaubauen (aJfo bie B e ­

antwortung ber grage, toas ber SKenfch fei unb welchen ©inn fein Sehen habe, nicht ettoa nur einer rein natunoiffenfchaftlich gerichteten Biologie unb ^fpchologie au überlaffen). 2 Iber auch in anberen Greifen regt fid) biefe grage nach bem ©inn bes Sehens unb insbefonbere ber heutigen Sebensphafe, unb gugleicf) macht ficf) bas ©efühl geltenb, bafj biefe grage nach bem ©inn (toie mir fetbft immer toieber betonten) nur oon unferem 9B e r t erleben I>cr beantwortet »erben fann. ©in 3 eugnis bafür bieten bie folgenben ©chlufjtoorte eines Bortrags, ben ber 2 lrchitelt 9JI i e s

» a n b e r 31 o h e auf ber Sagung bes ©eutfchen Söerfbunbes in 3öien gehalten hat- 25Mr entnehmen fie bem |>eft 15 (1930) ber 3tfä>r- w® t e go r m" : „$>ie neue Seit ift eine latfadje; fie ejiftiert gang unabhängig baoon, ob mir ,ja‘ ober ,nein‘ au ihr fagen. 2 lber fie ift toeber beffer noch fd)led)ter als trgenbeine anbere ©if ift eine pure ©egebenheit unb an fid) to e r t i n i> i f f e r e n t. 2 )esl>alb toollen toir uns nicht lange bei bem Berfuch aufhalten, bie neue 3 cit beutlid) 3 u machen, ihre Beaiehungen aufauaetgen unb bie tragenbe ©truftur blofföulegen. 2 Iud) bie grage ber SRechanifterung, ber Sppifierung unb Normung toollen toir nicht irber=

fehlen. Unb toir toollen bie oeränberten toirtfrf>afflicf)en unb fogialen Berhältniffe als «ine 2 a t f a e hinnehmen. Sille biefe ®inge gehen ihren fd)idjalbaften unb roertblitrben ©ang. (Entfcheibenb toirb allein fein, toie wir uns in biefen ©egebenheiten gur ©eltung bringen. f>ier erft be=

ginnen bie geiftigen Probleme. 5tid)t auf fräs „3Bas", fonbern einzig unb allein auf bas „Söie" fommt es an. ®ajj toir ©üter probugieren unb mit welchen SD'litteln toir fabrizieren, befagt geiftig nichts. Ob toir hoch ober flach bauen, mit ©tafyl unb ©las bauen, befagt nichts über ben SBert biefes Bauens. Ob im ©täbtebau ,3entraIifation ober ©eaentrali- fation angeftrebt toirb, ift eine praftifdje, aber feine SBertfrage. 2 lber gerabe bie g r a g e nad) bem 3Ber t ift entfdjeibenb. 2 ßir hoben neue SBerte au fefcen, legte 3 mede auf^ujeigen, um SEUafjftäbe au ge=

toinnen. ®enn ©inn unb 9te$t au jeher 3 eit, alfo auch ^cr neuen, Hegt einaig unb allein fearin, bajj fie bem ©eift bie Borausfefeung, bie (£ji- ftenamöglidjfeit bietet."

9tun l>at fich uns aber immer fd>on {jeaeigt, bajj ber ©eift, in bem er 3Berte — alte unb neue — fcfcaut unb au oenoirflicben trachtet, eben*

falls in hohem SJtafce ber 2)ifferenjierung unb ihren ©«fahren unterliegt.

Unb gerabe hier fann bie philofophifch* Befinnung bem Seben einen be=

(5)

£ r n f t e ß r i f i s u n f c t c r Slecfrtfprec&ung 5

beutfamen Sienft Icxften. Senn nichts begegnet «ns häufiger als bie Sr=

frf>einung, bafe 9Jtenfd)en unb SERenfchengruppen, bie »cm einem beftimm*

ten SBert (einem „Obeal", einer „Aufgabe", einer „Utopie") innerlich gepadt finb, n u r für biefen unb feinen anberen “Sltd unb <Sinn haben unb baju neigen, alle, bie ihre 5 Bertfd)ä{ 3 ung nicht teilen, für fcbledjt ober bumm ju halten. ®as fann ju innerer 3 erflüftung, gehäffiger ^ar=

teiung, ju lebensbeörohlidjen inneren Kämpfen führen. f>ier wirb nun ber ^ilofop^ie bie f) 0 'l>e Aufgabe, ju jeigen, bajj ber geftirnte fjimmel ber 3Berte unenblich Diel rcicfjer ift, als ber 9tai»e pnächft ahnt, bafe aud) 93erfchieben'heiten ber SBertfchätjung nicht notwenbig ©egenfatj unb Kampf bebeutet, bajj enblid), wo Kampf notwenbig erfdjeint, biefer in fachlicher Söeife geführt werben fann. ©ewaltgebrauch ift unwürbig.

2 lus bem ©efül)I für biefen 6 acb»erhalt unb für biefe hohe Aufgabe ber ^ilofop^ie txiben wir »on Anfang an in bem ßeitfprud) unferer 3eitfd)rift jum Ausbrud gebracht, baß in ihr bie »erfchiebenen pI)iIo=

fophifchen Dichtungen unb bamit bie »erfchiebenen 3öelt= unb Söert*

anfchauungen su SBort fommen follen. Unb auch hier begegnen wir uns wieber ju unferer greube mit 33eftrebungen ber heutigen gachpihilofophen.

On bem oben erwähnten SBerf „3öirflid)feit unb 3öert" (@. X V I) führt (Erich 3 a e n f d> aus:

„(Es ift eines ber fd)ßnften 3 *ele philofophifcher Anthropologie, burd) Beachtung ber in ben »erfchiebenen Arten menschlichen ©eins enthaltenen SBerte Srennettbes aufeuheben unb bie SKenfchen etnanber näberp*

bringen. 2 Ber Don biefem 2 Bunfd)e befeelt, in bie fd)»eren ©eiftesfämpfe ber ©egenwart htneingeftellt, oft bie jerftörenben Kräfte bes fmffes empfunben hat, unb weil feltener, bafür aber um fo bcmfbarer bie helfen*

ben unb aufbauenben Kräfte ber Siebe, bem wirb als ein befonbers hohes unb erftrebenswertes 3 iel basjenige erfdjeinen, was Seibnij einmal als ben Hauptinhalt feines Sebens bingeftellt hat, inbem er fid> in einer autobiographifchen 6 d>rift einen für ihn fehr beaeichnenben tarnen bei=

legt: ,Pacidius‘ (griebensfreunb)."

Auch wir fehen 'barin einen (Ehrennamen! 21. 3)1.

Crrnfle Griffe unferer fKßd)f[precf)ung

SSon ^Profefior Dr. 311 f t e b 33 i e i ! a n b t

SBill man bie heute »ielbefprochene Srage, ob eine Krifts in unferer 9led)tfpred)ung beftehe, grünblid) beantworten, fo tut man gut, ben Nahmen ber Betrachtung »on »omherein weiter ju fpannen. (Es erfd)eint bie in 3lebe ftehenbe Krifts bann als befonberer galt einer allgemeinen Jatfadje.

€>cf)on ber (Sprachgebrauch unferes heutigen Sehens weift auf biefes

Verhältnis hin. 53is gurn Sberbrufj hören wir »on einer Krifts auf jebem

(6)

6 S r n f t e S t i f t s u n f e r e r 3 t e d ^ t f p r c d > u n g

nur benfbaren ©ebiete fprechen. SBir hören Don einer Urifis ber ®rjte=

hung ober SRebijin fo gut wie Don einer Griffs in ber (Ethnologie ober fogar Don einer geiftigen Urifis überhaupt. (SoDiel bie 3>lobe im ein*

aelnen babei mitfprechen mag, fo tief begrünbet in bet Sache ift biefer Sprachgebrauch boch. Unfere gefamte Kultur befinbet fic^) in ber Sat etwa feit ber SJahrhunbertwenbe in einem 3 uftanbe allgemeiner unb tief=

gehenber Sluflöfung unb 3 erfet 5 ung mit allen 33egleiterfcheinungen bes 3tabifalismus, ber 3 >»eifelfucht unb ber Unjufriebenljeit — ein 3 uftanb, aus bem ber 3Beg nur enttoeber ju einem S^iebergang unb »ieileicfjt Untergang ober nach langem Suchen unb Gingen ju einer Dolligen Sfteu*

geftaltung ber 3)inge führen fann. Sie Kräfte, bie in ben lebten brei Derfloffenen Sahrhunberten unfere ©efittung geftattet haben, hoben iht

“JBerf getan unb finb »erbraust: fie muffen burd) neue erfefet werben, wenn toir nicht bem Untergang entgegentreiben »ollen.

33on ben © r ü n b e n btcfer allgemeinen Sluflöfung feien hier nur jwei furj erwähnt: ber eine liegt in einer überftürjten ©efdjwinbigfeit ber (Entwidlung unferer mobernen 3 uftönbe, vermöge beren bie jeweilig erforberlichen Slnpaffungen unb entfpredjenben Umgeftaltungen auf ben anberen Teilgebieten ber Kultur nicht mit ber ©efdwotnbigfeit bes 2 öan=

bels immer Schritt h^It^n fönnen. (Eine neue 3Ted>nif unb eine neue 3 Birtfchaft oerlangen 3 . 23. eine neue SOtoral unb eine neue ©efellfd)afts=

orbnung; aber biefe fönnen jenen in ber ©efchwinbigfeit ber Umgeftal=

tung nicht folgen. 3Bie fehr unfere 9techtfpred)ung, um 00 m allgemeinen auf ben befonberen ©egenftanb unferer ^Betrachtung 3 u fommen, hier- Don betroffen ift, liegt auf ber f)anb. ®er rapibe Sßanbel unferer 3«=

ftänbe erzeugt fortgefe^t ein unüberfehbares §eer Don ‘öerorbnungen unb ‘'Paragraphen, bie nicht mehr eine einheitliche ©eftalt bewahren, unb bie niemanb mehr überbliden fann.

®er j w e i t e © r u n b bes SBanbels liegt in jener Eigenfchaft un=

ferer Kultur, bie man wohl als ihre S a d) I i d) f e i t bejeichnet. 3ebes einzelne Kulturgut hat fich aus bem urfprünglichen organifchen 3 «=

fammenhang bes ©anjen Iosgeriffen unb ftrebt nur noch banach, fich in fich möglichft Dollfommen ausjugeftalten. Ss folgt nur noch feiner eigenen

©efefclichfeit, ohne bem allgemeinen ßebensjufammenhang genügenb Rechnung 3 u tragen. ®ie Söiffenfchaften häufen fo Spesialerfenntniffe über ©pejialerfenntniffe auf, ohne banach 3 « froflen, ob ber menfchlidje

©eift in biefem flberflujj ertrinft. 5)ie moberne 5öirtfchaft erfennen wir immer mehr als ein bämonifches ©ebifbe, bas fich nach feinen eigenen

©efefcen entwidelt, zugleich ©egen fdjafft unb Unheil ftiftet — unberührt baoon, ob bie SSlenfchen biefes ©efdwpf bewunbern ober oerachten. 3>ie=

felben Sigenfdjaften einer hoch entwidelten Sachlichfeit aeigt befanntlich

auch unfere 9leci)tfprec|>ung: fie ift bas ©egenteil alter patriarchalifdjen

(7)

g t n j t e f l t i f i s u n f e t e t gtecfrtjpreifrung 7

9te<htfprechung, aller „ S a b i j u ft i 3 ", bie im einzelnen gall auf ©runb perfönlicher (Erwägung geregt ju fein fid> bemüht. Sie I>at oielmehr bas Beftreben, lebiglich bem ©efefce einer eigenen, ber juriftifchen Sogif au ge^orefjen unb ein ©ebäube non Gegriffen unb Urteilen ju fd>affen, bie eine in fich gefchloffene logifche (Einheit feilben. “ffite aber ber oon biefer 3lechtfprechung betroffene SRenfcf) babei im Einjelfalle fä£>rt, ob 9tecf)t unb 3JloraI, 5ted)t unb elementares “Jtechtsgefühl ftd> entsprechen ober nicht — bas ift ihr nach ihrem SBefen glei«^>gültig. 3 um STeil ift biefe Unterwerfung bes 9techts unter rein facf)lid)e formen unb bamit ihre Soslöfung oon ber ^erfßnlichfett bes Richters oon ber mobernen ©efell=

fchaft gerabep gewollt: in ber Slufflärung »erlangte bas 'Bürgertum aus 9Jti£itrauen gegen 3Mlfür unb ‘’Parteilichfeit bewußt nach einem ftrengen Formalismus bes Rechtes, unb aus biefer ©efinnung heraus ift 3 . 53. bas neue franjöftfdje Strafgefefcbuch am (Enbe ber großen 9teoo- lution gefchaffen worben.

3n biefen Beziehungen unterfcheibet fich alfo bas ©ebiet ber 9tecf)t=

fprechung grunbfätjlich nicht oon anberen ©ebieten unferer Kultur: ben (Eharafter ber Ärifenhaftigfeit hat es mit ihnen allen unb mit unferer gefamten mobernen Kultur als einer (Einheit gemeinfam. ®er ©eift un=

ferer 3eit wirft fich grunbfäfclich in gleicher SBeife in allen (Einjelgebie*

ien aus. Unb überall hat jeber Suftanb auch bie entfprechenbe © e g e n - b e w e g u n g her»orgerufen. (Es gibt heute fein Sebensgebiet mehr, auf bem fich nicht gewiffe 3 t e f o r m b e w e g u n g e n bemerflich machen.

Äein Zeitalter hat wohl jemals eine folche gülle oon 9teformbewegungen erlebt, wie fie bem unferen eigen finb. ltnb umgefehrt fann man fie fich aus ber ©eftalt unferer Kultur gar nicht h'nwegbenfen: wo fich äbel auf allen Sebensgehieten in folcfjer 6 tärfe bemerfbar machen, unb »0 bas Vertrauen in einen allgemeinen oernünftigen 3 uftanb ber 6 eftehen=

ben Singe fofehr erfchüttert ift tote bei uns, unb too enblicf) ein foldjer

©rab oon 2 lfttoität wie in unferer ©efittung herrfcht, ba ift bas plan=

mäßige Bemühen um Befferung ber gegebenen 3uftänbe faft etwas

©elbftoerftänbliches. 3n ber STat muß heute ber 9teformwille gerabeju als eine ^Pflidjt aller baju Berufenen erfcheinen: jebe einzelne ‘’ßerfon unb jebe Berufsflaffe, bie fich über eine rein mechanifdje Jätigfeit er=

heben, finb oerpflichtet, je nach ihren Kräften an ber großen Slufgabe unferer 3eit, an ber Umbilbung unb S^leugeftaltung ber 53erhältniffe, mitsuwirfen. Unerträglich geworben ift heute jene fatte ©elbfeufrieben*

heit, bie alles auf bas herrlichfte beftellt finbet unb in jebem SBillen jur Umbilbung nur gehäffige Nörgelei ober neroöfe 9teuerungsfucht erblicft.

3n biefem Sinne barf heute auch feine Berufsgruppe bas Beftehen

einer Ärifis in ihrem ©ebiete mit ber Begrünbung ablehnen, es gäbe in

ihrem Berufe nichts gu reformieren.

(8)

8 ( E r n f t e S ü r i f t s u n f e r e r 9 t e c & t f p r e ( & u n g

3n allen biefen 33eaiehungen bilbet, wie frfjon gejagt, bie Red)t}pre=

chung feine Ausnahme Don anberen 33erufsflaffen. Unterfchiebe fönnen nur beftehen in bem ©rabe unb ber 2 lrt, wie fiel) bie allgemeine Sage unferer Seit in ben einzelnen 35erufsflaffen ausprägt, insbefonbere in ber Starte bes Reformwillens unb ber Stärfe ber Reformmöglichfeit.

Unb hier fc£>eint in ber Tat bie Rechtfprecfjung eine etwas ungünftige Stellung einsunehmen.

Um mit ber R e f o r m m ö g l i c h f e i t ju beginnen: fie ift fchwerer ober leid)ter, je nachbem es ftcf> in einem gewiffen Sinne um ältere ober jüngere Berufe I>anbelt. ®as gürforgewefen ift 3 . ‘B. in biefem Sinne ein jüngerer 33eruf als bas ÄÜrdhenamt. 33on einem Unterfchieb bes Sllters fann man 3 unä$ft in einem rein 3 eitlid>en Sinne fprei^en, inbem man an ben ^ßitpunft ber (Entftefjung bes Berufes benft. S o ift bas f»anbwerf älter als bie Unternehmung. Samit oerbinbet fich burchweg aber ein Unterfchieb bes ©eiftes. ®er moberne ©eift wirb fich in jün=

geren berufen in ber Siegel fräftiger ausprägen fönnen als in älteren, bei benen er ältere Slnfdjauungen unb Haltungen erft befämpfen mujj.

So ift auch in biefem Sinne bie Unternehmung jugenblicher als bas f>anbwerf, nämlich oom Rationalismus bes reinen 3*DeiJmillens Diel mehr beherrfcht, unb bas gürforgewefen moberner im ©eift als bie Rechtspflege, nämlich Don einer mobernen 2luffaffung bes StRenfchen erfüllt.

SBefentlid) für biefen Unterfchieb ift aber weiter ber ©rab, in bem fich ber ©eift eines 33erufes in feften (Einrichtungen oerförpert: je ftärfer bas S?nod)engerüft eines Berufes, befto fchwerer beweglich ift er unter fonft gleichen Umftänben. So ift ber Sehrerberuf Diel weniger mit einem berartigen ^Inochengerüft Don Paragraphen unb 23erorbnungen belaftet, weniger burif) einen ted>nifd>en Apparat Don Satjungen unb Regula=

tioen in bem freien ^Balten ber ^erfönlichfeit gehemmt als ber Ri<f>ter=

beruf. Unb bamit mag es 3 U einem Teil sufammenhängen, bafe bie Re=

formtätigfeit in ihm im ganaen genommen einen lebhafteren (Eharafter befiftt als bei jenem. 9Beld)e Sülle ber feiten hat in ber Rechtspflege ihre Rieberfchläge in ©eftalt einer unüberjehbaren 9Renge Don rechts»

bilbenben ‘Beftimmungen abgefeimt. 55is in bie SBelt bes SRittelalters reichen, wie fchon betont, bie logifchen ©runblagen unferer Recf)tfpre=

chung, bie 2lrt ber ^Begriffs- unb Urteilsbilbung jurüd. 3?ann hat fie ben Rationalismus ber Slufflärung, feine inbiDibualiftifche 2 luffaffung ber

©efellfdjaft unb feine Derftanbesmäjjige Sluffaffung bes Seelenlebens im Saufe ihrer (Entwidlung in fich aufgenommen. Unb biefes überreiche (Erbe erschwert es ihr, fidh mit ben 2 lnforberungen ber ©egenwart in eine Iebenbige gühlung 3 u Derfefeen.

(Ebenfo abgeftuft wie bie Reformmöglichfeit ift au<$ ber R e f 0 r m =

w i l l e in ben Derfd>iebenen 'Berufsgebieten. hierbei fpricht bie gefell-

(9)

(£rnfte S t i f t s u n f e r e r 9le<&tfprec&ung 9

fchafttidje Stellung 5er höheren Sd)id)ten bes 33ürgertums in einer r>er=

bängnisoollen 3öeife mit. ®as 33ürgertum war befanntlid) in ber 2 luf=

flärung ber Präger ber geiftigen unb gefellfchaftlicben Umbilbung: es ging bamals mit ben großen oorwärtsbrängenben Kräften ber 3 eit. 3 «m großen Seit ftanb es auch im oorigen Sahrhunbert noch fo. 55ei ber (£in=

heitsbewegung bes beutfchen 33olfes haben unfere £>iftorifer bie geiftige gührung gehabt, inbem fie ihm im Spiegel feiner Vergangenheit feine Sulunftsaufgaben geigten. 2 Iber im neuen Reiche ift es Ieiber nicht in berfelben 3Beife weitergegangen; bie neuen Aufgaben, bie befonbers aus ber ropiben Sntwidlung ber 3nbuftrie unb bes werten Stanbes heroor=

gingen, haben fie nid^t in gleicher SBeife erfannt, gefchweige bie ®ege für ihre ßöfung getoiefen. Slllgemein fann man fagen: bis 1870 waren bie SERitglieber ber afabemifch gebilbeten ©rf>td)ten überall bie gührer ber breiteren 33olfsmaffen in ben gragen ber 3eit oermöge einer willig anerfannten geiftigen Überlegenheit. 33on ba ab aber hat fich biefe ©tel=

Iung allmählich oerloren. ®er ©runb bes SBanbels liegt junächft in ben n e r w i d e l t e r e n 3 3 e r h ä l t n i f f e n ber n e u e r e n 3 e i t , 3 U beren ^Bewältigung eine allgemeine Gilbung nicht mehr genügt. f>inju=

fommt bas gehobene ©elbftbewußtfein ber unteren Schichten mit ber

»erminberten Sßereitwilligfeit jur Unterorbnung. (Enblich aber, unb bas ift für uns bie pauptfache, fpricht aud) ein 9Ranget an gutem SBillen bei ben früheren führenben ©Richten mit — ein SRangel an gutem SBillen, bie 3 eit ju oerftehen unb ihren gorberungen golge ju Ieiften. Siefer gute SBille unb fein SKangel brauchen nicht bewußt 3 u fein, ©emeint ift hier nur jene gühlung mit bem 3Kenf<hen unb ben 33erf)ältniffen, bie überall 3 u einem gefunben foaialen Seben gehört unb im allgemeinen wegen ihrer €>elbft»erftänblid)feit gar nicht 3 um 33ewußtfein fommt, bie fowohl bas 53erftänbnis für bie 2lnfprüche ber 3eit »ie ben 5Billen, ihnen 3 U bienen, in fich enthält. Siefer gute Söille aber ift gerabe in Seutfchlanb unferem höheren 33ürgertum im neuen ^Reiche immer mehr abhanben gefommen. ©egenüber ben oorwärtsbrängenben Kräften ber Seit ftellten fich feine Sd)id)ten an bie ©eite ber fich ber Sntwidlung entgegenftemmenben geubalfchicht, aus gurcht oor ben 3 erftörenben 2 Bir=

fungen einer unficheren 3 ufunft Hämmerten fie fid> innerlich an bie 33 er=

gangenheit an unb fucfjten biefe feftsuhalten, ftatt fid) um ein 33erftänb=

nis für bie neue Sage uni» bie neuen 2 lufgaben 3 u bemühen, gür jebe Schicht aber, bie auf eine führenbe Stellung unb auf ein höheres 2ln=

fef>en Slnfprud) erheben will, ift ein SERitleben mit ber 3eit unerläßliche SSebingung. Unb biefem Schidjal einer rüdwärts gewanbten Schicht ift unfere juriftifche SBelt im 3 ufammenhang mit ihrer beoor 3 ugten gefeit- fd)aftlid)en Stellung wohl in einem befonberem SRaße 3 um Opfer ge­

fallen.

(10)

10 S) i e © i n n b e u t un g bcs 2 e b e n s

£>fe ©Innfoufung 5 es Sebent 5 urcf) £><m t>euffcf)<>n Ofoalfemus

9la(fc 9t i cfc a r b f t t o n e r 1)

I.

Söäbrenb 6 er „91 a t u r a I i s nt u s" als Sßeltanfcfrauung auf ber itberaeugung ruf)t, bafö bas © a n 3 e ber 3Belt lebiglid) „9tatur", unb bafj auef) ber 3Jlenfd> lebiglid) Sftaturwefen fei, bitbet ben Kern bes

„3 b e a I i s m u s" bie Anfdjauung, bafc im 3Jtenfd)en, fofern er Sd)öp=

fer unb Präger ber Kultur ift, «ine wefenbaft neue ©eite ber SBelt ftcf>

offenbart, bafe fte fief) t)ier in einer Stmenfton ober 2iefe ju erfennen gibt, bie allem naturl>aften Safein fremb ift.

Sies im Vergleich ju aller bloßen „9tatur" 9t e u e tut fidj barin

!unb, bajj 'ber SRenfd) nach bem 6 i n n e feines 2uns fragt. Ser 33e=

griff „Kultur" meint niefjt eine ftnnfreie 5BirfIid)feit wie „Statur", er meint nid)t 2 öirtlid)es, fofern es einfach ba ift unb ein gefeftmäjjiges

©efd>el>en aufweift, fonbern foweit er SBirfliches meint, meint er aud) immer beffen Sinn. Onbem wir als Kulturtoefen leben unb Kultur fd>af=

fen, meinen toir unferm Safein einen Sinn gu geben, ber in unferem Mojj organifd)en Seben, in ber 33efriebigung ber rein naturfjaften 25e=

bürfniffe, bie uns mit 'bem STierc gemeinfam ftttb, nicf>t liegt, fonbern ber einem anberen Bereich, eiben bem bes „©elftes", anget)ört. „Kultur" ift nicht etroa lebiglid) ©egebenes, Safetenbes, ©efdjeljenbes rote feie „Da*

tur", fonbern fie ift etwas, bas toir 9Kenfd)en als ftnnt>erftef)enbe unb finnfetjenbe Söefen erft ^eroorbringen. |^Iturtätigfeit ift finnoolle STätig- feit.

Säfjt fid) iber Sinn biefer Tätigfeit begreifen? Sas ift bie ©runbfrage aller Kulturphilofophie.

Siefes „Begreifen" fann nicht bedeuten ein Ableiten ein „Sebujieren"

bes Sinns aus ettoas, was felber noch feinen „Sinn" batte. Sas wäre unmoglid). „Sinn ift ein ilrbegriff, ebenfo wie Sein"2). Sinn ift fne erfte Vorausfetsung (bas „abfolute Apriori") alles Gebens unb Berftehens, alles SEReinens unb Aufweifens im ©ebiet ber Kultur unb ber Kultur- pbüofopbie. Somit ift Selbftbefinnung iberen einzig mögliches 5ßer=

fahren („Sftetbobe"). Von ber gewöhnlichen Selbftbefinnung unterfd>ei=

bet ftd) bie philofophifd>e lebiglid) burd) Streben nach einem ©pftem.

*) 25gi. beffen tieffinniges SBetf „® ie 6e[bffr>ertt>itflicf)ung bes ©eiftes". „^tolego- mena jur Äu[iurpf)t(o]'opf)te". Sübingen, SDtobr, 1928.

2) „Sin n " ift Mer unb in gotgenbem gteidjbebeutenb mit „9Bert" ober bem, toas ber 3Berteerwirftict)ung bient.

(11)

b u r b e n b e u t f c & e n S J b e a l i s m u s 11

©ie mödjte alles (Eingelne innerhalb 6 er Hultur 311 einem ©inngangen 3 ufammenfaffen, aus bem alles (Einseine oerftänblid) toirb.

5öenn toir bie „Statur" als finnfrei, bie Kultur als finnooll beaeic^=

neten, fo befagt biefes nid)t ettoa, bafe bas Staturerfennen nicbt ettoas ©innoolles wäre. ©ein ©inn liegt (toie ber alles (Erfennens) barin, baft toir erfaffen, was ber ©egenftanb „an fid)" ober „in Sßatjr^eit" ift (ber ©inn bes (Erfennens ginge ja oerloren, toenn er feinem ©egenftanb ettoas antäte, toenn toir ifyn umbilbeten ober ettoas 3 U it)m bingufügten).

Es ift alfo 3 U unterfd>eiben 3 toifd)en Statur g e f d) e f) e n unb Statur=

erfennen: bas Statur g e f d> e f> e n ift fein ©inngefdjeben, toeil es nid)t toabr ober falfd) fein fann; bas Staturerfennen (bas felbft eine Kultur- tätigfeit ift) muft toabr fein, toenn es feinen ©inn erfüllen, b. l>- wenn es ( E r f e n n e n fein foll.

gerner bebeutet unfere ©djeibung oon „Statur" unb „Kultur" nicl)t 3folierung unb reftlofe (Entgegenfefcung. 5)er SDtenfd) ift Statur= unb Slulturwefen. ©d>on bas Staturerfennen ift nid)t blojje 53erftanbes=, alfo infofern ©eiftestätigfeit, fonbern wurzelt aud) in ben ©innen, bie uns ja mit ben Vieren gemeinfam finb. Unb fo gilt nid)t nur für ben SKenfcfren als (Erfennenben, fonbern gang allgemein für il>n als Hulturfdwpfer, bafs er überall gugleid) ©innenwefen, unb infofern Staturwefen ift. ®ie ©inne fpielen aud) eine Stolle, fofern ber SRenfd) Steligion fjat, Slunftwerfe beroorbringt, als ©taatsbürger fid) betätigt.

©eift überhaupt ol>ne ©innlidjfeit wäre ebenfo leer, wie ber 33erftanb o§ne ftnnlidje Slnfdjauung. „®as ,geiftige‘ 2 eben, bas Seben ber Äultur baut fid) auf bem natürlicb=finnlid)en ßeben auf unb ift obne biefe ©runb=

läge fein wirflid)es Seben, b. t>- aber überhaupt fein Seben."

®amit fteben wir oor einem Problem. Senn einerfeits unterfd>eibet bie benfenbe ©elbftbefinnung Kultur unb Statur, ©inn unb 3Birflid)feit,

©eiftes= unb ©innestätigfeit, anberfeits müffen wir bas Unterfd)iebene, ja (Entgegengefeftte bod) als SJtoment ei n e s ©angen, mitbin als gu=

fammengebörig benfen; benn bie Statur fultioiert fid), ber ©inn oerwirf=

lid)t fid), bie ©innlidjfeit oergeiftigt fid).

©araus ergibt fid) freilid) 3 ugteicb eine willige (Einficfjt, bie geeignet ift, bie ibealiftifd)e 5BeItanfid)t als bie böbere unb umfaffenbere 3 U be=

ftätigen, bie ben relatioen SBabrbeitsgebalt ber naturaliftifdjen mit um=

faßt; benn bk Statur, bie SBirfltdjfeit, bie ©innlidjfeit, fie machen nid)t bas 3Belt gange aus. „Sas 2lll=Umfaffenbe fann nur im © e i ft ge=

fud)t werben, weil ber ©eift fid) felbft unb bie ©innlid)feit umfafet; nur im © i n n , weil ber ©inn in ficb 3 ugleicb bie SBirflirfjfeit einfcfyliefjt;

nur in ber K u l t u r , weil fie gugleid) Statur ift, — Statur, bie oom

©eift fultioiert winb." —

(12)

12 S) i e © i n n b e u t un g bcs ßebetts

II.

®er ilrbegriff für bie Kint>cit Don ©ein uni» ©inn, bie bas 3Befen fees Sftenfdjen ausmad)t, ift öer begriff fees 3 3 e t o u ß t f e i n s (bes ,,©ei=

ftes")- „® as 33etoußtfein ift bas ©elbft, bas fid) auf ficf) 6e=finnt, weil es im ©inn-Sein ift, »eit fein ©ein ©inn ift. SBäre ber SJtenfd) nur ein pfpd>o=pt)pfrfd)e5 (förperlicf)=feelifrf)es) “Jöefen toie bas STier, ragte er nid)t in 'bie ©innfpbäre hinein, fo gäbe es für itjn fotoenig ©elbftbefin=

nung, toie es Kultur für it>n gäbe."

„SSeroußtfein" ift alfo feas Urgegeben«, »on bem — toie oom „©inn"

— alle SMturpt)ilofopj)ie ausgefjen muß. 3Bas Sßetnufetfein fei, bas fann nicf)t „definiert", »on Slußerbetoußtem abgeleitet, fonbern nur in feer

©elbftbefinnung bes 33et»ußtfeins aufgetoiefen unb bamit ju größerer S?lari>eit gebracht »erben.

®abei geigt ficf), baß 33etoußtfein fein ruf>enbes ober ftetjenbes ©ein ift, fonbern .baß es fid) au feem, was es ift, madjt, feaß es fid) felbft »er=

toirflidjt. ‘SSeroußtfein ift alfo ettoas, feas immer nur entftetjt, ot>ne jemals entftanben, b. I). „fertig" gu fein, feas immer nur auf feem Söege ju fid) felbft ift, olme jemals feas 3 iet feines SBeges gu erreichen.

2 lber es ift babei mef)r als bloßes „SBerfeen"; es entftefjt nid)t bloß, fonbern es erjeugt fi<$; es ift „f> anfe e I n".

3>urd) bics fein fxmbeln bringt aber bas ‘Setoußtfein nid)t 'bloß fid»

felbft fyeroor, es bringt fid) aud) f ü r fid) felbft f)eroor, es bringt fid) j u fid) felbft, es bringt fid) felbft 311 m 53en>ußtfein. 3m ©elbftberoußtfein gelangt feas SSetoußtfein erft gu feinem wahren begriff, feas fein ©el>eim=

nis aufpfd)ließen cermag. „(Eins für fid» felbft unb mit fid) felbft einig toerfeen ift feer ©inn aller Jätigfeit fees ‘Setoußtfeins, ber © i n n a l l e r Ä u 11 u r t ä t i g f e i t."

$as ©elbft, auf feas fid) bas 3ktt>ußtfein befinnt, oolljiefjt ftufemoeife feine ©elbfteinigung unb feamit feine ©elbftoertoirfli^ung. ©er SBeg ju bem „©elbft" gef)t immer feurd) ein „Slnfeeres", alfo buref) eine (£nt=

3 toeitmg, eine ©egenfätjlid>feit; auf jeber erreichten ©tufe ift bas ©elbft relatio mit fid) eins geworben unb relati» mit ficb uneins geblieben. Ob bas 55emußtfein an irgenfeeinem fünfte feines 3öeges ju reftlofer ©elbft=

einigung unfe feamit ©etbftoertoirflidjung gelangt, fann nur im gort- gang feer ©elbftbefinnung erfannt werben.

©tets ift feas 53etoußtfein 55etoußtfein t>on Gtwas; es t)at infofern einen 3nbalt. (Es fd)eifeet feen 3nbalt »on fid) felbft, ftellt il>n fi<$ ent=

gegen als „©egenftanb", aber oereinigt fid) mit ifym bod> als mit f e i = n e m ©egenftanb. 2 >er ©egenftanb ift fo bem 23ewußtfein augfeiefc

„tranfjenfeent" (als ein Slnberes) unfe „immanent" (als »on if)m ge­

formter 3nfralt). (£r ift nid)t bloß finnli^ (Empfangenes, fonbern augleid»

(13)

b u r d ) b e n h e u t i g e n S b e a t i s m u s 13

ein Dom SBewußtfein beleuchtetes (oerftanbenes, gedeutetes); er ift fo gleichfam Dom Strahl des 6 i n n e s getroffen; er ift finn=Doll, Doll bes Sinnes, ben bas Vewußtfein bem ©egenftanb Derleiht. 3Xur infofern ift ber ©egenftanb „bas oergegenftänblichte, Dom 23ewußtfein ftc£) unbe­

wußt entgegengeftellte 33ewußtfein felbft" (32)1). 2 >as Och (b. i. bas 35e=

wußtfein) felbft aber ift nicht nur (wie ber ©egenftanb) Don ber Be­

wußtheit befeuchtet unb dadurch finn-Doü, fonbern „es ift felbft ins Sein treterrf>e, ficf> Derinhaltüchenbe Bewußtheit, fich Derwirflichenber S i n n " (33).

©as 3d> ift entweder t h e o r e t i f ch ober p r a f t i f ch, b. h- feine STätxgfeit aielt entweber auf e r f e n n e n b e Aneignung bes ©egen- ftanbes, oder barauf, baß es fich felbft im 20 o I I e n unb h a n d e l n oerwirflicht.

Sas t b e o r e t i f d ) « Och erlebt in der ©ewißhett feiner (Erfenntnis

„unbewußt", d. h- unreflettiert, baß gorm und On'halt gegenftänblich eins geworden, daß das 9tcrtfelhafte unb SBtderfpruchsDolle, was feinen (Erfenntnis trieb Dor Aufgaben ftellte, überwunben ift; daß das ©egen- ftandsbewußtfein au fich felbft aurüdgefehrt, mit fich felbft eins ift. „ 6 s erlebt den Sinn feiner felbft als bem durch es felbft Derwirtlichten t h e o r e t i f c f j e n S i n n feines ßrfennens" (39).

Sreilich, das tbeoretifche Och fommt bei jeweils erreichten (Erfenntniffen nur retatio aur 9fatf)e. ®ie Aufgabe ber (Erfenntnis ift ja eine wtenbliche.

So bleibt bas Bewußtfein des theoretifchen Ochs mit fich entjweit; d. h- es ift nie e n d g ü l t i g unb abfolut mit fich Derföhnt. Sein 3öeg fann beshalb für das Dol l e und g a n a e 53ewußtfein nur eine Stufe fein, auf ber es nicht endgültig au Derharren Dermag. (Anders ausgedrüdt:

das tbeoretifche Verhalten, das (Erfennen fann nicht als ber lefete Sinn bes 9Jtenfchen angefehen werden.)

®em theoretifchen Och ftellt fich nun bas p r a ! t i f ch e gegenüber.

®as t h e o r e t i f <h e Od> baw. das theoretifche Verhalten entfteht aus der Aufgabe, ©egenftanbs- unb Ochbewußtfein an Dereinigen; das P r a ! t i f ch e aus derjenigen, die (Entaweiung des Ochbewußtfeins i n f i ch aufauheben.

Eine (Entzweiung ift hier Dorhanben in bem ©egenfat? bes S r i e b = h a f t e n in uns (woau auch die Sriebtätigfeit des ßeibes gehört) und bas bes eigentlichen Dom Och ausgehenden „Söollens". On den Trieben fühlt man fich „getrieben", alfo gleichfam paffiD unfrei, im 5Bollen als frei fich in AftiPität Derwirflichend. Onbem nun bas Och frei wollend

i) 3n biefem ©afce aeigt ficf) beut(icf) bet (Srunbgebanfe biefer ganjen „ibeatiftifdjen"

'Pbilofopfiie, bafe es feine nom Serou&tfein (Seift) t>erfd)iebene, foaufagen geiftfrembe 9BirfK<fofeit gibt, fonbern bafe bie ganje 9Bett (Erzeugnis eines 23e»ufetfeins fei (bas bann freitief) als ein ü b e r inbioibuelles gefafet »erben mufe).

(14)

14 S i e 6 i n n b e u t u n g b e s 8 e b e n s

Stellung nimmt 3 U feinen Trieben, fie hemmt ober auch — wenn fie 33il=

ligung finben, ihre Siele su Onhalten feines SBollens macht, wirb es eins mit fid) felbft als f>err bes Triebhaften in ihm, unb bann wirb es wal)r=

haft frei. „®er SRenfcE) i ft als wollenber niemals frei, fonbern er w i r b es, unb jwar burch eigene Tat; er m a < f> t ftd> frei." ®ies greiwerben ift ber S i n n feiner praftifdjen Tätigfeit. —

©ef)en wir »om Einzelnen 3 ur ©attung über, fo ift bie ©attung SRenfd) fein blofj bi ol ogt f c ^e r Slrtbegriff, fonbern ber S i n n begriff 2Jtenfd)beit otber 3chheit. Onfofern in ber gortpflansungstätigfeit nicht blojj bas einaelne 3d), fonbern bas 23ewufetfein felbft als ©attung 3Jtenfch fic^ erseugt, überragt fie finngemäjj alle fonftige Triebtätigfeit.

®eshalb fü^lt bas finnliche 3d) fein eigenes Triebleben im 33egattungs=

trieb unb in allen aus bem ©attungsoerhältnis entfpringenben Trieben am beutlichften als S i n n. 3e nach bem Umfang, in bem bie Triebgemein- fchaft mit feinesgleichen bem einseinen SSRenfchen sum 25ewufetfein fommt, entwidelt fich in ihm bas ©efühl für ben *331 u t = unb S i n n - 3 ufammenhang ber gamilie, ber Sippe, bes Stammes, bes 53oIfes, ber SRenfchheit.

3 unächft entfteht 3 wifd>en ben Ochfubjeften ein t r i e b haftes fierr- f^eroerhältnis, woburd) bie triebbefeelten Seiber ber 33eherrfd)ten 3 U iebenbigen Organen ber fjerrfchenben, alfo 3 U iberen Setbeigenen ober Sflaoen werben.

Sofern aber bas 3ch als freie, fittltche Perfon über anbere herrfd)t, öerfflaot es fie nicht, fonbern e i n i g t feinen 3ßillen mit bem ber an­

beren ju einem fittlichen ©emeinwefen, su einer K u l t u r gemeinfchaft.

3n ber Hulturwirflid)feit, in ber burd) Äulturwirfen erseugten 3öerf»

wirflid)feit perwirftlicht fich bas 33ewufjtfein als S i n n unb sugleid) als Sel b. 5)as 3Berf ift ober w i r b nicht nur finn t> o 11 wie ber ©egen- ftanb, fonbern ift felbft Sinn, ftd) ausfprechenber, oerleiblichter Sinn.

SSulturwirflidjfeit ift Sinnwirflid)feit. —

£s würbe su weit führen, wollten wir auf a l l e einseinen SMtur- gebiete unb ihren Sinn eingehen. 5Bir beföränfen uns auf Religion unb Philofophie.

®ie 2 BirfIid)feit ber R e l i g i o n ruht auf einem in fich oollenbeten unb enbgültigen 23eftanb autoritatioer Äußerungen, ben man als Offen­

barung sufammensufaffen pflegt. Sie fchreitet nicht fort, wie bie SBiffen- fchaft, ^hilofophie unb anbere Äultwrgebiete, fonbern fie bleibt, was fie ift »om Slugenbltd ihrer ©eburt an; mit ihrer Stiftung ift fie »ollenbet.

■ffiiffenfchaft mufe fortfchrittsgläubig fein, ber ©laube ber Religion be­

sieht fid) auf bas Unoeränberltche. ®ie Offenbarung ©ottes mag fid) erneuern, aber ihrem ©ehalt nach bleibt fie, wie ©ott felbft, „oon Ewig­

feit au Ewigfeit". „Fimmel unb Erbe werben »ergehen, aber meine

(15)

b u t ct> b e n b e u t f d> e n S b e a l i s m u s 15

?Borte werben nicht »ergeben." Sarum haben bie religiöfen SDtänner fiel»

t»on je als Jteiniger, als 3urücfbringer eines Ursprünglichen, als „91 e - formatoren" gefüllt, ©elbft 3efus fagt: ,,3d) bin nicht gefommen, bas

©efefc aufgulöfen, fonbern es gu erfüllen." Sie abfolute Snbgültigfeit ift untrennbar mit bem ©inn ber Steiigion als bes t>on ©oft felbft errich*

teten SBerfes oerfnüpft.

greilief) brof)t barum auch bem ©eift ber Steligion ftets bie (Erwar­

tung, bie ©efaljr, baß an ©teile lebendigen ©laubens eine 33ucf)= unb SBortgläubigfeit tritt.

2115 enbgültige ift bie Religion aud) jugleid) ausfd)ließlich; fie bulbet im “^rinjip feine 9leibenbuhlerin. 3brem ©inn nach ift Religion feine einzelne unter anberen, fonbern bie allein „wahre", allein „felig machenbe", bie abfolute Religion. „Stiemanb fommt 3 um 53ater benn burd) mich." Slattjolijdjerfeits bat man bies ftets feftgebalten. 2 lud) Suther ift fein Borfämpfer ber Soleranj, unb bie Soleranj bes (£alt>inis=

mus ift eine lediglich politifche, auf bie Unabhängigfeit ber Kirche Dom

©taat bingielenbe, feine innerfirdblidje. (23gl. Sröltfch, ©efammelte

©(griffen, I. 469 unb 761.)

Sas erkbenbe 3cf) ftefjt au ©ott unb ©ott ftefjt 3 um erlebenben 3d) in einem a b f o l u t e n ‘Verhältnis. ©as 3ch ift feiner Totalität nach

©ottes ©efchöpf unb Sbenbilb. 3nbem es ftd) als ©ottes ©efd)öpf weiß, eint es fiel) als fubjeftioes Bewußtfein mit bem in ber Religion objef=

tioierten. 2 lus ©ottes SBille ift nichts ausgefd)lojfen, melmehr ift es fein 3Bille, ber ftd) in allem ©tnnleben unb ©innerleben feiner ©efd)öpfe funbtut, benn er ift nicht nur allwiffenb, fonbern aud) allmächtig, ©ott ift felbft nur, infofern er ber ©d>öpfer feiner ©efdjöpfe ift, fie finb nicht neben ober außer ihm, fonbern in ihm.

®as S S e r h ä l t n i s ber J t e l i g i o n 3 u r K u l t u r fann in sweäfacher SBeife fich barftellen. ©ofern bas „Sfteich ©ottes" als ©entern- jkhaft ber mit ©ott oereinigten, in ©ott oerjöhnten ©eelen „n i d) t oon biefer SBelt" ift, fann es fremb, ja feindlich erfdjetnen alter „weltlichen"

Kultur als ber außerreligiöfen ©elbftDerfötjnung bes Bewußtfeins. 2 ln=

ibererfeits ift aus bem 9leid)e ©ottes feine ©eele unb feine 9tegung einer

©eele ausgefd)loffen, uni» ©ott wirb ja aud) gefaßt als ©dwpfer ber SBelt, mithin auch aller weltlichen Kultur.

®as SDlittel, beffen fich ©ott bedient, um fich iw menfd>lichen 93e=

wußtfein 3 U erraffen, ift bas göttliche Sßort, ber 2ogos. 3n ihm oer=

bilblicht fid) ber ©eift ©ottes nicht mehr als 3öelt ober als STeil ber SBelt, fonbern als ©eift, als ©inn. S a fich int „SBort" ber ©inn ent=

bilblicht, e n t = h ü 111 fich in ihm ©ott. Surch bie Offenbarung wirb bie 3Belt für bas weltlid)=menfd)liche Bewußtfein 3 u einer 5B e 11 bes

© i n n e s , sur SBelt ©ottes. freilich, biefe £nf=bilblid)ung finbet eine

(16)

16 ® ie © i n n b c u f u n g bes S e b c n s ujto.

© r e n 3 e am fubjeftioen 53emußtfcin bes SPtenfchen, nämlid) barin, baß ber geoffenbarte Sinn nie oöllig aufhören fann ein b i I b I i d> e r ju fein, wenn er nicht aufhören foll, für ben oon ©ott getrennten S5len=

fcfjen, oerftänöfich, b. f>- religiöfer Sinn 3 U fein.

3ßie fich ber Religion ©ott als Schöpfer ber 2 ßelt offenbart, fo erfaßt fich in 5er 'P h i I o f o p h i e bas Selbftbewußtfein als bas bie gegenftänbliche (Erfcheinungswelt, bas Gleich ber Sftaturgefefce unb bie 33 i l b weiten ber Kunft fd>öpferifd> erjeugenbe Söeltbeioußtfein.

2ßie für bas religiöfe 33ewußtfein ©ott als Schöpfer ber Sßelt ju=

gleich Schöpfer ber Kultur- ift, fo ift für bie ^Philofophie bas Setbft- bewußtfein jugleid) ber als wirtfchaftlicher unb technifcher, als politif<her unb wiffenfdwftlicher, als religiöfer unb fünftlerifcher, als philofopf)ifcher unb hiftorifcher fid) »ertoirflichenbe ©eift ber Kultur.

SHun ift für bie R e l i g i o n ©ott Schöpfer ber Kultur nur in ab=

geleiteter SBeife, nämlich oermittelft ber »on ihm gefchaffenen, aber f ü n b i g geworbenen 9Kenf<hen. Deshalb finb für bie Religion alle Kulturgebiete — fogar bie Religion felbft a l s Kulturgebiet! — 3 ugleid) ein SBerf ber Sünbe, ein Söerf, bas »or ©ott feine ©eltung hat unb bas mit bem Kommen bes „Himmelreichs" feinen Sinn oerliert. §ür bie h i l o f o p h i e ift bagegen bas Selbftbewußtfein bas „Zentrum" ber gefd)iüE)tItd>en 2öelt, bas in ihr fid) felbft oerwirflicht unb oerföhnt. Die 9Jlenfd>en als 93ewußtfeinsträger finb nicht bloß feine ©efd)öpfe unb SDtittler, fonbern fie finb bas 23ewußtfein felbft, tnfofern es fid) als fub=

jeftioes mit fich ^urd) feine Selbftobjeftioation in ber Kultur »ermittelt.

Die ^Philofophie unterfcheibet fid) enblid) aud) baburd) oon ber 9le=

ligion, baß fid) bas Selbftbewußtfein in ihr burch Selbftbefinnung b e = g r e i f t (b. h- burch „^Begriffe" faßt), nicht aber, toie ©ott, burd>

S i n n b i 1 b e r offenbart. 2lIfo in ber ‘’Philofophie wirb bas Selbft=

bewußtfein fein Pom erlebenben 3 cf) erlebbares ©emeinfd)afts=3ch (wie

©oft es für bas religiöfe 93ewußtfein wirb), fonbern ein fid) begreifenber Sinnbegriff — freilich ein Sinnbegriff, ber 3 uglet<h für fid» felbft bas allen 3d)=fubjeften gemeinfchaftlidje Selbft ift, bas fich im unmittelbaren unb im gefd)id>tlichen ßeben »erwirflidit —, mithin „ein lebenbig wtr=

fenber Sinnbegriff, beffen Momente für ihn felbft anfd)autid)-finnbegriff=

liehe ©eftalten feiner felbft finb" (205).

Die “^Philofophie würbe fid) aber mißoerftehen, wenn fie bas burd) ihre 3teflejion geleistete 55erföhnungswerf bem ber Religion überorbnen wollte; wenn fie meinen wollte, bas 23ewußtfein e n b g ü 11 i g oerföhnt 3 u haben. 2 lls Sfteflejion begreift fie oielmehr bie Unmöglichfeit, ja SBiberfinnigfeit abfoluter 33erföhntheit.

3n ber ^hilofophie begreift

3

War bie gan 3 e gefd)id)tliche Kultur*

bewegung fid) felbft, aber bie ^hifofophfe begreift n i d ) t f i d ) fel bft

(17)

© o g a r t e n u n b b e r b e u t f ^ e 3 b e a l i s m u s 17

a l s bi e gange B e w e g u n g ; bas Reifet: fie begreift, bafs bie Kultur noch fefjr Diel anderes enthält als ‘’Philofaphie. 3nbem bie ^ ilo » fophie ficf) felbft begreift, bebt fie ficf) auf, inbem fie fiel) begrenzt. ©amit begrenzt fie gugleid) ben gangen 5ßeg bes Bewujjtfeins, fie bebt il>n wenigftens als einen 2 Beg, ber gu einem endgültigen 3 tel binführt, auf;

fie benft ihn als in fid) felbft treifenben 2 öeg unb infofern als 2 B e g unb 3 ie'I g u g l e i d , als bas lebenbige unb eben babureb in feinen Sünfang gurüeffebrenbe gürfidjwerben, als ein ftetes: „ 6 tirb unb »erbe!"

©ogarfen un 5 5 er 35 eaftsmus

3Son 21 u g u ft 2Jt e ff e r

3m ©ebiete bes SBerterlebens begegnet oft bie (Erfdjeinung, bafj ber 35lenfd) nur Blid unb ©efüf)I bat für einen 3öert, ber ibm gemäfj ift, bafs er aber anbere 3öerte, felbft nabe oerwanbte, nicht ober nur getrübt unb oergerrt fiebt, unb barum meint, fie als ©cbeinwerte oerbammen gu müffen.

®iefer gall febeint mir auch bei ©ogarten oorguliegen.

®ie Älarfteliung biefes ©adjoerhalts toirb etwas baburd) erfchwert, bafs er — einem befon&ers unter Theologen oerbrdteten, aber baburd) niebt gerechtfertigtem 6 prad>gebraud) folgenb — bie Söorte „3ßert" unb

„SBirflicbfeit" oielfad) gleicbbebeutenb braucht. 5)as gilt aud) für fein Buch „© l a u b e unb 3B i r ! I i d) f e i t" (3ena, ©ieberichs 1928, 196 ©. ©eh. 5,50 9Jt., geb. 8,50 9Jt.), bas toir unferen 2lusführungen gugrunbe legen. (Bgl. g. B . 6 . 32 f., 37 f., 61 f., 172 u. ö.)

3ßas ift nun für ©ogarten bie „3Birflid)feit", b. h- ber SBert, ber ihn oor allem ergriffen bat?

(Es ift bie S i e b e , bie Stächftenliebe, bie nicht bas 3d), fonbern bas 2 >u will, bas fid) ibm oerantwortlich fühlt, ihm felbftlos bienen will. 6 ie ift gu fd)«iben oon bem ( Er os, »on ber „ 6 ud)t", in ber bas 3ch fic^

felbft unb immer nur fid) felbft will. „3>er (Eros will gar nicht bas S5u.

Unb wenn er es will, fo will er es als fein ©efcbßpf; aber eben gerabe barum nicht als $ u " (€>. 33).

3öir erfennen gerne an, bafö ©ogarten über SBefen unb SBert ber echten Städjftenliebe einbringlid) gu fprechen weife. 3ft es nun aber nötig, bafe er, um b i e f e n SBert gur 2lnerfennung gu bringen, ben 3bealismus unb ben ihm oerwanbten Sleuproteftantismus fcharf angreift? S?ann uns nur ber 3lltproteftantismus ben ©inn öffnen für ben SBert biefer Siebe?

Slber mifeoerfteben wir hier ©ogarten nid)t? (Er oerfichert uns ja:

„Es fann fich nicht barum hanbeln, eine SBieberbelebung ber Reforma­

toren in 6 gene gu feften" ( 6 . 22 ).

^ilofopfeie unb Seben. V I L 2

(18)

18 © o g a r t e n unb bei b e u t f dj e 3 b e a t t s m u s

Aber was »erftebt er an biefer ©teile unter „ 3 Bieberbelebung"?

Sebiglich: „Auffrifcbung ^iftorifc^er Erinnerungen". Snfeeffen, bas ift boeb nicht wirtliche „SBiefeerbelebung", bafe man jemanben jum ©egenftanb gefd>id)tlicher gorfchungen macht. Ijöcbftens fann 'bas eine Borausfefcung für wirtliche „3öieberbelebung" fein. Solche aber will ©ogarten in feer Sat. Senn er »erficbert ja: „Unfere Befcbäftigung mit ben Reformatoren fann nur ben Sinn haben, bafe wir uns »on ihnen bie Augen für bie Söirflichfeit offnen laffen." („SBirflichfeit" befeeutet natürlich hier auch wiefeer „3Bert", nämlich feen 3Bert feer SERenfcbenliebe.)

®afe ©ogarten tatfächlich eine SBiefeerbelebung bes Altproteftantismus will, unfe in welchem Sinne er es will, jeigt auch flar fein Urteil über bie Krifis bes heutigen ^roteftantismus: „Entweder er finfeet fich ?urücf 3 u feinem wahren Sßefen, bas bisher, aufeer bei ben Reformatoren felbft faum ju feiner Berwirflichung gefommen ift, ober er geht »ollenbs 3 ugrunde" (S . 44).

Sie reaftionäre ©runbtenfeenj ©ogartens »errät fich auch darin, bafe er die „feften Ordnungen" der Reformationsjeit 3 urücfwünfcht und dafe er der ©efefegebung ,,»erbängnis»olle Blinbheit" »orwirft, weil fie 3 .53.

bie alte Ehegefetjgebung etwas milbert.

3war äufeert ©ogarten gelegentlich ( 3 . B . S . 67) ein fritifches Söort auch gegen bie Orthobojie. Aber mir will fcheinen, bafe feine 2 Birffam=

feit (wie die des geiffesDerwandten Karl Barth1) auf bie Sauer do<h lediglich *>er Orthobofie zugute fommen wird; denn mit ihr »erbinbet beide ein gan 3 naioer, ja maffioer ©laude an die Bibel als unmitte[=

bares ©otteswort, der gänzlich unberührt geblieben ift »on aller mo=

bernen Bibelfritif unb bem Ringen nach „intelleftueller Redlichfeit", aus feem diefe Kritif ftammt.

Ser „SRoderne" fann fich in diefe gorm »on ©läubigfeit, die in ihrer Stärfe und Unberührtheit »on Zweifel an die geiftige Atmofphäre »on f?onnersreuth erinnert, fchwer hinein»erfefeen, aber er wird fich mit

©ogarten im 3nnerften einig fühlen, wenn er inne wird, bafe deffen 3 entrale Sßertfdjäfcung der Siebe gilt.

Aber follte diefe Siebe nicht ©ogarten feinerfeits »eranlaffen, bas Bilb, bas er fich t>»n dem modernen 9Kenf<hen ibealiftifcher Richtung gemacht hat, 3 U re»ibieren unb fich P prüfen, ob ber .Kampf, ben er gegen feen öbealistmis führt, nicht »ft einem Kampf gegen 3öinbmühlen ähnelt1).

Ser „^Perfönlichleitsgebanfe fees mobernen ©eiftes" bedeutet für

*) Aber biefen unb fein 33er&älfnts jum ffiantifcfien Sbeatismus fcabe icf> ein 33ucfc

»eröffentli(fct im 33erlag ©treder & 6tf)töbet, 6tiittgart.

a) 2luf ©ogartens älteres 33ud> „Sllufionen", bas aud; biefen Sampf fu^rt, fann f)ter leiber nidjt eingegangen »erben.

(19)

© o g a r t e n u n b b e i b e u 11 d) c S b e a l i s m u s 19

©ogarten „Verabfolutierung bes ©ubjefts, bes 3ch", „Söfung aus allen Binbungen unb Beftimmtheiten burch bas Objeft, Streben nach unbe=

bingter greiheit, nach ber reinen, burch gar nichts beftimmten 3d)=

haftigleit" (€>. 28).

(Es mag ja fein, bajj manche „3Roberne" aud) innerhalb bes 9teu- proteftantismus bas Söefen bes Obealismus in foldjem €>ubjeftiDismus fehen, baß fie, tote ber <5. 26 zitierte Karl Bornhaufen, in aller „Objef=

tiDität" nur „eine gang fubjeftioe ©enffiftion" erblicfen.

Aber w ill man fid) wirflich über bas ASefen bes beutjehen 3bealismus unterrichten, fo barf man nicht bie fubjeftiDiftifd)=DerfIüd)tigte Vaihin- gerfche „Ats=Db=^Philofophie" ititb giftionenlehre herangte-hen, fonbern man mujj in erfter ßinie auf Kant gurüdgefjen, ber trotj aller „3Biber=

legung" unb „itberwinbung" uns ein Sebenbiger geblieben ift.

9Ran leje nur einmal bie berühmte Anrebe an bie Pflicht in ber Krttif ber pr. Vern. (3ieclam, 6 . 101). „Pflicht!, bit erbetener, großer Stame, ber bu nichts Beliebtes, was Einfchmeidjelung bei fich führt in bir faffeft, fonbern Unterwerfung oerlangft, borf> aud) nicht broheft ...

um ben SBillen gu bewegen, fonbern bloß ein ©efefc aufftellft, welches Don felbft im ©emüte (Eingang finbet unb boch fich felbft wiber ASillen Verehrung (wenngleich nicht immer Befolgung) erwirbft." Klingt ba

„<SubjeÜioismus" burch? 3ft es nid)t gerabe bie große (Entbedung Kants, baß ber SDtenfchengeift (auf theoretifchem wie prattifchem ©ebiet, im (Erfennen wie im fianbeln) nidjt nur „fubjeftio" fei, fonbern baß er objeftb ©ültiges in fich finbe?

3ft es „Verabfolutierung" bes 3d), wenn Kant uns baran erinnert:

„2 Bir ftehen unter einer $>ifgiplin ber Vernunft" unb Dor ber Anmaßung warnt, „gleichfam als Volontäre uns mit ftolger (Einbilbung über ben

©ebanfen ber Pflicht uns weggufeften, unb, als Dom ©ebote unabhängig, bloß aus eigener 2uft bas 2un gu wollen, wogu für uns fein ©ebot notig w äre"?! (9teclam, 6 . 100.)

Ober ift es enblich „wibergöttliche £tberheblid)feit bes ©efdjöpfs, bas fich gurn Schöpfer madjen will" (€>. 28), wenn Kant uns einfdjärft:

„VMr finb gwar gefefcgebenbe ©lieber eines burch greiheit möglichen, burch praftifche Vernunft unb gur Achtung Dorgeftellten 9teid)s ber 6 it=

ten, aber boch gugleich Untertanen, nicht bas Oberhaupt besfelben (was nur ©ott ift), unb bie Verfennung unferer nieberen Stufe als ©efdjöpfe unb SBeigerung bes (Eigenbünfels gegen bas Anfehen bes hl. ©efefces ift fchon eine Abtrünnigfeit »on bemfelben bem ©eifte nach!" ((Ebenba).

©ogarten felbft erfennt es als ein „außerorbentlich wichtiges (Element bes proteftantismus" an, „baß es Söahrheit unb A3irflid)feit (b. h- SDlenfchenwert) nur gibt in ber allerperfönlichften Anteilnahme, nur in ber fubjeftioften ASahrhaftigfeit, nur in ber freieften (Entfcheibung"

2*

(20)

20 g r a g e unb 2Intmort

( 6 . 25). 9tun eben bies ift auch in ber 2Iutonomielef)re Kants ausge=

fprochen: baß ich nicf)t frember Autorität, nicf)t SKenfchenfafeung mich beuge, fonbern bem, was ich als „bas Süchtige" erfenne; man fönnte bie Slutonomie barum aud) „Orthonomie" nennen, b. I). SInerfennung bes „Stickigen", bes Objeftio=©ültigen als ©efefc. SJtan fann aud), wenn man mit Kant bas ©efefc auf ©ott prüdführt, bie Shttonomie als J^eonomie faffen.

«Sowenig aber bie Autonomie, jener Kerngebanfe bes beutfdjen 3bealismus, einem alles objeftio ©öltige leugnenben © u b j e f t i o i s » m u s gleidjp'fefeen ift, fowenig ift fie anbererfeits eine 2 lrt £ g o i s = m u s. ®as autonome Öd) im ©inne biefes Öbealismus ift nicht bas

„®u=Iofe 3<h", bem erft ber 93licf für bas $u wieber 3 U eröffnen wäre (wie ©ogarten ©. 31 meint), ©erabe Kant gibt bod) feinem „fatego*

rifchen 3mperatio" aud) ben ©inn: „®er SDtenfch ift feine ©ad)e, mithin nicht etwas, bas bl oß als SSRittel gebraucht werben fann, fonbern muß bei all feinen fmnblungen jebergeit als 3 >»ecf an fid) felbft betrachtet werben."

3nbeffen wirb ©ogarten »ielleidjt einwenben, bas fittliche Sun (im

©eifte Kants) „fenne überhaupt nicht bas ®u; es fenne es nur als bas gleichgerichtete 3d)" (30). 2lber Kant will ja gerabe fagen: ber 3Bert=

menfd), ber für bich im praftifchen Seben „® u " ift, barf nicht oon bir als „(Sache" angejehen unb barum als bloßes „Sftittel" ausgenütjt werben (wogu immer Steigung befteht), er ift auch ein „3ch", grunbfäfe»

lieh con ber gleichen SBürbe wie bu felbft, weil ebenfalls jur ©ittlichfeit unb Steligion berufen.

Ss fönnten noch mancherlei ©teilen aufgejeigt werben, an benen

©ogarten bem 3bealismns im ©inne Kants nicht gerecht wirb, wir müf=

fen uns aber auf bie geftftellung befchränfen, baß bie Autonomie weber jchranfenlofer ©ubjeftioismus noch ®u=Iofer Egoismus ift, unb baß bie Stächftenliebe auch »on feiten bes 3bealiften genau bie SBertfchäfcung finben fann, bie ihr ©ogarten entgegenbringt.

grage unb Sinftoorf

35on S fr e U a S K e r w i n

Söenbe mir bein 3lntlife 3 U, bu Stätfel Seben,

®aß ich beinen bunfeln ©inn ergrünbe, 2 Ules ©rübeln über ®afein, Job unb ©ünbe Kann bem Söirrnis feine Söorte geben.

Ober fpenbe mir mit offnen fiänben

3enen Sebensburft ber frohen Slnbern,

(21)

3 n n e r e ( E n t t o i d l u n g e n 21

2 af$ mic() unbefc&wert feie 3Bege »anbern,

23is bie 9tac&t fommt unb bie fragen enben.

3a, tcf> neibc eud), itjr §rol)=©efunben,

SBarum roatb eud) roo&l unb mir marb roef)e? ...

<5pra<$ ber (Sott: 3n betnen bunfeln 6 tunben 33ift bu, Sterblicher, in meiner Stäjje.

O nncrc © nfroicftungcn

Gin Jcf>tDms ßcbcn

IV . (gortfefeung aus 3afjrgang 1930, fj. 9, 11, 12)

3cf) fanb auch eine Seele, ber id> all mein 3ugenb(eib mitteilen tonnte, bie auch lieheootles 'SSerftänbnis jeigte unb mein “üerbängnis in meinem Stufftieg werben foltte.

SBer aber bentt in jungen, unerfahrenen 3abren, bajj hinter einer fo mitleibsoollen

©eeleein fc£)Ierf)ter (£f)arafter fifet?

3Bie bitter finb bod) bie erften (Erfahrungen, bie man machen muß mit unfers- gleichen. SKenftfjen nennen fie fich — jiere finb es! ‘Brauchen tfjr höchftes ©ut, ben 33erftanb um ganj infames 9tänfefpiel mit ihren lieben SRitmenfcfien ju machen!

Slteinem (Ehef batte ich es 3u »erbanfen, bafj ich ben fcfjrecflicfjen 3Beltfrieg nicht brau&en mitjuerleben brauste. 3cf) toar ihm ein treuer ®iener, bis auch t>ies burd) bie „treue, mitfeibsoolie ©eele" 3um 53rud) gebracht tourbe. ©ie war ein Sftäbchen, be*

beutenb älter an 3ahren als ich, in ollen gragen bes fiebens wohl betoanbert, eine betreuenbe ©eele alter jüngeren Kollegen unb Kolleginnen. 23on allen ©eiten baher auch wohl beliebt unb gern gefehen; fie war allen SBtutter unb Berater in ben Meinen 3llltagsforgen, bie ja im SKenfchenleben eine nicht unbebeutenbe 3Racf)t ausmachen. So batte auch '<? ihr mein ßeib mitgeteilt unb manche bitterfchtoere Stunbe hat fie mir burch ihr oerftänbnisoolles Seilnehmen leichter werben laffen.

Schon immer aber hotten ältere Kollegen bies unb bas über fie in Umlauf gefegt, was uns jüngeren nicht recht oerftänblich toar. 2>a ich ober bereits (Erfahrung baljeim gefammelt hotte unb auch ftets weiter in bie gufunft fah, als bie gleichalterigen ober noch jüngeren Kollegen, fo beobachtete ich im ftillen unb mußte bie größte (Enttäu|cf)ung im Seben erfahren. (Es war nicht leeres ©erebe ber älteren geroefen, hier offenbarte fich ein (Eharafter ntebrigfter 2lrt. 35or allen leichtgläubigen, unb wer ift es nicht in jungen 3ahren, war fie eine „^eilige SJtabonna" felbft, ein aufrichtiger, wahrer SKenfcf), bem man alles glauben tonnte. 2Bie fehr oeruvtetlte fie bas ©ebaren meines mir entfrembeten 55aters! Unb fie ... ber gleiche Sötenfd), ja fdhlimmer — benn bort offenes 8ugeftänbms, egal was 3>tenfd)en basu jagen! — fie aber, allen Seuten Sanb in bie Slugen ftreuenb, alles baran feöenb, eine gamtlie con ihrem Ernährer ju trennen! ÜDtein Chef »ar bas Opfer! $>ort ber SSater, bie ‘■perfönlichfeit, ber man ergeben fein follte, hier ber SRann, ju bem man frei emporbliden follte unb bem man oertrauensooll als hochftehenbe ^erfönlichteit anjufehen gewohnt war. Unb beibe ©e=

finnungsgenoffen! ©ort geleitet »ielleicht eon nieberen 3nftinften, hier aber? — nichts anberes? (Ein SBeib, ihres großen (Einfluffes fich bewußt, gewinnt SPlacht über einen SBtann, ber energieooll an feinem Sehenswert fchafft unb Sftacht genug befifjt, um überall feinen SBillen burdjjufefoen — er ein Sffierfjeug in fchwachen grauenhänben?

3a, fie hotte 9Jta<ht über ihn, er brachte — ober »ielmehr fie — brachte fo manchen jur ©treefe, Jo aud) mich- 3d> oerabfeheute fie, als ich hen wahren (Eharafter ertannte, als fie leugnete unb bennoch überführt war, ich sweifelte an ber SKenfchheit, benn nichts ©utes war bisher oon ihr gefommen. gür rein materielle ©enüffe oertauften fie fich, fchäfcten leiblichen ©enujj höher ein, benn geiftigen. 3Bo lag ber SBert bes Safeins?

S ie erften tieferen fchürfenben ©ebanten über Safein unb SKenfd) nehmen mich gefangen; eine neue Beit, bie Beit bes ©udjens, ginbens unb SBieberoerlierens beginnt.

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