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Philosophie und Leben. Jg. 3, H. 7 (1927)

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Academic year: 2022

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(1)

^ tio fo p ^ te unb Heben

3. JAHRGANG + ?. HEFT + JU LI 1927

„31m iDtenftt öer Dolböttn^eit erßrebt untere Jeitfctyrift eine fa$*

Uc^e 2tuöfpta^e ötr 6crf$teöcnen todtanf$ault$en Eichungen.“

Dieses H eft ist im Wesentlichen der J u g e n d gewidmet: teils kommt sie darin zu Wort, teils wird über sie gesprochen.

*Pßj!aIoggi an 3ung--6Mmg

"Siefen bod)bcbeut[amen, bisher nod) nid)t »cröffcntlidjtcn 93rief an ben ‘Berfaffer ber unoergänglidjen Siutobiograpbie „5ung-Stillings 2ebensge(ct)id)te" (5HecIam) per- banfe icf) -perm ßebrer ©eorg ‘•politfif), 3lieber-9tamftabt bet ©armftabt. ®r bat it>n oon einet Urenfetin 3 «ngs erhalten, einem grl. Haroiine Slifabefb f>ut() (geb.

19. 4. 1848 jU Seef>eim a. b. 23ergftrajje, geft. ju ©armftabt 14. 1. 1923).

§einrid) 3ung gen. Stilling (1740—1817) roar 1787— 1803 'Profefior bet Äameral- tt>iften(d)aiten in SÖlarburg; baneben war et als Scfmftfteller unb — 2lrjt, befonbers als Staroperateur (ef)t angefe^en. ©elegentlicb einer (Staroperation f)atte er im Sep­

tember 1802 in SJurgborf (Scfjtpei}) ^eftaiojäi perfönücb fennen gelernt.

®as unjtoeifelfiaft ed)te Original bes Briefes f>at mir »orgelegen. 21. SK.

21n £>errn ftofrat 3ung

ben 8. 8br. 1802.

3n ber Unfd)ulb ber Slinberbruft fd)Iug fcf)on mein f>er3.

*1)09 ’Sßol! tft clenb, icf) mod)t ibm Reifen, unbärtig, ungefd)idt unb aller fnlfe entblöfet griff id) als Oüngling bas Söerf an,

toar in 2lrmut unb l£lenb 33ater »on ffiatfen;

füllte, bafe id)’s fein tonnte, lernte es 3u fein.

33ermocf)te nid)t es 3u bleiben — inar bod) nichts anberes, tonnte nichts anberes fein,

unb oermoebte es bod) nid)t 3U bleiben.

D ©ott! 30 nolle 3al)rc war id) ba gan3 nichts unb oermod)te bod) nid)t

toieber 3U »erben,

Ȋs id> allein fein wollte.

D ©ott, 30 »olle 3al)rc

tonnte id) ben gaben nid)t inieber antnüpfen roo id) iljn gelaffen unb lebte fo lange

bas 2eben bes ‘Jßurmes, — ben ber SBanberer

‘'Pbilofopfcie unb ficbcn. I I L 14

(2)

192 ' P c f t a l o ä j i an 3 u n g - © t i l l i n g unter feinen Süfoen gertritt,

obne baft er cs roetft — Stfleine ©inne fd)roanben, mein jerriffenes 3d)

roar nid)t mei>r fid> felbft gleid), O 3ung — id) erlag,

id) »crlor mid) felbft, nur nid)t bie ßiebe;

id) cerior bie Siebe nie,

5Benn id) im tiefften Cftenb nur roieber ein S?inb fanb, — es auf meinen 6d)ofj feljte unb anfab, — roenn icb nur bies tat, fo febroanb ber (£inbrud alter meiner 2ciben unb bie fd)roar3c 33er3roeif[ung

tobte nid)t meljr in meinem Sufen.

2lber meine Äräfte fdjroanben, — id) febien bemnad) unrettbar nerloren,

für alles,

für mein 2öeib, — für mein Hinb, für alles ocrloren.

3n biefer 9lad)t meines (Seins, — in biefem 2ob meines ©elbft reifte id) ju bem roas id) bin unb 3U allem roas id) getan,

unb plötjlid) jeigte fid? roieber ein ©trabl, bafj id) roieber »erben fonntc,

roas id) immer »erben roollte.

©a trieb’s mid), wie roenn ein f>immlifcf)er mid) geifelte.

3efet warb id) in meiner 6 d)road)beit ftarf, 3d) Dollenbete, was id) nid)t abnte;

id) lebrte, was id) nid)t fonnte,

id) geigte ben 3Beg, ben id) nid)t roufjte.

©ie 3Bage fdmellte.

®as ©lüd groeier Oabre

roog jeftt bas (Slenb ber 30 roieber auf.

3d) bin gerettet,

id) bin 33ater ber 5Batfen,

id) bcibe Hinbcr, — id) babe roieber Äinber, id) fann lieben, id) fann roieber lieben —, jet3t roallet mein |>erj roieber frob,

aber roenn 6ie jefct — 9Dlenfd)cn!enner, roenn 6ie jet}t —

(3)

sP f ) i l o i o p f ) i e unb a l f o ^ o l f r c i c c S u g e n b e r a i e f j u n g 193

in meinem grieben nod) ©puren bcs unccrtilgbaren Xobens, ber un»crtilgbaren S^iüttung in mir finbcn,

rote id) fie fclbft in mir finbe,

bann tragen (Sie ber 3Renfcf)cnnatur 9tcd)nung,

€>te l)ören nid?t auf bie ©timmen ber 2 Renfd)en.

Stein, Stein, Stein. Sie —

©ic tragen eben meinem ßeiben 9ted)nung unb meiner 2 icbc

unb ber ©auer meiner ßeiben unb ber ©auer meiner ßiebe unb ber urplößticben Stettung unb ibrer1) Verführung.

€> 3Kenfd)beit, o Vater!

©er aerriffene, lange, lange in feinem 33lut liegenbe 3öurm

als bie am gelfen2) grojj fid) fonnenbe ©erlange — unb ift es if)m 51t »erseiben.

O Vater! id) roill nichts mebr auf ßrben 2 Iber cerfagen3) SÖteiner 2 öebmut unb meiner 3 enud)fung 3b« ?>anb nid)t um mein f)era aum b^ben4) ©treben nad) ©ott unb Voltenbung

nad) ber id) bürfte — 3U erbeben.

^eftatoäsi.

3 ufat3 3ungs: eigene f>anb bes f)errn sT}cfta(o3ji

Oung.

^P^itojop^xc unb affof)o(Jrete 3ug<m£>ergkf)ung

58on 91 c i n b a r b ©t r eder , 35ctlin

Das ©pinojabeft ber Slantftubien bringt eine feine 2 öürbigung bcs großen ^tjilofopbcn aus ber geber t>on ^rof. Dr. 3Tbeobor Rieben, ©arm ift roobt mit 9tcd)t bernorgeboben, bafe ficb bas einjetne 3d) in ber praf=

tifeben ^Pb'lofaPbie nic^t ebenfo Ieid)t beifeite febieben laffe roie in ber tbeoretifeben. V knn fid) ©ptnoja bie Söfung biefes Problems 31 t einfad)

»orftellt, fo mag babei mitfpreeben, bafe bei ibm perfönlid) bas tbeoretifd)e

!) ®ct SRenfcfjnafur ober bet 9tetfung (? ®. §g.). 2) 2e(ung unfid)er. 3) ergäbe:

6te (? ®. §g.). 4) ßefung unjidjex.

14 *

(4)

194 ' P J n l o i o p b i e unb a t f o t j D l f rc i e 3 u g e n b c r j i e l ) u n g

Öntcreffc fo ftarl cnttüfdclt mar, bajj ihm beffcn Befriebigung mehr ©lücf bereitete unb beffer über bie aucf) ihm mabrbaftig nicht erfpart geblie­

benen Söibermärtigfeiten bes ßebens bmmegbalf, als bas bei ®urd)=

fcbnittsmenfcben ber galt ju fein pflegt, gerner toirb 3U berüdficbtigen fein, bajj bie Begriffsreibe Utilitarismus — (£ubaemonismus — 2Jltru=

tsmus — 6 o3taltsmus gerabe erft in ber ^^ilofopbtc ber folgenben 3al)rt)unberte gur näheren Bearbeitung fam. SIber menn aud) bei 6 pi=

noja bie etnfcblägigen Begriffe noch nicht fo unterfd)ieben werben, mie es in ber mobernen 3Bertpbitofopl)ie gefd)iet)t, fo follten mir uns bod) bacor hüten, ibm gar 3u primitipe 2 Iuffaffungen ju unterftellen, wie es in mandjem Subiläumsartifel ieiber ju beobachten mar. 2 lud) ganj mo=

berne foaialiftifcbe 3been hängen Iclßtcn (Enbes nod) mit bcn entmidlungs=

fähigen keimen gufammen, bie mir bei bem tapferen Verfaffer bes „tl)eo- logifd)=politt}d)en Jraftates" ftnbcn. 2 s gibt in ber Ja t, mie es eine gemeinfamc 2 öaf)rl)cif gibt unb eine S^ritif ber „reinen" Vernunft, aud) ein oernunftgemäfjes fianbeln, unb eine Slritif ber „praftifcben"

Vernunft, in meid) letjterer Begebung bie SDknfcben ebenjo in ibren Sntereffen unb Jäten jur Übercinftimmung gelangen tonnen mie bas tbcoretifd) im Srfennen t>on 3Babrbeitcn ber gall ift. ?ßo bie 2 Ren=

fd)en ibren „Slffeften" folgen, mo fie oon rein egoiftifd)en öntereffen, t>on trägen ©emobnbeiten unb blinbem Aberglauben bebcrrfd)t merben, ba müffen fie in Söiberfprud) unb (Streit miteinanber ge­

raten. SSJlcnfchen, bie Vernünftiges mollen unb bie bie Bermirflicbung ber Vernunft münfd)en, befommen notmenbigermeife gemeinfamc Ön=

tereffen unb merben baburd) ju einer höheren ßinbeit oerbunben. 3Bte fid) ber tbeoretifebe SCftenfcb befeligt fübtt, menn er in Srfenntnis oon

‘äßabrbeitcn bie (Einheit mit alten anberen Srfenncnben unb mit ber emigen SBabrbeit au erleben fid) beroufjt mirb, fo fann fid) ber praftifebe SDlenfd) in ähnlicher 5öeife befeligt fühlen, menn er bei feinen Jäten ben Slnfdjlufe an bas gu ocrmirflidjenbe Vernunftrcid), an bas ,,9teid)

©ottes", au finben überzeugt ift, mag er babei auch noch fo bitter unter bcn Sßiberftänben ber ünoernunft im Seben gu leiben befommen.

Och habe jüngft in 3öien ben erften öfterreichifd)en Jtongrefj für a l f o b o 1- freie Sugcnberaiebung in ber (£barmod)c mitgcmad)t. (£r mar mir mie eine Olluftration ju bem oben ©efagten. 3d) fonnte übrigens biefc ©eban=

!en auch auf bem Äongrcfj felbft unter ftürmifcher 3uftimmung aller 3TetI=

nehmer jum 5Iusbrud bringen. 2 ßas maren ba nicht für ©egenfät;e t>er=

einigt! Sie antifemitifch orientierte „5)eutfchc ©emeinfebaft"! ©ie ftreng=

gläubigen fatbolifcben ßrjieher! ®ie gegen alle Slompromiffc mit ben bürgerlichen Parteien mijjtrauifchen ßojialiften! 5)a ftehen 3 BeItanfd)au=

ungen nebeneinanber, bie fich gegenfeitig ju überminben trachten unb bie

fich unter ilmftänben fogar mit mehr ober meniger gemaltfamen gefet3=

(5)

9 b i I o f o p b t * u n ^ « i l o b o l f r e i e 3 u g c n b c r ä i e i ) u n g 195 geberifcben SSRetboben gegertfctttg pm Verfd)tmnben bringen möchten, fner aber bat fie ein erfennbares »ernünftiges 3 icl pfammengefübrt:

<Ben toaebfenben ©efahren bes Sltfobolismus gegenüber !ann fein oer=

antoortungsbetoufiter Ersieher mebr bie 2 lugen fcblieften. 2 )as 2 llfohol=

angebot roächft erfd>recfenb non 3abr au Oabr, nicht mebr oon natür=

Iidjen < 33ebürfniffen ber 9Jtenfcben, fonbern lebiglid) Dom s")3rofitintereffe be5 2ll!oboIfapitals i?od?getrieben. S ie aufbringliche ^cflamc, an ber fid) neuerbings fogar ber 6 taat beteiligt, bängt bamit aufammen. 3n allen ©trajjen unb ©affen finb bie 6 d)anfftätten, bie pornebmen unb bte geringen, in Äonbitoreien unb Äolonialroarcngefcbäften, im glafd)en=

oerfauf unb (Strajjenbanbel ergießt fief) bie glut. SOlit naturgefel3lid;er 9totrc>enbigteit fteigt anbererfeits bie 3 abl ber Oranten, ber Drrfinnigen, ber Verarmten unb ber Verbrecher, je mebr SXlfobol in ben Volfsförper bineingepumpt wirb. 3 « biefer tatsächlichen Sntroidlung ftebt in er=

febütternbem Hontraft bie fortfebreitenbe tmffenfcbaftlicbe £infid)t in cJße=

fen unb 3Bir!en bes Sllfobols. (Seit einem SDtenfcbenalter roiffen tmr, baft wir es in ibm mit einem narlotifd)em ©ifte au tun haben. 6 eit einem SDlenfcbenaltcr jeigen uns forgfam angeftellte Experimente unb ge=

roiffenbafte ftatiftifebe Veobad)tungen, was aueb fleine Quantitäten für bie Slrbeitsleiftung ober für bie 9<tacbfommenfd)aft bebeuten. 6 o haben tmr aueb bier ben großen ‘ffiiberfprucf) 3tüifd)cn Vernunft unb Unvernunft.

®as ©efd)äftsintcrcffe bes Sllfobolfapitals ftebt in un»erföbnlid)em

©egenfa$3 3U ben Vernunftintereffen ber SDtenfcbbeit. (Es ift mit ber Obee bes „Reiches ©ottes" unpereinbar. Um fo fefter bagegen bilbet fid) bie (Einheitsfront aller bcrjenigen heraus, welche entfcbloffen finb, aud) in febarfem Kampfe toiber bie Unvernunft bas Vernünftige p t>ertt>irf=

lieben. ©as aber beijjt I)ter: 3 unäd)ft einmal bie Ougenb oon ben narfo=

tifdjen VMrfungen bes Sllfobols frei p halten. 6 s ift ber Jeufel, ben

©oetbe in feinem gauft au bem jungen ©tubenten fprecben läfct:

Verachte nur Vernunft unb SBiffenfchaft, 3)es 9Jlenfd)en allcrhöchfte Slraft, 6 o hob’ id) bid) . . .

3)er Stlfohol ift es, ber bas flare ©enfen trübt unb in Pagen 6 tim=

mungen untergeben läßt. ®as 2 llfobolfapital ift es, bas bie oernünftige 2lufflärung über bas ‘Jßefen bes 2Ilfobols mit allen SSRitteln p ner=

hinbern trachtet.

Unb mir benfen an ben anberen Spruch ©oethes, ber fid) auf bie prattifche ^hitofophie bezieht:

3öer immer ftrebenb fid) bemüht,

®en fönnen wir erlöfen.

(6)

196 ' P f j ü o f o p f n e unb a l t o f ) o ( f r e i e 3 u g e n b e r ä t e l ) u n g

2 Iud) bie Söillensfraft, bie ben 2 Renfd)cn anfpornt, unermübltd) an fid?

felber ju arbeiten, unb fid) 3U immer cblercm SRcnfdjcntum ju ergeben, fie toirb tote mit 33leigetoicbten burd) bie alfoljolifdjen 2äl)mungen nteber»

gebalten. 33on toelcber ©eite aus and) ber (Srsieber biefe 33ebrobung ber jugenbüc^en Snttoidlung ins 2Ittge faffen mag, er toirb es nie anbers tun fönnen als mit bem ftärfften Verlangen, fie 3U befeitigen. ®a fetjt fid) ber fatbolifebe Äated)et mit ber f)od)3eit oon Sana auseinanber ober mit bem in ber 2MbeI fo oft ju Vergleicf^toeden [jerangejogenen Silbe non Leben unb Trauben. ® a benft ber „arifd)" orientierte “^olitifer an bie 33etoabrung ber „9iaffe" oor ber förperltd)cn unb moralifd)cn $>e=

generation; ba benft ber ©o^ialift an bas tt>ed)felfeitige 2 Riteinanberoer=

bunbenfein alter SSRenfcben unb bie fid) baraus ergebenben ’33eranttoor=

tungen. Ommer ift ber ‘Beifall ein allgemeiner, too man ben ernften 3öi(=

len fpürt, bem gemeinfamen getnbe, bem Sllfobolaberglaubcn, fo ober fo,

“23oben abjuringen. Dmmcr bleibt bie ®isfuffion freunbfdjaftlid) unb fad)=

lid). 3m „Vernünftigen" finben fid) bie S[Rcnfd)en, bie burd) iijre „2lf=

fefte" fo leidet auseinanbergeriffen werben.

3ebenfalls follten totr im Kampfe gegen ben fogenannten „3ntellef=

tualismus" unterfebeiben 3toifd)en toirflid) überflüffigem ©ebäd)tnisfram, fpejicllem 53crufstotffcn unb allgemein lebenswichtigen Äenntniffen. 3u ben festeren gehört ohne Zweifel bas 2 Biffen über bie ©efäbrlicE)feit bes 2 llfo=

bols. 25or allem ber 2ebrer müfete btefes Söiffen in einem ber mobernen gorfebung entfpreebenbem SERafee beftfeen. Ser 3öeg oon ber richtigen Sinficbt 3um rid)tigen ^anbeln mag noch toeit fein, toeil auf ibnt all bie mannigfachen Hemmungen bes 5öillens liegen; er ift aber auf alle gälte unenbltd) oiel näber als ber 2 öeg oon ümoiffenbeit unb falfd)cm ®enfen 3um richtigen £>anbeln. ‘■pianniäfsig geforberte Slufflärung wirb besbalb immer ber erfte 6 d)ritt ber alfobolfreten öttgenbergiebung fein unb bleiben. 6 te fann freilid) überjeugenb nur oon (Bratenem gegeben wer=

ben, bie felbft bie rid)tige ^ rajis mit ber rid)tigen Jbcorie oerbinben.

®as ift bie erhöhte 53cranttoortlid)!ett, bie nun einmal oon jcf)er mit bem päbagogtfchen Berufe oerfnüpft ift. ©a ftnb bie öfterreicber weiter als totr in ®eutfd)tanb. ßtn oolles ®rittel ber SERitglieber bes beutfd)en 33unbes entbaltfamer Srgie^er toirb oon ben öfterreid)ern geftellt. SRic^t unbeteiligt baran bürfte ber ilntffanb fein, bajj aud) hohe unb ^)öd)ftc (Staatsbeamte bier in öfterreieb bem 55unbe angeboren, allen ooran ift 33unbespräfibent f)atnifcb felbft SIbftinent, ber bie ©üte f)atte, ben Ver=

faffer biefer Seilen als Vorfiftenben bes ©efamtbunbes in längerer

2 1ubienj perfönlicb 3U empfangen unb ibm bie oollfte 3 ufttmmung sur

Arbeit bes 55unbes aus3ufpred)cn. 5öie oft befommen totr in 'Deutfcblanb

bie wohlfeilen fonoentioncllen Lebensarten 3U bören, hinter benen feine

Säten fteben; bie womöglich 311m Slusbrttif bringen, bafc man unfern

(7)

S p p c n j u g e n b l i d j e r „ S u cf> e n b e r " 197

„guten Sßillen" anerfenne, auch wenn man uns eigentlich boch für ju

„rabifal" halte. 2 Rit welch anberm ©ewid)t fallen bie 3öorte biefer öfterreidjifdjen 55ehörben»ertreter unb Unioerfitätsoertreter in bie 3ßag=

finale, wenn man oon ihnen weife, bafe fie felbft SÖlitglieber unferes Vunbes finb. ©tatt gönnerhafter ßeutfeligfeit toirflid) ernfthafte 3Jtit=

arbeit! 3Iud) ber Staatsmann (Erzieher! Unb auch ber ©eiehrte nicht nur in ber theoretifd)en ^hilofophie, fonbern auch in ber praftifchen, Vertreter bes ‘öernunftintereffes!

Vernunft aber in biefcr ^föcife prattifd) betätigt, ift nichts anberes als SRenfchenliebe. ‘Bei ©pinoja felbft entspringt aus ber theoretifchen 35er=

nunft ber amor intellectualis Dei. Unb bei ©oethe flingt beibes ju=

fammen:

S a reget fich bie SOtenfchenliebe, Sie Siebe ©ottes regt fid) nun.

Xypcn jugendlicher „©ucf)<m&cr“

35on 6. 2 3 r e n n c de

6 0 mannigfaltig bie Veranlagungen junget SSRenfchen, bie t>on einem i n n e r e n © u ch e r t u m b e w e g t w e r b e n , auch fein mögen, fo laffen fich — nach meiner Erfahrung — boch wohl jwci grunboerfchiebenc Sppen unterfcheiben. S ie einen befitjen Don f)aus aus einen siemlid) un=

befümmerten Slusbrudswillen, alle ihre ßrlebntffe in einem Sagebuch nieberjulegen, wogegen ben anberen ein folcher 5Bille surn fchriftlid)en Slusbrud »öllig ober boch faft oöllig fehlt, Siefe fuchen fid) in münblid)er Slusfprache mit oerftänbnisoollen SERenfchen oon ber Unruhe ihres ge=

fühlstiefen Innenlebens ju befreien.

gehlt bagegen foroohl bas fchriftliche wie auch bas münbliche 2 Ius=

brudsoerlangen, bann fcheint mir bie Sölöglichfeit, allgemein §>tlfc für bie Klärung unb innere Befreiung biefer ©eelen aufaujeigen, !aum ge=

geben ju fein.

Ser erfte Spp nun gewinnt beim ?tieberfchreiben balb einen gewiffen 2 lbftanb oon ben inneren (Mebniffcn, fteht bann ben Singen mit bem

©efühl einer gewiffen Unabhängigfeit gegenüber unb erreicht burch einen — wenn möglich ausgcfcilten — fd)riftlichen Slusbrud leichter größere Klarheit unb Überficht über bie burchgefämpften Srlebniffe. Sa=

bei erfährt er, wenn auch unbewußt, burch bie 2 ätig!eit ber ©eftaltung eine gewiffe ©chaffensfreube unb bas, wenn auch oorübergehenbe ©efühl ber inneren Befreiung.

S e r ©elbftänbigfeit gegenüber, bie fich hierin geigt, offenbart fid) beim

3Weiten Sppus — in bem Verlangen nach münblicher Slusfprache über bie

(8)

198 J p p c n j u g e n b l i d j e t „ 6 u i ^ e n b e i "

inneren 33eroegtbeiten mit oerftänbnisoollen 9JIenfd)en — ein getoiffcs SInlebnungsbebürfnis. Sür ihn ift es baher oiel fchroerer, fich flar über bie Vcbcutung feiner inneren Srlebniffe 311 werben, weil er gugleid? bic

©nbrüde mit »erarbeiten mujj, bie er »on bem Partner ber ©isfuffion erhält, ©töfet ein Kämpfer biefes £pps nod) auf Verftänbnislofigfeit ober gar Ablehnung, fo roirb feine innere Sntroidlung burd) bie Untcr=

baltung mehr gebinbcrt als geförbcrt. (£r finbet bann feinen 9tuhepunft ber Vefinnung mehr, non bem aus ihm fein inneres Sein unb beffen (£ntroidiung offenbar werben fann.

derartige ©tanbpunfte ber 9iuhe befiftt bagegen ber erfte Xpp unb ge=

roinnt fie immer roieber, fobalb er [ich pon ben neueintretenben ßrleb=

niffen burd) fchriftliche ©eftaltung befreit, &ommt es ihm auch nidjt jum Veroufjtfcin, feinem inneren Vkrbcn fü£>lt er feinen bauernben 2 öiber=

ftanb entgegengefetjt.

SDlan fann roohl bret fjauptftufen, bie aus mehreren Unterftufen be=

ftef>en, unterfdjeiben, über bie bie geiftige (Entroidlung junger SRenfcben fehreiten roill. 2 Iuf ben erften berrfcht bas 2 lufnabme= unb Stnbruds=

verlangen oor, auf ben arocitcn ftebt bas Srfaffentoollen bes 6 inn3ufam=

menhanges im Vorbergrunbe, auf ben lebten fmuptftufen fchliefelid) herrfcht ber ©rang gur Vkrtgeftaltung por. VMeoiel 6 tufen erreidjt roerben, bangt natürlich »on ben befonberen Veranlagungen ab. Oft eine

»ielfeitige Sinbrudsfäbigfeit porfjanben, bann roerben oon ben »crfd)ie=

benen Dichtungen ber bie erften Stufen immer roieber erftiegen roerben müffen. Vei mehr einfeitiger Veranlagung bagegen roerben leichter bie höheren Stufen, roenn auch nur oon einer (Seite aus, erflommen roerben.

^ebenfalls — fo meine icb — fönnen fid> bie jungen SERenfchen bes erften Spps in bem natürlichen ?Bachstum ihrer inneren Sntroidlung nicht roobl grunbfätjlid) gehemmt fühlen, ba ja ber ©rang jur fcbriftlicbcn Stieberlegung 311m ber lebten Stufen ftrebt, unb bamit roächft ihnen bas ©cftaltenroollen 311m böchften Sßcrt. 3Bie oft auch ihre Seele burd) bic ©türme, bie barüber binroegbraufen, erfebüttert roerben mag, burd) ben 23efitj ihrer Slufgeichnungen erfahren bie Vertreter bes erften Jpps bie reiche 3Rannigfaltigfeit ihrer Srlebntffe, unb bas Veroujjtfein biefes fid)t- baren Reichtums roirb ficher oft bas geftörte ©leichgeroid)t ber Seele roiebcrherftellen.

2Ils Vertreterin biefes erften 3Tpps roill mir nach bem, roas ich Pon ihr in „^Ph'Iofcphie unb 2eben" gelcfcn habe, grau ^aula SOZeffer-^Iaö gelten. Srol} ber tiefen ßeibcrlebniffe, bic fie in ihren $agebud)blättcrn

„Slm au" fchilbert, 3eigt mir ihr Slusruf auf Seite 292 bes September»

heftes 1926 „SRein Jagebuch bei mir 3um lebten Slberblid' — bas roirb

ein reifer Sag roerben", bafe fie — ohne es roohl 31t ahnen — fcfron

(9)

Sp p e i t j ugenbl i cf j cr „ S u d j e n b e r " 199 in jungen öahren in ihrer 2 Iusbntdsfreube eine ©ottesgabe befafs, bie ihr immer toieber grojje 2 tnberung ihrer f>er3ensnot fchenfte.

6 0 fchtoer brüdenb unb oeratoeiflungsooll alfo auch beim erften 3Tpp all’

bie Hümmerntffe auf bem f>erjen laften mögen, ihm toinft bod) nicht all=

3ufpät bie größere 2 Iusftd)t auf eine geitriffe Srlöfung. ©enn ber 2 tus=

brucfsroille ift ja fein Sebenstoüle, ber fdjliefelicf) mit überlegener 55er- ftanbesfraft ber 33efreier feines empfinbfamen ©emütes oon all’ ben ßr=

fchütterungen toerben toill.

©ans anbers ift bie innere Verfaffung bei ben jungen SSJtenfchen bes 3toeiten Spps, too bas (Ergriff entoerben unb bas©ebanntfein burch bieC£in=

brüde, fotoie ber ©rang, burch bie reftlofe fnngabe an bas abfolute

©eltenfollen ber 3been jur Befreiung p gelangen, fo grofe ift, baft fie gar nicht ben nötigen inneren 2 Ibffanb gewinnen fönnen, ber 3ur fd)rift=

Iid>en SZieberlegung unbebingt erforberlid) ift. ©iefe jungen SDtenfchen empfinben es oft als eine Verfünbigung an ben reinen Regungen ihres

§er3ens — nun mit bem 33leiftift in ber frnnb —• in fühler 53erftanbes=

tätigfeit ihre (Erlebniffe nieber3ufd)reiben. Ohre (Empfinbungen finb oft fo fein t>er3tt»eigt, bafj fie 3U Überlegungen barüber brängen, ob benn bie 6 prad)e mit ihren oielen Unaulänglicbfeiten in logifcher unb fonftiger f)inftcht überhaupt bie 3D^ögIicf)feit 3ur 2 Iusbrucfsgebung bietet. Verfuchen biefe jungen SDtenfchen baraufhin, beeinbrudt burch bie 6 prüd)e inbifcher Wlofophcn, ihre Befreiung im großen „Schweigen" 3U finben, bann ftellt fich balb ber natürlid)e jugenbliche ßebensbrang bem entgegen unb bringt fie bei ber nädjften ©elegenheit bod) wieber basu, fich münblid) 3u äufeern, ohne einmal 3U prüfen, ob wohl 2 lusfid)t befteht, Verftänbnis 3U finben. ©chmerjpoll enttäufcht, bies nicht gefunben 3U hoben, toollen fie bann wieber ihre grojje (Einfamfeit auffuchen. 2lber auch hier »erben fie, je länger, je mehr, hin unb her geriffen oon all’ ben SIntinomien, bie fid) ihnen bei ber »eiteren Verfolgung ihrer 3been, benen fie fich bod) fo gana reftlos hingeben toollen, auftun.

2 Bte fann man fold)’ jungen Kämpfern ben 5ßeg 3U ihrer €>elbft=

befretung aeigen? Unb ein folcher Söegwetfer ift ja bas (Einige unb

§öd)fte, toas gegeben werben fann, worüber hinaus auch ber 9ftenfd), ber es am beften mit ihnen meint, nichts ju geben oermag.

Ounge 9ftenfd)en fuchen bie Urfachen ihres Selbes faft nur im ©egen=

ftänblichen ihrer (Erlebniffe. Sie ahnen otelfad) gar nicht, tote toeit ihre eigene Seele es ift, bie in ihrem tiefen (Ergriffenworbenfetn fid) ihres eigentlichen ‘ffiertes nicht bewuftt toerben fann. ©eshalb rnufe folch’ jungen SOtenfchen flar 3um SSetoufoffetn gebracht toerben, bafs es bie etnbruds=

oolle Seele ift, bie ben erlebten 3been erft ben großen SBert bes ab=

foluten ©eltenfollens gibt, unb bajj ohne bie 9Renfd)en, bie um ‘Söahrheit

fämpfen, 3been gar nicht toirfen fönnen. ©as urfprünglid) Söertoolfe bet

(10)

200 S p p c n j u g c n b l i d ) e t „ 6 u d) e n b e t "

all’ biefem Gingen firtb ntd)t 5xc 3been an fid), fonbern ber SDtenfd) in feinen geiftigen Kämpfen, »oburd) bie 3been erft il)ren Sinngehalt ge-

»innen. Sieb biefes groften 3öertes ber eigenen Erlebnisfäbigfeit beroufet 3U »erben, »irb für biefe Kämpfer, bie ibren 3been in Sreue »eiter bienen müffen unb »ollen, ‘’Pflicbt. ®afe es et»as heiliges ift um ein reines Sebensgefübl, aus bem erft eine fo tiefe Erlebnisfäbigfeit quillt, unb baft es um fo ftärfer empfunben »erben mufj, je größeren Sinbrucf bie 3been l>eroorrufen, mufe 3ur tiefften Übergeugung reifen. 3)en nad)=

baltigften Einbrud rufen in bicfcn 3abren bie 3been um ©ott Ijeroor unb ba erleben bie jungen 2Renfd)en »iel ‘’Pein in bem ©ebanfen, bafe bie

©genfd)aften ©ottes — bie 3bee ber Sillgüte, ber 2lllgered)tigfeit, ber Sllliebe — fid) gar nid)t »iberfprudjslos logifd) burd)benfen laffen. §ür manchen fann es bann »ol)l ein 3Beg»eifer fein, »enn er erfährt, bajj es gan3 allgemein bie tieffte 2 lufgabe bes forfd)enben 9Jtenfd)cn=

geiftes bleibt, bie erlebten 3been in »iberfprucbslofe itbereinffimmung 3u bringen. Ol>ne lebensfreubige 2 lusbrudsbejal)ung ift biefe Aufgabe aber fcineswegs ju löfen. gür bie 33e»ertung ber »iffenfd)aftlid)cn Seiftung bes menfd)lid)en ©elftes ift es natürlid) oon ausfd)laggebenber 55ebeu=

tung, »ie »eit biefe »iberfprud)slofe 3 ufammenftimmung gelingt. Söürbe fic reftlos gelingen, bann »äre bamit bem forfd)enben ©eifte feine 5luf=

gäbe genommen, bie er jur ßnt»idlung unb Steife unbebingt notroenbig bat. 6 0 »ie l)ter allgemein ift es aud) beim einzelnen Hämpfer. «Siebt er bie il)m geftellten Probleme als Slufgabe an, bie er nicht »on fid) ge- nommen haben möchte, fonbern bie er unbebingt oerfuchen mufe ju be=

»ältigen, bann »irb ibm bie ‘Keife unb bamit bas bösere 2 ebensgefübl fommen.

5)ie Srfenntnis biefes 3ufammenhanges müjjte an fid) fd»n eine Stei- gcrung bes Sebensgefübles für einen fold)en Kämpfer bebeuten. (£s mufj babei flar »erben, bafj ein erlebtes Sebensgefübl nur gewonnen »erben fann in bem 3 3 c»uf3f»erben einer reicheren Erlebnis» unb Scbaffensfäbig- feit. 9tid)t burd) rein reseptioe 33efchaulid)fett, fonbern burd) probuftioe

©eftaltung fann fid) biefer eigene innere Reichtum ent»ideln, am beften gefd)iebt bas in ber Entfaltung berjenigen Obeen, bie bas 3nnere gerabe be»egen. 3n münblicber 2lusfprad)c allein fönnen folcbe 3been niemals 3ur 3k>llenbung reifen, bas Spiel ober ber S?ampf ber 'Disfuffion gibt nicht bie 9luf)e unb Selbftgcfcttfbeit ba,511. 91ur bie fcbriftlirfje 9lieber- legung, bie im Slnfang bes '^Bemühens oft »ieberbolt um- unb neugeformt

»erben mujj, oermag bier bie ©eftalt 3U fd>affen, bie bie Erlebniffe bes jugenblicben 91ingers in ibrem 2 Befen am beften 3um Slusbrud 3U brin- gen oermag.

3 ur Steigerung bes SBillens b»rsu bient es »obl fehr, »enn an ber

®nt»idlung grof3er 2Renfd)cn gejeigt »irb, »elcbe 33cbeutung ber 2lus=

(11)

S p p c n jugenbticf>er „© u d) e n b e r " 201 brudsbrang fchon in jungen Oahren für ihre geiftige Sntwidlung gehabt hat. 9tod) einbrudsooller wirb es fein tonnen, wenn barauf hingewiefen wirb, baß felbft bie forfchenbe SDtenfcbheit ihre Slusbrudsmittel im fteten Kampfe mit bem ©egenftanbe ber gorfdpng Ijat heranbilben müffen.

Sas geigt am beften bie ©efd)id)te ber ejaften Sftaturwiffenfchaften, in ber weiteres gortfchreiten in ber gorfdpng immer nur baburch möglid) geworben ift, baß mit ben jeweils gur Verfügung ftehenben matbema=

tifdjen Slusbrudsmitteln »erfudjt würbe, bie 9laturoorgänge reftlos gu erfaffen. Überall ba, wo bies bann nicht gelang, mar ber ftärffte Slnftoß gur Verfeinerung unb Vertiefung ber mathematifchen unb phpfifalifchen

©pracbe gegeben. Sam it gelang es bann, tiefer in biefe unb anbere ©e=

biete ber üTtaturerfcbeinungen eingubringen.

6 0 bleibt es aud) bie Aufgabe eines jeben nach ‘2ßat>rE)eit ftrebenben 3Renfd)en, gunäcbft einmal mit ben ihm gur Verfügung ftehenben 2lus=

brudsmitteln feine gegenwärtigen Srlebniffe gur ©eftaltung gu bringen,

©ein ‘ülusbrudsoermögen wirb bann an biefem Sun, je länger, je mehr, wachfen unb ihn befähigen, neue Srlebniffe in ihren weitergehenben gein=

beiten gu erfaffen. 2 lud) jebe fc^riftlic^c wieberbolte Sluseinanberfeftung mit gelefenen Büchern bient bem gleichen 3 ®ed. Sftur im Vkchfelfpiel ruhiger Slufnahme ber Sinbrüde unb in bem ehrlichen 2 lusbrudgeben=

wollen gelangen wir in bie Siefen unferes ©eins, wo ber Slriftall oer=

borgen liegt, in bem fid) bie SBabr^eit fpiegelt.

3ch fratf in einem 25ilbe gufammenf affen, worin mir bie |)inweife für bie fnlfe unferer jungen Seute au liegen fd>einen: S as leiboolle ßrleben

»on 3been bebeutet, baß ©amenförner in ben Voben ber jungen ©eele gefegt worben finb, bie reifen wollen. Sßäre ber s23oben ber ©eele un=

fruchtbar wie gels, bann würben feine fchmergoollen (Empfinbungen in ibm fein. Ser fruchtbare Boben oermag auf bie Sauer ben treibenben Kräften ber wachfenwollenben 3been nicht Sinhalt gu tun, oielmehr ift es feine Veftimmung, bie ©amenförner reifen gu taffen. Sagu gehört bie

©onne, bie mit ihren wunberfamen ©trabten bie fd)lummernbcn ©eftal=

tungsfräfte wedt unb immer größer unb mächtiger werben läßt. © 0 ein=

fach &ic werbenbe ©eftalt ber Körner auch erft ift, in ihnen ruht, je weiter fid) aus ihnen bie Wange entwidelt, um fo ftärfere ©eftaltungs=

fraft. S ie ©onne für bie 3been ift ber Slusbrudswilie bes jungen 5lämp=

fers. SüRag bie geftaltenwollenbe Straft gunäcbft aud) gering fein, je mehr bie 3bce gu wachfen beginnt, um fo größer wirb aud) bie ©eftaltungs*

fraft in ihr, biefe will jene gum Vlüben bringen unb gur gruebt reif werben laffen. Sam it haben bie ©eftaltungsfräfte ihre höchfte ‘23eftim=

mung gewonnen. f>at ber SOtenfch burd) fein unabläffiges ©treben, erfüllt

ton tiefer Shrlid)feit gegen fich, feine Kräfte gu biefer gäbigfeit, grüchte

gu bringen, gebracht — unb feien fie aud) noch fo befcheiben — bann ge=

(12)

202 c r d c t J 1 1 ä t ber S e i t ? "

winnt er bamit bie Befreiung oon bem unruhigen ®rängen ber in ihm ruhcnben, unerlöften Kräfte.

3ch fann nur wünfdjen, baf3 bic 3citfd>rtft „'’Philofopbie unb ßeben",

„ber jeber wülfommen ift, ber etwas Süchtiges au fagen hot", mand)en jungen Kämpfer im Slusbrucfswillen ftärfen unb ihm fo frilfe geben möd)te.

„*P<m>erfifäf 5er 3 ( @i n pjycf)o( 0 gijcf)er 33erjucf))

S3on einem Stubenfen

2 ßer würbe leugnen, baß unfere Seit, geiftig genommen, oon jener leifen 3ronie bes 2lusgefd)öpftfeins bebt? 3cner fchmeralid)e 3ug ins

^croerfe, ber nicht nur bie Kunft, fonbern auch oor allem bas Verhältnis ber beiben ©efchlechter burchaittert, jenes hppcrneroöfe Schaffen in ber Jechnif, bas bisharmonifche (Eitrem im ©enujj geiftiger unb materieller 2inie, jenes Bewunbern alles franfhaft ©roßen im Bauroerf unb bas uneingefchränfte Herrentum bes ©elbes, finb es nicht Seiden bes 33er=

falles?

Smmerhin! Glicht jene finb, bie benfen, fonbern nur bie, bie hanbeln.

Unb wo wirft bic 2at, ber toilbe ©ehret bes eigenen Blutes erlöfenber als im ©efchlechtsleben? 2 lber wo blieb fie, bie fürftliche, wilbe ©ünbe unferer 2lf)nen? 3Burbe fie uns nicht 3um ©öt3 en bes ©elbes? Ober war unter 3d>, bas Och, bas in uns unb nicht mit uns ift, bas Jrieblebcn, vergiftet oom ununterbrochenen ©chaffen ber 3ahrtaufenbe? Erleben wir nicht alle biefe grage, wenn aud) gewiß in weit oerfchiebenen ©raben, was liefe, Seutlichfeit unb Kontemplation anlangt?

Sine fiinfehränfung möchte ich noch cinfügen. 9lid)t oon jenen 2 Ren=

fchen barf ich hier fprechen, bie oollfaftig awifchen Statur aufwuchfen, feft unb ftämmig aus ber bampfenben Srbe wucherten — ber 2 anbbe»ölfe- rung. 9licbt fie ift es heute mehr, bie Kultur mad)en fönnte, fie fann fie höchftcns haben. Slber wo liegt bas Zentrum unferes gefamten wirtfehaft- liehen, intelteftuellen unb äfthetifchen Sebens? 5)och wohl unbeftreitbar in jenen granbiofen ©teinwüften, bie fd)on a p r io r i wiber alle Statur finb, in ben ©täbten. Keinem ßanbmenfcbcn wirb es einfallen, fich über bie

©tabt bezüglich bes 3ntclleftuellen 311 ftellen, ich meine de fa cto . 3öenn man natürlich auch als Bauer mifetrauifch ober gar »erächtlich ben ©täb=

ter betrad)tet, fo ift ber tieffte ©runb eben jenes inftinftioe Bewufetfein

ber gefürchteten, ironifchen ©eiftesüberlegenheit bes ©täbters, ber bie

Sanbwirffchaft — auch als ©rofegrunbbefifcer — lebten Snbes ebenfo in

(13)

e r » e t f i t ä t be t 8 * ' t ?" 203 ber f>anb Ijält wie alle anberen ©üter menfchlichen Schaffens. 5)iefc 3Tt)cfc gilt für alle Setten, fofern fie nur angefangen hatten, in fefte gormen überjugehen, ift aber für bie folgenben Betrachtungen, bie ben entfeheibenben Sntwidlungs= ober 3erftörungsfaftor ber alten Kultur treffen follen, entfdjeibenb.

Hehren wir prüd ju jenem 2hema „2Rann unb 2Beib". SERan fann füglich behaupten, bajj in ber 2at biefes medjfelfeitige Verhältnis nicht nur einen untrüglichen ©rabmeffer für ben ßntwidtungsftanb einer Slul=

tur unb ihres Bereiches barfteilt, fonbern fogar ftets unb immer ben

„Seitgeift" entfeheibenb beeinflußt hat- 6s ift ein weit »erbreiteter 3rr=

tum, baß ber Subifopf beim 3ßeibe unb bie 5öeiberfrifur beim SDtanne eben jenem Seitgeift entfpringen follen, ber heute herrfcht. Lein! 3enes

»erfehrte Verhältnis ber beiben ©efchlechter jueinanber — junächft rein äußerlich genommen — folgt automatifd) aus bem ©reifenalter unferes Sulturfeins — mußte folgen, nicht weil es mobern, fonbern naturnot=

toenbige gotge einer Überfättigung ift, bie genau fo als untrügliches 3et=

eben bes fommenben ober fchon ftattfinbenben Verfalles bei alten hod>=

futtioierten Völfern bes Altertums auftrat.

2Ran werfe mir nid)t »or, baß ich hausbaden fei, inbem ich gegen bie

©leichftellung oon SIRann unb Vkib meine «Stimme erhebe, ©ewiß! ©iefe

©leichfteltung ift nütjlich, wertooll unb gut, aber unter Berüdfichtigung ihres tiefften S^edes unb (Sinnes, über ben man fpäter noch einiges ftnben wirb.

5Barum aber fam biefe ©leichheit in fo fraffer Vkife juftanbe? Öd) möchte beinahe annehmen, baß nicht nur äußerlich bei uns eine abfotute Vermännlichung bes Vkibes eingetreten ift, fonbern auch innerlich- ®as

‘©cib fucht fich bem Spanne gleichauftelten, ber ihr auch willig biefes Led)t einräumt. Sie treibt männlichen Sport unb Veruf — fwcfep, guß=

ball, gauftfampf, Ourifterei, Rheologie, STechnif ufw. — fie befd)äftigt fich bamit, fage id), unb bamit ift ber Honfurrenjfampf awifchcn beiben ©e=

fd)led)tcrn nun fchon nicht mehr äußerlich, ber Slleibung nach, fonbern auch förperlid) unb intelleftuett gegeben, ©aß bamit bie überlegene ^ 0 = fition bes SRannes im Sejuelten — bie ein gefunbes Vkib unbebingt als geiftiges ober förperliches Übergewicht »om SIRanne forbert, ehe fie fich ihm h'ngibt — eine immer febwerer ju behauptenbe wirb, liegt auf ber frnnb. 3a, in oielen gälten — f>ut ab oor ber grau! — liegt biefe Überlegenheit beim 3öeibe ober betbe Partner empfinben es wenigffens fo, unb troßbem fommt ein fejueller Vcrfebr juftanbe. Vkrum ? 2Iuf Welcher V afis? Um es glatt heraus^ufagen: 2Ius innerer Lot, unb awar beim 2ßeibe. Sie finbet einfach feinen mehr, ben fie als über fid) ftehenb anerfennen fönnte, unb trotjbem fchwingt ber unerbittliche ©ott Sros un=

abläffig feine graufame ^eitfehe. ®as auf btefer Hompromißgrunblage

(14)

204 , , ' P c t D c r f i t ä t bet S e i t ? "

cingegangenc freie ober eheliche Verhältnis mit einem SRann muß aus ber ganjen Vorgefd)id)tc heraus ein unmoralifches fein, benn nach Äant ift nun in ber 2at „ein Vertrag 3ur 53efriebigung beiberfeitiger < 33ebürf=

niffe abgcfd)loffen". Safe biefc Unmoral feine gewollte ift, muß nach bem

©efagten äugegeben werben. Smmerhin ift fie aber oorhanben, woraus folgt, baß bas fejuelle Verhältnis unflar unb oerborben ift.

Äann ein 2 Rann ober eine grau, bie unbebingt flar fehen wollen, unb boch nicht bie ©rünbe ihres Unbefriebigtfeins t>erftef)en, bei biefer Situation, bie bod) unbebingt fchief ift, ftchen bleiben? Schwächliche Slompromißnaturen tun es ficherlid), wie mir es in ungejählten gälten fehen, wo ein gleichgültiges 9tebeneinanberleben fchließlid) oberftes £>aus=

gefeß geworben ift. 2lber wie oft ift ein foldjes Verhältnis auf bie ®auer unerträglich?

3 wci 2 Röglid)feitcn führen 3itr Sluflofung, bie minbeftens von einem Seil im gebachten galle herbeigeführt wirb. Sntweber ber 23ruch, bie Trennung. Sie ift heute fd)on ju einer folchen Äranfheit geworben, bajj eben ®hefd)eibungen an ber Sagesorbnung finb.

®ie zweite 2öfungsmöglid)feit bes inneren ©efpanntfeins 3 Weier feft

»erbunbener 2 Renfd)en — woju biesmal beibe erforberltch finb — ift eine folche, bie 3 War erfchredenb häufig unb bemjenigen, ber nie bie Spiele ber Siebe fpielte, fchwer jugänglich ift: 3d) meine bie einfache Um- fchrung bes 9Rannes jum 3Beibe unb bes Söeibes 311 m Spanne.

®amit ift ber feelifche knoten fchnurftrads mit bem blanfen Schwert 3erhauen. ®aß btefe Söfung eine für ben gortfehritt einer Kultur negative 2 Birfung haben muß, ift nur logifd). ® a bas 3Beib an fid) unfruchtbar ift 3ur Schöpfung unfterblicher SDkifterwerfe unb ber SDZann fid) felber 3um fterilen f>aremsffla»en macht, fo fann ein fönigliches Schaffen füglich nid)t mehr erwartet werben. |Mer liegt ber Slngelpunft bes Unterganges jeber Kultur unb ihres Überranntwerbens burd) frembe 3ftäd)te, bie in gefunbem Streben nad) bem Sichte ber 2 ftad)t fein ^arbon geben benen, bie mit ihrem ungeheuren SBiffen aber ihrer »erfümmerten Seele ben Sieger um ©nabe bewinfeln. ®ie Mentalität, bie trot3 (Erhaltung ber äußeren gorrn beim Verfehr 3Wifd)en 2Rann unb ‘3Beib fid) in biefer 5ßeife oeränbert hat, genügt, um jenen ungeheuer fubtilen Vorgang bes geiftigen Schaffens unheilbar 31t inneren unb mit ber 3ett gan3 3U unterbinben.

Ausgenommen bavon bleibt bie STechnif. ® a bas technifche Schaffen 3 War ein geiftiges, aber nicht aus bem Urgrunb ber Seele ftanimcnbcs ift, bas unmittelbar auf bas ©emüt einwirfen muß, fonbern eher nur als Mittel 3um 3®ed gebacht werben fann, fo fcheibet es für biefe Unter»

fuchung aus. ®cnn es liegt auf ber f>anb, baß ein Sd)affen, bas burd)

Stalfulation unb Rentabilität ausfd)ließlid) gebunben ift, fein fünftlerifches

(15)

„ ‘• P e r c e r f i t ä t ber 3 e i t ?" 205 genannt »erben fann, alfo nicht burd) fcelifd>e Störungsfunftionen beein=

flußt wirb. ©enn niemanb fann ernftlid) bie STf>cfc befürworten, baß bie STätigfeit bes Stirnhirnes entfeheibenb fei für bas STriebleben. ©eshalb finbet man aud) bei allen finfenben Kulturen ein unerhörtes Slufblühen ber 2 ed)nif, foroeit cs im Nahmen bcs bisher (Erreichten möglich ift, be=

fonbers im germanifdjen Slulturfreis, too uns noch ungeheure teebnifebe gortfehritte beoorftehen. ©amit ift aud) ber naioc (Einroanb hinfällig, baß fein Verfall möglich fein fönne, too bod) bie $ed)mf in unaufhaltfamem, üppigem 2 Bud)ern begriffen fei.

lehren wir aum eigentlichen sT)unft jurüd, fo brängt fich unabweisbar bie grage auf, wie es benn überhaupt möglich mar, baß bie grau bem SSRannc minbeftens gleichwertig in intelleftueller unb phpfifcher £>infid)t würbe, fo baß eben jenes überfpannte Stftißoerhältnis ber beiben ©e=

fd)Ied)ter auffommen fonnte.

©iefe Satfache hat einen fehr fimplen ©runb: Sfticht ber S?ulturfort=

fchritt ift es, ber bie let3te fosiale (Errungenfchaft, bie (Emanzipation bes 2 Beibes, heroorbringen fonnte, fonbern ber Hulturniebergang, afabemifch gefprochen. ©enn folange in ber fd)öpferifd)cn Seele bes ‘^rin^ips ber 2lftioität, bcs SKännlicben, noch ungeborene Söeltcn fchlummerten, 3U beren ©eburt bas ^rinsip ber “’Paffioität, bas Vkib, niemals imftanbe fein fonnte, mußte ber SEJtann bem Söeibe überlegen bleiben, weil biefes

— um cs grob 3u fagen — immer auf neue ©lansleiftungen unb Über=

rafchungen gefaßt fein mußte, bie feine (Schwäche nur allju beutlid) bo=

fumentieren. Um nun ber ©efahr ber 2äd)erlicf)feit 3U entgehen, mifd)t fich bas 2 Beib, folange biefer 3 uftanb herrfcht, nicht in bie ©efcbäftc bes SDlannes, um beffen Überlegenheit in echt weiblicher Klugheit nicht allju beutlid) burch ihr unbebingtes Verfagen bem Sleufchöpferifchen gegen=

über ju bofumentieren. Sie befchränft fich melmehr auf ihren ureigenften 3ßirfungsfreis, bas gamiltenleben, wo fie ewig ungefrönte Königin fein wirb, wo ihr ber SOtann bei weitem unterlegen ift. Oft biefe Situation oorhanben, fo befinben wir uns in ber auffteigenben Kulturlinie.

V is eines 2ages, »ielleicht in irgenbeinem 3ahrhunbert, bie Sd)öpfer=

feele, bas fönigliche Schaffen ber männlichen Seele in ber Kunft 3U (Enbe ift, weil feine einheitliche Staffe, in unferem galle bie germanifche, „jen=

traleuropäifche", bis in alle (Ewigfeit Unerhörtes aus ber (Erbe 3U ftamp=

fen oermag. ©as großartigfte unb tragifchfte Veifpiel für biefe organifche 3Tatfache liefern bie ©riechen, bie alt ihre tieffte, g e n i a l ft e g ä b t g = f e i t — ich möd)te beinahe fagen: in einem 3abrhunbert fürftlid) »er=

fchwenbeten unb babei bas fwchffe in »ollenbeter Konzentration fdfcufen, was SDtenfchen 3U erreichen oermögen. Vei uns, ber fchwereren, bebäd)=

tigeren 2lrt, ift biefer Vorgang nicht fo feuerwerfsartig fchnell erfolgt.

3mmerhin finb wir heute fd)on am fünfte fterilen (Erfchlaffens.

(16)

206 „ ' P c r c e r f i t ä t bei 3 e i t ?"

Unb in biefem Slugenblid tritt bic grau auf ben ^lan, weil fie mit ihrem wunberbar feinen önftinft ahnt, bafe fie nun nichts mehr gu fürchten habe. 9Zun fann fie fid) alles burd) bie Slulturjaf)rf)unberte fchwer er=

fodjtene VMffen unb können bes SDcannes aneignen, benn beibes ift flaffifcb geworben, in fid) abgerunbet. ©ie grofeen Sffefte ^croifcfjer Slünftlertaten finb oergangen. Sftun fann bas Sßeib ebenfo 9Jteifter — aber (Epigone — werben wie ber 9Kann. 3et?t ift bie ©leid)bered)tigung eine fidlere, nicht wieber gu gerftörenbe C£rrungenfd)aft. Unb fo fommt fie bei allen Hulturfreifcn, in ©riechenlanb unb 5lom, in $gt)pten unb nun bei uns: ©ie grau fpiclt jctßt in ber Öffcntlidjfcit eine 9toIle; bie letzte iMturerrungenfdjaft, bie ©leichftcllung ber ©efcf>Icd)tcr, ift erreicht, ©ie weiteren golgerungen baraus I)abe td) oben in gang fnappen Umriffen gegeichnet. ©ie wahre Überlegenheit bes SBeibes, bie 2Rutterfd)aft, ift nunmehr nur nod) etwas ©efunbäres, in oielen gälten fogar läftiges 2lnl)ängfel.

©iefer granbiofen ßntwidlung als ^bilofopf) gugufdjauen, ift allein fd)on wert, in biefem 3ahrf)unbert geboren gu fein.

Unb ein Slusweg!?

(£s gibt feinen.

‘öemerfungen gum Vorftefjenben:

Ss ift wobt eine fleinc 6elbfttäufd)ung, wenn ber jugenbliche Verfaffer bes oorftcbcnben 2Iuffat3cs meint, „als ^Pbifofopb" einer „granbiofen (Sntroidlung" — in ber Verfdiiebung ber Vcrhältniffc ber ©efd)lccbtcr — r e i n t l ) e o r e t t f d ) „gugufdjauen".

6eine Slusführungen oerraten oielmehr allenthalben, bafe er nicht fo=

wobl fübl erfennenb, als oielmehr fämpferifch biefer (Entwidlung gegen»

über fteht, unb bafe er in iJ)r nichts „©ranbiofes", „wert, in biefem 3ahr=

bunbert geboren gu werben", erblidt, fonbern eine traurige Verfallscr«

Meinung.

Um eine fritifd)e 6tcllungnabmc gu erleichtern, feien hier nur bic

© r u n b o o r a u s f e t j u n g e n bes Vcrfaffers aufgewiefen. 3hm finb fie fclbftocrftänblid) gültig, unb er baut alles weitere auf fie auf. (£s ge­

nügt, fie bewußt gu machen, ©ann wirb ohne weiteres bie grage fid) auf*

brängen, ob fie beim wirfltch fo gefiebert finb, wie ber Verf. ftillfchwei»

genb oorausfefet.

©ie Ü b e r l e g e n h e i t bes S R a n n e s über bas 5öeib ftebt ihm oon »ornheretn abfolut feft als bas fein=follenbe, bas normale, bas „ge=

funbe" Verhältnis, ©arum gilt ihm auch nur biejenige als „gefunbes"

‘JBcib, bie bie „überlegene “^ofition bes SOtannes" unbebingt anerfennt,

ja forbert.

(17)

e r t> e r j i t ä t bet S e i t ? " 207 2Ils Vorausfefcung für biefes Slampfoerhältnis 5er ©efd)led)tcr fteht ihm ferner feft, bafe bas 5ßefen bes Sßeibes a f f i t> i t ä t" ift, bajj cs an fici) „unfruchtbar ift zur (Schöpfung unfterblid>er SDleifterwerfe".

©araus ergibt fid) fchon, bafe bie „Emanzipation bes Vkibes", b. h- feine Befreiung aus bem bisherigen Suftanb ber Slbhängigfeit unb bes minberen 9led)tes — „ein Kulturniebergang" fei.

Enblich ift es für unferen Verfaffer ganz felbftoerftänblich, bajj bas Verhältnis zwifd;en ben ©efd)led)tern lebiglich als & a m p f , ober we=

nigftens als bas Verhältnis ber Slber= unb ilnterorbnung aufgefajjt werben fönne.

©o fommt er auch zu einer fehr anfechtbaren Deutung bes gegenwär=

tigen Emanzipationsoorgangs. 5Me „fönigliche 6d)affensfraft" ber männ=

liehen (Seele fei bei ben ©ermanen erlahmt (rote mit ©pengler — ooraus=

gefegt wirb); ba habe bas 5öeib „mit ihrem wunberbar feinen 3nftinft"

geahnt, bajj es nun „nid)ts mehr ju fürsten habe", unb fei barum in ben 3Bettbewerb mit bem SRanne eingetreten. 2lIfo lebiglich 5er K a m p f e s * inftinft foll majjgebenb fein! 3lber liegt es nicht auf ber f>anb, bajj ein=

fach bie wirtfchaftliche 5Jlot fmnberttaufenbe »on grauen in Berufe brängt, bie früher ausfchliefjlich oon SERännern ergriffen würben, zumal fd)on bie zahlenmäjjige Überlegenheit bes weiblichen ©efchlechtes 2au=

fenben ben 3Beg zur Ehe oerfperrt.

Es wäre bod) ein engherziger, ja greifenhafter ©tanbpunft, angefichts einer folchen Entwidlung über Kulturverfall zu jammern unb — im iln=

willen über bie unerwünfehte Konfurrenz — biefem Vorbringen bes weiblichen ©efchlccbts f)emmniffe aller 2lrt in ben “ffieg ju legen. Ein folches |)emmnis ift es auch, »enn man ben grauen immer wieber er=

flärt, fie feien ja eigentlich unfähig ju echtem Kulturfchaffen. Es wirft Wirfltd) fomifch, wenn irgenb ein f>inz ober Kunz ben Vorrang oor feiner grau, bie r>ielleid)t weit tüchtiger ift als er, beanfprucht, weil oon grauen nicht Kulturleiftungen »orliegen wie etwa bie eines — ‘Seethooen ober

©oethe. 3Benn wirflich gewiffe f>öd)ftleiftungen auf manchen Kultur- gebieten nur SD^ännern erreichbar wären, würbe bas etwas bebeuten für bie Kulturarbeit ber ungezählten 3)urd)fchnittsmenfchen? Unb bann laffe man bem weiblichen ©efchlecht, bas bis oor furzem ja noch in 3Röglid)=

feiten ber Gilbung unb ber 2luswirfung fo ftarf benachteiligt war, ein=

mal Seit, zu zeigen, was es — bei gleichen ‘23ebingungen mit bem männ=

liehen ©efchlecht — ^Pofitioes ju leiften oermag!

2luch betrachte man bas ganze Verhältnis nicht lebiglid) unter bem

©efichtswinfel bes Kampfes um f)errfd}aftsftellung, fonbern unter ber 3bec eines f a m e r a b f c h a f t l i c h e n gufammenwirfens oon <5chid=

falsgenoffen. 2Jlan oertraue auch etwas auf bie 9^ a t u r ! <5te wirb — auch 6ei Ausgleichung ber ßebensbebingungen unb ber 5ted)tsftellung —

^Pbilofoptjie unb Sebcn. I II . l'j

(18)

208 VI. ® i e ^Begriffe „ S i n n " unb „3® e 1 1"

bal)tn roirfen, bcife btc gemcinfame Slufgabe, „SDlenfd)" ju toerben, t>on ben beiben ©efd)ied)tern i t j r c r S t g e n a r t entfpredjenb gelöft wirb.

31. SW e ff et.

3 u r @ m fü f)ru n g in 6 k ^ ^ x to jo p fjic 5. S i c Begriffe „6 tn n “ unb „SDerf“

®ie mechani f t i f che Stiftung in Biologie unb ^Pfrjdjologic !ann auch als eine Betrachtungsweife djarafferifiert werben, bie t>om „ S i n n" bes ©efchehens abfiebt, unb nur beffen Urfachen ((aufalc Bebingungen) feftftcllen will. Hm bies äu tun ift fie

„analptifcfj" (sergliebernb); fie Ißft bas ©efamtgefchehen, bas roir „fieben" unb „Sr*

leben" nennen, in feine Slementaroorgänge auf unb fpürt beren Urfachcn nad>. $ie

„Ditaliftifcfje" Dichtung bagegen ift fpnthetifd), fofern fic alles Sinselne in feiner Be*

Siebung 3um ©anjen betrautet; fie fief)t in ber Sebenserballung (einfdjliefslid) gort- pflanjung) unb in ber ßebensentfaltung ben Sinn bes ©efamtprojeffes „geben". (Iben barum liegt es fo nabe, in btefem ^rosefj einen regulierenben gaftor ober eine berr- fchenbe Senbens anjunebmen, bie biefen „ 6 inn" anftrebt, ihn ju oerwirflichcn tradjtet.

®eutltcf> unb gleichfam beifpielgebenb liegt biefer Sadjoerhalt »or im menfcfjlic^en SBolIen unb §anbeln. 3Bas barin gewollt, erftrebt wirb, was Siel ift, bas nennen wir feinen „Sinn". Dabei ift es glctrf>giltig, ob bas ©ewollte eigentliches 3icI, Selbfawed ift ober ob es nur als Sölittel su einem ferneren 3 iel gewollt wirb.

Keben biefer Bebeutung im SBollen unb §>anbeln, alfo im p r a f t i f d) e n 33er*

halten ber Sftenfchen bat bas 3Bort Sinn aber noch eine sweite Bebeutung. Sie liegt auf bem t h e o r e t i f c h e n ©ebiet bes ®enfens unb Srfennens. 3eber ©ebanfe, Jeber Safe unb Saftfomplej, jebe Sdebe, jebes Buch bat einen „Sinn". ®amtt ift einfach fein 3nbalt gemeint, eben bas, was es fagen will, was es bebeufet.

gretlicf) werben oft Säfte, ja ganje Bücher als „finnlos" ober „unfinnig" bejeidjnet, aber was man bamit fagen will, bas würbe man beffer als wertlos ober wertwibrig bejeidjnen. 60 erflärt etwa jemanb: „®ie Behauptung, bas Seben fei ein SKedjanis- mus, ift ein Unfinn." Stilein biefe Behauptung hat einen 3nhalt, einen 6 inn; wir baben it)n früher bargelegt. 2lber es wirb biefe Behauptung als falfcf) beseichnet, bamit wirb ihr SBert abgefprochen, unb swar ber SBert, ber hier in groge fommt, ber theoretifche SBert, ber SBabrbeitswert.

ttbenfo wirb oft ein Sun als „finnlos" bejeicfjnet, bas fehr wohl einen Sinn, nämlich ein 3 tel hat. SRan will nur fagen, bafj bas Sun nicf)t geeignet fei, jenes 3 >ci 3u erreichen, bafe es infofern wertlos ober getabeju wertwibrtg fei, 3. 23. wenn jemanb burch 8®<Jng Siebe erwecten will.

SÜan fann natürlich ben Sprachgebrauch, fofern er bie Slusbrüde „3Bert" unb

„Sinn" als gletchbebeufenb gebraucht, nicht änbern, aber für bie philofopbifche Be- griffserflärung ift es swedmäfjig, fid) an jene juerft charafterifierte Soppelbebeutung (theoretifche unb praltifcfje) bes SBortes „Sinn" su halten, bie fich reinlich ron ber Be*

beutung bes SBorles „3Bert" fcheiben Iäfjt.

®afj biefe Scheibung möglich url^ nötig ift, seigt fich befonbers an 3Wei Umftänben.

(£ r ft e n s , wenn man auch ben Sinn eines Juns ober eines Sat;es oerftanben unb feftgeftellt hat, fo ift bamit über feinen SBert noch nichts entfd>ieben. 35abei fann biefe 3wette grage (nach bem 2Bert) 00m ©efidjtspunft oerfchiebener SBertarten aus auf­

geworfen unb beantwortet werben. £s fann ber theoretifche (SBahrheits-) SBert in Betracht fommen, aber auch praftifebe (SKüfeUchfeits- ober ber Sittlichfetts») SBert ober ber äfthetifche, religiöfe ufw. 3 toeitens: nur bei ben „SBerten" (nicht bei bem

„Sinn") begegnet uns jene eigentümliche 'Polarität, bajj bem 'Pofiftoen bas Jtegatioc entgegenfteht, bem SBert ber Unwert (ober bas SBertwibrige).

SBollte man einwenben: Slber bem „Sinn" ftebt bod> ber „Unfinn" gegenüber, fo

hätte man wicbet Sinn = SBert gebraucht. ®as aber wollen wtr meiben. galten wir

uns an unfere Bebeutung bes theoretifchen unb praftifrf>en Sinnes, fo fann Unfinn

(19)

2I usf prad) e 209

nur bcbcutcn: Ohne Sinn, etwas was feinen ©inn hat — wie etwa bas ©cfjwanfen ber Selegraphenbrähte im 9Binb. — fibenfo fann man aud) »on etwas reben, was wertfrei ift, feinen 2Bert bat (wofür basfetbe Beifpiel bienen mag). —

3Benn aber etwas ©inn f)at (jräger »on Sinn ift), fo fehlt hier jenes gegenfäftlicbe Verhältnis, bas bei bem »orliegt, was Sräger oon SBert ift; benn biefer SBert fann pofiti» ober negatio fein.

SBegen biefer beiben Unterfdnebe empfiehlt es fid), bie ‘Begriffe „©inn" unb

„SBert" su fonbern.

2 ü isfp ra d )e

©ehr geehrte gnäbige grau!

2Rif ein ftein wenig Jjerjflopfen beginne id) biefen Brief — benn 6 ie fennen mich nicht unb werben es oielleicbt aufbringlid) finben, bafj icf) mid) fo ungeniert an ©ie wenbe. 2lucb id) fenne ©ie nicf>t unb bod) fenne tef) ©ie gut, unb jwar aus ber 3 eit- fd)rift „'Pbilofopbie unb geben", bie id) feit einem halben 3af)re lefe.

3d) habe Diel 2Inregenbes für bas eigene Kämpfen barin gefunben — rote foll icf) bas fchilbern — man fann in brei 3Borten nichts oon jahrelangem ©ueben, galten unb Gingen um eine höhere gegen eine gewöhnliche SBelt fagen, aber »ielleid)t gelingt es mir bod), 3bnen ein roenig mttpfeüen, benn aus 3bren Stuffäßen, ©ebid)fen unb 9tpborismen fühle td), bafj ©ie grofe benfen, unb beshaib »agte ich es, an ©ie ju fdjreiben.

Senfen ©ie fich ein junges Sftäbdjen, bas ein ieibenfd>affliches §ers unb ben gehler hat, anbern SUlenfchen unoerftänblich unb fomplisiert ju erfcheinen. Sdf) bin nicht 18, fonbern halb 23 3af)re alt, habe aifo fchon manchen inneren Sturm hinter mir — unb tro&bem fid) meine Umgebung aucf> jefct nod) bemüht, einen anbern Sften- fd>en aus mir su machen, sroingt mich eine innere Jragif, trofc ungejäblter Sompro»

miffe, bas su fein, was irgenbein unbefonnener (Seift mir einft in bie SBtege legte,

©ie febrieben in 3hrer Slbfjanblung „©pnthefe": „Slnbers fein ift ber tieffte 2Ibgrunb."

Siefer ©aö ift fcf)ön, unb wie er aud) gemeint fein mag, er enthält in einem SBort alles, was über bie Sragif ber „ ’älnbern" ju fagen ift. —

3d) bin fatholifd) unb fam mit 16 3ahren jur weiteren gortbilbung ins Rloffer unb blieb bort sroeieinhalb 3af)re. 23orf)cr 3iemlid) freigeiftig exogen, lernte td) nun eine mir gan3 neue SBelt fennen, bie mich entjüdte, anbers, beffer machte — ich lebte in einem ©lüdstaumel, bem Jtaufcf) ber erften 3ugenb, unb eine tiefe greunb=

[d)aft mit einer bodjgeiftigen 5Kitfd)ületin, rifj mich aus meinem oorher fo finbifdjen 2eben hinaus. 3d> wuchs, wuchs oon SRonat ju Sfftonat, las bie tiefreligiöfen Jage«

bücber biefer greunbin, bie mid) 3um erftenmal einen B lid in wahrhaftiges 2eben tun iiefjen. 3d) würbe felbft fromm, lernte über (£f)riftus nad)benfen unb ging nach ein- jährigem Stufentbalt in ein äweites Slofter. 9Jlait empfanb mid) ba als fleine 2Iuto»

rität, weil id) mid) nad) aufeen ziemlich felbftficher benahm unb auf meine „SRetfe"

oon 17 3ahren, mit ber bie anbern nod) nicht fo recht mitfamen, mächtig ftolj war.

fieiber fah ich, ba| bei ben Tonnen nur ganj phiiifterhafte ‘■päbagogtf getrieben würbe, id) erlebte reltgiöfe 9te»oluttonen, unb bie plo^Iiche ©ebnfud)t nach einer SKutter, bie mir auch gührerin fein fonnte, würbe fo lebenbtg, bafs ich mid) einer 9Zonne anoer- traute, bie über bas „heifee §>era" entfett war, mir unjufreffenbe 9tatfd)iäge gab unb eifrig für mich betete. §eute lächle id) über biefe 'Perioben, benn bas SBetben hat fooiel Unechtes unb fooiel ©chlade an fich, bafj es einem nun, oon höherer SBarte aus 3efehen, finbifd) fcheint. SIber eins fud)t aud) ber werbenbe SERenfd) • — nämlich, e r n ft genommen, geführt 3u werben, gleichgültig, ob oon Sltern, S^iebem ober

‘’Prieftern; aber bas finb 3llufionen, bie einem mit 16 3abten wohl 3u »erjeiben finb.

®as ift ein fleiner Sübrtf; aus meinem ßeben, ben ich fd)ilbern ju müffen glaubte, bamit ©ie, oerehrte gnäbige grau, wiffen, wes ©eiftes Äinb ©ie eor fich haben. 3ch mache anbete 'Perioben burd); oieiletcht ernftere, weil beharrlichere, bie oielletcht nid)t fdjwer finb, mir aber fo erfcheinen, weil fie nicht mehr ben erften ©cbwung uner­

fahrener 3ugenb tragen.

1 5 *

(20)

210 S2 u s j p r a d ) e

3d) bin feine “tSbilofophin unb fann feine boebgetftigen 9Iufföj;e fd>reiben, fonbern ein tiefperirrter SfJtcnfd), ber nidjt io febr §alt ober Sroft fud)t, aber bem bas Ve- wußtfein nod) 3Hut geben fönnte: es ejifticren SRenfcben, bie über einem fteben, bie beffer, reiner, tiefet finb unb beren 33etfptel fooiel ßtd)t eerbreitet, bafj anbere wieber in bie §>öbe finben. — Sffienn Sie, oerebrte gnäbige Stau, mir antworten mürben, ob id) tiefet fd)ürfen batf, bann würben ©ie mir eine große greube bereiten.

SHit gans ergebener §>ocbacbfung X. D.

SDlein liebes gräulein!

(Sin wenig fenne id) Sic nun febon aus Obren 3eilen, unb oiel fügt fid) nur baäu aus meinem eigenen (Erleben. 2lud) td> Wat fatbolifd) erjogen unb fam mit 15 3abren 3u weiterer Erjiebung in ein Slofter. Obne in unfeter gamilie befonbers auf bas 5feligiöfe bingewiefen ju werben, warf icb mid) fraft grüblerifd>cr Veranlagung febon ganj früb auf religiöfe gragen. 3d) war fo witflid) unb ernftbaft fromm, baß mit aus meinet gtömmigfeit meine 3 »eife[ etwud)fen.

Obwohl id) ein gefunbes, wilbes unb unbänbiges fitnb war, erfebien mir früb Wen bas ßeben als eine unerhörte Sumutung.

Slucb td) würbe in meinem erften filofterjabre bewunbert unb »erwöbnt. 3e tiefer id) aber ju bluten lernte, je mebr td) mid) über SDtißftänbe, Ungcrecbtigfeit, Unwiffenbeit, Unjeitgemäßes aufbielt, befto ungemütlicher würbe icb für Slofferftauen. 3e ftiller icb würbe, befto »erbäd)tiger würbe td).

37lit 18 3abten fam icb aus bem Äloftcr: ein Stinb an Vklterfabrung, in meinem

®enfen abfolut etnfam, ganj auf mid) geftellt, mit einem gerabeju leibenfcbaftlicftein Verlangen nad) ©utfein, nad) feböpferifebem ©eftalten, ju bem mtcb meine fünftlertfcbe Veranlagung trieb.

3d> babe micb öann unter inneren unb äußeren Scbwicrigfeiten im 'Porträtmalen ausgebilbet unb teilweife im ^unftgewerbe, unb oerfud)t nebenher gana auf eigene gauft unb obne jeben feften “-plan in bie ‘•pb'lofophie Tntcb einjuarbeiten. 3cb fann fagen, baß icb mafios gearbeitet babe mit ber alten, oerbängnisoollen Unwiffenbeit ber 3ugenb, bie eine unerfcbütterlicbe ©efunbbeit als eine — Selbftnerftänblicbfeit anfiebt.

®as „3lnbersfein", unter bem Sie leiben, bat aud) micb oft fd>on gebrüeft, aber icb fam boeb balb baäu, es als niebt gar ju wichtig ju betrachten. ®cm grüblerifcben, erfenntnishungrigen, fich felbft formenwollenbcn 3Uenfd)en bebnt fich ein fo un=

geheueres Slrbeitsfelb oor ben geiftigen 5Mid, baß er nicht 3U oiel 3 eit bamit oer- febwenben foll, ju überlegen, ob er „anbets" ift als bie anberen.

ginben Sic nicht, baß ber junge SOlenfcb — unb nicht bic 3<>bl bex 3al>rc ift hier ausfcblaggebenb — bas ‘Stecht bat auf Selbftlicbe, auf jene freilich, bie ben „3cbfud)er"

macht, ber nicht benft: 2111 — mein?! Um bas 3d) unb um bas Verhältnis biefes 3d>

jum 9111 freift bie junge Seele, unb erft muß fie fclber etwas fein, bcoor fie anberen etwas werben fann.

9tur b as fann auch fie febon früh in all’ ihrem 2eib unb (Srfämpfen empfinben:

2Iu<b bie anberen l e i b e n , »iclleicbt um etwas anberes als ich, »ielleid)t um etwas, bas mir fleinlich oorfommt..., aber fie l e i ben. Soll td) ba nicht gut ju ihnen fein?

SBcnn 3hre ^Ungehörigen einen „ganj anberen 5Dtenfd>cn" aus 3bncn machen wollen, fo ift bas natürlich töricht; benn bas fann fein anberer, bas fann man böcbftens fclber, unb man braucht baju ein ganjes, langes ßeben; aber weil Sic »on 3tatur Diel»

lcid)t naebbenflieber, febärfer unb tieferbenfenb gefdjaffen würben als 3brc Slngebö- rigen, fo folltcn gcrabe Sie es fertig bringen, bei 3brcn Slngebörigcn mehr bcn guten SBillen als bas Sic Vcläftigcnbc ju (eben. ®as wäre aud) eine Verbinbung oon

„ ‘■pbilofopbie unb ßeben".

®as ift fehwer, aber fold)’ eine greifbare Aufgabe bringt oorwärts. 3cb gebe 3bnen freilich ju: man ift etnfam babei. ©lauben Sie aber nid)t, liebes SPtcnfdjenfinb, baß aud) Sinfamfeit ©röße unb 2Beihc befißt? Unb baß wir in ihr boppelt lernen, bie feltencn 21ugenblide, in benen wir uns an gleicbgcfinnten SBtenfcben erbeben unb ent- 3Üdcn bürfen, als unerhörte, faum ju erwartenbe ©nabe ?u betrachten?

3cb bin glüdltch barüber, baß 3hnen meine Arbeiten in „'Pbilofophie unb ßeben"

oorwärtsbelfcn; benn „oorwärts" muß 3hr ßcbenswort beißen.

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