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Die Zukunft, 29. April, Bd. 27.

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Berlin, den 29.April 1899.

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Guthmann.

MlkMoabit

11,Kriminalgericht!«Esging durchdiePuppenallee,an

« D dersteifenFrontderMarkgrafen vorbei,die imMondlichtsteinernen ModellenschlechterTheaterfigurinen glichen.DerHimmelwar wolkigzund nur,wennder alteWanderer da oben denDunstschleier abschüttelte,leuch- tete dasjungeGrün derThiergartenbäumehelldurchdiewarme Frühlings- UachtMein-Taxametermann,ein garnicht proletarisch gestimmter Philo- soph,hatte natürlichgewittert,·daßsein Fahrgast nachMoabit wollte,um demSchlußaktdesMordprozessesbeizuwohnen,derseit fast zwei Wochen in derHauptstadtund überihrWeichbildhinausdenGesprächsstofflieferte; einUrtheilriskirteernicht, rülpstenur Etwas vonDreyfusundEsterhazy undmeinte,esseiUnsinn,um eineGassendirne soviel Lärmzumachen.

.-,Obvonso’neSorte malEine dranglauben mußodernich,dadrum reiß’

ichmirkein-Beinaus!« EineehrenwertheStützederbürgerlichenOrdnung.

Abererfuhr gut. Generalstab, Bierkunstpark, Landgericht.DerKutscher wolltenichtwartenzseinGaulhabe fürheutegenug.Vor denrothenMauern nurrechtspärlicheMenschengruppen.Ein paarProstituirtemitihren bezahl- tenBuhlen.NurzweivonderfeinerenSorte,Apollotheater, die,inBloomers, an ihrenRädernwohlvonHalenseeherbeigeeiltwaren, aufdieGefahr, zUspätin die Amor-Säle zu kommen. Noch giebtesalso selbstloseOpfer- willigkeitindieserargen Welt...Ein Kriminalbeamter plaudert leutsäligmit einemDienstmann,der denSchlußberichtin die Reduktionenradelnsoll. Die

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werden wissen,wie weit esist, »Eben hatdieRechtsbelehrungbegonnen.«

Oweh:DaskanndreiViertelstundendauern. Aber dieGeschworenenwer- dennicht lange berathen.Der Staatsanwalt glaubt ja selbstnicht mehran dieMöglichkeiteinerVerurtheilung.HaterdennnichtFreisprechungbean- tragt?DieBeidenscheinenmich fürverrückt zuhalten.Warum? ... Das begreifeich erst,alsichbeiPeterBecker das Abendblatt desLokal-Anzeigers lese.DerStaatsanwalt Plaschkewar also wirklichtollkühngenug,die An- klage nichtpreiszugebenundfeierlichzuerklären,erhalte »nachbestem Gewissen«denSchneidergesellenHugoGuthmanndesMordesfür schuldig.

Er konnteesübersichgewinnen, nachdemvöllignegativen Ergebnißeiner zehntägigenBeweisaufnahmedenGeschworenenzuempfehlen,sie möchten einenMenschen,gegendennichtdasAllergeringstebewiesenwar,aufdas Schaffot schicken. Schlimm für ihn;eristeinleidlichgeschickterDurch- schnittsprokurator, Couleurtypus, noch nicht allzu verstaubt;dieschwere Niederlage,dieihm heute sicher ist,wirdseinerLaufbahn nicht förderlich sein.Schlimmaberauch fürdasAnsehnderpreußischenStaatsanwalt- schaft,dashiernurgewahrtwerdenkonnte,wenn dieaufSand gebaute Anklagefreiwillig fallen gelassenwurde. DerOberstaatsanwaltDrescher isteinverständiger,erfahrener Mann,dereinsehenmuß,daßesdemPrestige derBehörde,derenCheferist, nichtzuträglichsein kann,wenn einerihrer Vertreter in einerwichtigen,weithin beachtetenSacheeineso unglückliche Handzeigt...Eswirdlaut im Lokal.DieRechtsbelehrung ist beendet, dieGeschworenenhaben sichzurückgezogen,dasPublikum,dasStunden lang,Umnur ja nichtsSensationelleszuversäumen,in derStickluftdes Schwurgerichtssaales ausgeharrt hat, sucht endlich Erholung. Richter, Anwälte, Journalisten, Prozeßhyänen,ein paargeputzte,schwitzende,stark parfumirte Damen.Draußen ists jetztgewißangenehmer.Einwarmer Nacht- windhatdie WolkenverjagtundumdenfastvollenMond blinken die Sterne-

Einer,derin Moabit denStoffzu»Stimmungbildern« sucht,be- grüßtmichunterdem Kandelaber: »Auchmalhier? Na,wasglaubenSie?«

»Ichwarnicht drin-.AberdieFreisprechung ist ja sicher.«

»Oho!Dashat nochKeinergesagt.Siewaren ebennichtdrin.

Plaschkehat sehr wirksamgesprochen,vielbesserals damals beiJhnen.«

.»Wirklich?Mag sein, daßesdrinso klang;einüberhitzterGerichts- saal hat feine eigeneAkustik. Jch habeeben einensehr ausführlichenBericht überseinPlaidoyer gelesenundbinnochunterdemEindruck desEntsetzens Dieälteste,gröbsteTechnik! Unendlichvielschlechterals derStaatsanwalt

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Guthmann. 187 Kanzow,derdieSachegegenKoschemannführte.DasLeitmotivist freilich dasselbe; Kanzow löstees aus derrhetorischenJnstrumentation, alser sagte,einMensch,bei dem einDietrich gefunden werde, müssesichgefallen lassen, als Diebbehandeltzuwerden,biserdenBeweisseinerUnschulder- bracht habe.DahabenSiedasSchlüsselwortzu derRäthselpforte,die bis insJnnersteder modern scheinendenRechtspflegeführt. ErinnernSiesich, wie derVorsitzendeamerstenVerhandlungtagemitGuthmann umfprangP Wie mit einemüberführtenVerbrecher,demmandieFrechheit,nochleugnen zuwollen,mitharter Rügeredeaustreiben müsse.Ob derLandgerichtsrath Boisly,derausseiner AktenkenntnißdieUeberzeugungvonderSchulddes Angeklagtenschöpfte,sichgarnichtfragte,wiediesuggestiveArtseinerHaltung aufdieGeschworenenwirken werde? Aberso istsbei unsja fast immer;

unddannrümpfenwir über dieRechtsbräucheanderer Völker dieNase...

Undbeinaheimmersindauchdie Staatsanwälte vomKaliberJhres heutigen Helden. NachdemProzeßHeinzewurdedenVertheidigerneingeschäft,nicht zuvergessen,daßesauchihre Aufgabe sei,dasRechtzusuchen,denPfadzur Wahrheitzufinden.WannwirdmandieseneinfachstenGrundsatzderKrimi- Ualjustizden Staatsanwälten insGedächtnißzurückrufen,die einWitzbold ironischbaldschonin einenGegensatzzu den AnwältendesRechtes bringen könnte?DawerdenPäanezuEhrendesHerrnManau angestimmt,derin ParisalsGeneralprokurator fürdieUnschuldAlfredsDreyfusfichtWas hier, in derHeimath,geschieht:darum kümmertsichkeinMensch.Kommtesdenn überhauptnochvor, daßein Staatsanwalt auchdie»fürdenAngeklagten sprechendenMomente betont?DaswäredocheinfachseinePslicht, fürderen Erfüllungerausunserer Taschebezahltwird.Nein:Alles,wasdiePolizei kritiklos zusammengetragenhat, auchdaslängstWiderlegte,wirdnochein- mal in ein demAnklägermöglichstgünstigesLichtgerücktundals,zweifellos erwiesenundunanfechtbar«hingestellt.Jeder BelastungzeugeisteinEhren- mann, jeder Entlastungzeuge verdächtig.JstderAngeklagteunbeholfenim Ausdruck,durchdasKreuzverhörscheugemacht,durchdieAngstumLeib und Lebenverschüchtert:dieVerworrenheit seines Wesens verräthdeutlichdie Schuld.Zeigtersichsicher,redetkeck,wieihmderSchnabel gewachsenist, Undhat auf jeden EinwurfeinepfiffigeAntwort: dieFrechheit diesesge- riebenenBurschenverdientexemplarischeStrafe. Jsterungebildet,ein An- alPhabetausderHefedesVolkes:einso tiefstehendes,rohes Subjekt wagt denAngriffauf unsere heiligeRechtsordnung!HatereinBischenKultur- schliffund benimmt sichgewandt:bei demBildungsgradedesAngeklagten

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isteinhohesStrafmaßgeboten.VersagtseinErinnerungvermögen:Schuld- beweis;einordentlicher,anständigerMenschweißnach zehnMonaten noch ganzgenau,was eraneinembestimmtenTage seinesLebenszwischenacht undneunUhr vormittags gethan,woersichaufgehalten,mitwemerge- sprochen,welchenRockergetragenundwo ereinenCognacgetrunkenhat. Ist sein Gedächtnißgut:Schuldbeweisznur einabgefeimter Verbrecherkann sichso für-jedeMinuteeinen Alibibeweis ergrübelthaben...Es wäre zum Totlachen,wenn esnichtgarso traurigwäre und bitteranFigaros Zorn- rufmahnte:C’eStdågraderleplusnoble institutl KeinRechtsanwalt besseren Schlagesnimmt zusolchenMitteln seine Zuflucht;erwahrt wenigstensdenScheinderObjektivitätundopfert,umEtwas zu retten, einzelneTheiledervertheidigtenPosition. MußteIhrHerrPlaschkeheute nichtoffen bekennen, daßdieBeweisaufnahme nichts,reingarnichts,zu Tage geförderthabe? Daßersnicht that,daran trägt nichterpersönlich, sonderndieschlechteTradition,in derenBannkreis erseineNummern ab- macht,dieSchuld.ErschiebtmitverächtlicherHandbewegungdieGuth- mann günstigenZeugenaussagenderProstituirten undZuhälterhinweg;wer wirdsolchemGesindelGlauben schenken?Sehr richtig.Wennaber dieva- girende Miß Padeund dieärztlichkontrolirteLadyGoltzeRäubergeschichten erzählen,dannsind siedemAnklägeralswerthvolleHelferinnenwillkommen.

Er nennt bündigbewiesen,wasinzehn Tagen nichteinmalwahrscheinlich geworden ist.UndernimmtsogardiegroteskeGraphopsychologinernst, die mit demProfessortitelihres seligenGattenherumstolzirt,undlobt über den Klee denSchreibsachverständigenGrabow,der peI1dS-toj,Bertillon,, tu n’aspasdevinåcela! dieungeheure Entdeckunggemacht hat, daß diemeistenMenschenin einemWinkelvonachtundfünfzigGradschreiben.

Fabelhaft, nicht wahr?Nein!...Ichbin keinBewundererderLaienjudi- katur.Das abermachenberlinerGeschworenenichtmit.«

,,HörenSiemal!...Ich habe währendderRechtsbelehrung fürs MorgenblatteinStimmungbild angefangen.Daspaßtdannja nicht!«

»Ihrmit EurenStimmungbildern!Ihr seiddieRechten.DiePolizei ändertsichnicht;Sit- utest,autnon sit.DerKriminalinspektorBraunwar natürlichfroh,alserseinenMörderhatte,undläßtihnsichnichtmehrrauben.

Erhat sicheinenKolportageromanzusammengestoppelt,derseinemBedürfniß genügtundseinerAutoreneitelkeitschmeichelt;underkämpftfürAmt und Reputation.Das wirdnichtanders werden,solangeLeuteohne jedekrimi- nalistischeoder garpsychologischeVorbildung, Leute, die,bissie ergrauten,

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Guthmann. 189 dieUnteroffizierstressentrugen,diefürdieStrafjustiz wichtigsteVorarbeit besorgenundihr meist geradezulächerliches—,Material«andie Staats- anwaltschaft liefern.Derheutige ProzeßzeigtaneinemSchulbeispiel,was dabeiherauskommt,undsollte endlicheinmal dempossenhastveralteten SystemdenTodesstoß geben. Immerhin: HerrBraun undseineLeute glauben wenigstens,wassie sagen, glaubenandienächtigenZusammen- hängezwischeneinerDirnengildeundeinerorganisirten Zuhälterzunst,die esin Berlin garnicht giebt,diein ihremSinn aberdasSpuklebeneiner Würgerbandeführt,währendinderberlinischenWirklichkeitdieseflottirenden Elemente desLumpenproletariates sichhöchstensinGrüppchenzusammen- finden.AberJhr!EuchistsnurumdieSensationzuthun.Ihrwollt einen Mörder,weileinMörder fürWochengerngekauftenStoff liefert. Erstzetert Jhrüber dieUnfähigkeitderPolizei,weilihrsnichtinachtTagen gelingt,zu entdecken,wereinFrauenzimmer gemordet habe,dasinjederNacht vier-, fünfmalundmanchmal nochöftermitaufgelesenen, betrunkenen, vielleicht irrsinnigenBummlern indieDachspelunke kletterte,um fürein paar PfennigediesenGentlemen alsSpermatozoidenausgußzu dienen. Und dann,wenn dieAnklageerhoben ist, gehtJhrmit derselben,ebennochge- schmähtenPolizei durchDick und Dünn. DannistAlles wahr,wasKom- missare,AgentenundSchutzleute,ermittelti haben;nurimmermehr noch herbei:dieLesersind aufdenGeschmackgekommenundschlürfenwollüstig dasausBlutundBrunst gemischteParfumin dieNüstem Währendder VerhandlungdrucktJhralle denAngeklagtenbelastendenAussagen fettund schildertin Euren eklen undalbernen Stimmungbildernsehranschaulich feinen Verbrecherschädelodersein Raubvogelgesicht...Alsdasvondem KriminalinspektorBraun über,seineniMörder ermittelte Material be- kannt wurde, mußtejeder kühleBeurtheiler erkennen, auswieschwankem Grunde diesekünstlicheNothkonstruktion stand.HabtIhrdasAnklage- gebäude kritischgeprüft?Nein. HabtJhr auchnur daswinzigsteBruch- stückchenzurErmittlungderWahrheitherbeigebracht?Nein.Wiegierige, perverseKinder habtJhrin demUnrathhaufenherumgestochertundein fchrillesWehgeschreiausgestoßen,als diesogenannte Oeffentlichkeitdes Verfahrensbeseitigtwurde.Nichtetwaausernsten,prinzipiellenGründen, nicht,umdietäglichrücksichtlosergeübteSitte auszuroden, nachderunsere Richtersichbefugt wähnen,diekargen RestederKontrolmöglichkeitbeliebig Wegzuräumen, nein:weilesso wunderschöngewesenwäre,denLesern denDefilirmarschderDirnen bot-zuführenDaß aufdieAussagen dieser

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Gesellschaftnichtszugeben ist, wissenSieselbstganz genau. EinPolice- man,hat Tarnowsky gesagt,herrschtunumschränktüber das ganzeHeerder ProstituirteninseinemBezirk.Soists nichtnur inEngland;undwenn ausdiesengehetzten,verängstigtenFrauenzimmern nichtsdemAngeklagten Ungünstigesherauszubringen ist,dannmuß seine Sache gut stehen,denn jedesKontrolmädchenundjederZuhälterleistetderPolizeigern einenDienst.

IhraberhocktaufderHintertreppe,begafft,wie das Wundmal einerHeiligen, denMelodramenzettelmit derangeblichblutigen Schrift, machtStimmung- bilder undmöchtetamLiebsteneineStimmungjustiz haben. Ihr unterstützt dengemeingefährlichenBrauch,vomAngeklagten,stattihm seineSchuldzu beweisen,denBeweis seinerUnschuldzufordern,eineMethode,dieheuteviel schlimmerwirkt alsirgendeinBeweisverfahrenausderZeitderOrdalien undGottesurtheile,undwettert,ganz im Stil derschlechtestenGerichts- präsidenten,gegen denfrechenBurschen,der denFrevelzuleugnen wagt.«

...DerStimmungbildnerwar völligverstört. »Ia«, stammelteer, ,,sollman für diesenGuthmanndenn etwanochSympathie..

»Was geht michHerr HugoGuthmannan? Oberschneidertoder vomHemdzinsseinerMädchenlebt, kümmertmichnichtundfürdasheuchle- rifcheGewinselüber dieProstitution,dieIhr dochAllebraucht, ohnedieEure BourgeoisieeinemschmutzigenKaninchenstallgliche,fehltmirderSinn-Hier handeltessichum dasRecht,umsonst nichts. Dafür, daßGuthmanndie Prostituirte Bertha Singerermordet-hat,ist nichtderSchatteneines Be- weiseserbracht.Ein MotivzurThat ist nichtzu erkennenundheute, nach neunmonatigerUntersuchungundzehntägigerHauptverhandlung,spricht noch nichteinmaleinernsthafterVerdacht dafür,daßGuthmanndieSinger überhauptkannte.Solche ProzessesindimletztenLebensjahrdesneunzehn- tenJahrhundertsin derHauptstadtdesDeutschen Reiches möglich,allwo mandieHänderingt,weil ein Akt dervonderPresseunterstütztenStimmung- juftizdenedlenHerrnDreyfus aufdieTeufelsinselverbannt hat.UndSie FabrikantvonöffentlicherMeinung,SieVolkserzieherglauben noch,er- wachseneMänner könntensichentschließen,aufGrundeinersolchenBeweis- aufnahmeeinenMenschendemBeildesScharfrichters auszuliefern!«

...Wir hattenUnsverschwatzt.»Freigesprochen!«riefvonderTreppe einHerrmitrothemShlips seinerTrauten zu, die dasKopftuchfesterknüpfte undsichin desLiebstenArmhing.DerStimmungbildnerwarschnellwie- derheiter geworden. »IchbinmitGuthmanusBruder sehr gut. Ichwerde ihnin derGerichtslaubedrüben erwarten. Manmußsichzuhelfen wissen.

VielleichtkannichdenKellner-Hugofürs Morgenblattinterviewen.«

G

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DieArbeiterpolitikdesdeutschenAbsolutismus. 191

DieArbeiterpolitikdesdeutschenAbsolutiSmuS.

Was

fünfzehnteJahrhundertunddieerste Hälftedessechzehntenwaren

. dasgoldene Zeitalterdesdeutschen Gesellenstandes:dasHandwerk war überalllohnend,dieArbeit daher sehr gesucht,dieGesellenlokal und in vielenBranchen sogarüber weite Gebiete desReichesvorzüglichorganisirt, ihr Auftretenvom GeistederSolidarität beherrscht,dasAnsehenundder EinflußihrerVerbändebei denMeistern bedeutend;undsokonnteesnicht ausbleiben,daßdieArbeitbedingungeneinewesentlicheVerbesserungerfuhren.

DerLohnstieg,dieArbeitzeitwurde verkürztUnd dieAbhängigkeitdesGesellen von seinemMeisterganzerheblichgemildert.AbermitdemAnbruchder neuenZeit hebt,wenn auchnuräußerstlangsam sichdurchsetzend, eine Reaktion an, die mit derganzenRichtungderwirthschaftlichenundpolitischenEnt- wickelungdieser Zeitengzusammenhängt.Diese Entwickelungist durchden RückgangderstädtischenundgewerblichenKultur, etwavon 1550 bis1700 während,unddurchdasAuskommenderTerritorialregirungen charakterisirt.

DieMachtderHansa hielt nichtStand,dieEntdeckungAmerikasunddes SeewegesnachOstindien schwächte·"dieBedeutungderdeutschenReichsstädte fürdeninternationalen Handelund derDreißigjährigeKrieg mußtein Tausendenvon Gemeinwesen aufJahrzehnte hinausalleWohlhabenheit vernichten.Umsomehr mußtedienatürlicheTendenzderZünfte, einseitig dasInteressederMeister wahrzunehmen,wegenderwirthschaftlichenNoth derZeit sichgeltendmachen.Sie wurden in derAufnahmeimmer exklusiver, häufigwurde dieZahlderMitgliederdirektaufeinebestimmteZahl fixirt, dieEintrittsbedingungenwurden durch ErhöhungderEintrittsgelderund sonstige,häufigganzmuthwillige Bedingungen fürAlle,die-nicht Söhne oderSchwiegersöhnederMeisterderfraglichen Zunftwaren, immer härter und unersüllbarer,dieThätigkeitgebietedereinzelnen beruflichverwandten Zünftewurden wegen derbornirten Eigenliebealler Betheiligtenimmer sorgfältigervon einander abgegrenztund gabenimmerhäufigerAnlaßzu StreitigkeitenundProzessen,diesichdannwiederJahre lang hinzogen.Und dieganzeWirthschaftpolitikderStädte, diefrüher immerhindasWohlder unterenSchichtennachMöglichkeitdurcheinSystem umfassenderundtiefgreifen- derMaßregelngesicherthatte,wurdejetztdenInteressendereinflußreichenZunft- meister dienstbar gemacht. FürdengrößtenTheilsderdeutschenStädte galt, sOweitdie reinstädtischeVerwaltung maßgebendwar, wasSchmollerin seinen Untersuchungenüberdas-brandenburg-preußischeJnnungwefen dieser Zeitvon denmärkifchenStädten konstatirt: hier,,war indenoligarchisch sichabschließendenBürgermeister-,Patrizier-undBrauercliquen mehr Luxus alsBildung,mehr HoffahrtundUebermuthalsTüchtigkeitundKraft;das

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192 DieZukunft.

Interesse reichteüber dieRathsstube,dieStadtkircheunddieKanzel nicht mehr hinaus;man klagteüberschwereZeitenunddieSchelmereiunddie PraktikendergroßenHerrenund sischtedabei selbstin immerschamloserer WeiseimTrüben, ließAllesim altenSchlendrian gehen, sahausGefällig:

keit denreichen Meistern durchdieFinger.Mit derwachsendenwir-thschaft- lichen NothundEngherzigkeitwaren dieRäthe auchimmer bereiter,kurz- sichtigeBeschlüssederJnnungenzugenehmigen;undjeder schriftlichfixirte undgenehmigteBeschlußderJnnung, besonders,wenn erdieKonkurrenz- regulirung betraf, hatte durch dieseFixirungeine andereBedeutung:erwurde zumwohlerworbenenRecht. Hatte früherderRatheinmalgenehmigt, daß einoderzweiJahrekeinneuer Meister aufgenommenwerde, weilesan

Absatz fehle, so stand jetztim Statut, daßdasGewerkauf sechsBäcker beschränktsei,unddabeibliebesnun. HatteinältererZeitderRathein- maldenKrämern oderdenfremden HändlernimJahrmarktdenVerkauf einerWaare erschwert, sowar Das vorübergehendgewesen; jetztwurdefür immerjedesolcheSchrankein dieStatuten aufgenommen;neue kamenhinzu, die alten wurdenniemehr beseitigt;dieeinflußreichenBrauer, Bäcker,Fleischer, Krämerarbeiteten dabeieinanderin dieHände.Was einsteineje nachden KonjunkturenschwankendeMaßregelderstädtifthenWirthschaftpolitikgewesen, wurdejetzt mehrundmehreinwachsendesBollwerkgegenjedeKonkurrenz.«

Mit RechtmeintdeshalbGeorgvon Below,daßaus dieserZeitdasWort Zunftgeist seine unangenehme Nebenbedeutungerhalten habe.

Untersolchen UmständenmußtesichdieLagedesGesellenstandesurn so eher verschlechtern,alsindieser Epoche durchdieEinsuhrunderhöhte ProduktionvonEdelmetallen einsehr beträchtlichesSteigenallerWaarenpreise, alsoauchder Lebensmittel,stattfand;dennunterdenerwähntenUmständen,wo dieMeister sichselber so häufignur kümmerlichnährtenund einefestgeschlossene, obrigkeitlichgestützteKastebildeten, konnten dieGesellen schwerlicheine den ge- stiegenenWaarenpreisenentsprechendeErhöhungderLöhnedurchsetzen.Immer- hinwar dieMachtderGesellenbisinsachtzehnteJahrhundert hinein noch bedeutendgenug:dieVerbindung zwischendenGesellenaller Orten wareine soenge,daßeinMeisteroderselbstdie ganzeZunfteiner Stadt,die»geschmäht«

war,keinegelernten Arbeitkräfteanzuwerben vermochte.UndweildieZunft diesenEinflußderGesellenkoalitionkannte,legte sie sich,bei derenStreitig- keiten mitderObrigkeit,gerngeradezuGunstenderGeselleninsMittel.

Aberderfreie Spielraum, derauf diese Weise noch lange Zeitden Gesellenverbändengegönntwar, wurdevon ihneninderHauptsachenicht ausgenutzt,um diematerielle,moralischeundintellektuelle Hebung ihres Standes durchzusetzen,sondern,um gewisfeUnartendesGesellenlebensweiter zupflegen,vorAllem,um denZecheommentundeinenganzverschrobenen

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DieArbeiterpolitikdesdeutschen Absolutismus 193

Ehrbegriffauszubilden.Sie wurdenso nichtseltenden modernenStudenten- verbindungenähnlicheralsden Arbeiterkoalitionen. Dasgesteht auchder kommunistischgesinnteHistorikerBrunoSchoenlankzu:»Die starren Formen derOrganisationwaren geblieben,inderStickluft jenerZeit«aberwar die frische,jugendkräftigeBewegungelend zu Grundegegangen. Einkindisches Spielmitdem-Flittertand unverstandener Sitten, einwüstesTreibenbeim Spiel,inderSchänkeundaufdenGassen,einezäheAnhänglichkeitandie ObsoletgewordenenEinrichtungenderVergangenheit,einedurch Vorurtheile getrübteAuffassungderDinge, MißbräUchestattderBräuche, stattguter Art dieEntartung«

DieFolgedavonwar,daßdieGesellenverbändeArbeitscheu,Leichtsinn undTrunksuchtbeförderten,ausdennichtigftenundfrivolstenGründenHändel Unter einander sowohlwiemitderObrigkeit anfingenunddieeinzelnen GenossenzurFügsamkeitzwangendurchdieDrohung, sie aufdieschwarze Tafel (indenHerbergen)zusetzenunddurcheinen»Treibebries«ihreWieder- Utlstellungzuhindern.Daherkam es,daß Einrichtungen,dieursprünglich alssegensreichesozialpolitischeInstitutionen gedachtwaren, ganz besonders viel zurEntartung beitragenundgroßenAnstoßerregten:sovorAllemdie in einerReihevon GewerkenüblicheVerabreichungeines,,Geschenkes«an die wandernden Gesellen.UrsprünglichhattedasGeschenkdazudienensollen, dieGesellen aufderWanderzeitvorVagabondageundBettelzubewahren, Ulld darumwar vorgeschrieben,daßderankommende GeselleeinpaarTage kOstenlosverpflegtwurde, freies Nachtlager erhieltund,fallseramOrt keineArbeitfand,miteinem kleinenZehrpfennig fürdieReisebiszum NächstenZiel entlassenwurde. Aber imLaufderZeit nahmen mancheGesellen daraus Anlaß, nicht ernstlichnachArbeitsichumzusehen,sondern auf Kosten derGenossenam anderenOrte sichgütlichzuthun,zuzechenundmüßig- zugehemum esdannam nächstenOrt ebensozumachen.DenGesellen indiesenOrten gabdann wiederum dieAnkunftoderderAbschieddes fremdenMannes oftgenugdenerwünschtenAnlaß, sichzumZechgelagezu VersammelnUnddazu hielten sich nochdieGesellenindenZünften,die dasGeschenkeingeführthatten, für vornehmeralsdieGesellenderanderen Zünftezjenewolltenmitdiesen nichtzusammen arbeiten,erkannten sieüber- hauptnichtalsvollan: sokameszuunaufhörlichenHändelnzwischen beiden ParteienundschließlichstecktensieeinanderinVerrus.Undgerade diese Mißstiinde,dieandasGeschenkanknüpften,waren es, die denAnstoßgaben,

dvaßdasReich selbstals höchstelegislatorischeInstanzdenHandwerks- eIUrichtungenunddemGesellenwefenseine Aufmerksamkeitzuwandte.

Das geschahzumerstenMaleschonimJahre1510,wodieReichs- städteaufderReichsversammlungzuSpeyerbeimKaiserum dieAufhebung

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194 DieZukunft

dersogenannten Zünfteeinkamen. Daher richtete sichdieersteReichspolizei- ordnung,die1530 zuAugsburg erlassenwurde,vornehmlichgegendas Gesellenunwesen.Sie schriebdenGesellenvor, währendderWanderzeit einbeglaubigtesArbeitbuchbeisichzuführen,geboteinenbestimmtenModus derAnstellungderGesellen,damitdasmüssigeUmhergehenundZechenaußer Gebrauchkäme, verbot dieDarreichungdes»Geschenkes«,dieVerwendung derBeiträgezuTrinkgelagen,dieUnredlichkeiterklärungvon Gesellenoder Meisternaus denbisher üblichenGründen.DasAllesgeschahabernur auf demPapier. Denn anentsprechendeThaten dachteman nicht:einegleich- mäßigeJntervention der verschiedenenStaaten undStädte war nichtzu erreichenundeineinzelnerStaat konntegarnichtgegendieGesellenvor- gehen,dasie sonst seinGebietverlassenunddieThätigkeitdarinihrenGe- nossenimReiche-mit Erfolg untersagt hätten.So bliebbistiefins siebenzehnteJahrhundert hineinAllesbeimAltenunddieOrganisationder GesellenwurdeinkeinerWeise tangirt, obwohl jenes Gesetzbisdahin öfters wiederholtundsogar noch durch besondere Zusätze bereichertwurde.

EineAenderung erfolgte erst,alsdieinzwischenkonfolidirtenund mächtiggewordenenTerritorialstaaten sichzugemeinsamemVorgeheneinten undmitallenMachtmittelndercentralenVerwaltung rückfichtloseinschritten.

DieTerritorialfürstenhatten schon längstindasGewerberechtderStädte eingegriffen:dasiedieInteressenderstädtischenund derländlichenBevölkerung zugleichwahrzunehmenhatten, so mußtensiedafür Sorge tragen, daßdie vondenStädten, zumTheil auf KostendesplattenLandes,bisherbefolgte spezifischstädtischeWirthschaftpolitikkorrigirtwurde, um einerterritorialen WirthschaftpolitikPlatzzumachen. Jn diesemSinne war inPreußen,das auf diesemGebiete balddieFührung übernahm,versügtundauchdurchge- setztworden,daßdieGeschlossenheitderZünfte durchbrochen,dieKostender ErlangungderMeisterschaft ermäßigt,dieGesellen,denendieZünfteun- gerechtfertigteSchwierigkeitenmachten,unter dieMeister aufgenommenund dieZahlderabseitsderZunftthätigenFreimeister erhöhtwurde.

GegendieGesellen vorzugehen,war aberschwerer,weilman immer befürchtenmußte,daß siedanndasbetroffeneTerritorium meidenundseinen JnnungendenZuzugvonArbeitern aus anderenGebietenabschneidenwürden.

Unddeshalbbetriebman auchdieLösung dieser Frage aufdemReichstage zuRegensburg,um einegemeinsameAktion derdeutschenTerritorien ins Werkzusetzen·Hierkamnach mehrjährigenBerathungenam drittenMärz 1672 ein,,Reichsgutachten«zu Stande,d.h.eswurden einige Maßregeln gegen dieGesellenverbindungenundZunftmißbräuche,infünfzehnParagraphen geordnet,abermals zuPapier gebracht.Wiewenigman zunächstanihre Ausführung dachte,gehtdaraus hervor, daß ihre Publikation erst1726 er-

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