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Philosophie und Leben. Jg. 7, H. 2 (1931)

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(1)

^|M)tIofopl)te und Heben

?. J A H R G A N G + 2. H E F T + FEB RUA R 1931

„3tn JJie n ftt ber tDolktfetn^eft erftrebt unfere Jeitfifcrift eine (aü)>

Ii$ e 2tueifprache ber b etrieb en en ineltanfdianli^en Eidjtungeti.“

53 ßrfkf)f ficf) 5 as !DtoraftJdK Immer »onjßftff?1)

35on © e r w a r b S l a m p

$ialeftijd>e Erörterung einer Streitfrage

2 luf bie grage, was fittlid) gut, futjtoeg bas ©ute fei, erhält man beute, in einem im ©anjen fo burebaus oerftanbesfeinblicben Zeitalter, für gewöhnlich bie 3lnttoort, baft betrübet jedenfalls nicht ber K o p f , fonbern einjig bas f>e r 3 , nxdjt bas © e n ! e n bjto. Sftachbenfen, lebig=

iid) bas „g ü h I e n" ju befinben habe; m. a. 20 . für bie meiften heutigen 3Renfd>en ift bie grage nach bem fittlid) ©uten fein ®enfproblent, fon=

bem eben eine €>ache, bie fid) nad) einem meditierten Slusfprudje oon gr. Sf). 35ifd)er „oon felbft oerftebt". Söie toeit unb ob bies überhaupt richtig ift, lajfen toir oorläufig bahingeftellt. Uns fümmert hier junäd)ft nur bie grage, toas gemeint fei, wenn man bas SRoralifdje, b. i. bas | fittlid) ©ute, für felbflDerftänbltcb hält.

3d) toieberbole: 1. bas 9Koralifd)e oerftebt fid) barum, »eil es aus»

fcbliefjlich f) e r 3 e n s fadje ift, oon felbft, es bebarf fonaef) feiner um=

ftänblicben unb toeitfd>toeifigen, ftets oerftanbesmäjjigen 33 e g r ü n = bung, t oarum es gültig ift, ba es einem nicht oerftoeften fierjen oon f e I b ft als toertooll einleucbtet, „eoibent" ift, toie ber 2 lusbrud lautet.

Es bebarf fobann 2 . feiner ausführlichen D a r l e g u n g barüber, to a s als moralifd) toertooll ju tun bjto. to i e es jn tun fei. ®enn too man oon einem folgen ‘ 2 Bert innerlich wahrhaft ergriffen unb oon i|m 3 utiefft erfüllt ift, brängt es aud) tote Don fetbft 3 U bem ent[pred)en=

ben £>anbeln bjto. Unterlagen, {ebenfalls aber 3 U einem bem betr. SBerte angemeffenen Verhalten. ®as aber begrünbet 3 um anberen eine 6 elbft=

oerftänblicbfeit, biesmal im fünfte bes moralifd geforberten Suns ober Safjens.

2 Iu 5 bem gleichen ©rurobe bebarf es aud) 3. feiner b e f o n b e r e n , a u j j e r mo r a l i f c h e n üDt 0 1 i 0 i e r u n g , bie, gan 3 abgefeben oon ber erlangten Sinfid)t in bas ©ute nnb unabhängig oon ihr, bas mora=

1) Set eorftefjenbe Stuffafj routbe im a i 1929 eetfafjf unb abgcfdjtoffen.

;Pfri!o[opt>ie unb ßeben. VII. 3

(2)

32 95er f f e( >t } i <$ b a s 3 0 t o r a I i f < ^ e i m m e r o o n f e l b f t ?

lifche Verhaften erftausrei chenb ober 3 u l ä n g I i cf) (adäquat) be=

ftimmt

(d ete rm in ie rt).

93ielmehr ift bas SKoralifcbe fichfelbftSEJioti»

(33eweggrunb) genug, oorausgefeßt nur, baß bies 2Rofio

fid)

unge=

hemmt auswirfen fann. Sllfo gelangen wir aud) mit 55ejug hierauf ju bem Ergebnis ber €>elbfft>erftänblid)feit, b. i. ber ©elbftgenügfamfeit bes Sftoralifchen, wo es als SWotio in ber ihm eigenen Stärfe unb 2öirf=

famfeit auftrift. SDtan böte fid) r»or bem SÖtißoerftänbnis, als ob biefer britte gall mit bem erften ibentifd) fei. 33ei einigem 93efinnen läßt fid)

!eid)f feffftellen, baß ja 33e gr ünbung, w a r u m etwas gerabe fo ober fo fei, grunbfäölid) Stnberes „meint" als bie ftets tatfäd)lid)e Kau=

fafitäfsbeftimmung burch ben 33eweggrunb, ber mad)t, baß es fo unb nicbt anbers fei bj». fo fein muß, falls bas 3Rotio bie a ur e i d j e n be f>anblungsurfad)e ift.

Die in Siebe ftefjenbe ©efbffDerffänblidjfeit bes 9Korafifd)en geigt ftd>

enblicb 4. aud) barin, baß es nicht fünftlicf) erft ber menfd)Iid)en Statur eingepflanjt ju werben braucht, fonbern recht eigentlich aus ihr fließt, baß es alfo 3 war nicht mit allen, aber {ebenfalls bocf) mit ben tiefften Sntereffen ber SOtenfchennatur harmoniert, bie fid) erft im 3Roralifd)en wahrhaft oollenben fann. 3 war gehört aud) ber (Egoismus jum 3Jlen=

fchenwejen, aber nicht au einem folcfjen, bas fid) felbft am beften unb tiefften oerftett. Die wahre Statur bes 3Renfd»en enthüllt fid) bem=

gegenüber erft im SJRoralifchen jenfeits alles £goiftifcf)en. (Ein beibeut=

famer 6 d>ritt in ber Slichtung auf es ift es fd)on, wenn man ben 33egriff bes „wol)li>erftanbenen Sigenintereffes" bilben unb würbigen gelernt bat.

Vielleicht baß man bann aud) einmal 3 um 53erftänbnis bes eigentlichen 9Jtoralifd)en gelangt, bas, mit unferer wahren, tieferen Statur überein- ftimmemb, infofern „f i d) t> 0 n f e I b ft d e r ft e h t". Darum ift moralifd)

3U

tjanbeln lefethin aud) fein b e f o n b e r e s 93erbienft, wenn anbers es eben im ©runbe felbftoerffänbficf), b. i. m i t unb burcf) unfere Statur nun einmal „gefefet" ift. 2 Ran braucht ficf) felbft nur tief genug 3 U fennen, um bas SOtoralifche als eins ber ©runbbebürfniffe unferer Statur 3 U erfennen, beren 33,efriebigung f e l bf t oer f t änbl i c b ift. 99kn mache alfo fein unnötiges Aufheben oon einer im ©runbe fo „natürlichen"

©ad)e, wie es bas SOtoralifche ift!----

2 ßas ift nun aber bas 3R 0 r a I i f d) e, »on bem bisher behauptet worben ift, baß es ficf) immer oon felbft »erfteht? (Eben b a s , w a s b a s u n t > o r e i n g e n o m me n e , b u r d ) 3 3 o r u r t e i l e n i c h t g e - t r ü b t e © e w i f f e n in j e be r S a g e 3 « tun b e f i e h l t . Da nun biefe ©ewiffensforberungen, inhaltlich betrachtet, bas SOtoralifche ausmadjen, wirb man folgerichtig auch »on i hne n 6 efbftoerffänbIid)feit in jener »ierfadjen fjinficht ausfagen bürfen.

Sufammenfajfenb wäre nun 3 U fagen, baß wir, ohne irgendwelcher

(3)

95 e r ft e t ficfr b a s SR o r a I i f cf) e i m m e i o o n f e l b f t ? 33

Begründung, aujjermoralifchen SÖtotimenmg ober weitausgreifenben Darlegung über bas, was bie jeweilige Sage in moralifcher fjinfidjt oon uns forbert, fowie über bas Verhältnis bes 9 Koralifd)en ju unferer Statur, ju bebürfen, nur fo unooreingenommen ober oorurteilslos wie möglich auf bie (Stimme bes © e w i f f e n s in uns 3 U fjören braunen, um bas SRoralifche jeberjeit felbftoerftänölich 3 U finben.

Vom Sftoralifchen ftnb wir fo einen 6 d>ritt jurücfgegangen unb auf bas alles SJtoralifdje in feiner © e 11 u n g erft begrünbenbe © e - w i f f e n geführt worben. Oft nun aber bas ©ewiffen in jebem galle untrüglich? (3cf) meine bas felbftänbige autonome ©ewiffen i>es (£in=

jelnen, bas nicht ohne weiteres oon Autoritäten geleitet ift.) 9Ran fann bies beftreiten unb I>at es aucf) »ietmals fchon, befonbers oon feiten ber Vertreter einer ftreng firchengläubigen bjw. theologifch gebunbenen SRoral beftritten. Stoch fürjlid) begegnete ein junger Katholif meinem fnnweife auf bas inbioibuelle ©ewiffen als bie leßte ober oberfte Onftanj in moralifdjen 'Singen mit bem (Einwanbe, ,/bas ©ewiffen fei fo eine

€>ad)e", wobei beutlid) ans ihm bie autoritätsgläubige ^rieftermoral feiner Kirche fprad).

Sine 6 chwierigfeit, bie ber ©eIbftoerftänblid)!eit bes SJtoralifchen ent=

gegenjufte^en fd>eint unb bie Annahme bes ©egenteils nahelegt, beftetjt nun in ber Tat barin, bafj ber Begriff 'bes Sftoralifcfjen n i d) t e i n = h e u t i g ift, ferner bafj es fdjwer, wenn nid>t gar unmöglich ift, auf bie Stimme bes ©ewiffens o!)ne a l l e V o r e i n g e n o m m e n h e i t in jebem Salle 3 u hören, enblich baft aud) ber „©ewiffenljaftefte", ber alte feine (Entifcheibungen nach beftem „SBiffen uni) ©ewiffen" trifft, gleid)=

wo^l fich irren fann.

VMr führen jetjt im Eingelnen unb ber 5teihe nad) 6 ätje ins gelb, auf 'bie man fid) 3 u berufen pflegt, wenn man barptun Jucht, bafj fich bas SDtoralifche entgegen ben früher aufgeftellten Behauptungen eben n i cf> t Don felbft oerfteh't unb alles anbere als felbftoerftänblid) ift.

1. SBie fchon gejagt, ift ber B e g r i f f bes 9Jt o r a l i f ch e n n i ch t e i n b e u t i g. ®as SOtoralifche ift wefentlich oerfchieöen, je natfc

■bem id) 3 . B . unter

SRoral

bie 9teligionsmoral ber Kirchen ober bie fog.

religionsfreie SDtoral oerftehe. ®as ergibt, wie gefagt, einen wefentlidjen

Unterfd)iei>. gragt fich nur, welches ber beiben „€>pfteme" bie „r i d) -

t i g e" 99toral für fid) beanfprudjen fann. 9Bas anbers aber fann uns

ben

SRafjftab für

6 ie Beurteilung bes in biefem

galle

Nichtigen liefern

a l s ö i e B e f i n n ' U n g a u f b a s S ß e f e n b e s S J t o r a l i f c h e n , bas

ohne greihett, 6 . i. ©elbftbeftimmung bes SBillens 3 U freigewählten, für

wertvoll erfannten S i^ n fowie ohne bas Bewufjtfein ber Verantwort-

lichfeit nicht gebacht werben fann? ®iefe Autonomie bes (Sittlichen läßt

fich aber oon einer religionsfreien, übrigens nicht bie Autoritäten

(4)

34______ % e t ft e fr t fid; bas Sjftotalifcf>c immer »on f el bf t ?

jd>Ied>ftoeg verneinenden, aber fie aud) nicht (ohne Prüfung) unbebingt bejahenden 3Roral ungleich beffer öenoirflicfren als non einer größten­

teils autoritätsbefangenen. Um aber nun foldjes entfdjeiben, fotoie es fid) unb anderen gur (Einftcht bringen gu fönnen, bebarf es jebenfalls der Vefinnung auf bas SBefen des SJtoralifcben. Siefe Vefinnung liefert die Begründung dafür, warum das eine SÜRal bas 3Roraii(d)e „ricfjtig", b. i.

toefensgemäß, das andere 3RaI es eben n i d) t ift. Sie 9toftoenbigfeit einer fold>en 33efinnung und Vegrünbung geigt aber, daß fid) das SJRo- ralifdje gerade n t d> t oon felbft »erftetjt. Sas aber ergibt einen »oll- fommenen Sßiberfpruch und ©egenfafe gu der obenaufgefteltten 1. 33e=

bauptung ber erften 9teihe. Sie dort behauptete (Eoideng fetjeint mehr als fraglich. Senn e t> i d e n t ift aud) dem Slirchengtäubigen fein Be­

griff des 2 Roraiijd)en.

Sas SOtoralifche ift alfo nid>t „grundlos", m. a. 20. das „3öarum", deffen'ioegen es das e gentümlid) (fpeg fifd)) SDtoralifche ift, ift für es n'djt bedeutungslos; es oerfteht fid) fonad) nicht au s ober b u r d) fid) felbft, wie man das €>elbft»erftändlid)e auch wohl interpretieren fann.

2 . Sehrt bie tatfächliche (Erfahrung — und daran ift fein 3 ®eifel —, daß das ©et oi f f en auch nur in « i n g e l n e n g ä l t e n der mo r a l i f c h e n ^ r a j i s i r r e n f a n n , bann muß man alterbings der 9lede oon der ©elbftoerftänblichfeit bes SRoralifcben mit bem größten SJtißtrauen begegnen. Offenbar oerfteht fid) das 9Horalifd)e doch eben n i d) t in dem 6 tnne oon felbft, baß ein 3rrtum begüglich feiner aus- gefd)Ioffen ift. 3m übrigen haben wir 'hier noch ^en g ü n ft i g ft e n galt angenommen,daß bas ©etoiffen o e r e i n g e l t irrt. Vielleicht aber muß unfer Urteil über das ©etoiffen im fünfte ber 3rrtumsmögtid)feit noch toefentlirf) ungünftiger lauten, fo baß das SRoralifche bementfpredjenb fich immer toeniger oon felbft oerfteht, bis es am Gctibe gar nicht mehr felbft-

©erftändlid) ift. Senn es ift eine alte (Erfahrung, daß, too einmal ber 3weifel an einer (Sache rege geworden ift, gar leicht fein f>alten mehr ift, unb bald alles problematifd) erfcheint.

3. S a feiner gang frei oon Vorurteilen ift, fo fallen auch bie Aus­

lagen des ©etoiffens über bas, toas für fittlid) gut gu gelten hat, bei ben oerfchiebenen SÖtenfdjen, je nach bem ©rode unb bem 9Kaß ihrer 33e=

herrfd>ung burd) V o r u r t e i l e aller 2 lrt, fehr oerfdjieben aus, find, tote man auch fagen fann, durd) allerlei außer- oder unmoralifche ?tütf=

fichten mehr ober weniger „oerfälfcht", fo daß, um auf bas eigentlich

3Roraltfd)e gu fommen, toas allein pftidjfmäßig geboten ift, eine jebes-

malige fritifche ©onderung erforbert toirb, die das Un= oder Slußer-

moralifche ausfdjeibet unb ben Sem bes ed>t SRoralifchen allein gurud-

behält. 3“ diefem 3 »ede ift alfo eine 2 lrt oon moralifcher 6 d>eibefunft

bringenb erfordernd), bie die 6 preu oom SBetgen, das (Edle oom Unedlen

(5)

93 c r ft e t) t f i d) b a s 9 f t o r a l i f c ^ c i m m e r » o n f e l b f t ? 35

fonbert. Auf feinen galt aber geht es an, bie Ausfagen bes ©ewiffens, weil es ja ftets bas 6 elbft»erftänbliche anrate, unbefehen, b. h- ofjne nähere fritifche Prüfung »on ber angegebenen Art, als ohne weiteres oerbinblid) einfad) fnnsunehmen. auc^ 53eaug hierauf ift feine Rebe ba»on, bafe fid) bas 3RoraIifd)e immer nur Don felbft oerftefje.

Vielmehr oerftcljt es fi(f> fo wenig oon felbft, bafe ©elbftfritif unb Selbft*

erfenntnis hinsufommen muffen, ganj ohne welche „es nun einmal nicht geht". Sas SERoralifche für fich allein ift offenbar un»ermögenb, fich &en mancherlei Vorurteilen jum Srofc aus eigener Kraft burchpfeften bjw.

fich 3 ur ©eltung ju bringen. SBäre btes ber galt, bann unb nur bann

»erftünbe fich bas 20 loralifd>e allerbings oon felbft. ®a bem jeboch n i ch t fo ift, »erfteht fich bas 9Koralifche im ftrengen ©inne auch nid)t »on felbft.

4. VMe ’bie SERenfchen einmal finb, bie nicht nur, ja nicht einmal in erfter Sinie, fogar nur höchft feiten (ober überhaupt nicht?) r e i n mora=

lifchen Antrieben folgen — wer bie SERenfchen wie fie wirflich finb fennt, pflegt fich hierüber feinen übertriebenen Erwartungen hinpgeben —, befifet bas 3JIoraIifcf>e f ü r fi<h a l l e i n f e i t e n a us = rei chenbe 3 R o t i » a t i o n s f r a f t , um allemal unb unausbleiblich bas entfprechenbe Verhalten herbeiführen ju fönnen. gür gewöhnlich ge=

feilen fich aufeermoralifche 3Roti»e hinju, wie bie Ausficht auf Sof>n ober

©träfe im Siesfeits ober 3enfeits, bie bem 3RoraIifd)en allererft 5Birf=

famfeit ober ®urd)fchlagsfraft oerleihen. Auch banach alfo »erfteht fich bas 3Roralif<he feineswegs oon felbft. 9öie bem Erfennen bes moralifih Richtigen bort bie mancherlei eingewurselten Vorurteile unb ©ewohn=

heitsmeinungen, ftehen bem moralifchen fmnbeln hier aufeermoralifche Sriebregungen entgegen, es fei benn, bafe es gelingt (burd) Erziehung etwa), biefe letzteren in ben ®ienft bes 9Roralifd)en ju ftellen. 3öo es aber erft folcher Hilfsmittel bebarf, ift flar, bafe fid) bas SRoraltfche feinesfalls »on felbft »erfteht. Es fefcte bies auch »oraus, bafe es in ber Regel „um feiner felbft willen getan wirb". 3>ie SBahrheit, bie fich &urch unzählige Beifpiele erhärten liefee, bagegen ift, bafe günftigenfalls höchft feiten unter 2 Jtenfd>en bas ,,©ute um bes ©uten willen gefd)ieht", ein weiterer Beweis bafür, bafe bas 9Roralifd)e ebenfogut wie gar nicht b u r ch f i ch f e I b ft gefchieht, bafe es fomit nicht ju ben ©elbft»erftänb=

lichfeiten bes menfchlichen Sehens jählt, wie nai»e, »on Erfahrung nid)t befchwerte ©emüter gern glauben möchten. —

5. Von allem anberen abgefeljn, ge nügt fchon ber f>i nmei s a u f bas t a t f ä ch 1 1 d) e V o r f o m m e n ber f i t t l i c h e n K o n * f l i f t e — wobei wir »or »erfchiebene gleidybringlid>e unb gletchwerf=

»olle |>anblungsmöglid)feiten gestellt, ratlos wie wir in folchem galle

finb, nicht wiffen, was wir tun, wofür wir uns entf<heiben Jollen — ge=

(6)

36 35 e t ft e 1) t fid) bas 3>t o r a I i f <$ e immer »oit felbft?

nügt, }age td), ber einfache Hinweis auf fold)e Konfliftfälle, um bie SR e i n u n g vo n 6 er <ScIbftt>erftänbIic^)fctt 6 es 95t o r a * l i f dj en g r ü n b l i d) 3 u e r f d> ü 11 e r n. ®iefe STatfache fpricht fo febr für fid) felbft, baß faum »eitere Sßorte hierüber oonnötert finb.

Übrigens fann man einwenben, baß ber ^onfliftsfall im SRoralifchen bod) nid)t bie Reget ift, unb wir niemals eine 6 ache nad) bem be=

urteilen bürften, was fie uns ausnahmsweife unb fojufagen gelegentlich geige, demgegenüber ift aber barauf hinsuweifen, baß, wie bie Erfaf)=

rung beutlid) jeigt, bie fittlichen Slonfliftsfälle mit fortfehreitenber Kultur in beftänbiger 3 unahme begriffen finb, fo baß fie fd>ließlid) einmal ben Slusnahmecharafter gänglid) eingebüßt haben werben. Es fann bies aud) beshalb gar nid)t anbers fein, ba ber Einzelne mit fortfd>reitenber Slul=

tur in immer jahlreichere unb mannigfaltigere Regierungen bineingeftellt wirb, bie ben gerabeju ibealen Roben für Sonflifte aller 2 lrt abgeben.

3m f>inblid auf bas 3Roralifc5e bebeutet tbies, baß fid) nad) SRaßgabe ber fid) unauftaltfam mehrenben wed)felfeitigen Beziehungen ber 3nbi=

»ibuen bas 9JI o r a l i f d) e j e b e n f a l l s i mme r w e n i g e r »on f e I b ft o e r ft e h t. SRag unter etnfad)en, relati» fonfliftarmen 2 ebens=

»erhältniffen bas SRoralifche fid) immerhin oon felbft oerfteben, für eine foimpltaiertere, auf mannigfad)en 33orausfefeungen beruhenbe Hultur gilt bies feinesfalis mehr.

6. Enblid) fpridjt gegen bie 6elbftoerftänblid)feit bes SÖloralifdjen, bas gleicbfam aus ber menfd>lichen R ater „fließen" foll, bod) aud) bies, baß b a s 9 K o r a l i f d > e c i l I e r e r f t e r f ä m p f t , u n t e r b e n f c h w e r = f t en ä u ß e r e n u n b i n n e r e n SR ü h £ n — man benfe an ben

^ampf gegen bie mancherlei 33erfud)ungen! — e r r u n g e n f e i n w i l l , wenigftens erfcheint uns ein foicbes SÖtoralifches erft recht ben Ramen bes SRoralifchen gu oerbienen, bas fampflos ©ewonnene, was

«ns fojufagen in ben (Schoß fällt, aber im 53ergleicb hiermit n i e b e r e n Ranges au fein, danach ficht es alfo n i ch t fo aus, als ob bas 3Kora=

lifche gleichfam bie naturgewachfene grucht am 23aume ber menfdjlichen Ratur fei ober ohne 23itb 31t reben, f i d > » o n f e l b f t m a d ) e , mithin fid) (im weiteften 6inne) non felbft oerftehe. 3m ©egenteil, bemißt fid) bie 30 e r t h ö h e bes SRoralifchen nad) ber 3abl unb 6tär!e ber ju überwinbenben, mit unferer Ratur gegebenen SBiberftänbe.----

©er Sßiberftreit ber beiben Reihen oon Behauptungen, bie 00 m SRoralifdjen biametral Sntgegengefefetes ausfagen, ift nunmehr offenbar unb nicht mehr gu leugnen. 9öas ber 6 a{j, bie Shefe ber e i ne n Reihe behauptet, nämlich bie 6 elbftoerftänblid)feit bes SJtoralifchen, beftreitet ebenfo nachbrüdlid) unb entfd)ieben ber entfprechenbe ©egen=©afc, bie 2 lntithefe auf ber anberen ©eite.

3Bie ift nun folcher Sßiberftreit $st fd)Iid)ten? gofgenbe SüRöglidjfeiten

(7)

33 e t ft c b t f t cb b a s SSTt o r a l i f c ^ c i m m e r t o n f e l b f t ? 37

bieten fich bat. Ski fich die X> o 11 e SBcrhrheit nicht auf beiben ©eiten ju=

gleich finben fann, weil bies gegen bas oberfte logifcfje ©efefc Dom Söiberfpruche Derftofeen würbe, bemjufolge Don ein unb berfelben ©adje nicht ^Biberfprechenbes in berfelben §>infid)t ausgefagt »erben fann, bleibt nur übrig: e n t w e b e r , bafe bie jeweilige ST^efc ober aud) bie 2lntithefe falfch baw. richtig ift, fo bafe bie 3Bahrf)eit nur auf ber e i n e n

©eite au fucben wäre (»e r ben Darlegungen aber mit einiger 2lufmerf=

famfeit gefolgt ift, wirb biefe Slnnahme »erwerfen, ba bie für beibe Leihen angeführten ©rünbe gleich beachtenswert erfcheinen), o b e r : bafe bie beiberfeitigen Behauptungen gleic|> Derfehlt finb, was nach allem

©efagten fdjwerltd) autreffenb ift, o b e r e n b l i c h : bafe jebe ber beiben

©eiten nur eine Jeilw ahrheit »ertritt, bie jeweils bie ber ©egenfeite er­

gäbt, woraus erft bie Dolle 3öaf)rheit entspringt. (Erft bie lefctere SRög=

Iid>feit bietet einen gangbaren 9Beg gur Schlichtung bes 2Biberftreites.

3ft es nun richtig, bafe STfycfc unb Slntithefe nicht bie Dolle, fonbern nur eine Seilwahrheit enthalten, m. a. 9B. bafe beibe nur b e b i n g t rid>tig finb, fo fragt fich, welches ber für jebe ©eite oerfchiebene ©fanb- punft ober bie ‘Sorausfeßung ift, bie fo Derfchiebene Slusfagen über ben- leiben ©egenftanb ermöglichen.

©o gelten fämtliche Dier Slusfagen ber erften 9teihe n u r u n t e r b e r B o r a u s f e f t u n g , bafe unter bem SJloralifchen ausfchliefelich ber 3 n * b e g r i f f i>er i b e a l e n g o r b e r u n g e n b e s © e w i f f e n s als foldjer oerftanben wirb. Das SJtoralifche in biefem unb nur in biefem

©inne oerfteht fich in ber 3Tat »on felbft unb leuchtet jebetn ohne wei- teres ein, ber für bie Sbealität folcher gorberungen bas nötige ^öerftänb- nis aufbringt unb für bie „Slnrufe" bes ©ewiffens berart aufgefcf)Ioffen ift, bafe er ihm ft e t s folgt, wenn es ihn mahnt ober warnt. 3ßenn übri=

gens bie Dierte Shefe berfelben 3leihe bas felbftöerftänbliche SDtoralifche aus ber menfchlichen Statur wie Don felbft heroorgehen liefe unb bie Doll- enbete Harmonie awifchen beiben fonftatierte, fo aeigt fich bei näherem 3ufehen, bafe hierbei nid)t bie t a t f ä d>l i d) e SDtenföennatur, fonbern nur eine i b e a l e gemeint fein fann, bie als foldje bann allerbings mit bem im ibealen ©inne gemeinten SRoralifchen wohl ober übel harmo­

nieren rnufe. ® er ibeale (Eharafter biefer Statur ift oben baburd) Der- bedt worben, bafe ber ibeale ©adwerhalt bes ©ollens in ber ©prache unb mit ben Begriffen iber 2B i r f l i d> f e i t s erfahrung ausgebrücft worben ift.

Demgegenüber gelten nun fämtliche Slusfagen ber 3 w e i t e n 9teihe nur bann, wenn man fi$ entfchloffen unb einfeitig auf ben ©tanbpunft ber moralifchen ‘’Prajis unb ber tatfächlichen Erfahrung bes ■empirifch (auch pfpchologifch in ©eftalt ber tatfächlid) Dollaogenen ©ewiffensafte) aufweisbaren 3Jloralifd)en ftellt. Sann aeigt fich nämlich u. a., bafe fich

(8)

38_______ % e r ft e b t f i tjr b a s S f t o t a I i f cf) c i m m e r o o n f e l b f t ?

öas SOtoralifche, b. i. bie tatJ äcfj I i cEj gcübte SK o r a l , fetneswegs Don felbft oerfteht, baß cs nod) anberer als moralifd)er ©tüßen unb Sicherungen bebarf — unter ibiefen Ieiftet 3 . 33. bie Religion für bas

©ros ber SRenfdjen bie heften |>e[ferbienfte —, um bas SOtoralifche „in 5tRarfd> 3 U fefren" 06 er bie ©ewiffensforberungen in bie 5 Bir!lid)feit 3 U überführen b 3 W. ihnen ©ehör unb Stad^rud 3 U »erfchaffen1).

Damit ift nun, roenigftens grunbfäßlid), 'bie t 'h e 0 r e t i f d) e Eöfung bes SBiberftreites ber beifeen < 33ehauptungsreif)en gegeben. Um bas (Er=

gebnis ber (Erörterung 3 ufammen 3 ufaffen: Das SOtoralifche »erfteht fich burchaus nicht immer oon felbft. ^Richtig oerftanben ift es balb felbft*

oerftänblich, halb auch wieber nicht, fonbern feas gerabe ©egenteil 6 at>on.

£5 fommt eben alles auf ben ©efichtspunft an, unter bem wir bas SOtoralifche betrachten b 3 to. auf ben jeweils 3 ugrunbe liegenben “Begriff

■besfelben, ba feie fpradjliche ^Bezeichnung besfelben, feas „3öort SOtoral", minbeftens jwei deutlich ooneinanfeer $u fcheibenbe fmuptbefeeutungen aufweift.

23et biefer rein theoretifdien Söfung barf es inbeffen fein ‘Bewenfeen nicht hohen. (Es wirfe, wenn wir feie (Sache wahrhaft philofophifch, b. i.

unioerfal, anfaffen wollen, bie pr af t t f ehe hinsufommen müffen, bie jene oon einer wichtigen Seite |et ergäbt. Diefe praftifche Söfung, bie wir hier nur anbeuten wollen, ift feamit gegeben, baß wir jeberseit unb überall feurch 23eifpiel, (Er 3 tehung unb Seihre fea f ü r S o r g e t r a g e n , baß in fortfdjreitenber, unenfelicher Slnnäherung an feas Obeal bas SOtoralifche u n t e r 90t e n f ch e n i mme r mehr 3 ur S e l b ft = o e r f t ä n b l i c h f e i t w i r b , unb bamit bie Säfte feer 3 weiten 9teihe immer mehr 3 ugunften feer Jhefen ber erften oon ihrer ©eltung oer=

i) 3Bie toenig fid) bas SDtoralifcfce (in ber jmeiten 33ebeutung biefes SBottes) oon felbft perftefct, let>rt nid)t julefet auch ein 93licf auf bie 8uftänbe unferes blutigen öffentlichen Gebens, bas in moralifcher Sejie^ung oiel, wenn nicht alles 3U »ünfd>en übrigläfjt. — 3n biefem Sufammenbange toäre neben ber Steligion unb ihren für bie tatfächlid) geübte SRoral unfdjä&baren §elferbienffen aud) ber obenerwähnten

© e l b f t e r f e n n f n t s 3U gebenfen, bie ber m o r a l i f c h e n ^ r a j i s , mit ber fie ja aufs engfte oerfnüpft ift, infofern »ertoollfte ®ienfte Ieiftet, als fie bie ben ibealen

©ewiffensforberungen entgegenftehenben Hemmungen ber mancherlei SBorurteile be- feitigt unb fo ben rein moralifdjen SJtotioen 3um <Burd)brud) »erbilft.--- -

©eigentlich pflegt man übrigens aus e r z i e h l i c h e n ©rünben bas 3Koralifd)e ber st oei t en S3ebeutung ganj entgegen feiner „wahren Statur" als felbftoerftänb»

lief) binjuftellen, um ben SögHngen Sltut jur Überwinbung ber ficf) ihnen barbietenben

©chwierigfeiten ju machen, toie man wohl aud) umgefeljrt bas SRoralifdje (in ber erften 93ebeutung) ebenfalls aus päbagogifdjen 5tüdficf)ten als nicht fo ganj leid;t tjinftellt, um oor einer leichtfertigen Sluffaffung ber ©ewiffensforberungen ju »amen. "Bod) gehört bies in ein Sapitel ber p r a f 11 f d) e n g j f t i o n e n (ogl. S5aibinger, ®ie

“^bilofopliie bes 2Ils-Ob) unb bat nichts mit einer in ber fjauplfadje nur f e ft ft c l - l e n b e n , ben t)icr in 3lebe ftebenben ©achoerhalt au möglichft r e i n e r © e g e b e n » h e i t b r i n g e n b e n Erörterung 3U tun, für bie es gleichgültig ift, »as man et»a f o l g e r n © a d ) o e r l ) a I t j u m $ r o (j aus p r a f t i f cb e n ©rünben behaupten mag. —

(9)

SJerftefct ficfr bas äTCoraHfc&e i mmer »on f el bf t ? 39

lieren. ®aß fie biefe einmal g ä n 31 i d) einbüßen formten, ift fotoenig benfbar toie baß bas 3beal jemals oolle 2ßirftid)feit toerben fann; es Würbe ja auch bamit aufhören, 3beal ju fein, toas fein 33erftänbiger wünfchen fann, ber bie 3beale als bie Seit^iele all unferes höher gerich=

teten <Strebens wertfchäßt.

3 um Schluß noch ein paar SBorte über bas Verhältnis bes SK 0 r a » I i f ch e n 3 um E t h i f e n , fotoeit es für unfer Schema in 2 Setrai$t fommt. ®as Ethifche betrifft ftets b ie wi f f e nf d>a f t l i d) e S h e o r i e o o m SER 0 r a l i f ch e n unb feinen SBerten, unb ba toiffen- fdjaftliche Theorien in feiner Söeife felbftoerftänblicf) finb, fann es auch bas Ethifche nicht fein, ©arnit ftimmt es benn auch überein, baß ber 3T h e 0 r i e n ber Ethif 2 e g i 0 n finb, wenn auch bie eine brauchbarer 3 u fein fcheint als bie anbere. 3)och fann bis jeßt noch feine einige oon ihnen ben 2 lnfpruch erheben, bie allein richtige unb gültige 3 U fein; f 0 « w e n i g a l f o o e r ft e h t fid) eben bas E t h i f d) e oon fel bf t , toährenb 00 m S5t orafi fd) en b i e s , toie aud) „je n a ch 6 e m" fein

© e g e n t e 11 gilt, ohne baß bies, toie toir fahen, einen oollenbeten SBtberfpruch ergibt b 3 to. 3 ur SBiberfinnigfeit führen muß. SOtöglich toirb bas aber toie immer in folchen gälten nur baburcf), baß man bie gälte unterf<$eibet unb gut auseinanberhält, babei bebenft, baß 2 RoraIifches unb SJtoralifches Z w e i e r l e i ift.

5öas enblid) noch bie 53ertoed)fl ung oon E t h i f ch e m unb 3 JI 0 r a l i f ch e m anlangt, fo begrünbet fie ben oerhängnisoollen 3 r r * tum — in intelleftualiftifcher 35erfennung bes wahren ©achoerhaltes —, baß bas Seßtere eben ni e unb n i mme r (im oollften ©egenfaß 3 U bem 3Borte Vifchers) f i ch o 0 n f e l b f t o e r f t e h t , baß es ferner eine 6 ad>e l e b i g i i ch bes b e n f e n b e n K o p f e s uitb nicht auch »ot allem, toas feine ibeale gorberungsfeite betrifft, bes f ü h l e n b e n , toertfchäßenben unb bei urfprünglicher Unoerborbenheit „in feinem bunf=

len 3)range fich bes regten SBeges ftets bewußten e r 3 e n s" fei, unb toas bergleichen Ungereimtheiten unb Unrichtigfeiten mehr finb.----

Slnmerfungstoeife fei 3 um 33orftehenben bod> aud) noch bies bemerft, baß unfer $hema, eine rechte S t r e i t f r a g e , eine b i a l e f t i f d j e , b. h- fid) in Shefe unb 2 lntithefe betoegenbe, fchließlich aber biefe ,,©egen=Säße" oon ber höheren ffiarte eines überlegenen 35etrad)tung=

ftcmbpunftes ausgleidjenbe E r ö r t e r u n g oerlangt, bie übrigens am beften in ® i a 1 0 g form gegeben toirb. SBenn toir hier bennod) auf bie gefprächsmäßige ©arftellungsform, in ber ja ^laton ein fo unerreichtes SÖtufter barftellt, oersichtet haben, fo gefchab es hauptfächlich barum,

»eil bie ©ialogform erfahrungsgemäß eine mit 9tüdftd)t auf ben 5taum=

mangel unjuläffige „Stoff 3 erbehnung" unb „33reite" ber ©arftellung jur

golge gehabt hätte.

(10)

40 3 3 e b e u t u n g b e t ( E t f e n n t n i s f ü r b i e S i e b e

S 5 ß 5 oufung bar ©rfennfnfe für 5 k £fobe

33ott S Ot ar garet e 21 b i d e s

Von allen ©eiten ertönt heute bas K a m p f gefdjrei gegen ben

„ O n t e l l e f t u a l i s m u s " . 3Ran wehrt fich SW n bie bisher melfad) herrfchenbe ©ud)t ber Sftenfdjen, bas Seben ben formen bes erfennen-- ben Verftanbes ju unterwerfen unb es barin ein 3 ufd)nüren unb bie Be=

beutung bes Sebens eines 9Kenfd>en banad) ein^ufchäfeen, wieweit er es in ber „(Erfenntnis" gebracht, unb wieweit er fie praftifch im Seben aus=

genügt hat- S^an ftellt biefem erfennenben (Erfaffen ber 2ße(t unb bem Ausnufcen biefer (Erfenntnis gern bie einfältig liebenbe opferwillige f>in=

gäbe an alles Sebenbige, befonbers bie SKitmenfchen gegenüber unb preift bie „warme" Siebe als ©egenfafc jur „falten" (Erfenntnis.

5Ber „d>riftlich eingeftellt" ift, hat für biefen Kampf eine gute ©tüfte.

„SBenn ich: ... alle (Erfenntnis, ... aber nicht Siebe hätte, fo wäre ich 9 ar nidjts ... Sie Siebe höret nimmer auf. Ob es aber ... finb ...

(Erfenntniffe: fie werben abgetan werben. Senn ©tüdwerf erfennen wir ...; wenn aber bas Vollfommene gefommen ift, bann wirb bas

©tüdwerf abgetan werben . . . " (Aus 1. Kor. 13, überfetjt »on Hein­

rich VMefe.)

Alfo bie Siebe ift bas (Ewige im ©egenfafj jur oergänglichen (Et=

fenntnis.

©oweit ber Kampf wtrflid) gegen ben 3ntelleftual„tsmus", b. h- gegen bie e i n f e t t i g e itberfdjäßung bes Sntellefts unb gegen bie Unter- fchäfcung lebenbigen ©efühls, infonberheit ber Siebe, geht, ift nichts gegen ihn einjumenben. Alfeuieidjt aber führt er 3 U einer Unterfd)ä( 3 ung unb ganj ungerechtfertigten Verfeinerung ber Bebeutung bes 3ntellef'ts.

Sie ©efahr, »on einem (Ejtrem ins anbre 3 U fallen, liegt um fo näher, je fdjärfer ber Kampf ift. (Es bürfte bafjer nicht überflüfftg fein, einmal 3 U

»erfudjen, fürs fie Bebeutung, bie bie (Erfenntnis gerabe für bie Siebe hat, barsulegen. ® a 3 U ift es notwenbig, bie Siebe nad) Art unb

©eftaltung etwas näher wenn audh nid)t erfchopfenb — 3 u betrauten;

es wirb fid) babei 8 eigen, bafj Siebe nicht bem Sebenbigen im engeren

•Sinne 3 u gelten braucht, bafo fie auch finnlich toten Singen entgegen»

gebracht werben fann.

Och würbe 3 w e i © a t t u n g e n »on S i e b e unterfcheiben. Sie eine bringt ber SJRenfd) aus feiner finnlichen, bie anbere aus feiner get=

ftigen §erfunft mit. S>ie erfte ift 3 imächft »on »iererlei Art: 6 ie ift mütterlich=»äterlich, finblich, brüberlich ober gefchlechtlich im engeren

©inne. Sie Eigenart ber mütterlichen Siebe liegt im Umfchliejjenben,

Bergenb=©chüt$enben, woraus, ins 2JtännIich=Väterliche übertragen, ein

(11)

33ebeutung ber ( E r f e n n t n i s f ür bie S i e be 41

mehr ftöftenbes ©chüfcen tottb. 2tuf 5cm „fid) bergen unb anlet>nen fön- nen" beruht bas Hinblicke ber Siebe, wätjrenb bas '33rübcrlirf>e in einem

»on beiben ©eiten gleicbgearteten 3 ufammenge()en, bos ©efd)led)tlid)e in ber Verfchmefeurig erfcheint. 3u biefer aus bem ©innlicben ftammenben Siebe fann man fobann als fünfte bie auf außermenfcblicbe Singe ge=

richtete Steigung pfammenfaffen, bie auf Befriebigung irgenbeines

©innenbebürfniffes gebt. Siefe natürlid>=finnltd>e Siebe fann fid) in allen fünf Prägungen 3 um ©eelifd)=©eifttgen bin ausweiten buref) Vertiefen unb (Ergeben.

©ie oerbinbet fid) bann mit ber Siebe, bie ber geiftigen f>erfunft bes 9Jtenfd)en entftammt. Stein äußert fid) bie festere in ber Siebe bes 9Ken=

fchen ju 3been. ©ie toirb ba, too fie ins ©inntidje eintritt, jur Siebe bes SÜRenfdjen ju irgenbwetchen fad)tid)en ©egenftänben, bie ihm mit 3been derfnüpft erfcheinen ober, foroeit bas Verhältnis ber JOtenfdjen unter- einanber in grage fommt, ju Hamerabfchaft, greunbfebaft, Verehrung unb foaialer Siebe. Siefe Verbältniffe wirfen fid) aus toie bie mütterlich’

oäterlicbe, finblicbe, brüberlid)e unb gefd)tecbtlid)e Siebe in ihrer feeltfd>=

geiftig oerfeinerten gorm. Sie fojiale Siebe 3 . V . fann mütterlicb-oäter- liehen ober brüberlichen (£harafter tragen, bgro. beibe oereinen. 9öie bie urjprüngltch finnliche Siebe oergeiftigt werben fann, fo fann bie urfprüng- liehe geiftige Siebe finntid) entarten.

3ebe Siebe 3 eigt fid) in S t e b e s e m p f i n b u n g unb S i e b e s -

t a t .

Sie S i e b e s e m p f i n b u n g fann etwas gans Urfprüngliches, Mn- mittelbares fein. 9Kan gibt fich feine 5led)enfd)aft barüber, warum man etwa greube unb ©cbmers unb ©ehnfucht bes anbern wie etwas (Eigenes empfinbet unb bes anbern Seben wie bas eigene bebanbelt ober warum man fein f>er 3 an einen ©ebanfen, eine ©ad)e hängt. 2 lud) ba, wo man jid) über bie (Empfinbung flar 3 U werben oerfuebt unb fie nad) 3nhalt unb Urfadje in Begriffe unb begriffliche 3 ufammenbänge bringt, bleibt ftets ein 9teft oon Unerforfd)lichem. Sille Siebe ift im tiefften ©runbe

©ebeimnis, oor ber man nur in (Ehrfurcht fich beugen fann.

Aber eine gewiffe ©cbid)t ber (Empfinbung fann gebanflid) bureb- brungen werben. 9Kan mag mir oorwerfen, baß es fd>on 3 U oerwerfen*

ber 3ntelleftualismus fei, wenn man fo „tebenbtges ©efübl" mit „toten Begriffen" paden wolle. Slber Begriffe unb begriffliche 3ufammenbänge an fich finb Weber tot noch lebenbig, unb ob fie ertötenb ober leben»

förbernb wirfen, hängt baoon ab, ob bie SRenfchen lebenbig genug finb, fie lebenförbernb 3 U oerwenben.

2luch in be3ug auf bie Siebe fann ber, beffen Söunfd) es ift, baß fie infonberheit für bas foaiale Seben beftimmenber wirb als fie es bisher war, es nicht auf ben bloßen Sufafl anfommen taffen, er muß tritt alten

(12)

42 33ebeutung bet ( E t l e n n t n i s f ür bie S i e be

3Ritteln banad) trauten, »on fid) aus auf ihre

Entftehung

unb Kräf=

tigung günftig einguwirfen. ©ewifs entgünbet fich — »ie Seben an Seben

— auch lebenbige Siebe an lebenbiger Siebe, aber foweit gum Entftehen unb gum SBachfen ber Siebe überhaupt »om 2ftenfcf)en erforfchbare Um=

ftänbe beitragen, fann biefer niebt anbers als nach ihnen forfchen unb fich bemühen, fie begrifflich flar herausguftellen, um fobann gu »erfuchen, biefe ©rünbe »on fich aus gu fefoen unb bamit auch oon biefer ©eite gu einem liebereicheren Safein ber SSTtenfcfjen beigutragen.

A l l e s ©eben » on S i e b e — ebenfo wie bie greube über bas Empfangen »on Siebe — ift eine 3t uj j erung bes bem SRenfdjen eingeborenen T r i e b e s , fich 3 u b e r e i t e m , f e i n S e h e n gu f ö r b e r n burch ei ne E r w e i t e r u n g über fich fel bft unb f e i n e n b i s h e r i g e n S e b e n s i n h a l t unb = u m f r e i s hi naus.

2)ie ©ehnfucht nach eigener görberung unb 33ereid)erung burch bas Anbre ift ber Angelpunft bes Siebens. 2)a, wo biefe ©ehnfucht gang gu=

rüdgebrängt ift unb man ihr fogar bewußt entgegenhanbelt, wo man, wenn bas überhaupt möglich ift, nicht felbftfüd)tig, fonbern nur noch anbersfüchtig liebt, ba hat bas 3d) fich bereits erweitert, ift in bem an- bem »erfunten, hat es in fid) aufgenommen ober fid) angegliebert, bie

©ehnfudjt wirb hier erfüllt in ihrem ©terben, neues auf ©röfeeres ge*

richtetes ©ehnen fteigt auf.

3)iefe ©ehnfucht ift »erborgen in jebem 3Renfd)en, fie treibt unb fud)t, bem 5Dlenfd)en unbewußt, unb erwacht gu bewußtem Sehen, wo ein

©egenftanb fich finbet, ber bie gähigfeit, ben SJJtenfchen gu bereichern, gu erweitern unb ihn über fich felbft hinausguheben, in fich trägt.

©o gelangt bie S t e b e s e m p f i n b u n g gu ihrem 3 n h a 11:

Orgenbetwas an einem 2 Jtenf<hen, an einer ©ache ober an Sbeen er*

wedt 0 r e u b e in uns. Ein fchönes, noch unerflärbares 2Bunber, eine ber SBunber »olle ©chönheit lodt uns mit »iel»erfpred>enbem ©eheim*

nis. — ©chon in ber reinen greube meinen wir ieilgunehmen an bem SBunber, aber oft genügt fie uns nicht, bas V e r l a n g e n wirb laut, b as © e h e i m n i s gu burchfehauen unb baburd) ftärfer teil=

guhaben. — Unb in beibes mifcht fid) ein anberes V e r l a n g e n : 35 i e s 5B u n b e r , bas uns bereichert, gu erhalten, guhe gen, es gu entwideln unb immer fchöner unb reifer gu geftalten. ©o groß, fo mich»

tig auch für uns fönnen wir bies Söunber fühlen, bajj uns fein Opfer, auch nicht bas unfres 3ch gu groß unb gu fchmerglich als ‘•preis für feine Erhaltung unb Entwidlung erfcheint.

A u s bi ef em gwei f achen V e r l a n g e n erwächft bie

S i e b e s t a t. 3nfofern freilich burch bie STättgfeit gur Vefriebigung bes

(13)

33ebeutung bet ( E t l e n n t n i s f ür bie Si e be 43

Verlangens nur Stillung ber eignen ©ehnfud)t, alfo nur etroas für bas

©elbft gefudjt toirb, fprirfjt man beffer oon einer Siebes 1 ) a n b 1 u n g.

3lber biefe fmnblung ift gar nicf>t burchauführen ohne ©elbftoerleugnung.

Darin liegt ja bie »erebelnbe 3ßirfung ber Siebe, bafe bas ©gemntereffe bes SSJtenfchen bas 2Iufbringen fittlicher Kräfte »erlangt. Unb tnfoweit bie 2 iebesf)anblung bie fittlicfje kraft ber ©elbftoerleugnung notroenbig macht, toirb fie aur Siebes t a t.

3d> möd)te hier befonbers unterftreid>en, bafe auch fd>on bas „Durd)=

flauen" bes geliebten ©egenftanbes Sat ift im ©inne oon Sätigfeit.

ipöchfte Sätigfeit ift baju erforberltch, nicht nur erleibenbes Slufnehmen.

Bei ber oben gegebenen Darftellung erfd>eint bie ßiebesempfinbung als bas erfte, bas hinführt jur ßiebestat. (Später toirb fid) jeigen, bafe ber SBeg aud) umgefehrt laufen fann.

Der 2 i e b e s t a t müffen toir jefot ettoas n ä h e r ju fommen oer=

fudjen. Siebestat toirb nad) bem Borhergehenben einmal geleiftet mit bem „Durchfd)auen" bes gel i ebten ©egenftanbes.SKanfann ftatt „burd)fd)auen" aud) fagen „»erftehen" ober „fiel) innerlich au eigen machen". Der B o r g a n g b e s B e r f t e h e n s i f t e i n fef>r »erwiderter, feine genaue Unterfuchung toürbe über ben 9tahmen biefer Betrachtung hinausgehen. SBir braunen hier nur au toiffen, toas bei biefem Verfielen notroenbig ift, um bas, worauf bie Siebesempfinbung hinauswill, ju er=

reichen. Unb fie roill hinaus auf ein oermehrtes Seilhaben am ©egen=

ftanb, auf eine (Erweiterung burch ihn über fich felbft hinaus.

Um au einem Berftehen »on 2ftenfchen, Dingen unb ©ebanfen au fom=

men, mufe man fie aunächft anfehauen. Dies 2Infd>auen fann in ber 2Birf=

Ud>feit ober in ber Borftellung gefchehen, es fann im äufeeren Slnfchauen ftnnlich wahrnehmbarer unb fpürbarer Dinge ober im inneren 2lnjchauen geiftiger ©ebilbe beftehen. 2 lus bem 2 lnfchauen mufe fid) bann ein fjinein=

fchauen entwideln, unb baraus mufe eine innere „©djau" werben. 3n b er i n n e r e n © ch a u gefchi eht bi e E r w e i t e r u n g unf e = r es © e 1 b ft. 2 öir finb »erfunfen in ben ©egenftanb, b. f>- uns ift, wir feien felbft biefer ©egenftanb, unb alles, was wir in unb an ihm fchauen, fei uns au eigen, unb was fich mit ihm unb an ihm ereigne, gefchähe uns.

©o lernen wir ihn oerftehen.

3öir erfchauen bann biefes unb jenes SKeue, was uns bisher nod) nicht ins Bewufetfein gebrungen war, unb nun fucht unfer Denfen bas, was Ginbrud auf uns gemacht hat, in Begriffe au faffen unb fo au Hären.

Diefe K l ä r u n g burch b e g r i f f l i c h e s D e n f e n ift aur wahren Befriebigung ber 2iebesfebnfud)t n o t w e n b i g. Denn wir müffen uns wenigftens au einem Seil flar barüber werben, was an bem geliebten

©egenftanb bie greube unb ©ehnfudjt in uns »eranlafet, ob bie greube

©runb hat, unb ob ba wirflich (Erfehnenswertes »orhanben ift. 3 lur wenn

(14)

44 ' Bebeut ung bet ( E t f e n n t n i s f ür bie 2iebe

mir »iffen, bafe bie Siebesempfinbung nic£>t auf einet Täufchung auf=

gebaut ift, fann fie bauern unb fann bas Verlangen nad) weiterer Ber- tiefung in ben ©egenftanb ber Siebe »ad) bleiben.

Es genügt nid)t, bei innerer (Schau ftehen gu bleiben, »enigftens nidjt für bie Sauer. ®enn bie 6 d)au »erfliegt, bie Begriffe aber fönnen blei=

ben unb ben 3Beg su erneuter unb »eiter vertiefter 6 d>au erleichtern.

6 0 bef c hr e t bt bi e erfte S i e b e s t a t f e i n e n a n b e r n 2öeg a l s b e n b e r S r f e n n t n t s . U n b b i e ( E r f e n n t n i s » i r b g e = f o r b e r t oon ber S i e b e s e m p f i n b u n g .

Um bas Berftänbnis eines 3Renfd)en, einer 3bee ober 6 ache fann man fic^ aud) bemühen, ohne baß »orher eine Siebesempfinbung »orhanben

»ar. 2)a ift bie 95t ö g l i cf) f e i t gegeben, bafe bie 2 i e b e s e m p f i n = bung erft auftritt als eine g 0 1 g e bes B e r f t e h e n s unb (E r = f e n n e n

5.

Unb in ber 3Tat: (Schon »enn ich j. B . bei meinem 9täd)ften erfenne, bajj er in fid) ein ähnliches (Sehnen »ie id) nach göttlichem SBefen trägt, bafe er bei beftimmten Slnläffen Seib unb Suft empfinbet

»ie ich, »enn id) fo in einem Erfenntnisaft mein 3d) mit feinem SBefen umfleibe, »irb eine Siebesempfinbung, »enigftens ein »armes 3nter=

effe an ihm in mir »ach. Sluch bie Erfenntnis, »ie unb baft bas 6 d)id=

fal ber anbern üDtenfchen mit bem eigenen oevfnüpft ift, fann Siebes*

empfinbung entftehen laffen. Unb oft ruft erft bie Ginficht in bie ‘2Bun=

ber, bie ©röfje unb 6 d)önf)eit eines ©egenftanbes Siebesempfinbung heroor. SBenn auch Siebe als (Empfinbung in einer gang anbern (Ebene liegt als (Erfenntnis, fo ift bod) bie burd) Berftanbesbegriffe p r Klar­

heit bes Bemufotfeins gebrachte £ i n f i d) t in bie Befchaffenheit ber

©egenftänbe häufig ber ( E r r e g e r ber S i e b e s e m p f i n b u n g . 5Rid)t nur baut bie Siebesempfinbung »eitgehenb auf (Erfenntniffen auf, fonbern ber ( E r f e n n t n i s a f t fel bft hat B e b e u t u n g f ür bie S i e b e s e m p f i n b u n g . $iefe neigt bei ben 2>tenfd;>en leicht baju, ins 6 innlid)= 6 toffliche abjurutfehen. ®as gilt nicht et»a nur für bie B»ifd>en ben beiben ©efd>lechtern beftehenbe Siebe, fonbern aud) für alle anbere. Bei ber foaialen Siebe 3 . B . geigt fich bas in-bem Slufgehen ber Siebestat in rein materieller gürforge. $ u r d) ben E r f e n n t n i s * a f t nun » i r b b e r 95te n f d > a u s b e r f t o f f l i d ) e n i n b i e g e i = ftige 6 ph ä r e e mp o r g e h o b e n , unb burd) bie ‘ffiieberholung biefes Slftes »irb un»illfürlich bas ganje ( E mpf i nben bes Sft e n = f cf) e n g e r e i n i gt . ®as fchliefet nicht aus, bafj bie Siebe auch auf an=

berm 3Bege, »ie burd) Seib unb (Entfagung, geläutert »erben fann. —

®er ( E r f e n n t n i s a f t ift ferner ge e i g n e t , eine für alle Siebestat not»enbige gähigfeit a u s j u p r ä g e n : 3e einbringlicher er ift, um fo mehr erforbert er »om SERenfchen ©elbftoergeffenheit unb E i n g a b e .

®ie Siebesempfinbung enthält nicht nur ben 2Bunfdj) nach Erfenntnis

(15)

93ebeutung bet ( E r f e n n t n i s f ür bie Si e be 45

bes g e l i e b t e n © e g e n f t a n b e s , fonbern auch, wie bereits gejagt, ben SBunfch, ihn gu e r h a 11 e n , gu p f I e g e n unb gu f ö r b e r n. $ie (Erfüllung bes erften Aäunfches ift für bie (Erfüllungsmöglichfeit bes gwei=

ten notwenbige Borausfeftung. Stur aus tieferem Berftänbnis bes ©egen=

ftanbes heraus fann biefem wahre görberung erroachfen. 2Sfo a u ch bie S i e b e s t a t in b i ef e m 3 w e i t e n © i n n e f o r b e r t als (Erftes ( E r f e n n t n i s . 5Bo es fich uni SJtenfchen banbelt, ergibt fich erft aus ihrem SBefen, aus ihrem tiefften 6 ein unb ©ehnen bie (Erfenntnis,

»eiche Sebensgeftaltung für fie wünfehenswert ift. Unb gwar ergibt fie fich baraus, wenn fie unter Beachtung ber Umwelt gu ben f)ö$ften Sehenswerten in Beziehung gefetjt werben. Auf irgenbeinen lebten 6 inn müffen wir wie bie ©eftaltung eignen Sebens auch hie ©eftaltung bes Sebens anbrer Sftenfchen aufgebaut wiffen, unb biefer 6 inn barf auch bei Eingelheiten ber ©eftaltung nicht aus bem Auge gelaffen werben.

3u bem rechten Berftehen ber SKenfchen mufj baher Stad)benfen über Sebensfinn unb Umwelt unb bie Beziehungen gwifchen allen brei Singen fommen, um unfre ( E r f e n n t n i s beffen, w as für bie 3Renfd)en, bie wir lieben, för£>erlirf> ift, gu flären. Ohne foldje Erfenntnis wirb aus ber Siebe „Affenliebe".

3e t i e f e r unb w e i t e r bi e E r f e n n t n i s , um fo w ei t = f i c ht i ge r f a n n bi e S i e b e s t a t fein, ©laubten wir ©ott nicht im Befitj oollfommener Erfenntnis, fo fönnten wir ihm aud) nicht coll=

fommene Siebe gufchreiben. 3toar gilt aud) bas Umgefehrte, bas geigt aber nur, bajj Erfenntnis unb Siebe nicht auseinanbergeriffen werben bürfen unb in bem ©rab ihrer Entwidlung ooneinanber abhängig finb.

3 e e d ) t e r b i e 2 i e b e , u m f o m e h r m u f 3 f i e a u f E r f e n n t “ ni s b r i n g e n , um g u w e i f e m £ a n b e l n f ommen 3 u fön- n e n. Am echteften ift ber aus Siebe su ©ott unb feiner Schöpfung ent=

fpringenbe Erfenntnistrieb. Er ift tiefer, reiner, grünblicher unb umfaf=

fenber als ber, ber nur ber Eigenliebe bienen will.

SBie bie Siebesempfinbung gegenüber SRenfchen 3ntereffe an ber ©e=

ftaltung ihres Sebens etnfchliejjt, fo enthält fie g e g e n ü b e r 3been ben © r a n g , um i h r e B e r w i r f l i d > u n g 3 U f ä m p f e n , im eignen Seben wie im Seben anbrer. 3)a gilt es, nicht nur bie Eigenart ber 3been, ihren Urfprung unb 3ufammenhang mit ber gangen Sßelt bes

©eiftes gu burd)forfd>en, fonbern auch bie ungeheure SRannigfaltigfeü bes Sebens, bie fie burchbringen Jollen. Erfenntniffe finb notwenbig, bie über ben Stabmen eines SRenfchenlebens unb »fönnens hinausgehen, bie fo gewaltig finb, bafj fie faft bas gange Seben ber SRenfchheit begleiten.

Unfer ganges menfd)lid)es SBiffen, all unfre SB i f f e n f ch a f t ift lefeten

Enbes au s biefem S i e b e s b r a n g geboren. Siebe gur Sßahrheit

fd>led)thin, Siebe gu SRenfchen — enge unb weite, irregeleitete unb

(16)

46 V e b e u t u n g bet E r t e n n t n i s f ür bie S i e be

echte —, bie nach beftem 3Bege fucben wollte, war es in her §auptfac£>e, bie ffiiffenfcbaft fdjuf unb erhält unb immer wieber fuchen mufe.

2 öo bie 3 Bif|'en(chaft als Erfenntnis unb bei ihrer SInwenbung in 3Tecf)=

nif, “iPolitif, aller ‘’Prajis ben 3ufammenhang mit bem ©anäen ber Söelt unb ber Sftenfcbheit verliert, ba fann fich allerbings ihr ©egen in gluch für bie 9Jtenfchbeit t>erwanbeln.

21 u ch b ie 2 a t , b ie a u f ©e i n unb Söe r be n ber 9Kenfchen, Singe unb 3been günftig ein w i r f t , braucht nicht aus ber 2 iebesemp=

finbung h^rausguwachfen, fonbern fann anbere “Seweggrünbe haben.

SIber wenn fie in felbftlofer Eingabe gedieht, f a n n auch P® i h r e r » f e i t s ben 35 o b e n f ü r bas Entftehen unb 2Bachfen ber 2 i e b e s - e mp f i n b u n g ber e i t e n.

3Bir haben jeßt bie »erfchiebenften 3 3 e j i e h u ng e n 3 w i f ch e n 2 t e b e u n b E r f e n n t n i s f e f t g e f t e l l t :

2iebesempfinbung treibt au Erfenntnis. 2iebestat erforbert Erfennt=

nis. Erfennen fann felbft fchon 2iebestat fein. Erfenntnis ift nicht mög=- lieh ohne Eingabe unb ersieht fo 3 ur Opferbereit] chaft, ber 35orbebin=

gung für alle 2iebestat. $)er Erfenntnisaft reinigt bie Empfinbung.

Erfenntnis weitet unb bereichert ben Sftenfchen unb macht ihn emp=

fängli«^ für 2iebesempfinbung. — Unb fchliefelich fann man noch jagen: Erfenntnis läftt ben ^ B i l l e n 3 ur 2 i e b e s t a t entftehen.

SBenn 3 . 55. ber 3«fammenhang alles 2ebenbigen, insbefonbere ber SRenfdjen untereinanber unb ihre Slbhängigfett ooneinanber erfannt ift, fo mufj biefer SBille fchon aus Eigenintereffe erwachen. Unb bie 2 tebesfat, in Eingabe gefchehen, läjjt bann auch bie 2 iebesempfinbung lebenbig werben. 3Bas mit SBille, 2at, 33erftanb umfafet wirb, beein=

fluftt auch &ie Empfinbung.

gehlerhaft ift es nicht, ben Ontelleft ausaubilben. ©efährlicf) wäre es fogar, wollte man biefe Slusbilbung oernachläffigen. SJlan fäme bann 3 ur pflege oon unflaren ©efühlen. g e h l e r h a f t ift es nur, ben 3 u = f a mme n h a n g 3 U l ö f e n 3 w i f d) e n 3 n t e l l e f t unb beglet=

tenber E m p f i n b u n g , 3 Wifd>en Empfinbung unb baran anfd)liefeen=

bem begrifflichen Senfen. Unb fehlerhaft ift bie 3Jlifead)tung ber Emp=

finbung, eine golge ber übermäßigen 95ewunberung einft frifch entbeefter intelleftueller 2eiftungsfähigfeit. ®er gluch unferes arbeitsteiligen 33e=

rufs= unb 3öirtfd>aftslebens ift es leiber, bafj es bie Söfung btefes 3 u=

fammenhange 5 förbert. ®och bie Erfenntnis biefer nachteiligen 2Birfung ber Arbeitsteilung führt 3 um ©uchen unb ginben oon Sßegen 3 u ihrer Aufhebung ober bo^> SKilberung.

„hätten wir alle Erfenntnis, aber nicht Siebe, fo wären wir nichts."

Es ift richtig: E r f e n n t n i s ohne 2 iebe ift tot. ®as fagt aber

(17)

Übet bas 9ticf)ts 47

nichts gegen bas anbre: S i e b e o f j n e ß r f e n n t n i s i f t b l i n b unb fann ntcfjt gu richtiger Siebestat fommen. 3Benn aber bie Siebe red)t ift, fübrt fie ju Grfenntnis unb wenn bie Srfennfnis bie rechte ift, fübrt fie jur Siebe. 35eibe gehören gufammen.

3»ar ift unfer Srfennen ©tüd»erf. 2Bir erfennen f)ier einen

menbang unb bort einen, aber warum ber Urgrunb alles ©eins unb bie Quelle alles lebenbigen Sterbens fid) in bie STCannigfaltigfeit ber ®r=

fcbeinungs»elt ergiefet, unb »ie bas SBirfen oor fid) gebt, bleibt uns im STiefften unb £>öcl)ften, in ben gang garten unb feinen »ie in ben gang grojjen unb »eiten 3 ufammenbängett »erborgen. ®as liebenbe Srfaffen unb Umfaffen bes Alls eilt unferm Srfennen »oraus unb füljrt uns in gläubigem Abnen. sJßäre unfre Siebe »ollfommen, fie burebbränge alles unb bätte.fd)on b'er alle „(Erfenntnts". SBir brausten fie uns nid)t erft bureb Verftanbesbegriffe gu flarer ‘öewujjtbeit gu bringen. Aber aueb bie S i e b e l)ier ift ja nod) unoollfommen, fte br a u dj t bie © t ü ö e m e n f d) l i d> e r ( E r f e n n t n i s , um in ibrem SBirfungsfreis gu f l a r e r rechter S i e s b e s t a t unb g e r e i n i g t e r (E m p f i n = b u n g gu fommen. (Erft »enn » ir in »ollfontmenem ©djauen leben, »o bie Siebe oollfommen unb bie (Erfenntnis »ollfommen ift, fann bie irbifdje

©tülje fortge»orfen »erben.

(|)inge»iefen fei tjier auf folgenbe Ausfprüd>e:

Augustinus (Opera Migne P. L. Tom VIII) contra Faustum lib. 32, cap. 18: non intratur in veritatem nisi per charitatem.

Pascal Pensees: on n'entre dans la verite que par la charite!

33eibe ©äße bebeuten: Rur burd) bie Siebe gelangt man gut 3Babr=

beit. A. 95t.)

Ü b e r 5 a s S X ic ftfs (@ine Auseinanberje^ung mit Jöeibegger.)

23on 21 u g u ft S K e f f e r

I.

3n feiner ©cf>rtft: „2Bas ift SOtetapbpfif?" (53onn, £ol>en, 1929,29 ©.) gibt Sftartin §eibegger bie 25egriffsbeftimmung: „SüRetapbpfif ift bas fierausfragen über bas ©eienbe, um es a ls ein f o l cb e s unb i

nt

©angen für bas begreifen gurüdguerbalten" (24).

(Er fügt f)ingu: „3n ber grage nad) bem Ridjts gefcf)ief)t ein foldjes Hinausgeben über bas ©eienbe als ©eienbes im ©angen. ©ie ift fomit als eine ,metapbpfifcl)e‘ grage er»iefen." 3a, am ©d>tufe feiner Abl>anb=

lung begeidjnet er es als bie „© r u n b frage" ber Sftetapfjpfif: „Aiarum tft überhaupt ©eienbes unb nid)t oielmeljr Ridjts?"

33ei biefer 3Bid)tigfeit, bie er ben begriff „Ridjts" für bie SBefens-

sPf)ilofopl)ie unb 2cben. V I I . 4

(18)

48 Aber bas 3 t i $ t s

beftimmung ber SÖtetaphpfif beilegt, ift es begreiflich, baß er näher auf bie grage eingeht: „50ie ft e f> t es um bas 9t i cf) t s ? " „ SBas ift bas 9t i cf) t s ? " ( 11 ).

II.

3n biefer grage meint nun |jeibegger eine eigentümliche Schwierig=

feit 3 U entbecfen. 2 Bir festen in ihr, fo legt er bar, oon oornfjerein bas 9t i cf) t s als etwas an, bas fo unb fo „i ft" — als ein e i e n b e s".

Daoon fei es aber bocf) gerabe }cf)lecf>tf>tn unterfc£)ieben. „Das gragen nach bem 9tid)ts — was unb wie es, bas 9ticf)ts, fei — o e r f e h r t bas G e f r a g t e in f ei n ©e g e n t e i l . Die grage beraubt fiel) felbft ihres eigenen ©egenftanbs" (11). Darum fei auch iebe Slntwort auf biefe grage unmöglich. Denn eine folche bewege fich ja notwenbig in ber gorm: Das 9ti(hts „ift" bas unb bas. grage unb Slntwort im f>tn=

blief auf bas 9tichts feien fomit in fid) wiberfinnig. Schon ber oberfte

©runbfatj ber 2 o g t f , ber Saß bes ju oermeibenben Söiberfpruchs fchlage biefe grage nieber, benn bas Denfen — wefenhaft immer benfen oon e t w a s — muffe a Is Denfen bes 9tid)ts feinem eigenen Sßefen entgegenhanbeln.

3nbeffen, bamit ift für £>eibegger bie grage nad) bem 9tichts — n i ch f erlebigt. Die aufgewiefenen Schwierigfeiten gelten nad) ihm n u r , w e n n in biefer grage bie „Sogif" höchfte 3nftanj fei.

Sr trägt aber für feine ^erfon fein 33ebenfen, „bie fierrfchaft ber Sogif anjutaften" ( 12 ), ja biefe ^errfdjaft innerhalb ber “^hilofophie 31 t o e r n e i n e n ( 22 ).

Ehe wir uns jebod) au einem Schritt »on folcher Tragweite, 3 U einem unlogifchen ^Philofophieren, entfchließen, wollen wir {ebenfalls genau naebprüfen, ob bie in ber grag’ nad) bem 9ti<hts aufgerctefenen Schwierigfeiten wirflid) 3 u einer fo oersweifelten golgerung nötigen.

Siegt nicht oielleid)t aud) „hier", wie fo oft in ber ^tnM'ophie ber Dop=

pelfinn eines SBortes ben Schwierigfeiten 3 ugrunbe?

f)eibegger formuliert, wie wir fahen, bie ©runbfrage ber 9Ketaphpfif fo: „Sßarum ift überhaupt Seienbes unb nicht oielmehr 9tid)ts?"

frier bebeufet augenfcheinlich „ift" fooiel wie: „ejifttert wirflich" unb

„Seienbes" fooiel wie „3Birfltd)es, 9teales". Das „9tid>ts" aber brüdt bas ©egenteil baoon aus: bas Unwirtliche, 9ti<ht=9ieale.

9tun gibt es aber noch eine a l l g e m e i n e r e 33ebeutung oon „ift"

unb „feienb". SBir fönnen fd>lecf)terbings a l l e s , was wir benfen, als

„feienb" bezeichnen unb oon ihm Slusfagen trtad)en in ber gorm: es

„ift" ...

S 3 e 3 eid>nen wir bi ef e 33ebeutung als bie allgemeinere mit „feienb"1)

(„ift"1)), die »orher genannte als bie fpe 3 iellere mit „feienb"5) („ift"2)), fo

(19)

Ü b e r b a s 9t i d) t s 49

geigt ftd), baß f>eibegger biefe beiben Bebeutungen nidjt fcheibet, unb baß ber »on ihm behauptete ©elbftwiberfpruch &er Stage nach bem Nichts auf ber 33erwecf)felung biefer beiben Bebeutungen beruht.

3ft es benn wtrflich fo, wie er meint, baß bie grage: 3Bas „ift" bas Nichts? biefes in fein (Segenteil, nämlich in ein „©eienbes" »erfehre?

Sas wäre boch nur ber galt, wenn ,,ift"!) unb „©eienbes"2) gemeint wären; benn man fönnte etwa bas „Nichts" als ©egenteil bes SBirflichen begeichnen*). Bei ber Bebeutung „ift"1) aber ift ber (burchaus einwanb=

freie) ©inn ber grage: was ift bas 9tid)ts? lebiglid) biefer: wie fann bas Senfobjeft „Nichts" im Senfen beftimmt werben? Söeidje Ausfagen fönnen barüber gemalt werben?

3n ber Siat fönnen ftnnoolle Slusfagen barüber gemacht werben. 3um Beifpiel:

Sas Nichts ift ber |>auptgegenftanb »on f>etbeggers 2 lbhanblung;

„5öir wiffen bas Nichts, tnbem wir »on ihm, bem Nichts, nichts wiffen wollen" ( 10 ); „9lus Nichts wirb nichts"; Sas 9ticf)ts fann nichts tun ufw.

(Beiläufig gefagt fei, baß es eben barum Bebenfen erregen muß, wenn

|>eibegger im weiteren Verlauf feiner Slbhanblung ©äße aufftellt wie bie: „Sas Glicht nichtet" (21) — was bagu noch als ein „©efchehen" be=

beidjnet wirb! — ober „Sas Stichts erzwingt bie ©runbfrage ber SReta- phpfif" (29).

Unhaltbar ift auch bie Behauptung fieibeggers, bas Senfen — wefen=

haft Senfen »on „etwas" — müffe als Senfen bes „Nichts" f e i n e m e i ge n e n SBcfett e n t g e g e n h a n b e l n .

2 Bir fönnen nämlich ausnahmslos alles, was wir gum ©egenftanb\

(Objeft) unferes Senfens machen, mit bem Törtchen „etwas" begeichnen. | Ser Slnwenbungsbereich »on „etwas" ift bann foweit wie ber »on

„feienb"1) (ift1)); alfo auch bas „Nichts" fällt barunter. „Stwas" bebeutet in biefem gall lebigltch „©ebachtes", „im Senfen ©emeintes". 3nfofern ift auch — in biefem 3 ufammenhang — bas „9lid)ts" ein „Stwas".

Senn baß ich &as „Nichts" benfe (im Senfen als Objeft „meine"), bas ift boch wahrlich fein ©elbftwiberfprud). Gin folcher würbe nur bann entftehen, wenn ich behauptete, bas Nichts als Bloßgebachtes (,,©eien=

bes"1)) werbe eben burch bas Senfen fchon gum SBirflichen (©eien*

ben"2)), unabhängig »on meinem Senfen real Gjiftierenben.

S a » o n ift aber boch feine 9lebe, unb jeber, ber einmal ben 3rrtum bes „ontologifchen" ©ottesbeweifes**) eingefehen hat, wirb fich »on biefer

*) 3cf> felbft mürbe bas freilief) nicf)t tun, weif bem 3Birf(icf)en nicht bas Hntoirfti<he im eigentlichen ©inne „entgegengefefjt" ift, »ie ber negatiee Sffiert (Unwert) bem pofi=

tioen. 3n bem 9tid)ts = Unwirtlich ift eben einfach bie SBirffichfeit Derneint.

**) Teffen 6in<vift: der 'Beariii ©,®tti-s als bes alieroollfommenften 5Befens be- roeife fefjon für fich b'e SBirllichteit ©rittes.

(20)

50 Uf e r

93erwed)felung eines b l o fo gebauten Objefts mit einem a ls w i r ! - I i d> („feienb"2)) geboxten (fetenben1)) fernhalten.

Safe wir »on bem Nichts finn»olle Slusfagen in ber gorm „ift"

machen, bafe mir es als „feienb1) unb bamit als ettoas" (ohne ©elbft- tüiberfpruch) benfen fönnen, bas toirb noch toeniger »ertounberltch er- fcheinen, toenn toir uns baran erinnern, bafe basfelbe möglich ift bei

»öllig ©innlofem toie abracadabra ober bem ©ichtoiberfprechenben toie bem „höljernen Gifen", bem „Seil, ber gröfeer ift als fein ©anjes" ufto.!

/ gerner ift unfere Untertreibung oon feienb1) (= Senfobjeft) unb

I feienb2) (= wirtlich) gerabe in ber „phänomenologifchen" ©chule fimfferls (ber ja auch f>eibegger angehört) »öllig geläufig. 2 llle 5B e f e n s fragen (toie: toas ift ein ©taat, eine 9tepublif ufto.) toerben hier fcharf ge- fchieben »on ben 3 B i r f I i d ) f e i t s fragen ( 3 . 95. ob bie beutfehen

„Sänber" noch „Staaten" feien?). Sie grage aber: „toas ift bas Nichts"? ift eine 3B e f e n s frage; fie hat nicht im minbeften ben Sinn:

I ift bas SJttdhts ettoas Sßirfliches (Seienbes2))? 2lber nur toenn fie biefen Sinn hätte unb hoben müfete, toürben mit biefer grage jene Schwierig- feiten gegeben fein, burch &ie fich t>eibegger berechtigt meint, ber Sogif ihre §errf<f>aft in ber ^hUofophie aufjufönbigen.

3öir glauben es ausreichenb begrünbet 3 U haben, warum w ir biefe Äünbigung n i ch t mitmachen. (gortfefeung folgt.)

Ufer

SSon 21 u g u ft 3B u ti r a m (f. 6. 58)

Gs ift eine wunberfame SDlelobie, Sie ber Slbenb fingt über SBaffern.

93on einem Ufer 3 um anbern, Spinnt er gäben,

Sas ift bas geben.

Grbe, 3 U ber ich SKutter fage, 3Rit ber Onbrunft bes Kinbes, Su warft ber Slnfang,

Stage mich, wo Weber Sonne, Stoch Schatten,

3n bas Steid), beffen

SBänbe gewimmert fein 9taum,

Seffen SBeite erbacht fein ©ebanfe,

Sas ewig ift, ©ott.

(21)

2 e f e f r ü c ht e / 3 n n e r e ( E n t wi d l u n g e n 51

£efefrüd)fe

I. ^Pfjitofopfjie unb ^ a ^ n rijje n fd x tff

(Echte ^hilofophfe ift bie ©etjeimfpracfje, in ber fid> bie großen Scfjaffenben alter 3Biffensgebiete miteinanber oerftänbigen, unb in ber ^ilofopbie ift bie (Erflärung ju fuchen, wenn in irgenbeiner gachwiffenfchaft plöfclich eine neue Bewegung anhebt.

f>ier »erben bie geheimen ßofungen ausgegeben, bie alsbalb auf ben oerfdjtebenften Schaffensgebieten r>erwtr(li<f)t »erben.

(3lus griebticf) 3Jt e j j , 3tiefef(^e bet ©efefcgeber. Seipjig, SJteiner. 1931. S . 93 f.) II. $)er alte unb ber neue Sypuo bes fünften

Sem 3uriften bes a l t e n Stjps ift bas Stecht ein „Sing an fid;" es ift bie „^ei­

lige © e»alt", unb i5v 3Bert erfdjöpft fich barin, baß es bie unbeilige ©ewalt ab=

»enbet. 2tlle juriftifchen Probleme »erben in bie bualiftifcfje gormelt ©ewalt — 3ted)tsfrieben gepreßt. 3n alles unb jebes muß bie ^eilige ©ewalt bes Staates als d eus ex m achina (wunberfam »irtenbe ©otttjeit) eingreifen. Sa s erhabenfte Spmbol biefer bualiftifcfjen 3urispruben3 ift bie Sobesftrafe, bie „Königin ber ©trafen" (Sof­

fen). gum unoerfälfdjten Slusbruct gelangt bie ©efinnung ber f>ei[iggewalt-3uriften unb fublimierten Scharfrichter in bem .. . flaffifchen 9Borte 3Binbfcf)eibs: „<Es fönnte fogar eine 3lrt oon greube erregen, wenn ein ungerechtes Urteil ooll3ogen werbe, wenn alfo in biefer SBeife bie SDtajeftät bes Stertes fid) felbft im Unrecht bewähre." Siefe ftrenge ©efinnung, biefes 93ewußtfein ber öffentlichen ©ewaltträgerfdjaft, biefes un- fichtbare ^entertum in mehr ober weniger abgefd)Wäd)ter ©tärfe, gibt bem 3uriften alten Schlages feine 3Bürbe unb Haltung, auch feinem ihm eigenen büfteren Srnft ...

gür ben m o b e r n e n 3uriften fpielt bie „heilige ©ewalt" nur eine untergeorbnete Stolle. 3n einer Seit, wo bas gauftrecht nicht herrfcht unb bie SItenfchen in unabfehbar oielfältigen 33ejiehungen ooneinanber abhängig finb, fragen fich bie ßebensoerhältniffe im allgemeinen felber, unb es fommt nur barauf an, ihrer felbfttätigen Orbnung nach»

3uhelfen. Saju muß man fie aber fennen. Sticht bas SBiflen um bie 3nftrumente ber heiligen ©ewalt unb ben logifd)en 3lpparat ber Bebingungen ihrer Slnwenbung, fon­

bern tiefe Einficht in Sachgebiete menfcf)lid)en SBiffens unb Könnens unb wiffenfehaft- li<h gegrünbete Lebenserfahrung machen bas eigentliche 33erufs»iffen bes 3uriften aus.

Unb ntcht bie ^eilige ©ewalt bes Staates, fonbern Sachfunbe unb fchöpferifche ©e- ftaltungsfraft oerleiht bem mobernen 3uriffen 2lutorität.

(2lus griebrich SJtcß, Stiefefche ber ©efeßgeber. Seipaxg, SSteiner. 1931. S . 92f.)

Onnm C£nftmd!Iung<m

@in fd)toeres fiefcen

[Forts, aus Heft IJ Sticht mehr bie 2lrbeit ift mein ßebensjwecf, ‘anbere Siele muß ich fuchen.

SUußeftunben, ungewollt, ftehen mir frei jur Verfügung — wie werbe ich fie nuften?

Sie 2uft an ber SKal- unb 3e<d>enfunff erwacht neu; führt es jum Stel? Büchet finb meine Begleiter, ßenaus ©ebichte nehmen mich gefangen! 3<h oerfuche es mit wtffenfd)aftli(hen Schriften, fchwer ift bas §ineinfinben, aber ich habe Seit in ben ftillen Slbenbftunben — nur 2lusbauer unb fefter SBille führt jum Siel! Stoch finben fid» feine philofophiföen Schriften unter meinen Büchern, ich fenne fie ja nicht, habe ja nie etwas baoon gehört, fein SJtenfch hat mich auf fte hingewiefen. 2lber Statur»

Wiffenfehaft ift bereits su finben, in ber Schule wußte id> noch nichts baoon.

Steue SBege — Siel!?

SBtit neuem (Eifer holte ich bie wenigen Seichenfenntniffe heroor, befonbers war es bas gcberseichnen, was mir nun fo manche Stunbe oertrieb. So oft ich auch an größere Sachen mich heranwagte, es fehlte mir bie erforberliche Anleitung, unb fie wollten

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[Stur ein SBort aur leßten Stage: Sas (Erleben ber SRillionen in einem großen Kriege ift ein fo unüherfehbar mannigfaltiges, ja, entgegengefeßtes, baß es

len, burch i&gt;ie es fein SouDeränitätsred)t ausübt, unenffchieben urteilt, bann fann es fich nicht wunbern, wenn nachher auch fein Parlament unenffcfjieben

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©elöbntffe unb Entfchlüffe, bie er im Angeficht ©ottes für bas fommenbe Seben abgelegt hat. $&gt;a hat er, von höherer Sebensbeurteilung aus unb von jenfeitiger

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