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Philosophie und Leben. Jg. 7, H. 5 (1931)

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Academic year: 2022

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^[Mjtlofoplne unb Heben

?. J A H R G A N G + 5. H E F T + MAI 1931

» 3 m Ö t e n f t e b e r I D o l f e e e i n ^ e t t e r f t r e b t u n f e r e e i n e f a $ * l t d i f 2 t u « f p r a $ e b e r b e t r i e b e n e n t o e l t a n f ^ a u l t ^ e n E i t r u n g e n . “

^Pftftojopftfe ber (§>em<anjd)ajf

35on S B a l t e r 3t . 3 3 e r e n b f o & n

21 b id) noch auf bem Kontor eines Hamburger ©rofefaufmanns faß, gehörte id) einem Kreife junger 2eute an, in bem ßiteratur unb ^ ilo * fopbie getrieben würbe. 3d) war einer ber jüngften unb fab gu ben anberen mit grengenlofer f>ocbad)tung auf, bie fd>on in bem ©ebanfen*

bau «Schopenhauers gang gu fmufe unb mir febr überlegen waren. Sie Anregungen aus ben gemeinsamen Abenben fpann id) in unenblid>en

©efprädjen mit einem greunbe weiter. 3öir grübelten wirflid) übet fd)Wierige gragen nad). 9tod) weife id), wie wir uns einmal bis fpät in bie 9tad)t hinein barüber unterhielten, ob bie reine geometrifdje gigur bes Kreifes in ber Statur wirflid) Dorfäme unb wenn nicht, wie es möglich wäre, bafe man trofebem bie SSJtatbematif auf bie 5öirflid)feit anwenben fönnte. 9Bir ahnten nid)t, bafe wir bamit bas Problem beban- belten, Don bem Kant in feiner „Kritif ber reinen Vernunft" ausgebt,

■ffiie finb fpntbetifcbe Urteile a priori möglid)? Von ibm aus nimmt er bie fopernifanifcbe 3öenbung in ber ^Pbüofopbie in Angriff, bie ftcb nicf)t mehr bem ©egenftanb, fonbern bem Snftrument ber Grfenntnis, bem menfd)lid)en ©eift, guwenbet unb aus feiner ©truftur ben Vau ber gangen menfcblicben SBelt begreift. Gin anbermal batte uns bie grage nad) ber SBillensfreibeit tief erregt. 3d) fonnte nacbts niebt fcblafen. ^piöfelid) glaubte icb eine ßöfung bes Problems greifbar oor mir gu feben. SBenn bas ©ein in allen feinen Beftanbteilen Don einem

©treben erfüllt gu benfen wäre, fo würben alle ©trebungen fid) gegen*

feitig begrengen unb in einem notwenbigen ©leiebgewiebt batten, obne bafe babureb bas eigene ©treben als mitwirfenber Veftanbteil bes

©angen ausgefcbaltet würbe; bamit febien mir eine relatioe greibeit in ber Stotwenbigfeit gewährleist.

Siefe frühen pbtlofopbtfcben Bemühungen waren bei mir ernftbaft genug, um mich für immer mit bem Verlangen nach einer einheitlichen 9Belt= unb Sebensanfcbauung gu erfüllen, ja, fogar mit beftimmten Vor=

ausfefeungen, ohne bie jegliche SBeltbeutung für mich unbefriebigenb bleiben mufete. Sie Gntwidlungslehre würbe früh eine biefer unerfchütter-

**pt>iIofopt)ic unb Seben. V I L 9

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122 ^ H U o fo p b ie b e t © e m e ln fd ia ft

licken ©runblagen. 3hr gefeilte fich balb ber ©ebanfe ju, baß nur eine Söelterfaffung, in ber alle STriebfräfte bes ©eins als innewohnenb (immanent) bargeftellt würben, mein ftarfes 33ebürfnis nad) einheitlicher Söelterfenntnis gu befriebigen vermöchte. 60 würbe ich ein ©uchenber im Sanbe ber ^htlofophte. 9Jland)maI, 3 . 35. bei ©pinoja, glaubte ich bem 3 *el nahe au fein, aber es blieb boch ein ungelöfter Neft, unb ba ich felbft ihn nicht 3 U bewältigen vermochte, eine unerfüllte 3ugenb=

fehnfu<ht übrig. Manchmal neigte ich 3 U jenem Ver 3 id)t, ber SÜRauthners

„Kritif ber ©pra<he" (als Erfenntnismittel) beherrfcht, aber ich war im tiefften SBefen bo<h 3 U gläubig unb auf organifchen Aufbau geftimmt, als baß ich hetbei hätte beharren fönnen. ®ie entfehiebenfte Vtenbung meiner geiftigen Entwidlung brachte mir bie SÖtitarbeit in fo 3 ialen gragen in ber greiftubentenfehaft, im Kampf gegen bie Srinfunfttten, unb für bie Völferoerftänbigung. Sch würbe aus bem Onbicibualismus, ber Einfapfelung in bas eigene 3<h, »öllig erlöft unb mehr unb mehr an bie 3bee ber menfehlichen ©emeinfehaft als Sftittelpunft ber Sebens*

anfdjauung gefeffelt. 3n ber Seutfchen fmmanität, als beren ©ieben*

geftirn ich SBielanb unb Sefftng, |)erber unb Kant, ©oethe unb ©chiller unb Sßilhelm oon fmmbolbt pries, fchien mir ber ©runbriß eines

©ebanfenbaues fichtbar, ber fünftig einmal alle gragen bes perfönli<hen unb gemeinfchaftlichen Sebens in befriebigenber SBeife 3 U umfaffen unb 3 u burchbrtngen imftanbe wäre. Auch im ©osialismus fah ich im ©inne bes öfterretchers Abler in erfter Sinie bie Anwenbung humanitärer

©ebanfen auf bas wirtfchaftliche Seben. Sßährenb bes Krieges, Pier 3ahre an ber Söeftfront, würfen mir alle bis bahtn erarbeiteten <Ein 3 eI=

heiten sur Einheit 3 ufammen, bte ich „3nnere Erbgebunbenheit" nannte unb als innere Erfaffung ber gegebenen Natur* unb Kulturoerbunben*

heit auffaßte. 3mmer noch aber blieb im Kern ein letjter bumpfer Neft, ein unlebenbiges ©tüd Söeltanfchauung.

Nun ift mir in einem phtlofopfnfchen 2 Berf enblid) eine beglüdenbe Erfüllung meiner früh gewedten ©ehnfucht gutetl geworben. Dr. Heinrich f>eümunb hat in feinem großen 3öerf „®as Söefen ber SBelt" (2. Aufl., Stuttgart 1928, ©eutfdje Verlagsanftalt) ben groß 3 Ügigen Verfud) unter­

nommen, alle VMffenfchaft non ber Söirflichfeit unter einem einigen

©ebanfen jufammenjufaffen. 3cf) fehe in biefem fier^ftüd feiner Sehre

eine folgerichtige 3Beiierbilbung bes Entwicflungsgebanfens. Auch ift

er ein entfehiebener Anhänger ber Smmanenslehre, nach ber es jenfettige

unerfennbare Kräfte, bie in unferem ©ein wirffam werben fönnten,

gar nicht gibt. Sängft haben wir uns gewöhnt, bie gefamte organifche

Sßelt als Entfaltungsreihe angufehen, ja, auch bie f>immelsförper benfen

wir uns als entftanben in langer Entwidlung, aber im übrigen erf<hten

uns boch bas weite Neid) anorganifchen Sebens in ber ^Phpfif unb

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P f r ilo jo p f r ie ber © e m e in f f o f t 123

Ehemie ©efeften unterworfen, bie feine Veaiehung jur Richtung 6 er organifchen Enttoidlung hatten. f»ier greift fiellmunb ein. Er weift nad), bafe bie gefamte A3elt einheitlich gerichtet ift. Als ©runbgefefo alles

©eins erfcheint ihm ein ©treben nach immer ftärferer 53inbung, bie auf bem 3Bege über eine fortfehreitenbe Sifferenaierung erreicht toirb unb in eine Rangftufenorbnung münbet, bie jebem Seil bes ©eins bie ihm gebührenbe SRacht getoährleiftet. 3n biefer ^Betrachtung treten bie Verfchiebenheiten ber Bereiche bes ©eins, ber anorganifchen unb ber organifchen Söelt, ber ‘’Pflanaen, STiere unb SRenfchen aunächft jurüd, um bie gemeinfame ©runbrichtung flar erfennbar au machen. Söas unüberbrüdbarer ©egenfafc fd)ien, toirb bann ©rab= unb Rangoer=

f<hiebenheit im Aufftieg ber 9öelt oom ungeformten Ehaos au fern»

gegliebertem Kosmos. 2 Bas fich tut Reiche ber Söeltförper, unter ben phpfifalifchen unb djemifchen Seilen unb unter ben Sebewefen abgefpielt hat, toieberholt ft<h noch einmal in ber geiftigen Söelt ber SRenfdjen.

Sie Sarftellung ber Entftehung bes 53etoufetfeins ift m. E. eine ber gelungenften Seile bes ganaen SSaues. 3m ©treben bes ©eins nach immer ftärferer 33inbung burch Sifferenaierung hat bas SSewufetfein bes 3Ren=

fchen eine boppelte gunftion. Urfprünglid) ift es bas SBerfaeug bes Körpers, in bem feine Einheit gipfelt unb mit bem er fid) in ber Umwelt aurechtfinbet. Aber bie Anerfennung ber SBelt als objeftioer ©egeben=

heit ift gugleich ber Anfang einet neuen 2 Rad)tentfattung unb aielt auf bie umfaffenbfte 23inbung bes Einaeltoefens SJTtenfcE) an bie ©efamtheit ber 2Belt. Sas Verlangen nach einheitlicher SBelterfenntnis in ihm ift reinfter unb hödjfter Ausbrud bes ©runbgefefces, bas alles ©ein beherrf<ht, bes ©trebens nach immer ftärferer 33inbung. Roch bleibt übrig, bas gemeinfchaftliche Seben ber Sftenfcfjen btefem ©runbgefefc au untertoerfen. Sie gegenwärtige Sage ber SRenfchheit malt §ellmunb in ben bunfelften garben. Sie rüdhaltlofe Vinbung an bie 3bee fünftiger menfchlidjer ©emeinfehaft auf ber Erbe aber ift für ihn einiges ethifches ©efefc: bas ©treben ber SBelt gibt ben ©inn bes menfchlichen Safeins. ©eine Erfüllung mufe über bie fortfehreitenbe Sifferenaierung ber SRenfchen unb Völfer führen. S a bie geiftige Enttoidlung noch auf fehr tiefer ©tufe fteht, ift ber gegentoärtige Suftanb oon ben bifferen»

aierenben Kräften ber Abftofeung erfüllt. Aber tote in allen anberen Enttoidlungsreihen ift auch in ber SRenfchentoelt bie Übertoinbung ber Abftofeung burd) bie Anaiehung ftcher unb nur eine grage ber 3eif- 3a, man fonnte toohl gar bie getoaltfamen Entlabungen ber lebten 3ahraehnte als ein Reichen für bie äufeerfte Verbichtung ber menfeh- liehen Verhältniffe betrachten, ber bie innere organifche Vinbung im

©inne bes ©runbgefefces oerhältnismäfeig rafd) folgen toirb. 3 n ber Beurteilung ber fd>on oorhanbenen gemeinfehaftbilbenben Äräfte toeiche

9*

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124 S e b e n s fin n unb 3B et t p b il o[ o p & f e

ich erheblich »om Verfaffer ab (was befonbers im Abfchnitt über ©ogio*

logie heroortritt). 9JMr fcheint, bajj er hier — im ©egenfafc gu ber Anlage feines gangen ©pftems — bie Vebeutung ber immer mehr toachfenben 3ufammenballungen ber SEftenfchen unb ihre 3ntereffenoer=

flechtung unter*, bie Vetoufetfeinsoorgänge überfchägt. SBerben bie SKenfchen burch gewaltige Greigniffe gu Rotgemeinfdjjaften gufammen*

gefchweifot, fo emachfen baraus ©emeinfchaftsgefühle unb =gebanfen auch ohne fpftematifche ^h'tofophie. Siefes SBert oon £>ellmunb erfcheint im rechten Augenblid, um ber 9Jlenfd)heit ihre Aufgabe im großen 3ufammenhange gu geigen. (Es ift eine 33egleiterfcheinung ber (Entwicf*

lung gum Siele hin, nicht mehr unb nicht weniger, ©ie fann allerbtngs bie (Entmidlung fehr förbern. Senn für alle geiftig ©trebenben, bie fich fchon längft bie Sbee ber menfehlichen ©emeinfehaft als ftrahlenben SRittelpunft ihrer SEBeltanfchauung ins SSewujjtfein gehoben haben, für alle, bie an ber Umgeftaltung ber irbifchen SSerhältniffe im ©eifte ber Religion ber 9Jtenfchli<$feit arbeiten, ift biefe Sehre f>ellmunbs eine wunberoolle 33eftätigung unb ‘öefräftigung: ihr ©treben ift nicht wirf*

lichfeitsfern unb weltfremb, nein, es ftimmt überein mit bem ©runb*

gefefe ber Sßelt, bem fich fchliefolicf) alles unterwerfen mujj. (Es wirb eine geiftige Orbnung bargeftellt, bie bem SBefen ber Sßelt entfpricht. Sas ift bie tief beglüdenbe (Erfüllung, bie mir biefes SBerf befchert hat. Och möchte glauben, bajj es Dielen ©eftnnungsgenoffen bie gleiche grojje geiftige greube bringen unb fie im harten Kampf um bie SRenfchenrechte braujjen innerlich ftüfcen unb ftärfen fann. (Es ift ein teures 2öerf (R2Jt 36), aber man fann ja 33ibliothefen oeranlaffen, es angufchaffen.

Auf bie Sauer wirb biefe fcf)öpferifcf)e ©ebanfenarbeit ber geiftigen greiheit unb ber menfchlichen ©emeinfdhaft gute Sienfte leiften.

£eb<möjinn un5 2Berfp{>Ü0jopf)iß

Von 21 u g u ft Söl c

f f

c r

Sie ^Begriffe „©inn" unb „SBert" ftehen in engfter 33egiehung gu*

einanber. Sas ergibt fich fchon baraus, bajj wir fie oft als gleich*

bebeutenb bemerfen. Sie Rebewenbung: „Sas hat feinen ©inn" fann meift ohne 3tnberung ber ^Bebeutung burch bie anbere erfefot werben:

„Sas hat feinen SBert".

gerner fommt es por, bafj wir einem ©efchehen ober 2un bann

„© inn" gufchreiben, wenn es gur Verwirflidjung eines „SBerfes" bient.

3n biefem galle ift „© inn" nicht oöllig gleichbebeutenb mit SBert, fon­

bern es Perhält fid) gu ihm wie bas 3Rittel gum 3wed.

gSnbeffen wollen wir uns baran erinnern, bajj wir aud) bem, was als

SJtittel gur (Erreichung eines Sßertoollen bient, was uns irgenbwie bagu

(5)

g e b e n s fin n unb S B e r tp h ilo fo p M e 125

„nüfcltd)" ift, — 2 Bert pfdjreiben. greilid) ift biefer 3Bert — oerglichen mit bem Söert bes Sieles ober 3 wedes — ein abgeleiteter; er ftammt oorn 3 iel. Streben toir bas 3 iel nicht mehr an, etwa weil wir uns oon feiner Söertlofigfeit überzeugt haben, fo oerlieren in ber gegebenen Situation auch bie SERittel ihren SBert für uns. 60 ergibt fid) alfo, bafe wir aud) &en begriff „3Bert" (unb ebenfo „wertooll") in atoiefacher 53ebeutung oerwenben, einmal um „©elbftwerte" ju bezeichnen, bie in f i cf) ihren 3Bert haben, über ben wir nicht mehr hinausfragen mit einem „Söoju?"; fobann zur “Bezeichnung „abgeleiteter" SBerte (SRittel*

werte, bas „Stüfeliche"), bie biefe grage nach bem „ ‘JBo p ?" uns auf=

brängen unb bie oon bem Siel unb 3wed her erft ihren (Eharafter als 3Bert empfangen.

Aus biefer (Erwägung ergibt fid), bafe bie zwiefache 33erwenbung bes SBortes „Sin n " genau ben zwei hier untergebenen 23ebeutungen bes SBortes 2 ßert entfpricht; benn „Sinn" fd>reiben wir fowohl bem zu, was in fich feinen Söert hat, alfo ben „©elbftwerten", wie bem, was feinen 5öert erft oon anberen empfängt, ben „Mittelwerten".

Safe bas SBort „©inn" auch noch in anberen 33ebeutungen oerwenbet wirb, bafe wir 3 . 23. für „ “öebeutung" eines Söortes ober eines ©afces ohne weiteres auch »on beren „Sin n " reben fönnen, bas foll uns hier nicht weiter befd)äftigen. Söir wollen uns oielmehr fogleid) ber grage juwenben, ob wir bem Seben ©inn pfchreiben bürfen in ber erften ober in ber zweiten ober in ben beiben oon uns unterfchiebenen 55ebeutungen.

Sas Sichterwort: „Sa s Seben ift bes Sebens höchfter ©inn" ent- fcheibet fid) für bie erfte 33ebeutung; es befagt, ftreng genommen: bas Seben ift ein ©elbftwert, ja, es ift felbft höchfter ©elbftwert. (Es ift nicht erlaubt, über bas Seben hinaus 3 U fragen, um oon irgenbeinem anberen SBert, unb fei er ber geiftigfte, ibealfte, ben ©inn bes Sebens erft absuleiten.

3nbejfen, man wirb oielleicht benfen: ein Sichterwort barf man nicht fo ftreng wörtlich nehmen; es foll etwa nur eine ftarfe Siebe 3 um Seben ausbrüden, ohne 3 U philofophifdien 2öert= unb ©innfragen

©tellung 3 U nehmen. 3eboch, es gibt auch in ber ©egenwart eine mäd)»

tige philofophtfehe ©trömung, bie man als „Sebensphilofophie" bezeichnet,

weil ihr bie Überzeugung, bafe bas Seben felbft höchfter ©elbftwert unb

infofern fein eigner „©inn" fei, pgrunbe liegt unb in ihr Ausbrud

finbet. Sie f)pmnen auf bas Seben, bie fich bei 9lieöfd>e finben, finb

fo befannt, bafe id) hier nur baran 3 u erinnern brauche. Aber auch

ein fo ganj anbersartiger Senfer wie Albert Schweizer grünbet in

feiner „Kulturphilofophie" (München, Verlag 53ed) feine ganze (Ethif

auf bie „(Ehrfurcht oor bem Seben", was nichts anberes bebeutet als

auf bie ©d)ä( 3 ung bes Sebens als bes höchften ©elbftwertes. Sie Anficht

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126 S e b e n s f f n n u n k 9B e

1

1 p 1)

1

1 o ( o p f) t c

Schweißers aber werben » ir um fo ernfter nehmen müffen, als er bas

©ute nicht nur I e b r t , fonbern in opferwilligfter Weife aud) t u t. Wer fennt nicht fein beroffcbes Siebeswerf in Slfrifa?!

Schweizer alfo erflärt — unb bas ift ber ©runbgebanfe feiner (Etljif —: „Sittlich 9 u t ift: Seben erhalten, Seben förbern, entwidlungs- fähiges Seben auf feinen höchften Wert bringen. 33ö[e ift: Seben oer- nieten, Seben beeinträchtigen, entwtdlungsfähiges Seben hemmen." „Sie (Ethif fragt nicht, ob biefes ober jenes Seben als wertooll erhalten unb geförbert werben foll. S a s Se be n a l s f o l e s (oon mir gefperrt!) ift bas geheimnisvoll Wertzölle, bem ich in ©ebanfen unb Sun (Ehr­

furcht gu erweifen habe."

Siefen Säften liegt augenfcheinlich bas Werturteil gugrunbe, bafe bas Seben felbft, unb gwar in allen feinen formen unb Slufeerungen, höchfter Selbftwert unb bamit echter „Sinn" fei.

Saran ift ficherlich fooiel richtig, bafe wir bem Seben nicht nur abgeleiteten, fonbern auch Selbftwert gufchreiben bürfen. Senn alles, was in ftd) ©egenftanb unferes Strebens unb unferer Siebe ift, hat baburch für uns ben (Eharafter bes Selbftwertes. 3<h braune aber faum baran gu erinnern, wie fehr im allgemeinen bie Sftenfdjen ihr Seben lieben unb felbft unter ben elenbeften Umftänben noch an ihr Seben fich flammern, wenn auch nur, weil ihnen ber 3Tob ©rauen einflofet.

3lus biefem ©runbe fann ich auch nicht ber Meinung eines unferer bebeutenbften Wertphilofophen, fieinrid) Sliderts, f>eibelberg, bei- ftimmen, wenn er bem Seben jeben S e l b ft wert abfpricht unb ihm nur infoweit a b g e l e i t e t e n Wert juerfennt, als es ber Verwirflichung anberer Werte, nämlich ber geiftigen, ber „SMturwerte", bient.

9loch weniger fann i<h mir freilich bie Sehre Schweizers gu eigen machen, bafe bas Seben a ls f o 1ch e s fchon ben h ö <h ft e n Selbftwert barftelle. Senn bamit, bafe id) bem Seben Selbftwert guerfenne, ift noch burchaus niiht bie grage entf(hieben, ob es bet h ö d) ft e Selbftwert fei, ob es nicht höhere Werfe gebe, benen unter Umftänben fogar bas Seben felbft gu opfern fei, unb oon benen anbererfeits bas Seben in feinem S e l b ft wert audh noch a b g e l e i t e t e n Wert empfange, fofern es als bas Sftittel betrachtet werben fann, um jene höheren Werte gu oer- wirflichen.

3n ber 2at bin ich ber Übergeugung, bafe es folche „höheren" Werte gibt. Somit beantwortet fich wir bie grage nach bem Sinn unb Wert bes Sebens fo: bafe ihm be i b e s in ber h o p p e l t e n 93 e b e u » t ung gu e r f a n n t w e r b e n mufe, bafe bas S e b e n f o w o h l S e l b ft w e r t wi e a b g e l e i t e t e n W e r t hat.

Welches follten aber bie Werte fein, bie noch höhere Schäftung »err

bienen als bas Seben?

(7)

ß e b e r t s f t n n u n b 3B e r t p b t [ o f o p f> i c 127

©a erinnere id) gunäcbft an ben alten Sprud): „Navigare necesse est, vivere non necesse“ („Unfere Schiffahrt ifi notwenbig, unfer fieben ift nicht notwenbig"). Sßörtlicb genommen Hingt bas allerbings böcbft paraboy! 3Ran lebt bod) niebt, um gu effen, fonbern man ißt, um 3 U leben. (Ebenfo, wirb man erflären, lebt man boeb nicht, um (Seefahrt unb f>anbel gu treiben, fonbern man tut bas, um gu leben.

önbeffen, man muß bie fonfrete Sage berüdfiebtigen, aus ber heraus jenes paraboje Sßort gefprodjen ift. (Eine Seeftabt, beren mirtfchaftlidje (Ejifteng unb beren ganges ©ebenen oon ber Schiffahrt abbängt, toirb burd) eine feinbticbe glotte an ihrem Seebanbel gebinbert. ®a oerfteht man, baß jenes Sßort allen, bie ihre Baterftabt lieben, aus bem bergen gefproeben toar, baß es befunbete, einen höheren Söert als unfer fieben ftellt bas Söobl unferer Baterftabt bar. Bon berfelben SBeritfcbätjung befeelt, finb bisher nod) alle gewefen, bie freiwillig ihr fieben für ibr Baterlanb eingefefct haben.

(Ein anberes altes SBort warnt baoor, propter vitam, vivendi per- dere causa, b. b- um bes fiebens willen b as preisgugeben, was bem fieben erft als reebtfertigenber ©runb biene, ihm ©inn gebe. Unb gleich baneben geftellt fei ber Spruch: „fiteber tot als ©flao" unb Schillers Bers: „®as fieben ift ber ©üter böcbftes nicht". ©rüden fie nicht alle bie flbergeugung aus, baß es höhere 3Berte gebe als bas fieben, unb baß bas fieben feinen rechten unb oollen ©inn erft empfange babureb, baß es Stätte werbe für bie 23erwirflid)ung jener höheren Sßerte. 3ft nicht aud) fo Oefu 3öort gu oerfteben: „© er fein fieben oerliert (bas beißt: bin- gibt für höhere 5öerte), ber wirb es gewinnen (ihm erft feinen wahren Sinn oerleihen)"?!

Als fold)e „höheren" SBerte fornmen neben Baterlanb unb greibeit noch anbere in Betracht: gar manche gorfeber haben für bie Sftebrung menfd>lid)er (Ertenntnis febon ibr fieben eingefefct; Ungäblige haben es für ihre religtöfe flbergeugung geopfert; anbere für ihre SDtitmenfcben, um fie aus Kranfbeit unb Sobesgefabr gu retten. (Es ift gerabe eine Hauptaufgabe ber SBertpbilofopbie, in ruhiger Befinnung unferen inne­

ren Blid gu weiten unb gu oerfeinern für bie gülle unb Betrieben- artigfeit ber Söerte, bie uns im SKenfdjenleben, gumal in bem, was wir

©elftes- unb Kulturleben nennen, an SBerten unterfcbieblicben langes entgegentritt.

Aber aud) bem, ber nicht in ber Sage ift, „SBertpbilofophie" gu ftu 6 ie=

ren, wirb ber Sinn für bie SBerte, ihre Art unb ihren 5tang fid) ent-

wideln, wenn er nur nicht „in ben Sag hinein", fonbern befinnlich lebt,

wenn er immer mehr feiner Verantwortung nid)t nur für feine eigene

Sufunft, fonbern auch für bas (Ergeben ber anberen fich bewußt

wirb, wenn er enblicb ftcb mehr unb mehr baran gewöhnt, auf fein ©e=

(8)

128 Vom 6 i n n b e s Seb ens

wiffen au laufchen; benn b as © e w i f f e n ift bas S B e r t o r g a n , bas in j ebem lebt.

60 führt benn bie SBertphilofophie 3 U bem Enbergebnis, bafe 3Bert unb ©inn bes Sebens baoon abhängt, wie bet einaetne es unter ber Sei=

tung feines ©ewtffens geftattet. ©ie tentt fo ben Ei^elnen auf fid) felbft aurücf, gibt ihm 2 Rut au fich felbft, macht ihn frei »on STagesmeinungen,

©djlagworten, Autoritäten, inbem fie ihm in feinem eignen ©etoiffen bie 3nftana aufweift, bie ihm Ausfunft geben mufe auf bie aentrate grage, toie fann ich meinem Seben unb Sun ©inn unb SBert oerteiben?

33om ©mn 5 es £ßbcn<3

9iad) S o l ft o t

3n feiner ©chrift „SEReine Seichte" eraähtt Sotftoi, toie er auf ber f>öhe feines Sebens, ba er als glücfticher gamiliencater unb angefetjener

©chriftftetler in ©efunbheit unb

Söohlftanb

lebte,

Don

einer quätenben feelifchen Sepreffion unb einer förmlichen Angft »or bem Seben be=

fallen worben fei, unb bafe ihn »on ba an bie gragen quälten: „Sßoau lebe ich eigentlich?" unb „ 2 Bas wirb n a ch meinem 2 obe mit mir?"

Er forfchte in religiöfen unb philofophifchen ©rf>riften, welche Ant=

Worten man auf bie grage nach bem © i n n bes Sebens gegeben habe, unb fam au bem Ergebnis:,„Unfer leibliches Seben ift ein Übel unb eine Süge; barum ift bie Vernichtung biefes leiblichen Sebens als ein ©lücf gu betrachten', fagt © o f r a t e s.

,®as Seben ift etwas, was nicht fein follte, es ift ein Übel, unb bie Nüdfehr ins Nichts bas eingtge ©lürf im Seben', fagt ©chopenhauer.

.Alles tn ber Sßelt, Sorheit unb Weisheit, greube unb ©dpmera, 9tei<h- tum unb Armut, alles ift nichtig, altes ift eitet', fagt ber weife ©alomo.

,Seben mit bem Vewufetfein ber Seiben ber Kranfheit, bes Alters, bes STobes fann ber 9ftenfch nicht, man mufe fich beshalb »om Seben be=

freien', fagt 33 u b b h a.

Unb Sftillionen unb Abermillionen fprecfjen, benfen unb fühlen gana ebenfo wie biefe grofeen ®enfer, ebenfo wie ich-

Es gibt feine Säufchung mehr: Alles ift eitel; glücflich, wer nicht ge- boren ift; ber 3Tob ift beffer als bas Seben; beshalb mufe man alles tun, um fich Dom Seben au befreien." —

STolftoi begann nun bie SETCenfdjen feiner gefellfchaftlichen ©chicht unb feiner Vilbung baraufhin au beobachten, wie fie fi<h benn au jenem aen=

tralen Problem »erhielten.

„3ch fanb, bafe meine “Silbungs- unb ©tanbesgenoffen fich nur 9tet=

tungsmittel bebienten, um fich aus ber entfeßlichen Sage au befreien, in

ber wir uns alle befinben.

(9)

35om © in n bes Seb ens 129

Ser e r ft e biefer Auswege ift bie U n w t } f e n f) e i t , bie überhaupt gar nicht begreift, bafe bas Seben ein finnlofes Übel ift.

Sie Angehörigen biefer ©ruppe finb meift grauen, bie »on ben

^Philofoptjien unferer grofeen ©eifter gar nicht berührt werben. Von biefen barmlofen, naioen unb ftumpffinnigen 9Renfd)en fann ich weber etwas lernen, noch fann ich STroft bei ihnen finben.

Sas 3 w e i t e Fettungsmittel ift ber E p i f u r e i s m u s. Sie SDten- f<hen fehen

3War

bie fwffnungslofigfeit bes Sebens ein, aber fie ent»

fchäbigen fi<h burch &ie materiellen ©enüffe, bie es barbietet. ,Sarum lobe id) mir bie greube, bafe ber 2Renfd) nichts 33efferes hat unter ber

©onne, benn Effen unb Srinfen unb gröhlichfein, unb folches werbe ihm oon ber Arbeit fein Seben lang. 3fe bein 33rot mit greuben, trinf beinen SBein mit gutem 3Rut; brauche bein Seben mit beinern SBeibe, bas bu lieb haft, fo lange bein eitles Seben währt. Alles, was bir sufommt, bas tue frifch ...' fpricht ©alomo 3 u biefen 9Jtenf<hen.

Sas b r i 11 e Fettungsmittel ift k r a f t unb E n e r g i e . Es befteht meiftens barin, bafe man, wenn man erft 3 U ber itberseugung gefommen ift, bafe bas Seben ohne ©inn unb nur ein Übel ift, ben 2Rut hat, bas»

felbe bu oeraichten. ©o hanbeln bie wahrhaft ftarfen unb 3 ielbewufeten 3Kenfd>en ...

Sas o i e r t e Fettungsmittel ift bie © ch w ä ch e ; biefe aeigt fich in ber Fefignation, mit welcher man ruhig fortlebt, obgleich man bie 3n»

baltslofigfeit unb ©innlofigfeit bes Sebens flar erfennt." —

SToIftoi befennt: wenn er fich bamals nicht felbft getötet, fo habe bas oielleicht an einer geheimnisoollen, mpftifdjen Ahnung gelegen, bafe er fich bo<h in feinen Anfchauungen irren fönne, bafe er bie richtige Söfung irofc allen ©uchens boch nicht entbecft habe.

Er fagte 3 U fich: Sicherlich ift bas Seben ohne 3n>ecf unb ©inn. Aber ich habe gelebt unb lebe immer noch, unb meine SKitmenfchen haben ge»

lebt unb leben noch.

2 Bie ift bas 3 U erflären? SBarum machten unb machen fie ihrem finn»

lofen Seben fein Enbe?

Hann es möglich fein, bafe nur ich unb ©alomo unb Schopenhauer unb 33ubbha bie Fichtigfeit bes Sebens begriffen haben? ...

Alles in ber organifchen unb unorganifchen SBelt ift aufeerorbentlich weife unb 3Wecfentfpre<henb eingerichtet: unb nur ich felbft foll aufeer»

halb all biefer Vernunft unb all biefer ‘’Planmäfeigfeit ftehen? 3öie fann bas 3ugehen? S a tnufe irgenb etwas nicht ftimmen!

Von ber Seit an, ba ein Seben bes menfchlichen ©efchlechtes begann,

bis 3 u meiner Ejiftens g a b e s i r g e n b e i n e n © i n n b e s S e b e n s ;

alles um mich her, ja, felbft meine geiftigen Anlagen, burch bie ich niein

Seben unb beffen ©inn 3 u begreifen oerfuche, finb ^robufte meiner Vor*

(10)

130 35 om @ in n bes Sebens

fahren. 3a, mein Safein, meine Ergiehung banfe i<h ihnen. Unb nun fotl id) bies reiche Erbe lebiglich bagu gebrauchen, um gu betoeifen, baß fie, meine Vorfahren, ein gwecf- unb finnlofes Seben geführt haben!

Sas ift gang unmöglich! 3ch muß mich in meinem ^htofophieren ge=

irrt haben.

2lber w o liegt ber 3rrtum?

SToIftoi finbet ihn barin, baß er Don einem Keinen, befchränften Greife aus bie gange 9Renf<hheit beurteilt habe. „3ch hatte mir eingebilbet, baß alle jene STCilliarben, bie lebten unb noch leben, fein 2 lnrecht auf ein Urteil über ben Sinn unb 3wecf bes Sebens, i h r e s Sebens, gehabt hatten.

2 Bie fonnte ich nur fo größenwahnfinnig fein, mir eingubilben, mein Seben unb meine Sebensanfchauungen unb bas Seben unb bie Sebens- anfchauungen ber großen SBeifen: Salomo, Bubbha, Schopenhauer, feien bie ei ngt g n o r m a l e n Slnfchauungen unb 2 lnfichten, unb bas Seben unb bie Sebensanfchauungen ber gefamten SKenfchhett bagegen abfolut nebenfächlich."

Unb nun beginnt SToIftoi an bas echte arbettenbe Volf herangutreten, unb’ er fommt gu ber Einficht, baß bie gefamte Rtenjchheit, gerabe auch in ihren fchlichten, armen, arbeitenben klaffen eine Erfenntnis bes

„Sinnes bes Sebens" befifce, bie nicht auf bem Verffanbe beruhe, fon­

bern bie im (religiöfen) © l a u b e n beftehe. „Run wußte ich, baß ich auf bem SBege ber Erfenntnis bes Sebens, aus bem Verftanbe unb ber Vernunft heraus, basfelbe als eitel unb finnlos oerleugnen mußte; baß ich anbererfeits im ©lauben nur eine Verleugnung ber Vernunft finben fonnte. Senn um ben Sinn bes Sebens aus bem ©lauben gu begreifen, muß ich ber Vernunft entfagen, bie ohne ben Sinn bes Sebens nicht mehr oernünftig ift."

Sen 3nhalt biefes ©laubens (beffen wefentlicher ©ehalt gu allen Sei­

ten unb an allen Orten berfelbe fei) gibt STolftoi alfo wieber:

„2Bie muß ich mein Seben geftalten? — Rach ©ottes ©efefcen.

2 Bas wirb nach meinem STobe aus mir werben? — Belohnung burch ewige Seligfeit ober Beftrafung burch ewige Qualen.

Unb was ift ber Sinn eines Sebens, bas ber Job nie oernichten fann?

— Sie VMeberoereinigung mit bem unenblichen, ewigen ©ott."

Siefen ©lauben aber fanb er — im ©egenfafe gu ben „Oberen 3ehn=

taufenb", wo oon fmnberten faum einer gläubig ift — bei bem ein-

fachen Sanboolf. 3n ben oornehmen Greifen befteht bas gange Safein

nur aus SEftüßiggang, Vergnügen, ©enüffen, Saftern. f>ier bei biefen

Bauern unb Arbeitern lebt man, um gu arbeiten unb arbeitet man, um

gu leben. 3m ©egenfafc gu ben oornehmen, gebilbeten Greifen, bie ft<h

(11)

33 o m S i n n bes Seb ens 131

feig gegen SKot unb Äranfheit auflehnen, erbulben unb ertragen bie Greife bes Voltes Kummer unb STCot, J?ranff>eiten unb Entbehrungen, ohne Spurren als Schitfung ©ottes willig. 3m ©egenfafce gu ber STatfadje, baß in ben »ornehmen Greifen unb bei ben ©ebilbeten ruhiger, frieb=

lich=ergebener Job eine große Seltenheit ift, finben wir beim Volte STobesfälle unb Sterbebetten »oller greubigfeit unb ©laubensbemut ...

„Siefe 3Jlenfchen würben mir immer lieber, unb je mehr mir beren Wefen flar würbe, um fo leichter unb freubiger geftaltete fich auch mein eigenes Seben.

f)ier, im Seben, Sun unb Sreiben bes arbeitenben Volles, war bie 2lntwort auf meine quälenbe grage nach &em ,S i n n bes S ebens' gu finben; hier toar bas Seben felbft."

„3ch war" — fo fchliefet Solftoi ben 9tüdblid auf biefe Sebensperiobe

— ,,»on biefer 3eit an bem »ollen reichen Seben toiebergegeben ... 3ch i»ar als Sftann »on 50 3ahren gu ben ©laubens= unb Sebensanfchau=

ungen meiner S?inbheits- unb 3ugenbjahre gurüdgefehrt; ich t»ar gu bem

©lauben an ©ott, an eine gunehmenbe fittlirfje VeroolHommnung unb an bie fefte innere Übergeugung »on einem höheren S t n n bes S e b e n s gurüdgefehrt." —

So wie für Solftoi wirb fid) heute noch für gar manche bie grage nach &em Sinn bes Sebens beantworten — nämlich burch 9tüdfehr gu bem Äinbheitsglauben unb bamit gu bem fd)li<hten ©lauben bes ein­

fachen Volfes.

Wenn SToIftoi freilich meint, er habe, um einen „Sinn" bes Sebens 3 u finben, ber „Vernunft" entfagen müffen, fo trifft bas nicht einmal für ihn felbft gu. Senn bie weiteren Betrachtungen feines Vud>es geigen, bafe er auch weiterhin felbft gegenüber religiös=firchlichen Singen fich feiner „Vernunft" bebiente, b. h- feiner gähigfeit, auf ©runb eigner Prüfung felbftänbig unb fachlich gu urteilen.

So beurteilt er bie fircfjlichen Zeremonien: bas gaften, bie 9teliquien=

»erehrung, bie fjeiligenbilber unb ihre Verehrung als „abergläubige Zu­

taten".

Sr nimmt ferner fchwerften 2lnftofe baran, bafe „bie orthoboje Kirche alle, bie nicht unbebingt mit ihrem Vefenntnis, mit ihrem Sogma über=

einftimmen, ber Hefcerei befchulbigt unb fie ebenfo graufam »er=

bammt, wie es bie römifch=fatholifche Kirche mit ben Vefennern ber ruffif(h=grtechif<hen Orthobojie tut". Gr bemerft in biefem 3 ufammen=

hang: „Se r »ernünftige (!), gebilbete 3Jlenfd) fagt fich angefichts beffen:

Wie fann es benn nur möglich fein, bafe, wenn gwei ©laubensbefennt=

niffe einanber » e r n e i n e n , beibe bie eingige W a h r h e i t enthalten."

(Vetanntlich ift Solftoi 1901 »on feiner Hirche ausgeftofeen worben.)

(12)

132 Vom © in n b e s Seb ens

3ft aber einmal Vernunftgebrauch gegenüber ben religiöfen ‘’ßroble*

men gugelaffen, fo muß es auch geftattet fein, „oernünftige", b. h- fach- liehe Vebenfen fogar gegen folche ©laubensfäge oorjubringen, an benen SToIftoi für feine ^erfon feinen Anftofe nimmt.

3Tolftoi felbft gebenft Kants unb Schopenhauers unb ihrer ©rünbe für bie Unbeweisbarfett ©ottes. Sr fährt fort: „Sann toiberlegte ich biefe

©rünbe aus meiner Vernunft unb meinem |>er 3 en heraus.

,9Jtein Safein mufe eine Urfache haben! 3Beld)e?' — ,Unb welche Ur- fache hat jene Urfache?' — ,Unb ift nicht ©ott bie Urfache a l l e r Ur*

fachen?' — .Run fühle ich, nun weife ich beftimmt, bafe es einen ©ott gibt. f>et 3 unb Vernunft bewetfen es mir, ein neues Seben burchftrömt mich, Kräfte aller Art erwachen in mtr.‘"

S a er bas 53 e b ü r f n i s fühlt nach einer einheitlichen legten Ur- fa<he, fegt er ohne weiteres ooraus, bafe es auch ein wirflidjes SSBefen geben müffe, bas biefes Vebürfnis erfülle unb nicht nur biefes, fonbern aud) feine Sehnfucht nach einem oollfommenften ©lüd in ber Ver*

einigung mit ihm.

Alfo bas Vebürfnis nach ©ott fchafft fich feine (Erfüllung. Augen- fcheinlich fpielt bei feiner (Entfcheibung bas „Hera", b. h- ein aufeer*

theoretifches Vebürfen eine weit wichtigere Rolle als — bie Vernunft.

Senn beren Vebenfen (wie fie 3 . V. in bem STheobiseeproblem fich ton*

3 entrieren ober wie fie gegen bie Sehre oon einer ewigen Verbammnis beftehen) finben bei SToIftoi weiter gar fein ©ehör. Sie religiöfe Sehn*

fucht nach einem abfolut beglüdenben 3Bert überwältigt in ihm oöllig ben theoretifch-philofophifchen STrieb, ber nur nad) Söahrheit geht, wenn biefe SBahrheit auch nicht tröftlid) unb erbaulich ift- —

Unter ben ©rofeen, beren Antwort auf bie grage nach bem Stnn bes Sebens er prüft, hat er auch nur folche berüdfid)tigt, bie ben Sinn bes Sebens wefentlich im © l ü d fuchen, bie alfo Pon Seben unb 2öelt etwas für fich haben wollen, nicht folche, bie ben Sinn ihres Safeins barin fuchen, ber Söelt unb ihren Rlitmenfdhen etwas 3 u geben unb 3 u leiften.

Unb unter feinen 3Ritmenfchen treten ihm nur swei STppen entgegen, 3 Wifchen benen er meint wählen 3 U müffen: Sie „oberen 3ehntaufenb",

„gebilbet", aber bem SJtüfeiggang, ber ©enufefucht unb bem Safter er*

geben, anbererfeits bas tüchtige, arbeitenbe Sanboolf.

SToIftoi merft nicht, bafe er — trog feiner fcheinbaren (Entfcheibung für bas Volf — in feiner ‘’Perfon einen b r i 11 e n Xpp repräfentiert. Sr will ben Vernunftgebrauch ber „©ebilbeten mit ber f i 11 i i ch e n 3Tüd>*

tigfeit ber Ungebilbeten pereinigen". Unb weil er nicht auf ben Ver*

nunftgebrauch Pergichten will unb fann, Permag er ben religiöfen ©lau*

ben ber Sanbleute aud) nur foweit fich ansueignen, als et feiner Ver­

nunft nid)t wiberfpricht.

(13)

(E r fe n n tn is 133

Somit ift im “’P r i n 31 p anerfannt, bafe bet ©laube nicht ber 35er=

nunft wiberfpredjen börfe. Siefe prinaipielle Stellungnahme charafteri- fiert eben boch ben „©ebilbeten".

SBarum follte aber ber toirflirf) „©ebilbete" nicht aud) einer fittlid)en 3 Tüc£)tt 9 feit fähig fein, »ie fie SToIftoi am einfachen SSolf fchäfet? Unb follte er bann bie ©innfrage burd) jenes fittliche Sun nid)t fo löfen, bafe er bem Seben ©inn gi bt — wobei es gan 3 bahingeftellt bleibe, ob bas Seben einen metaphpfifd) ober religiös 3 U ergrünbenben, oon einer ©ott- hett feftgefe^ten ©inn „h a t".

3m ©runbe fommt auch Solftoi 3 U biefer Sluffaffung, wenn er oon bem „arbeitenben, butbenben, fchaffenben 33oIfe" fagt, bafe es „unbewufet bem Seben ben rechten ©inn g e b e". —

Sie tatfäd)Iid)e Übereinftimmung mit einer Sßertphilofophie, bie in ber tätigen Siebe ben höchften ©inn erblidt, ben man bem Seben geben fann, geigt fich befonbers in einer fpäteren ©chrift Solftois: „Ser ©inn bes Sebens". Seren |jauptgebanfen mögen hier folgen:

„Se r ©inn bes Sebens, ber bem 2Renfd>en oerftänblich ift, befteht barin, bas ©ottesreid) auf (Erben 3 U errichten, bas heifet, bie egoiftifche, hafeoolle, gewalttätige unb unoerftänbige Sebenseinrichtung burch eine liebeoolle, brüberliche, freie unb oerftänbige erfefeen 3 U helfen."

Sas Mittel basu befteht in ber Befolgung bes Söortes, bas „bas ganje ©efeft unb bie Propheten ausmacht": „hanble anberen gegenüber fo, wie bu wtllft, bafe man gegen bid) hanbeln foll."

„galfd? ift es bagegen au meinen, bafe ber ©inn bes Sebens in unferem perfönlid)en ©lüd beftehe."

,, 2 lud) ,für ©ott’ fann man nur leben, inbem man bie Menfdjen liebt."

„Kein ©aß hot fid) fo beutlid) bei mir burch Erfahrung beftätigt wie ber, bafe ber ©inn bes Sebens bie Vermehrung ber S t e b e ift."

(Srfennfms1)

2Ius bem grauen SBinfel meines Sebens, Sen bas ©djidfal ftreng mir jugewiefen,

©eh’ id) in bes ©lüdes golbne ©äle, Unb bie eigne 2lrmut brüdt mich fchwer.

!) geehrter §err ‘'Profefjot! 9Son 3f)tem 35orfrag über ben 6inn bes Sebens jurücfJommenb, fuchte ich biefes ©ebiefjt hercor, an bas ich burch 3hre Ausführungen roieber erinnert tourbe, unb fenbe es 3hnen als ©rufe eines unbefannten 3Ritmenf<hen aus ber Sftenge berer, bie »ergebens einen 6tnn im 3BeItge[<hehen toie in ihrem eigenen leiboollen, gebunbenen ®afeüt fuchen, aber auch gar nicht Seit haben, ben eigenen, befreienben ©ebanfen ju leben. ®as ©cbicf>t ift über 20 3ahre alt, aber ich merte, ich bin noch nicht barüber hinausgefommen. ©och ließe fich noch oiel fagen

3hter bantbaren guhörerin 31. *^3.

(14)

134 g u t E i n f ü f r r u n g i n b i e ^ i I o f o p h i e

Aber toie ich tlagenb um mich blicfe, Seb’ tcf) hinter mir bie bunfelrt Scharen, Sie, mit härterm g[ud>e nod) beloben, 3f)res Glenbs Sornenftrajje jiehn.

Unb ich folt an eine ©ottbeit glauben, Sie gerecht bie Sofe hier »erteilte?

Auf ein Tröpfchen ©lud ein 3Reer oon 3ammer — Nein! So fd>ulbig ift bie SDtenfcbbeit nicht!

Unb ich foll an eine Siebe glauben, Sie alltoiffenb unb allmächtig wäre Unb fo namenlofe Seiben bulbet?

Nein! Allgütig ift bie ©ottbeit nicht!

Unbefümmert um ber fjerjen 3u<Jen,

Überläjjt Natur, was lebt, bem Seben.

Unfer ift, was unfre ©inne faffen, 3ft bie gülle biefer Spanne Seit.

Sod) wir opfern bie gefüllte Schale Unfers Safeins wefenlofen Seemen.

f>ier oerfd>mad)tenb, harren wir bes 3enfeits, Unb fo fchreiten wir betört ins — Nichts ...

O bu arme 9ftenfd)bett, irrgelodte,

3n bie geffeln Sumpfen Söabns gefchlagen!

Söer wirb jemals bir bie Augen öffnen Unb bas 3och oom wunben Naden löfen?

3ur @mfüf)rung in bk

I I I . 3 u r @ thtf: S i c S S egrünbung b e s S ittlic h e n

®en ©ebanfen, bafe bie ©eltung bes Sftoralifchen unabhängig fei »on unferer reti- gtßfen ober metaphpfifchen Vorftellung bes 2Beltgrunbes, hat ber fefjarffinnige unb refolut bentenbe ® . f>. fi e r t e r in feiner Schrift „SOiaj Sd)eler unb bie imperfona- liftifd)e gebensanfdjauung", 1917, noch bis 3U feiner äufeerften Konfequenj roeifergefübrt;

etwa in bem Sinne: „5Benn ich nur einfehe, was gut ift, fo werbe ich biefes ©ute an»

erfennen'unb wollen, gleich wie immer auch ber SBeltgrunb befchaffen fei. 3Jiag er mich unb meinen SBillen äermalmen unb für immer bas ©ute (meines unb jebes anbere) jufchanben werben laffen. ®ann werbe ich fagen: Schabe für ben SBeltgrunb! 3(h werbe ihn nicht anerlennen, wie immer auch feine SKacljt unenbltch fei. — 3d) werbe gleidjfam im lebten metaphpfifchen Srofee baftehen, geftüfet auf meine moralifche E»t- benj unb werbe ihm jebe mögliche Verachtung juteil werben laffen."

©egen btefen fühnen ©ebanfen K e r l e r s hat SK a j S d) e l e r in feinem 9Berfe

„Vom Ewigen im SÜtenJchen" (Seipjig, 9teuer-©cift=Verlag, 1921, 33b. I, S . 549) aus­

geführt: E r gebe au, bafe man weber bas ©ute noch bas SBahre, weber bie logifchen noch bie ethifchen Einfichten auf ein blofees SKachtgebot eines göttlichen 3Billens äurüd- führen fönne; »ielmehr erfenne er auch für feine 'Perfon eine felbftänbige, autonome Vernunfte»iben3 als ©runbtage, nicht als golge 'bes ©ottesglaubens an. Slnbererfeits fei ihm aber auch ber Safe einleuchfenb: „SBenn ber SBeltgrunb blinb unb böfe wäre,

(15)

3 n n e re S n tro id fu n g e n 135 fo wäre auch jene Dermeintfiche Eoibenj in bejug auf bas ©Ute unb 9Baf)te nur eine fehr entfernte unb ob geleitete golge bes btinben unb böfen SBeltgrunbes — unb fönnte borum n i cf) t b a s fein, ats was fie ficf) gibt, ©ie geftfwltung bes ©Uten unb SBabren als Seitfterne meines Sebens wäre eine Mtnbe 93elTeität, ein finnlofer Stofe gegen ben

<£f)aratter bes ©afeins felbft".

©iefe Einroenbung Schelers fann ich ni<j>t als ftichhaltig anertennen. eingenommen aunächft, ich hätte ©rünbe ju ber Slnficht, ber SBeltgrunb fet „b I i n b" etwa im Sinne bes „Ur-SBilfens" bei Schopenhauer, fo würbe mich bas an ber ©ültigfeit beffen, was id) als eoibent wahr ober wertooQ erfenne, nicht im geringften irre werben laffen. Es / wäre bann eben anjunehmen, bafe im SRenfcfjen eine Erfenntnis juftanbe fommt, bie rv*

im SBeltgrunb ficf) nod) nicht finbef. ©iefer metapf)t)fifd)e ©ebanfe, bafe ber SBeltgrunb, bas „Slbfolute", niebt als eine in ficf) Dolltommen bewußte unb petfönlicfje ©ottbeit ju j benfen fei, fonbern als eine unbewußte SBefenbeit, bie erft im äftenfd)en _g(eicf>fam jum S3ewufetfein unb Selbftbewufetfein fid) emporringe, biefer ©ebanfe (iegt ja gerabe ben grofeen Spftemen bes fpetulatioen 3bealismus oon Siebte bis $ege( jugrunbe unb er v—

bat bie Senfer n i cf) t baju oetanfafet, etwa bas, was ihnen als wahr ober gut ein-

leuchtete, anjuaweifeln. yf*

3a, felbft wenn ein „böfer" SBeltgrunb angenommen werben müfete — es banbelt fich hier natürlich um eine blofee giftion —, fo müfete bas gefthalten an ber ©ültigfeit unferer Erfenntnis bes SBabren unb ©uten bod) feinerfetts bie © r u n b l a g e für biefe Slnnahme eines „böfen SBeltgrunbes" bitben. ©enn ich müfete ja bie ‘Seroeis- grünbe, bie für biefe Sinnahme fprächen, fraft meines SBabrheitsbewufetfeins als —

„wahr anerfennen, unb ebenfo fönnte ich nur auf ber 23afis meines — nicht an- g e j r o e i f e l t e n f i t t l i c h e n SBertberoufetfeins ben SBeltgrunb für — „b ö f e"

erflären.

SDtan mag bie Erörterung berarfiger füf>ner giftionen für weltfrembe ©rübelei er- flären, aber fie hat uns boch baju gebient, oöflig barüber flar ju werben, wo wir allein feften ©runb finben, um in bem Ehaos ber Meinungen unb Dichtungen über bie gen- tralfrage unferes Sebens: w a s w ir be n n e i g e n t l i c h t u n f o l l e n ? wie wir unferm Seben Sinn geben follen? — eine beftimmte Slntwort ju finben. Sein ©oft unb fein Sfftenfch fann uns biefe Slntwort mit ber ©ewifeheit geben, wie unfer eigenes, eoibentes SBerterleben, wie unfer eigenes „©ewiffen". ©enn wenn wir uns biefe Slnt­

wort oon einer ©ottheit ober einer menfehtichen Slutorität wollten geben laffen, fo müfeten wir bod) toieber in u n s bie Rechtfertigung bafür finben, warum wir bie Slntwort für „göttlich" holten, unb warum wir unter ben Dielen fiep uns anbietenben Slutoritäten gereübe biefer folgen.

3d) weife wohl, bafe gegen biefe Söfung bes 'Problems: „Religion unb SKoral" noch manche gragen unb SSebenfen Dorgebracht werben fönnen. 3ch habe in ben lefeten 8ahren bas ganje Problem mit einem Öefuitenpater (SKaj ‘■pribüla-'äRünchen) ein- gehenb burchbisfutiert unb biefe ©isfuffion bann (mit meinem ritterlichen ©egner su- fammen) in S3uchform Deröffentlicf)t unter bem Sitel „ÄattjolifcEjes unb mobernes ©en- ien" (Stuttgart, SSerlag oon Streder & Schröber). ©ort wirb man bie Slntworten noch »uf manche gragen finben, bie hier unberücffichtigt bleiben müffen.

Um einem naheliegenben üWißDerftänbnis Dorjubeugen, will ich nur noch betonen:

id) beftreite nicht im geringften, bafe bei wirflich gläubigen SSTienJchen bem fittlichen Streben aus ber Religion roertooltfte görberung erwachfen fann. §ier galt es mir nur, flaräuftetlen, bafe bie © e l t u n g ber S K o r a l oon ber R e l i g i o n u n a b ­ h ä n g i g ift unb bafe barum auch eine religionsfreie moralifche Erhebung als grunb- fäfelich m ö g I i ch angefehen werben mufe; bafe fie enbtich aud) überall ba w i r f l i d werben follte, wo bie Erziehungsberechtigten ober erwachfenen 3öglinge fie wünfehen.

3nncre Cynfroicfhmgm

föom jü b ifd jc n © la u b c n j u r faff)o(ij"cf)«n ^ ire fje

SBir »erfolgen hier bie Entwicflung bes Konoertiten SBalter Heinrich g r i e b e = m a n n an fjanb feines anfchaultdh unb feffelnb gefchriebenen S3efenntnisbuches „fireuj unb ©aoibftern" (SBiesbaben, §>ermann Rauch- 1931. 284 S . ©eb. 6,50 SDtarf).

(16)

136 i n n e r e E n t r o i d l u n g e n

Stiebemann ftammt aus wobfabenber jübiffer gamtlie. E r bcfud)t ein ©pmnafium in ^Berlin. Sie 9taturer!enntnis erffüttert früf) {einen ©ottesglauben. „3d> las ein bides, populäres aftronomifdjes SBerf. 9Bo toat nun ©ott? 2lus bem blauen Rimmels»

gelt toar er Berffwunben, unb auf ben Dbfercatorien batte man tEjn auf SDtillionen Sfftjahre Entfernung a u f n ift gcfeben." 2I(s er bann aber ber SOtutter feine neue 3Beisbeit Borträgt, toar etn fo tieftrauriger Stusbrucf in fr e güge getreten, bafe er f r äuliebe bof am SBerföbnungstage bas ©ottesfjaus toieber auffuft. „2Bie würbtg toar es bort, unb ettoas §>eiligenbcs lag in ber Suft. 93ei ber Totenfeier f[offen Sränen, mir war, als fftoebe ©ottes §anb über ber Erbe. ®ie Spannung ftieg, als ber Sag f if neigte unb bie |>et8en flammten. Sffiirb ©ott Bergeben? ®ann Jam bas fiebenfafe 53efenntnis: „©ott ift ber |>err"; unb biefer 9tuf entfünbtgte, er oerföijnte ben hofften mit feiner ©emeinbe. S ie befreit trat i f am Abenb hinaus auf bte lärmenbe ©trafee. |jeute war mir etwas nahe gefommen, was mit gernrobren unb gotmeln n ift erreifbar war."

33erübrungen mit Ebriften in ber © fuljeit finb wenig erfreulif. „Efyrifiltfe

©efinnung beweift man mit 3ubenbafe. ®ie 3uben finb angebltf bie inneren geinbe, aber Bon bem .Siebet Eure geinbe* befommen wir bas ©egenteil 31t jpüren. ®er r e l i g i ö s gefärbte 3ubent)afe ber Seit ©tödets ( t 1909) weffeit über sum %abau- antifemitismus bes ,Sieltors aller ®eutffen‘ Ahlwart ( f 1914) unb bes ® re ff■

grafen Pücfler. ®af)inter lommt bas Ungeheuer bes 9t a f f e n baffes gefrofen, reifet feine 3ahlreifen, geifernben 9tafen auf." „Srolj regen ©effäftsaustauffes ift um bie jübiffe “BeBöIferung eine unfiftbare ©hettomauer ge3ogen. ©ie merft es, ift aber gewohnt, Bon ber Offijier- unb 93eamtenlaufbahn, Bon orbentlifen Profefjoren, felbft aus 3nbuftriewerfen ausgeffloffen ju fein." „® as Ehriftentum beherrfft bie Erbe, feit taufenb 3abren bat es bas Subentum Beraftet, gehefet, ebrlos gemaf t unb gemorbet. ®ie Verfemten bulben, aber fie wiffen, bafe fie Unreft leiben unb bas hält fie aufreft unb 3ufammen."

9 taf ber Reifeprüfung barf gtiebemann eine Steife n a f 5tom m afen. E r erlebt bort bie einbrudsBollen getern ber Karwofe unter bem Suffrom Bon gehntaufenben Bon Pilgern. E r empfängt ben Einbrud überweltlif er SDtaftfülle. Aber lieber nof ift ibm bas £albbunfel in ftiller ®ämmetung in ben K ir f en. „S a fann i f n ift anbers, i f mufe fomponieren. 3n folfer ©tunbe böre i f ©eigen fingen, regt f if bie Siebe 3ur fiunft unb will bte nüfterne 3Biffenffaft Berbrängen. © 0 war mein erftes ©fauen ber t a t h o l i f f e n SBelt." ® o f war ibm biefe bamals nur etn

„wunberBolles 3Rärfenlanb"; Bon ibtem ©ehalt wufete er no f nifts. 3a, wäbrenb ber nun fotgenben ©tubtenjabte fpielte ©ott in feinen ©ebanfen faum eine Wolle, bafür würbe ber |>ang 3ur SKufif ein unwiberftehltfer Swang. „SJtufif trat an bte

©teile bet Steligion unb füllte m if gans aus."

© letf wobt m aft er in feinem ©tubium fo glänsenbe gortff ritte, bafe fein Unioerfi»

tätslebrer, ein g orff er Bon SBeltruf, beim Abfflufe ber etften wiffenff a ftlif en Arbeit Bäterlif ben Arm um feine © fulter legte unb ibm fagte: „35letben ©ie bet mit; es wirb für 3bte Sutunft Bon 93ebeutung fein." Am SRorgen n a f biefer Unterrebung bat man ben ©ebeimrat leblos in feinem 93ett gefunben. derartige ffm erslife Enttäuffungen mufete er nun tn bet golge no f fo oft erleben, bafe er ffliefelif an einen perfönlifen Senfet feines © fidfals glaubte, ber ibn tücfiff unb feinblif belauere, Saft immer braften ibn Utfafen 3U gall, an benen er feine © fulb trug.

Aud) bie Seobaftung ber SKenff en unb 55ö(!erfftdfale überhaupt fübrt ihn 3U bet Übet3eugung, bafe ein ©ott bie ©effide lenle. „Allm äftig war er, abet webet gereft nof Boll Stebe. ®ie 3Belt lehrte m if ©ott erfennen, aber 3bn erfennen, btefe a u f 3bn baffen."

gtiebemann m aft ben 3Belttrieg mit, eine Seitlang a u f bie Kämpfe bet 9 ta f=

Irieps3eit. ®ie 3nflatton raubt ihm feinen 93efifj. Obwohl er mit feiner grau f if Ber=

3Wetfelt gegen ben w ittffaftlifen Sufammenbruf webrt, er rüdt nähet unb näber;

ffliefelif wirb ibm a u f no f fein letjtes ©ut, bie ©efunbbeit, genommen. „® a i f im abgelegenen 93ergbörffen einfam über bet Arbeit fifee, auf beren ©elingen i f neue unb leiste fwffnung gefefet babe — lur3, beoor bas 3Berf Bollenbet ift — Berfagt bas §erj. ®raufeen färbt bet fjetbft ben Sffialb, ben i f n ift mebr betreten tann.

Effen, ©itjen, Siegen werben 3ur Qual, unb wteberholen f if bie Anfälle, fitst bte

(17)

S e f ef rüchte 137 f>pffnungslofig!eit ols graues ©efpenft auf bem 23ettranb unb beutet mit fpißigem Singer auf leergebliebene 33lätter."

Unb nun trat in biefer höchften Kot ber große Umfd)»ung ein — ohne ade

„SSifionen, Erfcheinungen unb legenbenhafte 33ortommniffe . „S ie ©efd)id)te lehrt, baß 3efus Ehriffus gerabe in foIcEje 6eelen einbrang, bie oon 3hm am »eiteften entfernt »aren, 3hn haßten unb »erfolgten."

„2llles roar mir genommen: Ererbte ^Begriffe, 93ermögen unb gamilie, (Erfolg, Betätigung unb ©efunbheit, ©ott unb 35oIÜ Ser feinblichen ©ottheit legte ich niein ganjes Unglücf jur Saft, unb als noch ber 3orn über eine »ermeintliche perfönliche Kränfung herantrat, bie ich als 3ube »ieber (tote fchon oft) bem SDlann am Kreuze aufbürbete — gerabe in folcher Stunbe fam in mich eine ©ewißheit oon ber gött=

liehen Kraft unb Siebe 3efu Shrifti, bie bem ©otthaffer, bem Ehriftusfpötter, bem alten Kämpfer für bas 3ubentum früher unbegreiflich erfchienen wäre, ©erabe ba tarn (Er in mich, als ich es am toenigften »ermutete.

Sann war ein Sonntagmorgen im 3Balbe, »ie S3ü<her ihn fchilbern. 33lauer, fchimmernber fnmmel blintt burd) bichte, grüne Kronen, 3»if$en ben ©räfern lebt unb frabbelt es gefchäftig. S a fagt 3U mir ein fcfjlicbter gläubiger SUenfd;, mit bem ich »om ©lauben an 3efus fprach, bies SBort: ,<Es genügt nicht, an 3hn ju glauben, man muß 3hn lieben.'

S a s SBort hat mir 3efum für immer gefchentt.

S ie Sffialbberge leuchteten unb priefen ©ott, bie 3nfe!ten mufijierten, in ber SB eit toar 3efus, unb fie toar neu, oolt ptangenber Schönheit, unb ich faß barin »ie

»erjaubert."

(Ser §auptteil bes SSuches ift ber »erftänbnismäßigen philofophifchen unb theo=

logifchen Rechtfertigung biefes Überganges 3um ©lauben an 3efus als ©ottesfohn getoibmet. 2lber es ift pfpchologifd) »erftänblich, baß bei biefem ©efühlsmenfdjen, biefer Künftlernatur bie entfeheibenbe Stellungnahme nicht »om Sßerftanb abhing, fonbern oon tieferen, außerintelleftuellen gattoren. 93gl. S . 139 V unb 144 f.)

I. SReligiöfeö 2ebensgefüf)l

(I unb I I finb entnommen aus ^Briefen einer religiöfen grau)

SBeldpe Kräfte (reifen in mir — 3ahrtaufenbe alt — blühen unb »eiten, fteigen unb fallen unb »erfuchen immer »ieber 3ur flöhe 3U bringen? Unheimlich — heimliches (Empfinben nur su ahnen, nie 3U ergrünben — ich (affe mich heben »om Strome bes Sebens, liege ruhig im Sonnenfehein unb fühle: ich bin lebenbig! 3ch rede unb befme meine ©lieber unb freue mich ihrer, baß ich fie bewegen fann nach meinem SBillen — am liebften breite ich »eine SIrme aus unb möchte 2Illes umfaffen SBejt unb Seben, Sidj)t unb Sonne, Sag unb Stacht in einem unenblichen ©efübl ber Siebe 3U allem Sebenbigen, 3U ber gan3en Natur, 3U Steinen unb 3U ber Erbe, 3U 33ögeln unb gifchen, 3u Schmetterlingen unb Käfern, su allen Sieten, 3U ben Säumen unb allen ‘■pftanjen

— ich fühle, baß ich eins bin mit allem Sebenbigen unb allem Soten. Sas Soie muß bafein, bamit bas Sebenbige leben fann. SBte fönnte bas Sine ohne bas Slnbere fein?

Eines erfüllt fich am anbern, bas Seben am Sobe, ber Job am Seben. SBas »äre bas Seben ohne ben Sob? SBas wäre ber Job ohne bas Seben? Nichts »äre ba unb Nichts lann nidht fetn1). Es gibt feinen Sttufftteg ohne Niebergang, aber es gibt feinen Unter«

gang. SBas willen wir »om Sauf ber SBelten? SBir fönnen nur glauben, baß Silles fo fein muß »ie es ift — auch alles SKenfchenleib unb alle SRenfd;ennof unb alles Elenb fo unbegreiflich unferm Skrftanbe, baß es gerabe biefen trifft unb gerabe jenen, unb muß n ijt jebet oft benfen: SBarum gerabe mich? Einen Sinn muß es fchon haben.

*) SBenn nicht auch „Nichts" fein fönnte, alfo — feine Söirflichfeit, bann »äre bie SBirflichteit — benlnotwenbig. S a s ift fie aber nicht. S a s „SB irt liehe" » ill erflärt fein, bas „Nichts" ift — felbft»erftänbli<h. 33gl. unten Seite 142 f. unb meinen Sluffaß „Übet bas Nichts" fjeft II unb IV biefes 3ahrganges. 21. Sfft.

‘’P^tloIopbic unb Seben. VIL 10

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138 S e fe f rüchte

»enn » ir ihn auch nicht erfaffen fönnen unb ein Segen ift wohl auch babei, bas {puren » ir ja oft. 3Barum mödhten mit alles ergrünben, toas uns umgibt? (Es finb unlösbare Stätfel unb weiter tommen wir wohl mit unferm ®enten, aber nie aum Siel.

Senn toir tennen nicf>t bas (Enbaiel allen ©efchehens allen Sebens unb Sterbens, es Bereinigt fich für uns in bem einen SSegriff — : „©ott".

II. D as ©rlebnis bes ©räßltdjeti unb bet 3u>eifel

. . . SBit haben in ben lefjten 5 2Bo<hen fefjr Biel Schweres erleben müffen unb ich ftehe noch ganj unter bem (Etnbrucf eines furchtbaren 93ranbunglüds, bas wir anfällig mit anfeben mußten, als wir in ber Stacht Bon SKontag auf ®ienstag burch bte 2IIt*

ftabt nad) f>aufe gingen. SBir tarnen burch ©affen, in benen wir wohl noch nie ge*

gangen waren — wir wollten aum ®om hin, beffen ©loden fo herrlich läuteten aut 23efreiungsfeier. © ir tarnen an einer ber allerengften, allerälteften ©affen Borbei unb faben, wie aus bem ©iebel eines bet f<hmaten, hohen f>äufer glammen fjhlugen — wir ftanben unb faben, »ie bas geuer um fi«h griff — hörten laute Schreie unb ben Stuf, in bem f>aufe fei ein breijäbriges Ktnb alleine in ber SBohnung. Es bauerte nicht lange, ba brachten fie ein Heines 3ungchen fjetaus, Berfchlafen, aber Bergnügt —

» ir atmeten alle auf — bas Äinb »ar gerettet. — ®a, nach einer Sffieile öffnet fich im brennenben ©iebel ein genfter unb eine ältere grau ruft um §ilfe. Stufen tonnten

» ir fie nicht böten, aber ber ganae Oberförper ein Slusbrud höchften glehens — bie Slrtne rang fie au ben SDtenfchen, bie au fmnberten tn ber ©affe ftanben. ®ie taten nichts, fie führten nur fo gellenb — fo entfefot, »enn bte arme grau »ieber am genfter erfebien. Sie »ich aurücf — unb tarn »ieber oor — immer flebenbet bte ©ebärbe — immer lauter bie Schreie — bte glammen erhellten fchon bas gitnmer, Slauch»olten fchlugen aus bem genfter — an bem bte grau immer noch ftanb — unb feine geuer-

»ehr, feine §ilfe — unb bie ©efahr größer unb größer — jefjt fing bas £emb geuer unb jefet hingen ihre 2lrme fchlaff herunter, fte hatte »ohl bie 33efinnung Ber=

loren unb ber Körper neigte fich wett über bas genfter unb bann fiel er herunter — gehemmt erft burch bie Sachrinne unb bann auf bie Straße — biefe Schreie! Oh, nie fann id; bas Silles Bergeffen — es »ar au entfeßlich---- gar nicht au betreiben. —

®ie geuerwehr tarn gerabe, als bte grau herunterfiel, fie fonnte ben gall noch hemmen, aber bie arme Seele war nicht mehr au retten — was hot fie erbulben müffen! — 3<h aittere noch innerlich unb in mir finb taujenb 3»eifel wach geworben

— boch barüber möchte ich »ich lieber mit 3f>nen mal unterhalten. — SBarum mußten wir beibe nur gerabe bas mit anfehen? ®as frage ich »ich wieber unb wie- ber .. . — SBir tarnen „aufällig" Borbet — was heißt anfällig? SBarum ftanben gerabe wir beibe inmitten ber alterärmften SRenfcben ber ©roßftabt — bte in folch engen, bumpfen ©affen wohnen müffen — Btele gamilien in einem folchen engen, unmöglichen §>aufe? — SBir gingen nachher noch bis aut (Eleffrifchen — überall SOlufif, überall Öubel unb Srubel — unb ba tn ber engen ©affe eine atme SHenfchenfeele tn höchfter Sebens- unb Sobesnot. —

III. 3utn jjjiob-Problem

©ott als leßter ©runb bes Sebens unb bamit auch allen menfehlichen ltnglücfs ift Har erfaßt; ebenfo beutlich ift fein 2lbftanb gegenüber ben SDtenfchen. Kein gauber, feine fultifchen Zeremonien rühren an thn, freilich auch nicht ber Klageruf bes un=

fihulbig Unterbrüctten. ®as ift feine gurebtbarfeit. (Es ift bie unüberbrüdbare Span­

nung ©ott—SJJtenfch, bas Problem Bon ©ottes 2111 m a dj t , bem gegenüber bte grage nach feinet © e r e c h t i g f e i t nicht mehr auffommen fann.

.. . ®aß §iob fich tröfe ©ottes furchtbarer Übermacht behauptet, baß bie Spannung

©oft—SUenfd) nach ber religiöfen Seite hin nicht mübe Stefignation, fonbern ein wilbes 3lufbegehren auslöft, alle 93itterfeit unfchulbigen Seibes erft recht empfinben läßt, alle bie bisherigen frömmelnben Sheologumena mit ihrer bekömmlichen Sünbenauffaffung aurüdweift, §iob fich in fchmeraoollem Kampf Bon ©ott, bem gerftörer alles ©iüds, losringen läßt unb fich ben 3Beg au einer eignen, neuen Söfung in c. 31 bahnt — bas ift bas ©roße tm S3uche fitob. Sittliches -fjanbetn unb Unfchulbbewußtfein finb fo nicht wie für (Elihu ober bie greunbe Stiftet 3um gwed, fonbern Setbftawed, tn

(19)

S e f e f r ü $ t e 139 f it ruhenbe SBerte. Ser Sfftenft idjeifert fo im ilnglücf nid)t, fonbern triumphiert — SSewufetfein feinet Unfcfjulb gegenüber ©ott. Sas (Ethos fiegt über bas Sogma.

(2tus “^Paul fl r ü g e r , SBeltbilb u. 3bee bes 33uches f)iob, Seipäig, 1930, S . 94 f.)

IV. ©oft unb SBctt

S ie Schöpfung ber SBelt unb bes SDtenfchen toirb [in ber hetfömmlichen Jheotogie]

e{oterifch,_ äußerlich auf gefaxt. Sas ejoferifch-tationaliftifche theologifche 33e- wufetfein ift gezwungen eine graufame flonjeption anjunehmen, auf ©runb berer ©ott ohne alle Slot, aus SBillfür, ohne jebe innere “Bewegung in ihm bie SBelt erfchuf, bafe ferner feine Schöpfung nichtig unib aufeergöttlich fei unb bafe ber größte Seil ber flreatur bem Untergang »erf allen wäre. . . Stur bie m p ft i f ch ■ f o m b o l i f ch e Sheologie erhebt fich bis Jur efoterifchen Sluffaffung bes SJtpfteriums ber SBeltfchöpfung als eines inneren Sehens bes breieinigen ©ottes, als eines SSebürfniffes ©ottes nach einem Slnberen, nach feinem greurtb, nach einem fiiebenben unb ©eliebten, nach ber Siebe.. . welche gleichermaßen oben unb unten, im fjimmel unb auf (Erben ift.

(Slus 9t t f o l a i 33 e r b j a j e w , Sie ^P&uofopbie bes freien ©eiftcs, Sübingen, SKohr 1930, S . 225.)

V. ©laubc aus SSebfirfms

(2lus ber flriegsjeit)

Safe bet fltieg getabe bie 33eften bahinraffe.. . „wäre oom nationalen unb menfch- lichen Stanbpunft ju traurig unb ju nteberbrücfenb, als bafe es ausgebacht werben fönnte." (Steinharb SBeer, „gelbgraue Stachbenflichfeiten", grff. Stg., 2. £L 1915.)

„S a alfo wir SBtenfchen bie U n ff e r b I i ch f e i t cerlangen fraft unferes SSollenbungs- ftrebens, unb ba wir fie unbebingt forbern, unb awar für (eben einzelnen, fraft unferes Sittlichfeits- unb ©erechtigfeifsftrebens, fie auch, bamit bie uns abgeforberfe jittliche fieiftung gana unb immer bei allen Skrftänbigen auftanbe fomme, oorausfefjen müffen..

fo fönnen Wir an ber Unfterblichfeit nicht jweifeln." O. S*mmermann, S. J. Stimmen ber Seit, Sötai 1915, S . 109.

„Safe Seutfchlanb burd) bie Übermacht unb burch bie glut »on Süge unb 35er- Ieumbung untergehe.. . SRit elementarer SBucht antwortet unfere Seele: Stein! nein!

S a s fann nicht fein! S a s hiefee SBeltunfergang! S ie fiftltdje SBelt, an bie wir glauben, ja bie fulturelle SBelt, an ber wir arbeiten, fänfe bahin. Sas (Ergebnis wäre bas (Ehaos ohne Sinn unb 33erffanb, ohne Sw ei unb Siel- Solches (Ergebnis f ö n n e n wir einfach nicht glauben, ob wir wollen ober nicht, ob unfere bürffige Erfahrung uns hunbertmal bewetfe/ bafe es fo unb nicht anbers in ber SBelt jugeht. Sann aber müffen wir ewige ©erechttgfeit forbern." SRartin S ch i a n , Set beutfdpe (Ehrift im flriege.

Eeipjig 1915, S . 12.

[Sas Ehaos unb ber Untergang wirb uns nur erfpart bleiben, wenn w tr es ab- Wenben. 2luf u n s fommt es an. Seshalb — 33erantwortungsbewufetfein unb Sat!]

21. 31t.

VI. 5Retigtöfer SRitus

3m Stitus fucht unb finbet eine primäre gunftion ber SJtenfdjenfeefe ihren Slus*

brucf: bie gunftion, in ber Umwelt wtrffame Urheberfräffe im Sinne menfchlicher 33e- bürfniffe unb 3lbfichfen au beeinfluffen, ja ju bejaubern. 3m Stitus unb als Stitus ge­

langt bie fpontane ©egenwirfung bes grühmenfchen gegen bie aermalmenbe Slbbängtg- feit oon namenlofen Umweltmächten jum SSolljuge: fchon bafe es Stifen gibt, wiberlegt mithin aufs bünbigfte bie befannte Shefe oon ber Steligion als einem ©efühle ber fchlechthinnigen Slbhängigfeit.

(Ceopolb S i e g l e r , Stitus u. SUtpfhos in ber „S e r Seuchter" 1931, 8. 1.

S . 10. Sarmftabt, Steichl.)

VII. SDclfrätfcI unb ifjre — „Söfung“

[Stufeerungen oon Ungläubigen]

fleine Qual ift fo furchtbar wie bas Umffelltfein mit Staffeln unb gragen, aus beren Eöfung nur immer wieber neue Stätfel unb gragen heroorbrechen... Sabet oer­

folgt ben gragenben bas SRifetrauen, ob nicht oielleicht bie Unlösbarfeit feinet SBelt- 10»

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len, burch i&gt;ie es fein SouDeränitätsred)t ausübt, unenffchieben urteilt, bann fann es fich nicht wunbern, wenn nachher auch fein Parlament unenffcfjieben

haltet barum aus, Slriftofraten bes ©eiftes.. Sen Sheologieprofeffor glaubt er feinem SBefen nach fo genau 3 U fennen, bafe er es für unmöglich erflärt, bafe

©elöbntffe unb Entfchlüffe, bie er im Angeficht ©ottes für bas fommenbe Seben abgelegt hat. $&gt;a hat er, von höherer Sebensbeurteilung aus unb von jenfeitiger

*) 3n ber gorberuna eines übernationalen Staates ftimmt “prof. §orneffer überein mit 'Prof. griebrich 3BSlbelm goerfter. ®od) meint biefer, bafe bie ftaatlidje

Sie ©runbgebanfen biefer chriftlichen SRetaphpfif unb ihre Seutung bes Sebens- finns finb nicht nur in ber firchlich beeinflußten, insbefonbere ber [cholaffifd;en

mittelbar aus feinen Sebenserfabrungen beraus feftftellen fann, bafe er mit anberen 3Renfd)en jufammenlebt, nicht nur äufeerlid), fonbern aucb innerlich; bafe er

(Es ift mit oftmals ootgefommen, als wollten bie ©elehrfen nicht Berftanben werben Bon ber SÜtaffe, unb beswegen fchreiben fie mitunter auch fo