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Unser Bund: Älterenblatt des Bundes deutscher Jugendvereine, Jg. 18. April 1929, Nr 4.

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UNSER BU

ÄLTERENBLATT DESBUNDES DEUTSCHER JUCENDVERENE

Akt-

-

18JAHR APRlL1929 OSTER NR.4

Postveksand Jena

(2)

Uaser Bund

herausgegebenvom Bund Deutscher JugcndvereineE.V.

Bundesleitung: ProfessorD. Dr. Wilhelm Stählin,Münsteri.W., Paul- straßeso(sernruf Usng -Pfarrer Rudolf Goethe, Vamistadt,Zahl-ke- stksßt24Gemka UZU

Kanzleix Göttingen, Düsterer Eichwegxslsernruf3851).

Mcheckidonto desBundeot Berlin «ask-.

Schelmen-Ing-

Jökg Erb, Lehrer, Hast-ichi.K.(Baden).

Bestellung-

BeiderPost,oder bei derKanzleidesBDJ. Göttingen, Postfachzo4.

Preis-

Jedeo Heft50Pfg»vierteljährlich1.50Mk.

Bezahlung-

Bei der Postoder beim Bund DeutscherJugendvereine,Göttingen, PostscheckkontoeBerlin zaud.

Inhalt dieses tiefres-

Ein Wort zur Eberownlder sormulietungdesBundeozieleo (im§s derSatzungen»Diedeutsche Arbeserdichtusgund unsereVerantwor- tung-Politikund EvangeliumXNachklängezur skauentagungaus dersceuoburgJAuospr-ach:Nocheinmal saonachtund Aschermitv wochXParteie- Umschau XBuchnnd BildX DieEcke -Anzeigen.

duschrlften der Mitarbeiter-

Landeo-Verband Hamburg, Hamng zo,TeweostegxoXWilhelm

-Stichlin Münster i.W., Paulstr.xs XWidelm Knevelo,Heidelberg, Karl-Ludwig-Straßeo J KarlKleiuschmidyWeißbaQ Post Schwöqu (Thükingen)Xsrau Emmy Stählin, Münsteri.W., Paulstr.xs X Rikdet Platz, BnliniTreptow, Parkstkaßcz.

Heile-gen-

SteinkopsoJugend-undVolkobücherei.

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is.Jahr April3929, Oster Heft4

Unser Bund

Aelterenblatt des Bundes Deutscher Jugendvereine

Ein Wort zur Eberswalder sormulierung des Bundeszieles(ims1der Satzungen).

l—«InEberswalde sind Aufgabeund Ziel unseresBundes mitdenWorten be-

Zetchniet:»Erwill ein-eLebens- und Erziehungsgemeinschaft von Jungen und MadchkmMännern und Frauen sein.Er dient keinerkirchlichenoderpolitischen Partei,abererkämpft fiirdieDurchdringung und Erneuerung aller Lebens- gebieteimGeistedes Evangeliums.«

DieseSätzewurden nachderEberswalder Tagung zumGegenstand lebhafter Auseinandersetzungbisüber die ReihenunseresBundes hinaus. Jnsbesondere hat derLandesverband Hamburg inFormeinesEinspruchs sei-ne ernstenBedenken gegen Zustandekommenund Fassungder Eberswalder Erklärung geltendge- macht.Es fand imNovember xgzsin Hamburg ein-epersönliche Beratung ZwischenderBundesleitung undVertretern desLV.Hamburg statt,in welcher allestrittigen Fragen durchgsesprochenwurden und als deren Ertrag dienach- folgendeErklärung anzusehen ist.Sie stellt alsodiegemeinsame Auffassung der Bundesleitungund des LV. Hamburg iiber Sinn und Bedeutung der Eberswalder Sätzedar.

s.Die Eberswalder Formulierung entspringteinemWollen, dasvon Anfang an inunseremBund wirksam gewesen ist. KräftedesEvangeliums hab-enseit derArbeitunseresClemens SchultzdiebesondereArtunseresBundes undseine Verantwortunggegenüberdemjungen Menschen bestimmt.Eshandeltsich also beidem,was inEberswalde aufgebrochen ist,nichtum etwas unseremBunde völligNeues odergarWesensfremdes.

Aufderanderm Seite beweisendieverschiedenartigen Deutung-en, welchedie Eberswalder Formulierungerfahren hat, daß diesedasWollen unseresBundes VIIchnichtin hinlänglichklarer Weise ausgesprochenhat. Sie darfdeshalb mcht als einletztesundabschließendesWort unseresBundes angesehenwerden.

as inEberswalde ausgesprochen wurde,stelltnur denerstmaligen Versuch dakpUnserem Bunde dieAufgabezuweisen,wiesiesichiMHinblick aufdas

IftzkkZieldarstellt.Wir erblicken inderEberswalder Formulierung auch nicht dieneue

Bunsdeslosung;diesekann uns nur als reifeFruchteiner Arbeit ge-

schenktwerden,welche in derernsten DurchdenkungdermitderEbserswalder Er- klawngangekührtenFragen geleistetwerden muß. Fiir diese Arbeit,welcheVCJk allem von denAelteren unseresBundes zuleisten sein wird, soll ZugleichMlst demFOFAMDMeinAufriß gegebenwerden-.

DIEEbetswalder Erklärung istvor allem als einZeugnisdel-' Aectkkm UnstkesBandes und als einVersuch,ihreVerantwortung auszusprechen-ZU werten.JederVersuch,diese Erklärung indem Sinne aufdieJüngeren ZU ubertragen,daßdenJüngkkmmitdiesen SätzengleichsameinLebensbekenntms abveklangk wird, verläßtdieGrundlagen unseresBundes. Auch hatVon den

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Freundenderneu-en Satzung niemand daran gedacht,einesolcheVerpflichtung denJüngeren aufzuerlegen, ebensohat Stählin bereits inEberswalde diese Auf- fassungausdrücklichabgewiesen Es gehörtgeradezur Verantwortung unseres Bundes vor demEvangelium, daßderBund sich seiner besonderm Verpflich- tungen gegenüberdeniimWerden und in- der Entfaltung begsriffenen jung-en Menschenbewußtbleibt. Wenn sichder Bsund um«eine klareStellung zum Evangelium müht, so istervsor allem verpflichtet,deutlichherauszustellemdaß für unserenBund msitderVerantwortung vor demEvangelium ein-ebestimmte pädagogische Haltung nichtnur gegenüberdem Nachwuchs unseresBundes, sondern gegenüberderJugendüberhaupt gegeben istund daß sich unsereVer- antwortung in derbesonderenArtunserer Jugendführungausdrückenmuß.Einen besonderenTeil dieser Verantwortung bildet dieAufgabe,dierechtesormdes Zusammenwohnens derAelteren und Jüngerenim Bunde ZUfinden. Es soll schonhier keinZweifeldarüber gelassen werden, daßdas Schwergewsicht unserer Arbeit imJugendbunid liegen muß.

4. DieEberswalder Sätze sindweder eine Anpassung an die Losungen ,,christlicher«Jugendbünde, nochbedeuten sieeine»Verkirchlichung«desBun- des, nämlichein-ePreisgabe derkritischen Haltung gegenüberdenKirchen,noch dürfen sie so verstanden werden-,als wollten siedas Evangelium zueinem Mittel machen,mit welchemseineaus den Fugengeraten-e Welt geflicktoder alle möglichen irdisch-en Not-stände geheiltwerden könnten.

Mit denEberswalder Sätzenwird an dieVerantwortung vor dem Evan- geliumerinnert. Es wird damit geradeauf jene GrundkräftederErneuerung hingewiesen, welchemit der rücksichtslosenKritik aller menschlichen Einrich- tungen und irdischen Zuständevor dem Evangelium anhebt. Daher kann ,,Durchdringung und Erneuerung aller Lebensgebieteim Geistedes Evan- geliums« zunächstnur sagen wollen, daß jedes LebensgebietderkritischenBe- leuchtungdurchdas Evangelium unterworfen- istund auf seinenRufwartet, daß aberwir Mensch-ennichts anderes tun können,alsinschlichtem Gehorsam inunserem irdischenWerk zustehenund daßwir uns bereit haltenlsollen,uns durch denimEvangelium enthaltenen Kampf-und Gestaltungswillen ausrufen zulassen.

Als Lebensgebiete, auf welchewir den Blick gerichtethalten müssen, seien folgendegenannt: Arbeit und Beruf, Wirtschaft und Politik,Eheund Ge- fchlechterfrage, Schuleund Erziehung, Kirch-eund Gemeinde. Zum Teilstehen dieAelteren unseresBsundes schon aufeinem dies-erLebensgebieteinverantwort- licherMitarbeit oder sie wachsen dochmorgen hinein. Hier sollen sichdie Aelterm untereinander den Dienstleisten, daß sie sschZU«größerer Klarheit helfen,damit sie ihre Verantwortung sehenund gemeinsame Wegezuverant- wortlicher Lebensgsestaltung suchen. Durch diese Arbeit,welchein Arbeits- gemeinschaftenund seeiz-eiten, auf Aelterentreffenund Tagungsenzuleisten- ist, wird unsere Verantwortung erstinihrer ganzen Breit-e sichtbarund läßtuns ahnen, daßwir mit dem,was inEberswalde gemeint ist,vor eineAufgabe ohneGrenzengestellt sind.

Ebensowichtigaber wie dieseganze Arbeit istdieGestaltungdesBundes selber.Dies-erhatsichum einesinnvolleOrdnung desJugendlebenszumühen, in demunsereHaltung derWelt gegenüber gleichnishaftenundzeugniskräftigm Ausdruck findet. Als Beispiele fürdie praktischen Aufgaben seiengenannt:

Jugendliches Gruppenleben, Jugendführung, AufbaudesGruppenabends, Ver- 50

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hålmis dekActSkBstUfMUnd Geschlechter zueinander, dieArt wsiewir Feste feiekmsktizeitUndEkholung,gemeinsame Sitte,LiedundSpiel, FahrtundLager.

Vielleicht wird uns einmal im Laufe dieserArbeit der Aelteren und des gesamtenBundes ein Wort der Losung geschenkt,welches klarer und über- zeugka Ausdruck derVerantwortungunseresBundes vor demEvangeliumist.

Landesverband Hamburg. Die B-undesleitung.

R. Spieker. W. Uhsadkh R. Goethe. W. Stühlin.

DiedeutscheArbeiterdichtungund unsere Verantwortung.

Wilhelm Knevels.

Viel zUwenigwurde das AuftretensderArbeiterdichtunginDeutschlandbe- achtet.Es gibt,wie ichetwa nachVorträgen vielfach bemerkte, zahlreichege- bildete Bürger,die garnichtahnen,daßes eineArbeiterdichtung gibt,und höchstens,vom Weltkrieg her,sei-ne dunkle Erinnerung an den»Kesselschmied«

K.Lerschhab-en. DieArbeiterdichtung hataber nichtnur eineBedeutung für die Literatur (übsrigenseine nichtgeringeAnzahl Perlen der Dichtung sind darunt-er), sondern fürdas kulturelle Leben überhaupt.Sie zeigt, daßdas deutsche Proletariat geistig erwacht, daßdieArbntierbewegung über»das bloßMaterielle hinausgeschritten istimd sich-nachku-ltusrellen, seelisch-geistigen Zielen hinbewegt.Eine Tatsachevon einer nochgar nichtzuermessendenTrag-

weite. Jst sieinunseremBund schon genügendbeachtet worden? Die meisten von uns entstammen ja bürgerlichenKreisen.Aberviel-esinddurch ihrenBe- ka- alle(a»lle?)durchdenWillen zumDienst inBerührungmitdemPro- letariat gekommen.Wie notwendig istesda, daßman dieProletarier kennen- lernt! Das istgar nicht so leicht.Man kannjahrelang msit einem Arbeiter ver- kkhktUnd seinVertrauen genossenhab-en und bei«irgendeiner Gelegenheit merkt man, wie wenigvan sich selbstereinem offenbart hat.Fastall-eProle- tarier sindaußerordentlichsprödeiundscheuinderEnthüllungsihresInnern.

DaßdieArbeiterdichtung,diezugleichohnedenGedanken an Veröffentlichung geschrieben wurde, einunvergleichliches Mittel ist,die Arbeiter, wie sie sindund wie sie sein möchten-, kennenzulernen, versteht sichvon selbst—IchhabeseitxoJahren Arbeiterdichrung aus Büchern, Zeitungenund Manuskriptengesammeltund hoff-e,bald eine Auswahl vorlegenzukönnen.

Zum weiteren Studium benutzeman vorerstdievielen kleinen Auswahlbänd- chmsdiederArbeiterjugendverlag, Berlin-, herausgegeben hat(Preisse zwischen 50 End90 Pfg.). Hier kann »ich natürlichnur einige Andeutungen machen.

Zunachstseikbarfestgestellt,was susnterArbeiterdichtung zuverstehen ist.Es be-

steht.danämlicheine Begriffsverwirrungz oftwird wahllos alles, was in Menschersokmvosn Arbeitern handeltoder sichanArbeiter richtet,alsArbeiter- dFchtUnAbezeichnetDenNamen »Arbeiterdichtungen«verdienen nur Dichtungms dsleVon

Arbeitern im soziologsischen Sinn, von städtifchen Proletariern VkrfaßtsmdWeVersedes Gärtners Woike werden zuUnrechtals »Arbeiter-i Uchtung«««beZOich-nset),»undzwar solche,dieden inneren Zustand des Prole- tanakwm tkpifcher Weiseenthüllen-,worüber die Aufnahmedurch die

Akkmekschszmtscheisdet (poetischk Erzeugnisse eines isoliertstehenden eigen- amgm Mmschm sindkeine Arbeiterdichwng);überhaupt sollteman Arbeiter-

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dichtungnur solcheWerke nemmy dieihremliterarischen Wert nach als Dichtung bezeichnet werden können,was allerdingsnichtjederbeurteilen kann (revolutionäre Tendenzschriften findkeineArbeiterdichtung).

Wer hättevor 35Jahren gedacht, daßArbeiterdichtunsgeninsolch-er Menge und von solchemWert entstehenundinderArbeiterschafteinesolcheVerbrei- tung findenwürden? Den eigentlichenDurcherch derArbeiterdichtungbrachte der Weltkriieg. Der Grund dafür liegstinder Wucht und Stärke des Kriegserlebnisses,aber auchinder freien Zeit,dieErlebnisse niederzuschreiben, diederKrieg viel-en, trotzallerStrapazen, verschaffte.AmAnfang standdie Lieb ezum Vaterland, gehaltener,aber nicht minder tiefalsinanderen Kreisen,was dasbekannte Gedichtvon Karl Bsröger aussptacht

Immer schon habenwireineLiebezudirgekannt... Allmählsich erhob sichein limmer stärkerer Widerstand gegen den Krieg und damit ein Zugzum Jnternationalem seinAufruf zum Friedens wie etwa beiGerrit Engelke,dem genialsten Arbeiterdicht-er,der wenige Tage vor demWaffenstillstand fiel:

Herauf!AusGräben, Lehmhöhlen, Betonkellern, Steinbrüchenl Heraus! Aus Schlamm undGlut, KallstaubundAas eruchen!

Herbei!Kameraden! Dennvon srontzusront,von FeldzuFeld komme euchallen derneue FeiertagderWelt! .... »

Euchallebeschwör ichbeieurer HeimatWeilern undStadten den furchtbaren Samen desHassesauszutreten, zujäten, ,

beschwöre euchbeieurer LiebezurSchwester,zurMutter, zum Kind, diealleineuer narbiges Herz nochzum Singenstimmt.

Beieurer LiebezurGattin auch ichliebeeinWeib! ,

Bei eurer LiebezurMutter auchmich trugeinMutterleib! .....

Jchwar Soldat undMann und Pflichterfüllter sowiedu, dürstend, schlaflos,krankaufMarschund Posten immerzu.

Stündlichvom Tode umstürzt, umschrien, umdampfh stündlichan Heimat,Geliebte,Geburtsstadt gekrampft wieduund du undihralle.....

Aber wir müssenweiter zurückgehen.Die Keime zur Arbeiterdichtung liegenin kleinen Augmiblicksbildern uind -szenen, realistischen S chit- de run ge n»ausdemArbeiter- undAlltagssslebenWas man daliest,wird man nichtso leicht vergessen. DaßdasDüstere überwiegtz versteht sichVon selbst—

SMer- helfen,dienen! das mußjasunsereAntwort sein auf das,was wir dahören. Nochstärker ist unserEindruck alsaus derunmittelbaren Wirklich- keitdes Proletariates selbst, sofernwir diese überhauptkennenlernen Denn in derDichtung sehenwir dieJnnenseite. Auchzusammenhängendedichterische Schilderungen des Arbeiterdaseiinsshaben wiir z.B. in Krilsles »Unterdem Joch«und Brögers »Der HeldiimSchatten«. DerAltmeister solcherSchil- derungen sist Alfons Petzold,der selbstdurch unsäglichesElend hindurch- gegangen list. Beispielewürden nsur einleinseitigesBild geben; also verzichte ichdarauf. Eine Tendenzistsindiese, meist lyrischensklein-en Werke nichtge- woben,mitAusnahme etwa des Gedichtes von Otto Krille:

.....O dusonnige ZeitunddusblühenderTag!

Wir grüßendichandenMaschinen.

Mit denLerchen jauchzt unsres HerzensSchlag, indessenwir fronenunddienen.

Unser Herzverglüht,unsreLippedorrt, undLebenundSommer ziehen fort..... wir müssenweiter hungern.....

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Stärker alsderSchreinach Brot aberistderSchrei nach Menschentum.

Wir Votde IMSdassehrZumerken hab-en,weim wir dieArbeiterbewegusng beurtfilemUPIkhaben auchseineSeele, sound ähnlich heißtesoft. Oder traktklgmWtk hatten eine,aber sie ist zugrunde gegangen wie esam er-

greifendstendas klein-eGedichtvon Mar Barthel sagt:

Ein hlUthnger Vogelhat sich durchsFenster verirrt, .dorth»tn,wo dieMaschinen poltern, Un,dapgstlithscheu flatternd, durchhuschterdenSaal, W·1eeine befleckte Arbeiterseele,dieans Lichtwill.

Ein rasenderRiemen abererfaßtden Flüchtling und zerrt ihn blitzschnell herabzur Welle. (LautpochtdasHerzder grobenMaschine.) Und nun? Nichts. Eine Alltagsgeschichte:

Leuchtendwieeinetaufrische Rose blühtan derDecke einBlutfleck,

und daszerrissene Vöglein hat der Erhauseer verschluckt...

»So schrei doch, MenschimEisen« dasistderGrundklang des letztenGe-.

dichtbandes von Heinrich Lersch,der zwar inzwischen freier Schriftsteller wurde,aber noch sehr lebendiginder Erinnerung an sein Maschinenarbeiter- daseinlebt.Jm übrigen findenwir nirgendseinenKampfgegen dieMaschine als solche; stetswerden nur dieaugenblicklich schlimmen Begleiterscheinungen dessabrikarbeiterdaseins beklagt, schlechte Luft, Lärm, allzulange Arbeitszeit, Mangelan Beziehung zur ganzen Fabrik, Hingabe derKraft des Arbeiters gegenein-engeringen Lohn, HäufigkeitderUnfälle infolge ungenügendenSchutz-es usw.Was kann man da fiirdiegegenwärtigen praktisch-en Problem-ealles lernen! Um nur ein-es heraiuszugreifemDie sreizeitl Es istbeider Art derheutigenArbeit unbedingt erforderlich, daßderArbeiter eine reichlichesreizeit hat.Wie starkdieSehnsucht danach ist, zeigen unzählige Gedichte.Diesreizeit Wird ZUmeist, nachden Gedicht-en,diefürdiebesserenElemente der Arbeiter- schaft bezeichnend sind,inderNatur verbracht. Dort findetderArbeiter,zu- malderjüngere,was erin derArbeit nicht findet, sich selbstunddenNächsten, d.h.denanderen Arbeiter. Erschiitterndistes,welche verschwinde geringe Rolle diesamiliebeiderErholung spielt.Darans sindwohl dise üblenWoh- nungsverhältnisse schuld. Jn dieWohnung ziehtes denArbeiter nicht, aber dieFraumußzuHausebleiben. Auchvon der Liebeimengeren Sinn istviel wenigerdieRede,als man erwarten sollte.DieWieder-entdeckunigder Natur fürdenProletarier istderArbeiterjugendbewegung zuverdanken. Ihren Einfluß fpurtman an allenEcken und Enden. Wie wird derAbend,andemman einen Ganginden Parkmacht,wie der Sonntag, an dem man wandern .darf,.

hetbeigewünschtx

.. lHinwegvon Märkten, Zimmern, Treppenstufen, Straßenbraus

dieWaldberge,dieWaldbergerufen,

locken mich hinaus! .

Bald habich diese Straßenwochen, sbalddiesenStadtbann angebrochen

Endsiehe hin,wo Ströme durchdieEwig-Erde pochem Stehtseligindie weckt

Starke NaturerlebnissseverschiedensterArt findeneinezum Teil rechtbedeut- sameGestaltung.Vor allem istesdas Erlebnis des Sein s:

«»—.MeinBruder Baum,dustummerBeter, wir tauchenStirn undSand inreinenAether

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und werfenunserJauchzenindenWind.

wir sind!wir sind!

Unddas Erlebnis derErdnähc

..... Nun,rauheErde,hastdumich gepackt!

Schon fühl ich michinallenKleidern nackt, Nun spiir ich dich.Nun braustdurchmicheinWehn, inallen deinenDingenaufzugehn.....

Unddas Erlebnis derGemeinschaft. Bei denJungenetwa am Sonnen-.

wendfeuer:

...Weihevoll sindalleHerzen und von Zaubersanft umwebt.

Still entweichenHaßundSchmerzen, wo dasSonnwendseuer lebt.....

Auchausgesprochen religiöse Naturerlebnisse sind nicht selten.Jn derNatur brichtdas Religiöseam ehestendurch.Es ist mehr Religion in derArbeiterschaft,als man zuvermuten pflegt.Nur werden dieiiblichenreli- giösenWorte möglichst vermieden,weil ssiedenArbeiter durch dievon ihnen abgelehnteTradition der christlichenKirch-enzusehr belastet erscheinen.Dadie religiösen Arbeitergedichtehiernichtzieiertwerden können,verweiseichauf mein-e »Briickenzum Ewigen« (Wollertnann, Braunschweig, d. Auflagc, Lein-en5,50Mk.),worin sichdiebedeutendsten religiösenGedichtederArbeiter- dichterfinden.Wenn man diereligiösen Stimmungen derArbeiter kennt,kann man eherdiechristliche Verkündigunginder geeigneten Weisean sieheran-- bringenund verfälltnichtinsolche verfehlt-enund banalen Sätzewie neuer- dingsmehrere(darunter amtliche)FlugblättegdiedieArbeiter siirChristentum und Kirchegewinnen wollen; dieVerfasser msiissenLeut-esein,dievon dem Wesendesgeistigregen Arbeiters nicht diegeringste Ahnunghaben.Wie viel anders wäre das alles,wenn dieKenntnis derArbeiterdichtung verbreitet wäret Diereligiöse Lagedes Proletariat-s läßt sichmitdemWort »Sehns ucht«

bezeichnen. Sehnsucht gibt Oberhauptdem ganzen inneren Wesen des geistig und seelisch erwachten Proletariers (-umdiesen handelt es sich ja hierimm er)das Gepräge. Aeußeresund inneres Sehn-ensinduntrennbar in- einander g-ewoben.Es mußbeiden»Proletariern«Palästinass ähnlich gewesen sein;nur sso ist Jesu Stellung zudenArmen und Unterdrückten zuverstehen.

Jn ihnenlebteund lebtetwas, was beiden»Bürgern« vielfach erstorben ist und was dochdie iunerläßliche Voraussetzung fiirden Glauben ist:der Drang, aus dem gegenwärtigen Zustand heraus, in ein-en anderen hinein, derTrieb nach einer Veränderung,zunächstwohl äußer- lichgemeint,aberderUmbiegunginsInn-etlichezugänglich; sie sind Menschen,

deren WeseninderZukunft liegt,wieesdieschöne,beiArbeiterzusammien-

künften oft gesprochen-eund gesungene Hymnevon Otto Krillesagst:

Zukunft!Zu dir, aus derTiefedesLebens, von Millionen bebenden Lippen,

«

aus schmalen Brüstenundbangenden Herzen, ringt sicheinSchrei!

Aufdornigen Pfadensteigteingequ-ältes, sonnenhungrigesGeschlecht zudenHöhenderZeit.

Was zwischenderMenschheit MorgenundMittag

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Denkerstirnengefurchtund zetmar-tert, nahtderErfüllung!

Hermwärts zudenBergen menschlicherFreiheit undjauchzender Freude kehrendiemüdenSöhneder Erde.

Dennnur Freiheit ist Leben, und nur inFreude ist Freiheit, nur in LiebeistderMenschheitgöttlichsteVollendung.

Zukunft,uns dürstet nachdir!

Unsere Herzenbrennen wieWüstenstaub.

Unsere Stirnen itropfen von derMühsaldesLebens.

Duwirstuns Regenund Sonne sein!

DkkSauptgegenstanddesSehnens istdiseneue Ordnung, die neue Welt,

die neu-e Zeit. Das Neue isteisnAseußeres Und Jnneres zu-

gleich. Diese Verbindung istcharakteristisch.DerArbeiter meint nicht,daß die Verbesserungäußerer Zuständeeine VeränderungdesInnern unmittelbar nach sich zischezerlehntesjedochauchab, daßman- dieäußere Aenderung gewisser- maßenaufschiebtund nur dieinnere betreibt,aus derdann alles Aeußerean- geblichvon selbst folge. Daßdas Neue von Mensch-enallein gemachtwerden könne, glaubt keinerder Arbeiter mehr,diesichin derArbeiterdichtung aus- spkkchm. JmGegenteil,esherrschteisnZug,denman miteinem theologischen Ausdruck als eschatologisch bezeichnenkönnte: das Neue kommt eruptiv, plötz lich, wievon irgendwoandersher; esbrichtunmittelbar von Gott selbst herein,wienicht selten gesagtwir-d.Man muß sichnur aufeszubereiter sich dafür empfänglich machen,dieHemmungenwegschaffen,dieseinemKommen im Wege stehen.DieArbeiter fühlen sich gewissermaßenalsStoßtruppe oder Vorhut diesesNeuen. Ihre Gemeinschaft istdas Vorbild oder die Keimzelle der künftigen Menschheitsgemeinschaft. Es wird nieunterlassen,zubetonsen, daßdieGemeinschaftderProletarier nur eine Vorstufe»unddaßderKampfgegen dieNichtproletariernur einUebergansg oderpolitisch ausgedrückt daßderKlassenkampfnur Mittel zum Zweckist.

Manchinalwird sogarohnejedenWiderspruchderproletarischen Zuhörer,der Leser, bekom, daß sichdieLiebeeuchaufdieReichenbeziehe,wie z.B. bei Akfdns Petzold:

Obarm,obreich wenn sienur suchendgehn nacheinemLichte,kannich sie verstehn.

flndimmer heißtes: »Menschheit«,nicht: sintiernationasles Proletariat oder o etwas.

Menschen, Menschen alle, strecktdieHände überMeere, Wälder,indie Welt zurEinigkeit!

Daß sich HerzzuHerzen sende- neue Zeit!

Jn alldem·liegst allerdings ein starkes Selbstgefühl des Prote- ta«,a«tsileMBewußtseindes Wertes derArbeiterschaftund derArbeiter-

gememfchaftzOhnedieArbeiter kann das Neu-enichtkommen;ja,ohnesie Ware auchd«!egegenwärtigewere nicht.Die Dome desMitten-stets erzählen von Pemgleichen schaffenden Bund,von dem-sie gebaut sind,wiedie modernen Rme Und die Straßenusnd Bahnhöfe flehendieArbeiter gleichsamum

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Cytaty

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ssolgerichtig muß eine Bewegung-, die sriedenshaltung um jeden Preis als durch das Evangelium gefordert (,,wird eine Handlung dadurch sittlich, daß sie notwendig ist?«) — von-

füllt wird, sondern daß wir immer wieder vor der Tatsache unseres Versagens und Versäumens stehen, als Menschen, die gerichtet werden; und es muß uns auch immer klarer werden, daß

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