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Die Zukunft, 16. Februar, Bd. 34.

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Berlin, den 16.Februar 1901.

f J «I» s-s

Der Tag.

WerTag: so hießeinschnellverschollenesTheaterstück,heißtheute noch eineZeitung,derdieSachverständigeneinschlimmesHoroskopstellen.

Das StückhateinjungerHerr,dersichdenfremdundvornehm klingenden NamenStefanBacan gab,geschriebenund»inherzlicherDankbarkeit und Verehrung«demvom LiterarhistorikerzumTheaterpächterherabgekomme- nenDr.Brahm gewidmet, seinem ,,lieben Freunde«,der dieLeistungdes inUngarn geborenenSemssohnes flink auf seinDeutschesTheaterschleppte.

Dasgingnun nicht, trotzdemin dem Stück das denRuthenenaufstand desCholerajahres1831 gegen diemagyarischenSchindermit denbewähr- tenKünstenderWebertechnikzuschildernversucht—dieedelsten Magnaten in einemTonfall sprechen,der dasPublikum gerade dieses Theatersver- traut anheimeln mußte.VonhundertBeispieleneins: »Das istDeinEr- folg, daßDubistgegangen alsApostelBildung predigenundLicht bringen untermeinerußniakischenBauern.« Sospricht nichtetwaderOberrabbi- nerdeszemplinerKomitates, sondernHerrElemerHunyorvonVaranno, einechterSohn Arpads. Herr Schönstedthätteihm nach solcherStilprobe dasNotariat verweigert.EinSchülerstiick,dasnichtdiegeringste Spur irgendeinesTalentes zeigt, früherkaum imfernstenOstenBerlins aufge- führtworden wäre undhier nicht erwähntzu werdenbrauchte,wenn der Autor nichteinePrangerstrafeverdient hätte.HerrBacan giebtsein

»Drama« füreinevon ihm selbständiggeleisteteArbeitaus und derliebe FreundundMimenausbeuter ließdurch seineLiktoren die Märverbreiten,«

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dieernstenGeschichtstudienwenigstens müssemananerkennen,die derjunge Transleithanier getrieben habe.Das ist Schwindel, haltenzu Gnaden.

EinZufall hat mich aufdieFährte gebracht;undnun weißich:Herr Bacan hatfastalleDetails,dieseinerDilettirerei einen derbenSpannung- reiz gaben,einemRoman desHerrnMaurus Jokai entlehnt ist dasWort nicht höchsthöflich?—, desschlauen Kolportageromanciers, derdieabenteuerlichenErfindungendesaltenDumas insMagyarisch- Barbarische vergröberthat.DerRomanheißt»TraurigeTage«,spieltim Cholerajahr1831 undbehandeltdenAusstandderruthenischenBauern;

füreineMarkisterbeiOttoJankeinBerlin zuhaben.Eristebensoun- sinnigundunliterarischwieAlles,wasJokai gemacht hat;demjüngsten GünstlingdesNaturalistenklüngelsaberwareralsQuelle dochreingenug.

Derdachtewohl, solchesZeug leseimDeutschland BrahmsundHirschfelds keinMensch mehr;underentlehnte.Das feindliche Verhältnißzwischen VaterundSohn;dieGeschichtevon demSonderfriedhof,dendieharten Herrenfürdieam»Morbus« gestorbenenHörigeneinzäunenlassen;von denWismuthpulvern,die derBauer,weiler-sie für Gift hält,nicht nehmen willund die deraufgeklärteDoktor deshalbinScheunenundBrunnen schüttet;vondemAuge,dasderMagnateinemRuthenen ausschlag;von demfrischenBrot, das,inguter Absicht,denBauern gegeben wird, dessen ungewohnter Genuß ihnen Magenbeschwerdenmachtundin dem dieVer- ängstetenein neuestötendesGift wittern;vondenlächerlichenQuarantaine- maßregeln,dieschondamals,vordemBaeillenschrecken,dieFeigheiter- sann;von derWirkung jedes natürlichen Krankheitsymptomes aufdie wirreBolksphantasie.Undsoweiter. DieSache wäreharmloser,wenn

HerrBacan einfachdieHandlungvonJokaigenommen hätte;aber.ihm warwohldieKollufionwichtigundsoließerdemgutenMaurusseine-Henker- romantik undnahmnur,waser,ohnegleichdieErtappungauffrifcherThat fürchtenzumüssen,nehmenkonnte: dieStimmungeinergetretenen,un- wissenden, verprügeltenMasse,die, selbstwenn man ihrhelfen will, sichvon Herrentückeverrathen wähnt,unddiedurchdendickenRomanband ver- streutenDetails,dieRosinenausdemzähenTeigdeszemplinerKuchens.

SogardasjüdischeSchankwirthpaar hatervonJokaiznur war Maurus nicht so geriebenwieStefan.DerläßtseinenBranntweinschänkenbrüllen:

»Ein Volk,dasüberseineJuden hergefallen ist, hatGottnochimmerge- straft!«LäßtdemMoische,bei dem dasganzeRuthenendorfin der Kreide sitzt,einHolzkreuzaufden Rückenbinden undschreibtdemRegisseurdann

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vor: »Moischesiehtmerkwürdigaus. Ergehtnachvorngebückt,als drückte ihndieLastdesKreuzes;umihnherumdie tobendeHorde,Vieleschonbe- trunken. DashellbraunePelzwerkseinerMützeumgiebtihnwie einHeiligen- schein«.DieberlinerJudenheit,dersovieleanständigeundverständige Leuteangehören,solltegegensolchenUnfug heftiger protestirenalsgegen schönstedtischeAufrichtigkeit...HerrBacano ist nochsehr jung;und die modernenKriminalisten sindfürschonendeBehandlungder»Jugendlichen«.

DochdieStufederunbedingtenStrafunmündigkeithaterüberschrittenund mußdeshalbverurtheiltwerden.Bedingt;wenn ersichbessert,nichtwieder wahllosvondenTischenHauptmanns,Jokais undTolstois nascht,soll ihm verziehensein.Einstweilenträgterden Makel.VonRechteswegen.

Daswardas Stück.Jm Januarkam es ansLichtundstarbdreiTage nachderGeburt;dieSäuglingsterblichkeitistindiesemTheaterjahr größer dennje.EinWeilchenvorherwardieZeitung erschienen.Sie wardlängst schonerwartet. SeitinrothenEckmannlettern aufschwarzemGrundzum erstenMalanden Säulen stand: »DerTag.ModerneillustrirteZeitung.

AugustScherl,G.m.b.H.«,schliefendieJnseratenfarmernichtmehrund ihrenAntreibern pochtendiePulseinAngst. Dieser Scherll Mitseinem LokalanzeigerhatteerdieAbonnentenliste aller berlincr Blätterverkürzt,mit seiner»Woche«alleillustrirtenZeitschriftenzu Grundegerichtet.Wasmochte ernun wiedersinnen? JedesargeTrachtenwar demMann zuzutrauen;

undschreckendeGerüchteschlichendurchsHolzpapierreichSechsMillionen willerin dieSache stecken;inAmerikahater, weilshier nicht schnellgenug. ging,eineMaschinefürJllustrationendruckbestellt,die überhunderttausend Mark kostensoll;was aufdemhauptstädtischenMarkt anJournalisten svoneinigem Rufzuhabenwar, hatergemiethet,indieReduktionen derVossin,desTageblattes,derTäglichenRundschau,des Vorwärtssogar Lückengerissen,Brandes,MutherundandereTrägertönender Namendurch festeKontraktezur Mitarbeit verpflichtet.Waswill Das werden? Droht den altenLieblingblätternderBourgeoisiedanichteineLebensgefahrPHerr Lessing,derkargeZahler, putztedasmorschePiedestalseinerTanteVoßhastig mit einemFeuilletonaus, dasseitdemtäglichdieLeserzumitleidigerHeiter- keitstimmt,und miethete,umdendieKundschaftverscheuchendenGeruchdes Antisemitismusendlichloszuwerden,fürdieTheaterkritikzudemerstennoch einenzweiten Sohn Abrahams, aber, nachderTradition seines Blattes, einen,der garnichtskann.HerrLevysohn,den wir Allenichtmissenmöchten UnddessensünfundzwanzigjährigesJubiläumalsersterCommisderFirma

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RudolfMosse—- mit demRecht,dieHonorareauszuschreiben,die S.M.

R. M. dann»abrundet« Europens feinste Geister jetztin Dankbar- keitfeiern,derguteVaterLevysohnschnupperte unruhvoll umher,warnte in derletztenseiner berühmtenWochenübersichtenausdemneunzehntenSä- kulum,keinen»StreiturndesJahrhundertsBart« zubeginnen,undsorgte dafür,daßinderOrdensfestlistedieZeilegestrichenwurde, dieAuguftiScherl Dekorirungmeldete.Natürlich; gehtder,,Tag«,dannkommtdas Tageblatt nochmehr herunterundderersteCommismußschwereStunden durchmachen; daists schonbesser,derKundschaft nicht erstzusagen, daßeinMannnamens Scheel aufderWeltist.Der aberist soganzleichtnichttotzuschweigen.Bon Dem wirdman einst,wieGoetheanvalidevonweilandKarldem Fäusten, sagen: »DaswareinHerrlErhattedieHandüber den ganzen Erdboden undwarEuchAlles in Allem.«Jn jedem Jahrverdruckterachthundert- unddreißigMillionen Bogen Papier für LokalanzeigerundWoche;er sagtesselbst,schwarzauf Weiß,undfügt,inbescheidenemStolz, noch hinzu:

»MiteinemPapierläufer,in derBreitedesLokalanzeigersaus derGe- sammtbogenzahl beiderBlätterhergestellt,könntemandieErdeamAequator fastneunzehnmal umspannen.«Könnte?Nächstensthutersvielleicht.Ueber Solchen hat selbst LevysohnsmildfchmunzelndeMajestätkeineGewalt;

Den kannsogarernicht entdecken,nichtmitdesSchweigens ihm theurem Mantelbedecken. Und esist klar, daßeinesSolchenPlan,eineneuegroße Zeitungzugründen,in alleSchwarzen Küchen Verwirrung trug.Den armen, oftrecht begabten Leuten,die unterderPeitschedesPlantagenbe- fitzers stöhnen,stiegmit denrothenLetternamHorizontderMorgenglanz einerHoffnungauf.BeiScherlwirdgutbezahltundist wenigzuthun.

Daswußtensie schon;wiemußteesnun erst werden,wenndieserinmysti- scherNebelferne thronende Gott, dessenSandsteinpforteein Löwebewacht, ausdem Gewölk tratundfichentschloß,mit»richtigen«Schriftstellerneine Zeitung für gebildeteMenschenzumacheniEineLohnkonjunktur warzu-

nächstschonficher;amEndeaberkommtes nocheinmalfo weit,daßjederJour- nalistaussprechen darf,wasermeint,undnichtmehr,wennerhinterdemBier- krugebensozialdemokratischgewettert hat,gezwungenist,einenwüthenden Leitartikel gegen dasvaterlandloseTreibenderUmsturzparteizuschreiben.

DurchdieReihendergeknechtctenZeitungleute,diefast ausnahmelosna- türlichSozialisten sind, gehteingroßesSehnen nach Freiheit;und»vollste Meinungfreiheit«hattederSemperAugustus imerstenProspektjaseinen Arbeitern zugesagt. Diese holdeBerheißunghatte auchdasInteresseDerer

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DerTag. 277

geweckt,dievon demGelingendesPlans keineKonkurrenzzufürchten, keineKonjunkturzuhoffenhatten. Vielleicht,dachtenwir,entstehthier mäh- lichdieZeitung,dieBerlin,dieDeutschland braucht,dasunabhängige, saubere Blatt,in dasnicht Reportergeschwätz,nichtaufeinesKapitalisten KommandoausgebrüteteWeisheit, nichtin denGesindestubeuderReichs- undStaatsämter erschnüffelteNachrichtengepacktwerden,nein:dastüch- tigenMenschendie Stättebietet,wosie,untereigener Verantwortlichkeit, aussprechen können,»was is «, oder, aus demschmalerenPfadedeslustigen WeisenPeterAltenberg,zeigenkönnen,»wiesieessehen«.AllesErdenk- licheist währendderletztenJahre versucht worden,um neuen Zeitungen Erfolgezusichern;mitBildern, endlosenDepescheu,Jnterviews, billigen Preisen,Holzbocksprüngen,Sensationen, LügenjeglicherArthatmans pro- birt.Laßuns,Germania,denMann erleben,derdenVersuch macht,ob eineZeitung nicht auch dadurchwirkenkann, daßsie gut geschriebenist,im VerkehrmitPotentaten,betiteltenVolksdienstbotenundsüßemPöbel sich reinlichhält und, ohne läppischenMajestätplural,sichals denliterarischen AusdruckeinerSchaar temperamentvoller Persönlichkeitengiebt!

Soflehtenwir.Undals dieerstenNummern desneuen Blattes er- schienenwaren,stecktenEnttäuschtedieKöpfe zusammenundvonderLippe glitt ihneneinSeufzer;’swar wiedernichts.DenAnnoncenpflanzern kehrtederentsloheneSchlafzurück,den Antreibern dasbrutale Lakaien- lächeln; undLevhsohnpflückte,einfrohjubilirender Jüngling, aus steilen GratenwiedermitkeckemTintenfinger Stilblüthenvomewig papiernen Baum.DieGefahr schienvorüber.Augustus hatte seinenVarus gefunden;

von derZinnederTeutoburginderJerusalemerstraßelohtenFreudenfeuer insGelobteLand undHaasensteinsglorreicherUeberwinder beschloß,das JubiläumsalmosenfürdenerstenCommisnachobenhin abzurunden.

DerTag,der da aus dem NebelmeerderReklamestieg,sahwirklichböse aus.Die BilderreiztendieLachlustzalteLadenhäterinabscheulicherReproduk- tion. DieamerikanischeMaschine,hießes,versagtdenDienstund derdeutsche ErsatzwirderstimMärz fertig.DerklugeAugust sonennen ihn seineLeute

wardiesmalwider Erwarten kluggenug,nicht klugzusein:erschleppte dasWehundAchüber dieunbrauchbareJllustrationenmaschinedurchun- zähligeAnkündungenundrief JedeminsOhr,wasJeder schon wußte:

dieneueZeitungsei einstweilen spottschlecht.DieersteNiederlage hatte

denimSiegenVerwöhntenwohlbetäubt.Sonst hätteersichgefragt,was dieKäuserdenn der interneGeschäftsbetriebkümmert-;undzweitens,ob die

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schlechteMaschine auchanderschlechtenRedaktionmitschuldigsei.Diehäß- lichenBilderhättenwirverschmerztzdieAnarchie schrecktedie Kundenfort.

Daswar gar keineZeitung,war eineschwache,täglicherscheinendeKopie derlieben»Woche«,einernichtvom unermüdlichenFindersinndesHerrn Dahms erhellteu ,,Woche«.Dastand ja nichtsvonAlledem,wasderKäufer in einerTageszeitung sucht.Da war, wie in einenschlechtgepacktenKoffer, hastighineingeftopft,wasdieHandgeradegriff.Jm erstenArtikel derersten Nummer wardietausendmalerörterteHypothekenbrochureBoigts ausge- schrieben;dafüralleinhättederleitende Redakteur einegelindeTodesstrafe verdient. Undso gingesweiter. DieBildersind besser,alsNachrichtenbe- hälteristeineAbendausgabeangeflicktworden;derSitz desUebels aberist unangetastetgeblieben.Der»Tag«hat bessereRedakteure alsirgendeinan- deresBlattinBerlin. DiewitzigenHerrenRoland undMarx,derenBier- fidelitasimBürgerthumdesDenkerlandes verwandte Stimmungenaus- lösenkönnte. Dengründlichgebildeten, geistig polyglottenHerrnFranz Oppenheimer,derimmer,alsAgrarpolitiker,Soziologe, Kolonisator,Dra- matiker,WerththeoretikerundPraktischer Arzt,bereitist, aus jeden ihmvor dieFlinte laufendenHaasenzuschießen,demman abernichterlauben dürfte,mitberlinisch-jüdischenJargonanklängenvontirolerAlmen herab zuplaudern.DenfrüherenHauptmannFritzHoenig,denvieleSachkenner fürdengeschicktestenallerdeutschen Militärschriftstellerhaltenund der nur,wenn erdenGrafen Walderseezu rettenversucht,offendenLesern sagen sollte, daßerseitJahrenmit demHeldenvonPaotingfuininti- mer VerbindungstehtundnichtalsunbefangenerRichter, sondernausder mitihmkorrespondirendenSeeledes zuRettendenredet.Dengewandten undeifrigen BilderbesprecherRosenhagen,dessenWalderseeLiebermann heißt,unddenstarkenStilisten Krebs,derMusik feinempfindet.Die Brüder Hart,die nebenMauihner,demvoltairischklarerenKopf,diebestenLitera- turkritikerunsererTagespressesindundihrGebietvorsichtigdarüberhinaus dehnenkönnten.HerrnKerr,dernochnichtsRechteszusagen hat, sichallzu beträchtlichfindet,imUrtheil,wennersnichtnachspricht,fastimmerhöchst spaßhaftirrt,mitseinempretiösen,ausallerleiMusternzusammengelesenen StilabermanchesThiergartenbewohnersStaunen erregt,mitunter einen hübschenWortwitz haschtundsichvielleichtzu einemangenehmenPlauderer entwickelt,sobalderunbarmherziggezwungenwird,vomMummenschanz zuscheidenundzureden,wieihmderSchlesierschnabelgewachsenist.

HerrnNordhausen, aucheineninfremdeRöckeGekleideten,dernicht

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DerTag. 279

epigraphirenund-erst-rechtnichtüberpolitischeVorgünghjondernnurüber

IandlichsiiiisstädtischäjxLökalereigiiissefkinFVauåhh"dchzeitei"ixkis"St-EH-

ßenkrawalleschreibendürfte.»Und,vorAllen: Schönhoff,dermehralsein Schriftsteller,der eine Natur istund;—esgiebt nichts unserePreßzustänFe grellerBeleuchtendes nochnieandenrichtigenPlatz gestelltwurde. Ein Falstaff,dernichtprahltundnielügenlernte ; dereinzig echtebohåmien, eindeutscher,mit dickem Biergenährter,natürlich,unterdenSpreelitera- ten.Dermüßtemitseiner Plempezwischendiebramarbasirenden Papier- pistols fahren.Dersollteuns vonArbeiterversammlungen,vomObdach- losenasyl,vonderStimmungimGewerkschaftkartell,vonderHeimarbeiter Nothund desertrinlenden HandwerksrathloserKurzsicht,von Fort- bildungschulenundproletarischerHauswirthschast,vomWeben und Trei- ben inBürgerschänkemStudentenkneipen, Bummlerspelunkenerzählenund demWohnungelendbisindiedunkelsteSchlasburschenhöhlenachgehen.

Der könnte das LebenbayerischerundböhmischerBauernsoanschaulichwie dasberlinischer Prostituirten, Gerichtsverhandlungen so gutwieParla- mentsschlachten schildern,demHausirer,derGlanzpapierarbeiterin,dem Markthallenwucherer,derVorstadtbänklerinunddemSittenschutzmann nachschleichenund unsWeltenentdecken,dienienocheinesbourgeoisenWan- derersFuß betrat,nie aus demReichderHaderneinesScheinwerfers Strahl erhellte... MitsolchenKräften könnte,zumalHerrScherlkein Knicker ist, Außerordentlichesgeleistetwerden,walteteüberihnennureinbewußter Wille. Derfehlt;undso gehtAllesdrunter unddrüber.EinOrchester, eineTheatertruppemitgutenSolospielern, doch ohneDirigenten, ohne zügelnden,erziehenden Regisseur-. Zwischen Artikeln,an denen sich jederGebildete freuenkann,tummeln sichalteZeilenschinder,»Börsen- courierpferdeundReitdamen inunsauberenSätteln. Manchmal siehtdie Geschichteaus, alshätteeinStammtischeineBierzeitung zusammengestop- pelt.KeineinzigerPolitikerimdichtenHaufenderRedakteure. Keiner,der morgensundabends sagt,wasderTagvom »Tag« heischt.Keinerleuch- teterDespot,derdenakkumulirtenKrästendieRichtung weistund derVer- geudungvonEnergiemengen wehrt.Daistsdennnicht wunderbar, daßdie Sache schonjetztverlorengegebenwird undman selbstvontreuenAugusti- nern aufdieFrage,ob der»Tag«gehe,diederstettenheimischenWitzruhmes- halleentlebnteAntworthört:Warumsollernichtgehen,daNiemand-ihnhält?

DerFalldünktmich wichtig,vielwichtigerals dieFragedesRassen- notariats,alsdie zum EkelbeschwatzteJesuitenhetzedesneuen Rousseau

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280 DieZukunft.

mit demwaldeckischenCivilistenhochmuth.HieristeinAnfang,einSaum- pfad,der ausden übeldünstendenNiederungenunsererPreßmisereaufwärts führenkönnte.HieristzumerstenMalderVersuch gewagt,dieZeitung aus denSklavenketten zubefreien,dieKapitalisten, Telegraphistenund Reporter ihrinnächtigerStille geschmiedethaben,undsieDenenzurück- zugeben,diesie schufen,denSchreibern,denProduzenten,denenRäuber daszurProduktionnöthigeWerkzeugentrissen haben.Einsteinreicher Mann gewährtJedem,derEtwaszusagen hat, »vollsteMeinungfreiheit«, läßtjeden VorgangvonverschiedenenStandpunktenausbeleuchten,fordert nicht, daß feiner Kundschaft frühundspätdieselbeparteiliche Weisheit in dieHirnegehämmertwird,undschlägtvon derLiteratur zurPresse endlich, endlichwiederdie Brücke. Einprachtvolles Programm,dem HerrScherl, trotzallerJrrung undWirrung,bisheute nichtuntreu geworden ist.Underbezahlt seineLeutegut.Jsts nichteinSkandal, daß HerrKrebsalserster MusikkritikerderVossischenZeitung,dieMillionen einbringt,wiefrüherFontaneeinenMonatslohnvonzweihundertMarker- hielt? Jsts nicht für SchreiberundLesergut, daßfeinneuer Herrihmdas Dreifache zahltundihn sovonderLastderNebenfrohndiensteentbiirdetP Wäreesnicht schmählich,wenn wir eineZeitung,die unsmehr werthvolle Artikelgespendethatalsjeein berlinerTageblatt, thatloszu Grundegehen, mitverschränktenArmendenschönenPlanscheiternließen,denRaubbauern, KupplernundKulitreibern,denEntmannern unserer impotenten Publi- zistilallein zurLust?Dannwürden dieLeute,die mitöffentlichenMeinun- genhandelnwie derNachbarmitTiillgardinen, Terminweizen,Leibwäfche oderWaterclosets,dieschlaffenHängebäckchenausblasenundgrinsen: Seht Ihr, anders gehtsebennicht!...UndHerrScherl soll schonmüde,halb undhalbschonentschlossensein,denkostspieligenKampfaufzugebenund den ,,Tag«,derso hellzuleuchten bestimmt schien,inssanfteDämmerlichteiner ,,UnterhaltungbeilagefürdieProvinz«niedertauchenzulassen.

ImKarnevalistManches gestattet. SelbstderGrößenwahnverliert daeinenTheil seiner Widrigkeit. Sonstwärsja vermessen,einen Manndi- rektanzureden, derdieErdachse,wennernur wollte, fastneunzehnmalin vonihmbedrucktesPapierwickeln könnte und in einemJahr achtzehntau- sendPrivattelegramme empfing, alsorundfünfziganjedem Tag. Doch ich binde die Maskevor. Nunwirdsgehen.

LieberHerrScherll

Du—- imKarnevalduztderMilchmann sogarden Millionär

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Der»Tag. 281

hastdieHandüber den ganzen Erdboden. MossehastDuaufeinen Rittin den Sandgestreckt,UllsteinDirtributpflichtig,SpemannzumBasallenge- macht,Krönerselbst,Cottas stolzen Erben, genöthigt,Dirin der weiten Weltnachzuahmen.Duhast645000 zahlendeAbonnenten undsoviele Jnserate,wieDuhaben willst.DuversteuersteinMillioneneinkommen, läßtbeiHundekehle,zwischenWertheimundFürstenberg,einenPalazzo leerstehenundrufst,wenn DeinHaupthaardesSchnitters harrt,denLeib- friseurvonBerlinnach Gastein.DeinenBotschafternöffnetsichvorn sogar injedemReichs-und Staatsamt dieThür, excellenterHerrenhöchstes Glück ist,miteinemneuen Stern, excellenterDamen sehnlichsterWunsch, mit einemhübschenKind in die»Woche«zukommen,undweilDeinSpezial- photographdreiAusnahmen braucht, müssenEhrencotrpaznien,müssen ganzeRegimenterdreimalaneinemTagimParademarsch schwitzen.Du bistin der inneren wie in deräußerenPolitikeinFaktor,mit demmanrech- nenmuß;wenn DuDeinen 645000Kunden einJahr lang sagst,aus DeutschlandmüsseeineRepublik gemachtwerden,gegen die Rom undSparta Nonnenklösterseien, glaubenesmindestens sechsMillionen Menschenund wirhaben, ehe nochBernhardBülowdieletzteEhre erwiesen ist,diepoli- tischeRevolution. Alleshast Du, Geld,Macht, Wirkung, Alles,wasMen- fchenBegehr.Manche sagen,DirliegeansichtbarenZeichenhöfischerGunst unddeshalb werdestDu nie wider denStachellöken. Dasglaubeichnicht.

Eben hastDu die KronezumrothenAdlervierterKlassebekommen;einen Beamtenorden.DieBureaukratie hatsichvon demSchrecknoch nichter- holt.Nunkannst Du, nach einerPause, nochdiedritteKlassekriegen.Dann aberists ziemlichaus,wenn PreußendenPreußenscheinwahrenwill. Dann biftDu aufderEhrenleitersohochgellettertwie einDutzendtshinownik.Das kann Dich nicht reizen. Reizte Dichs,DuwürdestvonZeitzuZeitdenMaß- gebenden zeigen,daßDuauchunangenehmwerdenkannst.Denn Dubistklug.

NichtnureinGeschäftsgenie,wiesieDichnennen. EingescheiterMensch.Das ist mehr.DeineSparkassenvorschlägewaren verständig,aufdemBoden kichtigerPsychologiegewachsen,DeineVolkstheaterplänenur noch gührend, Uvchungeklärt.AlsEisenbahnminister würdestDu sicherNützlichesleisten.

Aberwir lebeninPreußen;da wirdallenfalls einBallien,aberkeinAugust Scherl Excellenz.Wasalso willstDunoch erreichen?

DustehstjetztamScheideweg.Lokalanzeiger,Woche: wunderschön;

UnzählbareGoldstückeundinderKulturgeschichtevorAschingerundhinter WertheimeinPlätzchen,dichtbeiLoeserFrWolfsundTietz.Daswar,wird

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282 DieZukunft « esheißen,einMann,derdengutenEinfall hatte,diePolitikausderZeitung zu treibenund dieKundschastmitNachrichtenundBildchenzustopfen,bis sievollwarundinseligerSattheit entschlies.EinriesiggerissenerGeschästs- mann,derMillionen über Millionen häuste.Paßt solcheJnschristDiraus derTotentaselPDukönntestesbesserhaben.Bedenke:beiSchmargendors hatMosseeinWaisenhaus gebaut,dasauch nicht mehrimGeringstenstinkt undeinen vielschlimmerenSünder vorderNachwelt entsühnenwürde. Du kannst mehr leisten, kannst, August Scherl,G.m.b.unsterblich sein.

Führeden»Tag«zumSiegund dasGermanenheldenbuchwirdvonDir melden:Dieser gabdieZeitungdenZeitungschreibernzurück,ließvonehr- lichen, tapferen Leuten,MännernundFrauen,derZeiteinensauber abge- putztenSpiegel vorhalten. Thus; und wirjubeln Dir, schwingenDirPalmen- zweigeundMossesWaisenhaus zerbröckeltim Lied.

UndfängstDus feinan,nachDeiner Art, so wirst auchdamitDu Geld verdienen. Nurweg mit demAbendblatt;eineAusgabe, die, frühoder spät,allesWichtige bringtundvongebildeten für gebildeteMenschenher- gestellt ist. Weg auchmitdenBildern;die regen uns Brechreiz.Wir kennen de Wet nun, wissen,wieWaldersee aussieht,mit undohneGa- maschen,imHelm,in derMütze,mitinterimistischem Fernrohrundde- finitivemFeldherrnstab. Auchan denbritischenUnisormen habenwir unssattgesehenundlangen nichteinmal nachdemVerbrecherschädeldes rücksälligenMörders MilanObrenowitsch.DieJllustrationenmaschinekann derLokalanzeigeroderdie»Woche«gebrauchen;amBesten wärs,Du schenktestihnen auchdenZweifarbendruckgleich noch dazu. KannstDu Zeichner finden,die eingetreues Portrait, einelustigeKarilatur im Stil Caran d’Achks,Brunos Pauloder LåandresodergareineSatire imStilForainsoderHeineszu Stande bringen:samos;dochauch daraus können wirleichtenHerzensverzichten,wenn DeineLeute unterguterLei- tungangutemWerksind.SolldasWerkgelingen, darfstDunichtAlles imHausarbeitenlassen.Wirersterben nichtvoreinemGeheimrath;aber derdümmsteGeheimrathkennt dasGesetz,daseralsTischler behobelthat, unddieMaterie,dieesglättensoll, besseralsderRedakteur,dergestern inChina, heutebeiChristinevonSpanienwar, inzwischenMalthusaus- gegrabenundPettenkoser eingesargt hatundzumAlpenfestkatersrühstücl

nun einenausgenommenenHeringinsaure Lorbersaucelegt.Wenn der HosenschneideranDeinemFrackrumpsdieArmlochweiteausmessenwollte, würdestDugrob. Undwirsollen, ohnezuklagen, leiden, daßeineeinzige

s

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DerTag. 283

WerkstattunsallerWeisheit letzteSchlüsseliefert.Wirlechzen,Abertau- sende,nach einergeruchlosenZeitung,dieaufallenGebietenSachverständige zum Wortkommenläßt,dochauchnicht verschweigt,wensie,unszubelehren, heranzog,nichtmitoffiziösenSchmuggelkonservenunsdenMagenver- dirbt, nacheinergeschriebenen,nichtausDepeschenundReporterquarlzu- sammengeklebtenZeitung, nach einer,dienicht,umvorHerrnOmneszu dienern, schonöffentlich,also halbwelk gewordene Meinungen weitergiebt, sondern durchdenmuthigenAusdruckpersönlichenMeinens dasöffentliche sachtzu bildenversucht.WerdieseZeitung macht,wirdmehrgethanhabenals Pettenkoser,der ausseinerHeimathStädten denunterirdischenUnrath fort- spültezunderwird nebenbeinochvielGeld verdienen-

Das hatKeinernochDirgesagt? Natürlich.Duthronst,wie ein Herrgott,in Wolken.Männer,dieDir Arbeitgenossenseinsollten, suchenden Blick DeinesBarbiers,umzuerspähen,mitwelchemFußDeineMajestät morgensdemBettentstieg.KönntestDuDichnichtbequemen,unterunsSterb- lichenzuwohnen, »mitzufühlenFreud’und Qual«? Das thatmanchmal Mahaddhselbst,derHerrder Erde.JetzthastDueinenHofstaatundDichum- dräut die in allenZeitenundZonen unveränderlicheMonarchengesahr.Wo- hinDeinAugefällt:AllesistDir unterthan,in DeinemSold,DeinesWinkes gewärtig,vonderFurchtvorUngunstoder derSehnsuchtnachGnadenim Willenbelastet.Mich kannstDunicht miethen, mir kannstDu nichtsbieten- Deshalb sprachich Dichan. Aergerts Dich?Ganz ohne Rechtstitelbinich nicht.Denn—unteruns—: DeinPlanwarmeinPlan, ehDu ihn hegteft.

DenHerrenSpemann,Vater undSohn,dieihnDir servirten,habeich ihn mehrals einmalausführlichdargestellt.DieVerbannungderAnonh- mität,derBruchdesBrauches, täglicheinenpolitischenLeitartikelzubacken, der Keinemschmeckt,derEntschluß,ReporterundRellamemacherausdem Tempelzujagen,denNachrichtenstofskondensirtzubietenundeinenGegen- standvonverschiedenenSeitenbeleuchtenzulassen: dieseSächelchenstam- men,nebstderGewähr »vollsterMeinungfreiheit«,dahilftnunnichts,von mir. DuwirstmeinKindmirnichtimLenzdesLebenserwürgen, wirst MosseundLessingnicht den Triumph bereiten, daß sie sagen dürfen:

Ueber dasDruckmaarenhausAugust ScherlG.m.b.H.konnteerdochnicht hinauslDuwirst,Dumußt unserHoffenerfüllen. Giebst Du, nachder erstenEnttäuschung,meinenGedankenauf, dann, CaesarAugustus,kann esgeschehen,daß,kehreich wirklichnocheinmalphysischundpsychischunge- lähmtvonderWeichselmündungheim, ichihn selbstzugestalten versuche-

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rezepten die Wirkung versagt bleiben mußte. Heute kamen die Grundbesitzer, morgen die Exporteure und übermorgen die Kleinhändler mit einem An- liegen; bald sollte ein

Das patriarchalische Verhältniß zwischenPrinzipal und Gehilfen, in dem der Prinzipal väterlicherFreund und Berather des jungen Mannes, der Gehilfe aber der treue Mitarbeiter

Unsere verhätschelten Staatskünstler sind so überaus redselig. Sie schwärmen von neuen Welttheilungen, bei denen Deutschland nicht zu kurz kommen dürfe, locken die Phantasie

Diese relative Besserung darf aber doch nicht darüber hinwegtäuschen,daß die Geldverhältnisse erheblich schwieriger sind als in der selben Zeit früherer Jahre und daß die Lage erst

Immerhin gehen auch bei ziemlich kollektivisirter Wirthschaftsührung die Vortheile nicht so weit, wie Frau Braun annimmt. Jch kann mir nicht vorstellen, wie eine Wirthschasterin

»Die ausschlaggebeude Bedeutung, die der Körnerban noch immer fiir den landwirthschaftlichen Betrieb besitzt, bringt es mit sich, daß die Forderung einer für die

Direktoren von ihrer Geschäftsführung erreichenwollen, auch wirklicherreicht wird- Gerade in einem Jahr, wie das letzte eins war, kommt es nicht in erster Reihe darauf an, einen

305 die einzige Quelle der Erkenntnißhingewiesen; da er aber noch nicht weiß, daß alle Logik in den Gewohnheiten der Sprache steckt und daß selbst der fprachliche Ausdruck für