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Die Zukunft, 18. Februar, Bd. 26.

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Berlin, den 18.Februar 1899.

ff- rIs .«. »

Fastenspeise.

Mkaußenleuchtetdiewarme Lenzsonne,dasQuecksilberhüpftaufdem Thermometer zwischendemsiebentenund demachtenWärmegraddes wackerenUpsalersCelsius umher,in den berlinerMiethkasernensindalle Fensterweitgeöffnet,betriebsameWirthehabendie denSommergarten markirendenPflanzenaus demKellerflinkin denHofgeschafftundim Grunewaldwurden dieFastnachtpfannkuchenimFreien verzehrt.Die nord- deutscheMenschheit begrüßtdasWunder diesesin denFebruar hineinge- zaubertenFrühlingswie einunerhosftesGeschenk,dasnochherrlichereUeber- Vaschungenverheißt,undläßt sichvondemGedankenandenMärzschnee, dervielleichtbisOstern fallen könnte,nicht schrecken.DerPelz,den ein MannvonalterdeutscherArtsonstbisHimmelfahrtträgt,hängt,mit Kamphertütchenin allenTaschen, schonimSchrank,dergelblicheSommer- Paletotistauslanger Haft erlöstundbeherzteDamen zeigenmittags auf derStraßedieprallenTaillenihrerengenenglischenKleider.Ringsum sieht manvergnügteGesichterundselbstdieLeute,denen esnichtmehr gelungenist, neue preußischeKonsolszu92zuerstehen, schmunzelnmunter in den

SonnenscheinUnd dabeiistsmit derFaschingsfreudewieder einmal aus, die

kümmerlicheberlinischeKarnevalslust ist verbraustunddieernste Fastenzeit hat begonnen.Schonregensichin denkatholischenProvinzendieFastenpredi- ger, derBischofvonMünstereisertgegendasböseGeniederDichterundDenker UndderAbgeordneteLangerhansredetsooftwiein denTagen, daseinepariser Tunte fürdiedeutschePolitiknoch pythischeBedeutunghatte.Sollman sich bei demschönenWetterdadurchdieLaune verderben lassen?OderTrübsal

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blasen,weil ein paar löbtauerArbeiter,die imBierrauschin eineSchlägerei verwickeltwurden,insZuchthausgesperrtwordensind? Unsinn:denanbot- mäßigenMassen-kanneine derbeLehrenichtschaden;und derArbeitgebende Unternehmer mußHerrinseinemHausesein, mindestens,bis esihm einstürzt,wieneulichinHalensee,undeinMenschenhäusleinbegräbt.

Schlimmer istschon,daßdieFreisprechungdesHerrnAlfredDrehfuswieder zweifelhaftgewordenist. Parisist fürunsdochvielwichtigerals Löbtau.

Dieser nichtswürdigeSenatspräsidentQuesnahdeBeaurepaire,dersein AmtunddenAnspruch auf Pension geopfert hat,um Artikel zuschreiben, fürdie ernichteinmalHonorarbekommtunddie derseitMonaten alsge- wonnen betrachtetenSache plötzlicheineneue Wendung gegeben haben!

Gern würdemanihmeinelängereFerienmusseaufderTeufelsinsel gönnen.

Immerhinkannman einstweilenzumZeitvertreibwiederüber die Ver- rottungder-französischenZuständewettern, sich wonnigin derheimischen Herrlichkeitspiegelnund dieWohlthaten preisen,die unsdiedeutscheRecht- sprechunginihrer weisenMildetäglichgewährt.Nein:derDeutschehat, selbst wenn ernichteinbegnadeterMärker oder einfürdiePuppenalleegewor- benerBildhauer ist,keinenGrund,in Sack undAschezu trauern. Hatder GaliläernichtdenFastenden zuger«usen,siesollten nicht sauer sehenwie die Heuchler?Undhaben kluge PäpsteundkleinereKirchensürstennichtden«

Gläubigenerlaubt, währendderFastenzeit, sogar währenddergroßendes jejuniumquadragesimale, fürdieeinzigeMahlzeitdesTages Fische, Eier,Milch,ButterundKäseaufdenTischzubringen,wennsienurdas arge Fleischmieden und lieberfleißigFastenbrezeln aßen,die inLangegesottenen Bracellen, die,alsgebackenesSymbolder zumGebetoerschlungenenHände, seitdenKindheittagenderChristenlehredemAugedergeweihtenSittenwächter wohlgefälligsind? Nochlebenwir, trotzderthurmhohenTürkenfreundschaft, janichtnachderislamitischenSitteundnachdemKoran, dessenzweiteSure währenddesRamasansalleMohammedanerzustrengemFastenzwingt...Der·

verfrühteLenzläßtinfroh gestimmtenMenschendesfleischlichenGelüstens wilden Urtrieb erwachen.AnheiterenEreignissenist heuteinDeutschland keinMangel.Wirbrauchen,um unsihrerinRuhe freuenzukönnen,einen Butterbrief,einennachderOrdnung gestempeltenSchein,der unsgestattet, diekargeFastenzeitmit etwasfettererundwürzigererSpeiser unterbrechen.

Unwenn wirihn hätten:waswürdenwirthun?

Aus demThiergarten sind noch nichtalle-Bäumeentfernt.Dakönn- ten wir unsaufeineBank setzenundderFrage nachsinnen,wieesaussehen

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Fastenspeise. 275 wird,wennzwischendemGroßenSternund derSiegessäulenurnochPuppen stehen.KeinBaum mehr, höchstensnochniederesStrebergesträuch, und dazwischenlauterBurggrafen,Markgrafen,KurfürstenundKönigeimweißen Paradeanzug,mitihrenMarmorbankbeamten. Schattenwird derBerliner dannvergebens suchen;aberdie Liebe zumangestammtenHerrscherhaus wirderimSchweißseinesAngesichteslernen.DiemeistenVäumesindschon gefällt;schreitetdieArbeitweiterso rüstigfort,dannwird mansichimHoch- sommerbei denZeltenin dieLüneburgerHaideträumenkönnen.Schade, daßdieVerwaltung öffentlicherGärtennichtzumRessortdesHerrnvon Podbielskigehört.EinesTagesmußja docheiner derhauptstädtischenAb- geordneten wegen derVerwüstungdcsThiergartensinterpelliren;dann würde derforscheHusarenhäuptling,derimParlamentdenTonaltberlinischerPossen, svzwischenThomasundVendix,anzuwendenliebt, sichvonseinemSitzerheben undungefähralsoimNamenderStaatsregirung sprechen:»Aber,meine-Her- ren,diepaarBaumftümpfemachendenKohl dochnichtfett.DasZeug stand janurimWege,wie mir mitunter einFremdwort, dessenSinnich nichtkenne undumdasich dochnichtrumkommenkann. Js jaAlles Unsinn! Schonein inzwischenverstorbenerDichter,denEinigevonihnen, wieichhöre,sehrhoch schätzen,ließeinekeckeberlinischeVolledienur fürNatur schwärmende Mutter fragen,wassiedenn diejrienenVeemeangingen.SiewollenWald?

Machenwir:FuhrenSiefüreinenGroschennachHundekehle,dannhaben Sie dieNasevollWald undkönnensogareineAnsichtpostkartean die liebenVerwandten schreiben.Soverdient derEisenbahnonkelundderPost- schwedeauchwas. UndwennSieaufdemRückwegüber denKurfürsten- dummin,Jndien«einkehrenundbeiSchaurtiåAbendbrotessen,sehenSie gleichdieStätte,woich zuerstSozialpolitik großenStils getrieben habe.

Was?InderStadtsollderWaldsein?Mittendrin? HastDuWorte?

HUstDuTönePNehmenSie mirsnicht übel,aberichverstehewirklichnicht, wieman solchenSums machenkann.Ein Waldin derStadt? Wenn ich nichtfürchtenmüßte,gegen die SittedesHohenHauseszuverstoßen,würde ichmit demmodernsten Poeten fragen: ,Jstdenn keinStuhldafürmeine Hulda?« EinköniglicherPark,dendiegnädigeFreigiebigkeitdesAllerhöchsten HerrnineindynastischesMuseumumwandeln will, ist dochkeinKindergarten Und keinBummlerparadies. Uebrigens istdieAbholzereifürdieDienstspritzen jasehkamusabel.UndschließlichbinichnurmeinemVorgesetztenfürmeine An- ordnungenRechenschaftschuldigundkannriesigekligwerden,wennmir einUn- bengterin dieParadefährt-.«HerrKügler,derDirektor imKultusministeri-

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276 DieZukunft.

um,würde beisolchenWortenaufseinem Referentenstuhlerzitternundeinen ängstlichenBlickaufHerrnvonHammerstein-Loxtenwerfen,demerneu- lichso allerliebst heimgeleuchtethat.Und derMinisterfür Landwirthschaft, Domänen undForsten, dessenOlympierhaupteinesehrsonderbareNational- ökonomie undVerkehrspolitikentkeimtist, würde, rathlos zwischenFreude undVerlegenheitschwankend,noch wenigeralssonstwissen,obermild oder schroffaustreten,dieAgrarierstreichelnoderschmähenunddie unverantwort- lichen Reichsbeamtenmitsüßenodermit bitterenSätzen bewirthen solle.

WennamTagvorderFastnacht achtGrad Wärmeverzeichnetwerdenund derWochenschlußwiederSchnee bringen kann, ists selbstfürdenSchwieg- samstenschwer,stets nachdemrichtigenThermometerstand gekleidetzusein.

UmAllean gefallen, mußmandielächelndeBehendigkeitdesHerrnvonBü- lowbesitzen,der,wieesheißt,demDeutschenReichschon-wiedereinenbeträcht- lichenpolitischenErfolgerredethatunddeshalbim Auslandmitverdächtigem Eifer gefeiertwird,oderdieGedulddesHerrnKirschner,derwie einartigesKind aufdenTag seinerKonfirmationwartetundgewißnochbestätigtwird,wenner vordenGräbernderBarrikadenkämpferstattderbedenklichenerstdieharmloser klingendeJnschriftangebrachthabenwird:»FiirMänner!«Dannwirdso- gar derguteHerrvonLucanusdenreuigen SündernichtmehrüberdieAchsel ansehen, sondern, so oftereinBedürfnißnachErleichterungspürt,inheiterer ErinnerungandenFriedrichshain stöhnen:»DieInschrift!DieJnschrift!«

...ImentlaubtenThiergartenkommtmanaufunerlaubte Gedanken- DerButterbriefwürde den Bittenden gewißnicht gewährt,damitsieden FastendispenszuhämischenGlossenüberStaatssekretäre,Ministeroder gar Hofdienstbotenbenutzen.Aschermittwochistvorbei,dercarrus navalis rollt nicht mehr durchdasdeutscheLand,mit demplumpenMaskenballspaßist auchdasFaschingsrechtfreimüthigerNarren zumSchweigen gebrachtund das petitcochonunddie demoisellesämarier derFrauYvetteGuilbert habendenReizderNeuheitverloren. Giebt es dennnirgends mehreinen Unterftand,wodernach bitternißloserHeiterkeitLangenderastenundsich, ohne Winterpaletot,insSonnenland derConfetti versetztglaubenkann?

EinemPfiffigenkam derEinfall,den alsGastdesKaisersinBerlin weilendenFürstenvonMonacoaufzusuchen.Dienochnicht verhaftetenDi- rektoren des KlubsderHarmlosensind, so dachteer,sämmtlichschoninter- viewt;aberAlbertHonoriusKarl,vonGottesGnadenFürstvonMonaco, deraufdemHundekopfresidirt,woeinstdemHercules Monoecus ein Tempel ragte: darauf ist nochKeinergekommen.DerZar hat sichnichtge-

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Fastenspeisei 277

scheut,seinmodernes DenkendemJournalistenStead zuerschließenund offenzusagen,wiegering ihmderWerth dergepriesenenpolitischenMächle- reienunsererTage scheint. VielleichtwürdeauchderSelbstherrscheraller MonegasseneinBischendenSchleier lüften,der dasGeheimnißseines Sinnens denBlickenverhüllt.Erschreibtja selbst, spielt nachMonarchen- artgern den MaecenundseineliebeFrau, MarieAlice,geboreneHeine,ver- wittweteRichelieu,protegirteinenmerkwürdigunmusikalischenMusiker,der Nichtimmer,wieseitein paarJahren,JsidordeLarahießund dendieFür- ftengemächerinMonte Earloso häufiggastlichumfangen, daßböseBuben schonandiePalastpsorte schrieben:Ici dortdeLarat EinVerfahrenwe- genMajestätbeleidigungwurdenicht eingeleitet. SonstwäreamEndeirgend ein Labori ausParis gekommenundhättevorvergnügt schmunzelndenHa- zardspielernundHorizontalendieFamiliengeschichtederGrimaldis,der ersten FürstenvonMonaco,undihrer Erben,derGrafenGoyon-Mat-ignon,erzählt.

DynastischeLegendenmüssenmitVorsicht behandeltwerden ; und in einem Lande,dessenFlächenraum21Quadratkilometer umfaßtunddessenBevöl- kerungfast13400 Köpfezählt,sprechenentschleierteGeheimnissesichschnell herum. AuchinBerlinwürde derFürstdarübergewißnichtplaudern.Viel- leichtüberTiefseeforschungenoder übereinanderes,ebenso gelehrtesund langweiligesThemaausdemBereichderNaturwissenschaft,deneralsemsi- getDilettant mitseinerHerzensneigungbeglückt.Einerlei: dieLeserlechzen ImchLustigem,nachimstärkstenLokalanzeigerstilSensationellem,dasihnendie AschermittwochsstimmungverscheuchenundsiefürdenhellenFebruarsonnen- scheinnoch empfänglichermachenkann. AlbertHonoriusKarlmußhelfen.

ErstandinRegentenhaltungeinemSpiegel gegenüber,in denerab undzu einentiefernstenBlickwarf·Ueberseinem Fenster wehtedieroth- Weiße,horizontal geftreifteLandesflagge. Aufdem Tisch lageineBrieftasche mit demRautenwappenin Silber undRoth.EineechteMonarchengestalt vonerhabenemAdel in denfeinen,geistvollenZügen.

"

»DenkenEureHoheitgarnicht daran,in den Kreis derKulturstaaten einzutretenunthrem arbeitsamenundreifenVolkeineVerfassungzugeben?«

SeineHoheitgeruhten,mild zulächeln.»Nein,darandenkeichnicht.

SehenSiesichumin meinemReich:dablühtdesBürgersGlück in nie be- wölktemFrieden; unddiesesGlückgönneichmeinenMonegassen.Uebrigens würdeichmichnichtfür berechtigthalten,auchnurdenkleinstenTheilderMon- archengewaltzuopfern,diemirdurchGottes Gnade anvertraut istundfür derenGebrauchichalleindemHöchstenverantwortlichbin.Jm europäischen

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278 DieZukunft.

WestenwerdendieAllerhöchstenHerrenja schonvomPöbelinihren Rechten bedrängt.Und im Südenbinich, außerdemSultan undNiki vonMonte- negro, eigentlichheute schondereinzigeabsoluteHerrscher.Ich habeeinen Generalgouverneur,einenStaatsrath, in demsiebenKomparsen sitzen,und einenGerichtshof,dessenMitgliederunabsetzbarsind.Scheinbar istdieVerant- wortlichkeitalsoaufAndereabgewälzt.InWirklichkeitbestimmeichAllesselbst undlassemirnichtdreinreden.NurumdasZollwesenkümmereichmichnicht undüberlasseesdenFranzosen.Das mirnöthigeGeldliefert derKafinopächter

"

inMonte,—undimUebrigeninteressirendieFin anzsachenmichnicht.Mein VolkhatAlles,wasseinHerzbegehrt.Sogar fürdiereligiösenBedürfnissesorge ich, halteeinenBischof,DiakoneundAkolytenundleistein meinerKache- draleInszenirungen,derensichIhrHofausstattungtheaternichtzuschämen brauchte. FürdasleiblicheWohlderBevölkerungsorgtdie Administraiion desJeux,die den Leutensovieleverdienengiebt, daßsiesichmit derkummer- lofenLustigkeitgeputzter OpernchoristenunterdenFremden bewegenkönnen.

Wassoll ihneneineVerfassungnützen?AndemokratischenEinrichtungen fehltesuns nicht.WievorGott, so sind auchvordemEroupierAllegleich.

KeinUnterschieddesRangesundderKlasse gilt,wenn derRuf erschallt:

·Rougegagne etla couleurl UndSiehaben vielleichteinmalgehört,daß selbstdemMarquisvonSalisburhanderKasinothürderEintrittverweigert wurde,weilerimabgetragenenIacket erschien.Die Kulturvölkerkommen zu uns, dieSchwindfüchtigen,BronchitifchenundGeldgierigen; wozusollen wirihremBeispielnachstreben,dessenAllheilsamkeitmirnichteinleuchtenwill?

MeineUnterthanen brauchen sich nichtzuquälen dasBischen Export vonThonwaarenundParfumerien spieltkeine Rolle—,ihnen fällt, ohnedaß sie sichanstrengen,Alles in denSchoß.EuerfestländischerKonstitutionalis- musistja dochnichtsals einevergoldeteLüge,die einFürstvonGottes Gnaden immernurwiderwilligduldenwird.FragenSieinLaTurbie,inEzeoder in derResidenzMonaco,obdieLeutesichnacheinemParlamentsehnen! Ich betrachtemichals denVatermeinerLandeskinder,vondenenjedesmeinemHer- zengleichnah steht »undzujederStunde einoffenesOhrbei mirfindet. Ich faullenzenicht.SehenSie:ebenhabeichvonhieraustelegraphischregirt;da liegt nochdasBrouillon. Eshandelt sichumeineMaßregelausgleichender Sozialpolitik. Bisher mußtendieFremden,wenn sie nach elf Uhrabends weiterfpielen wollten, nach Nizza fahren. Ich habe angeordnet, daßihnen künftigdie ganzeNacht hindurchin MonteCarlo Gelegenheitgegebenwird, sichim Trente etQuaranteundin anderennützlichenSpielenzu üben.«

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Fastenspeise. 279

»Bei solchergroßherzigenGesinnungwerdenEureHoheitgewißge- neigt sein,denedlenPlandesKaisersvonRusslandzufördern?«

»Persönlichbinich ander Sache nicht sehr interessirt.Jch unterhalte zwar eine Armeevon121Mann, glaubeabernicht, daßichin derLagewäre, dieZahlzuverringern,denndieLeuteseheninihrenbuntenUniformen gut ausundman würdeamEndesagen, ichwolleknausern. Dochwerdeich, wenneineEinladunganmichergeht,dieAbrüstungkonfekenzbeschicken.Viel wird dabeifreilichkaumherauskommen. Ich theile völligdieAnsichtJhres Kaisers: so«langedieMenschheitnichtvon derErbsündeerlöst ist,werden dieeinzelnenIndividuenund Völkereinandermit allenListenundGewalt- mitteln zuübervortheilensuchen.DieseErwägunghat michja auchbestimmt, dasSpielin meinemKasinonichtzuhindern, trotzdem ichdeshalbüberall angegriffen und, höchstungerecht,schnöderGewinnsucht bezichtigtwerde.

Kann ichdie luesludendiausrottenPOder kannesmeingekrönterVetter, derKönig Cleopold,derinOstende ja auch mindestenseinAuge zudrückt?

Jsts nicht verständiger,denSpieltrieb,daereinmalvorhanden ist, inge- ordneteBahnenzu lenken und dersociety,dergutenundschlechtenGesell- schaftallerWelttheile,dieMöglichkeitdesraschenProfitesund einer Nerven- erregungzubieten,diesienichtmehr entbehrenkannund,wenn manihrdie Prunksälesperrte,indunstigen Spelunken befriedigenwürde?MeinVolk lebtbehaglichvon denLasternderanderen; undwenn ichmichüber dieZei- chenderZeit nicht täusche,sinddieHandelsvölkerderalten undneuenWelt inihrem politischenStreben vonmeinemSystem nicht mehrweitentfernt.«

,

AlbertHonoriusKarlhatte geendet.Als dasJnterview amanderen Morgenerschien,fandendieLeser,esstehenichts Sensationellesdrin. Sie hatten geglaubt,dermonegassischeAutokrat seialsSachverständigernach Berlin geladen worden,um mitseiner reichen Erfahrungdielangwierige Untersuchunggegen den Klub derHarmlosenin etwasschnelleresTempozu bringen,undgehofft,nun endlichAuthentischesüber denberühmtenHotel- Portier undseineweiblicheKundschaftzuhören.PolitischeundmoralischeVe- trachtungen:Brr!DasschmecktnachFastenzeit,mindestensnachden Semi- jejunien.Draußen leuchtetdiewarmeLenzsonneundanheiteren Ereignissen fehltesimDeutschenReichnicht.NuristnochimmerderButterbriefnichtins Landgegangen,derdenBürgern gestattet, dievaterländischenZustände,ohne dengroßenKirchenbannfürchtenzumüssen,inihrer wahrenKomik zusehen.

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280 DieZukunft.

Der deutsch-böhmischeSprachenstreit.

ÆsgehtschlechtinOesterreichSeitzweiJahren stagnirtdieparlamentarische

s- Arbeit,mitdem§14kannnur dasNothwendigsteerledigtwerden undAllesleidetdarunter; Gewiß: auchdas beste Parlamentzaubertkein Paradies hervor,aberderMangeljeder gesetzgeberischenThätigkeitist doch

anundfür sicheingroßesUebel.DazukommtdieSorgeumdieZukunft.

Wielangewerdendiese unhaltbaren Zuständenochdauern? Das Getreide wächst,dieFabrikschloterauchen,dieWerktagsarbeit geht ihren gewohnten Weg, aberaufAllenliegtdiedumpfe Sorge,wieeswerdenwird,unter- bindet dieThatkraftderUnternehmunglustigenundhemmt jedenkühnen,vorwärts führendenSchritt.UnddieseKrife mußdasohnehinzurückgebliebeneOesterreich ineinerZeit durchmachen,daringsumWelten erobertwerden undAlles sich wirthschaftlichdrängtundrüstet,umWeltpolitikzutreiben. Beiden EinenführenbereitsdieRadikalstenderRadikalen dasWort undbei den Anderenwerdensie,wenn dieheutigenZustände fortdauern, auch sehrbald andieSpitzetreten. DieVernünftigen,Besonnenen, Gemäßigtenflüchtensich erschrecktindenHintergrund. Gegendieneuen Heldenkommensie nicht auf·Humanität,Toleranzsind inVerruferklärt:derNationalitätenkampf nimmt dieerschreckendenFormen einesRassenkampfesan.

Dem,dernochnichtalleSehnsuchtnacheinemfriedlichenZufammenleben zweierKulturvölker verloren hat, wird bangumdieZukunft.Jndiesem wildenKampfe mußOesterreichzu Grundegehen,wenn nicht rascheinEnde ge- machtwird, Vonuntenodervonoben.Aber einEndemußder Streitfinden.

JnderletztenZeitwirdwiedervonVerständigungversuchengesprochen undeswirdvielleichtnicht ohneNutzensein,dieStreitpunktenäherzu be- leuchten,—- fo objektiv,wieeseben Einerkann,dermittenimKampfe sieht.

Der nationale Streit inBöhmen ist soalt wiedas österreichische Verfassungleben.Dererste Versuch, ihn durcheineVerständigungzuschlichten, diesogenanntenWienerPunktationenvomJahre1890,mißlang. Abgesehen davon,daßman denFehler beging,dieJungczechennicht zuzuziehen,konnte esnichtanders kommen, weilman dieGrundlageeinerjedenVerständigung, dieSprachenfrage,insuspenso ließ.Hätteman damals dengutenWillen gehabt,dieSprachenfrage fo-zu lösen,wiees dieBesonnenenund Ge- mäßigtenaufbeiden Seiten heute vielleichtgutheißenwürden, dieEntwickelung derneuestenGeschichteOefterreichswäreeineanderegeworden.Gegendie ZweitheilungdesLandesschulrathes,desLandeskulturrathes, überhauptgegen dienationale Autonomie ansichsträubtensichdieCzechenkeineswegs,aber denäußerstenWiderstand mußten sieeinerLösung dieser Fragenentgegen-

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Der deutsch-böhmischeSprachenstreit. 281 setzen,wenn nichteinegerechteLösungderSprachenfragevoranging. Sonst würde die nationale Autonomie, namentlicheinesolchemitKurienunddem Vetorecht,füralleZeiteneinHindernißdieser Lösunggewordensein.Die Czechenkönnennicht zugeben,daß ihre VolksgenosfenindendeutschenGe-

-bietenBöhmens ihr RechtinfremderSprache suchenmüssenunddaß siein irgendeinemTheil BöhmensdiestaatsgrundgesetzlichgewährleistetenRechte inBezug aufAmtundSchule entbehren sollen. Mögeman dashisto- rischeRechtder Länder derböhmischenKroneinBezugauf seine staatsrechtliche Wirksamkeitanfechten:dasVorhandenseineinesKönigreichesBöhmen,als Grundlageder Verfassungund mitallen Konsequenzen fürdieGleich- berechtigungderlandesüblichenSprachen,werdensichdieCzechennicht streitig machen lassen.Umso weniger,alssie nach ihrer Ansichtnur aufeinem gesetzlichgeltendenRecht bestehen,worin ihnenderoberste Gerichtshofin seiner neuesten Plenarentscheidungbekanntlichbeigetretenist-

DieDeutschen bestreiten dieses Recht auf Gleichberechtigungim ganzen Lande.DasWorts,,landesüblich«des Artikels XlX derVerfassunginter- pretirensieals»ortsüblich«undsie habenalleSprachenverordnungen,die im Sinne derGleichberechtigungergangensind,vonStremayrbis zu Badeni und Gautsch,aufdasAllerentschiedenstebekämpft.Siewollenesin dendeutschen BezirkenBöhmens so gestaltetwissenwie inSalzburg, Oberösterreichs.w., diedeutscheSprache solldiealleinigeGeschäftssprachesein,dieböhmische einefremde, nichtanders alseinejede sonstige nichtdeutscheSprache.Um MöglichftvielereindeutscheBezirkezuhaben,wollensie eineterritorialeAb- grenzung Esgiebt auch Solche,die eineabgesonderteVerwaltung sürdie deutschenGebieteverlangenundausdemTitel derStaatssprachedenAnspruch auf VorrechtefürdiedeutscheSprache selbstinczechischenBezirken schöpfen.

Mögeesmirgestattetsein,beideStandpunkteetwas näherzuprüfen.

BeiderForderungeinesausschließlichdeutschenSprachgebietesübersiehtman

nachmeinerAnsichteinen wichtigen Umstand:dasIneinandergreifender sozialenundwirthschastlichenEntwickelungder beidenGebiete. Dasdeutsche Grenzgebiet,rauher,gebirgiger, wenigerfruchtbar,war vonje her aufdie IndustrieangewiesenundeinederHauptursachenseiner Blütheundseines Reichthutneswar dieWirthschaftgemeinschaftmitdemreichen agrarischen CentrumdesKönigreiches,dasvon denCzechenbewohntwar. Daswar dasnatürlichste,nächsteAbsatzgebietfürdiedeutscheIndustrie,aberauchdas Reservoirfürdie indendeutschenFabriken nothwendigenArbeitkräfte.Und auch seitdemdiedeutscheIndustrieeineExportindustrie geworden, istdas böhmischeAbsatzgebietwichtigfür siegeblieben;außerdemistdieüberschüssige böhmischeAgrarbevölkerungnachwie vor fürdiedeutschenFabriken, für denreichen Bergbau geradezu unentbehrlich AufderanderenSeite hat

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282 DieZukunft.

selbstverständlichdieböhmischeLandwirthschaftaus denBedürfnissender- konsumtionkräftigenindustriellenBevölkerungihren großenNutzengezogen.

DasisteinenatürlicheWechselwirkung-durchdiegeographischeLageundKon- figurationunddurchJahrhunderte lange Anpassungbedingt—, die zuzerstören einWahnsinnwäre, weilesbeidenTheilennur Schaden bringenwürde.

Diese wirthschaftlichenVorbedingungendesZusammenlebensbeider Nationen imKönigreichBöhmen sindes, dieeineoberflächlicheBeurtheilung soleichtvergißtund diejedenVergleichmitSalzburg, Oberösterreich,Kärnthen ausschließen.Möchtenetwa dieDeutscheninBöhmen auchinwirthschaft- licherHinsichtmitdenBewohnernderAlpenländergleichgestelltsein?Oder kann Jemandbestreiten, daß ihre wirthschaftlicheKraft gerade durch ihre Zu- gehörigkeitzueinemwirthschaftlichenGebiet mithochentwickelterAgrikultur bedingtwar undesnoch lange seinwird? Endlich:wirdJemand leugnen können,daß dieses wirthschaftlicheIneinandergreifenunddiese Abhängigkeit zweierNationenvoneinanderin denSprachverhältnissenzum Ausdruck kommen muß,daßeseinegegenseitigesprachlicheDuldung geradezu erfordert?

DieDeutschenfühlenallerdingsauchdieUnentbehrlichkeitderczechischen Einwanderunginihre Gebiete,abersiefürchten,wiesiebehaupten,dieEzechi- sirung.Aberdoch wohl nichtdieCzechifirungderDeutschen.Das wäre widersinnig,denndieDeutschen sinddiewirthschaftlichStärkeren,alsozum nationalen Wettkampf besser ausgerüstetals dieczechischenArbeiter und Kleingewerbetreibenden.Sie könnenalsonur fürchten,daß die Czechendurch -die ihnenimamtlichenVerkehr gewährleistetensprachlichenRechtevonder

»AssimilirungandieDeutschenzurückgehaltenwürden, und siefürchtenweiter, daßdie amtirenden CzechensoforteinElement dernationalen Propaganda werdenwürden,so daßmit derZeitdiedeutschenBezirke ihren ausschließlich deutschenCharakterverlieren könnten. Wasnun dieBeamten anbelangt, wäre vielleichtdieGefahr nicht so groß,weilesdochnicht ausgeschlossen ist, daßeinTheilderdeutschenBeamten dieczechischeSpracheerlernt, und dieCzechenwerdensicherdieBeamtenpostenindeutschenBezirkennichtauf- suchen;dennesistnicht geradeangenehm,unter einerfeindlichenBevölkerung Beamter zusein. DaßdiezuströmendenCzechensich assimiliren,könnendie Deutschenaberüberhauptnicht mehr erreichen.

DieArbeiter, die kleinenGewerbeleute lassen sichja heutzutage nicht so leicht entnationalisiren,einenOrganisator findensieunter sichleichtgenug

man sieht ja, daßman imnationalen Kampfe ohne besondereBildung undGeistesgabenauchderFührereinesganzen, großenundkulturellhoch- stehendenVolkesseinkann—, und wenn eineGefahr fürdieDeutschen wirklichdaist, sowirdsie auch durchdasnur aufderOberflächewirksame MitteleinerausschließlichdeutschenAmtssprachenichtaufgehaltenwerden können.

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Derdeutsch-böhmischeSprachenstreit. 283

Aufderanderen Seite können dieCzechenihre Forderung nicht auf- geben, in ganzBöhmeninihrerSprachebei allenstaatlichen Behördenihr- Rechtzufinden.DieEinheitdesLandes in dieser Beziehungkannkeine VzechifchePartei und keinczechischerPolitikeraufgeben. Indem einigen KönigreichundinderGleichberechtigungbeider Völkerwurzeltallesczechische Staatsbewußtseinund dasAufgebendieserForderungwürde weder denGesetzen nochderZweckmäßigkeitentsprechen.Wäreman selbstzu einemsolchenOpfer geneigt, sowürdenesaber auch sozialeund wirthschaftlicheGründe ver-- hindern.Umgekehrt liegtdieSache fürdieDeutschen. Selbstwosiein czechischenBezirken ihremErwerbe nachgehen, sind siediewirthfchaftlich Stärkeren. Die DeutschenimczechischenGebietsindmeistIndustrielle, Kaufleute, industrielleBeamte,dieCzechenim deutschenGebiet,wiebe- reits erwähnt, meistArbeiter und Kleingewerbetreibende.Die Deutschen könnensichdaherim Falle derNothvieleherdurch bezahlteAnwältevertreten lassenundwerdenauchbeiczechischenBehördenimmerBeamtefinden,die des Deutschenmächtigsind. Die Czechen habenmitHunderttausenden ihrer Stammesgenossenzurechnen,die in dendeutschenBezirkenarbeiten, und können diesprachlichenRechtedieser wirthschaftlichSchwachenundBedrängtennicht aUfgeben.Ebensowenig darfDas der Staat. DerArbeiter,der kleine Gewerbetreibende,derdiedeutscheSprache wenigodergar nichtbeherrschts Unddemman dochdenRechtsschutzunddieFürsorgederstaatlichenVer- waltung nicht weigernkann,hat nachRechtundBilligkeiteinenAnspruch- daraus,inseiner Sprache RechtundBeistandzufinden. IndemZeitalter, dassichmitVorliebe dassozialpolitischenennt, sollteesfür ausgemacht gelten,daßderArbeiter dieselben staatlichenRechte haben mußwiedie- übrigenStaatsbürger; haterdochauchdieselben Pflichten,vorAllem durch- die indirekteBesteuerungunddieWehrlast.

Allerdingswenden dieVerfechterderZweitheilunginBöhmenein, der Arbeiter folleDeutschlernen. Nun,Dasist leichter gesagtalsgethan- undman hat jaim letztenSprachenstreitbiszum Ueberdrußvon jener Seitegehört, daßesfür denDeutschen,derBeamter werden will,eine UngeheureZumuthungfei,Czechischzu lernen. DerezechischeArbeiterkommt- Nichtals Bettler,sondern,umzu arbeiten, undermuß sichseinBrothart genugverdienen. DerdeutscheUnternehmerziehtausdieserArbeitfeinenGewinn UndkannohnedenczechischenArbeiter überhauptnicht existiren. Uebrigens- hatderStaat, daessich nichtum Einzelfälle,sondernum Massener- scheinungenanderssprachigerMinoritäten handelt, sicheinfachdenThatsachen anzupassenund seineAemterso einzurichten, daßsichdieAemterderBe- völkerungunterordnen,nichtumgekehrt.OdersollendieczechischenArbeiter-, weilsie derdeutschenSprache meist unkundig sind, faktischrechtlos sein?«

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Diese relative Besserung darf aber doch nicht darüber hinwegtäuschen,daß die Geldverhältnisse erheblich schwieriger sind als in der selben Zeit früherer Jahre und daß die Lage erst

Immerhin gehen auch bei ziemlich kollektivisirter Wirthschaftsührung die Vortheile nicht so weit, wie Frau Braun annimmt. Jch kann mir nicht vorstellen, wie eine Wirthschasterin

»Die ausschlaggebeude Bedeutung, die der Körnerban noch immer fiir den landwirthschaftlichen Betrieb besitzt, bringt es mit sich, daß die Forderung einer für die

Direktoren von ihrer Geschäftsführung erreichenwollen, auch wirklicherreicht wird- Gerade in einem Jahr, wie das letzte eins war, kommt es nicht in erster Reihe darauf an, einen

und als ob er jeden Griff genösse, wie etwas Neues, Angenehmes, zieht er sich- höher, als man gewöhnlich zu klettern pflegt. Er beachtet nicht die Aufregung des ohnehin

305 die einzige Quelle der Erkenntnißhingewiesen; da er aber noch nicht weiß, daß alle Logik in den Gewohnheiten der Sprache steckt und daß selbst der fprachliche Ausdruck für

Der Gegensatzzwischen einer wesentlich repräsentativen und einer mehr sachlich-sozialenRichtung wird sich ohne Zweifel in den nächstenJahren noch verschärfenz wenn er auch für

Der eingeschränktenForderung aber, daß rasch anwachfende städtische Gemein- wesen bei Zeiten Grund und Boden erwerben, um ihn als Bauland zu ver- werthen, kann auch