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Die Zukunft, 4. Februar, Bd. 26.

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Berlin, den i.Februar 1899.

W szs II-

D R. A.-G.

Æsgingnichtmehr. Jn Frankreich,demaltenProbirlandederneuen Mo- den,wareszuerstklarserkanntwordemNochimJahre1898hatteHerr Charles Dupuy,derMinisterpräsident,gesagt,dieSchwierigkeitderLage seiim Grunde dadurch geschaffenworden, daßzweiInstitutionenneben ein- anderbestehen.sollten,die mit einanderdochnichtzu vereinenseien;in einer auf roufseauischenGrundsätzenberuhendenDemokratie sei füreinstraff disziplinirtes,voneigenenLebensgesetzengelenktesHeerkeinRaum,—und OhneeinstarkesHeerkönne die Demokratie sichgegenfeindlicheodergierige Nachbarndochnicht behaupten.Dasklang erst befremdendundinDeutsch- landtröstetederPhilister sichandemGlauben, seinVaterland seivon der BerrottungfranzösischerZuständerechtweitentfernt;allgemachaber,als dieAnhängerschaardesdemokratischenSozialismusinsUnermeßlichewuchs, WardauchdemfrüherGetrostenängstlichzu Sinn. Schon jetztmußtejedes deutscheFamilienhaupt durchschnittlichmehralsfiebenundneunzigMarkim Jahrzu denHeereskostensteuern;dieZifferwürdeschnellsteigenundbald konnteeineZeit kommen,wofürdieBewilligungdesniilitärischenMilli- ardenbudgetskeineMehrheit mehr aufzubringenwäre. DerFriedenskonfe- kenzwareinbeträchtlicherErfolg nicht beschiedengewesenunddieBefehder des,,Militarismus« benutztennun schlaudieWorte desZarenundMichaels Murawiew für ihre Agitation. Auchsonstwar denRegirenden nicht wohl zUMuth;sie mochten sichmühen,wiesiewollten: siekonntenesKeinem mehr rechtmachen.DieVerhältnissewaren so komplizirt,dieAnsprücheso groß-dieBedürfnissesowandelbar geworden, daßdenaltenVerwaltung-

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rezeptendieWirkung versagtbleibenmußte.Heutekamen dieGrundbesitzer, morgendieExporteureundübermorgendieKleinhändlermiteinemAn- liegen;baldsollteein neues Absatzgebieterobert,baldderinnereMarkt gekräftigtund dasHandwerkgerettetwerdenund dieForderungendesJn- dustrieproletariatesverstummtennie ;dieseLeutewaren auchgar zubegehr- lich.Dann kamen dieeinzelnenProvinzenundKommunen mitihrenWün- schenundzwischennationaler PolitikundlolalerProfitgier solltein aller Eile einfesterBrückensteggezimmertwerden.Solchem Ansturmwar dieehrwür- digverwitterteFormdesVerwaltungwesens natürlichnichtgewachsen;ehedie Bureaukratie sichnochinneue Wege gewöhnthatte,war esschonwieder nöthig,ausdenneuen inneuere Pfadeeinzulenken,umdasraschwechselnde Bedürfnißzustillen.DieGeheimen Räthe stöhnten,dieHilfsarbeiter und Diätareschwitzten,die Aktenthürmtensichin denSchreibstubenzugelb- lichenWällen,diejedemLuftzugdenEingang wehrten.UnddasewigeWeh undAchmit denFinanzen! Täglichwurden andere»Kulturaufgaben«ent- deckt,fürdieGeldherbeigeschafstwerdensollte,undtäglicherschollauchder demMassensinn stets schmeichelndeRus,die Steuern müßtenermäßigtwer- den.Dabeiwurdeesimmerschwerer,neueAnleihen unterzubringen,weil dasPublikum sichvondenreicherenGewinnverheißendenJndustriepapieren undvondenexotischenWerthen nicht fortlockenließ.DasmystischeWesen, dasman denNationalwohlstandnennt,wuchszwar, abersein Wachsthum war mit derZerrüttungderVolksgesundheittheuer bezahlt.Eine Weile konnteman aufdemWeltmarkt dieKonkurrenten wohl nochunterbieten; aberdienationale SelbstachtungunddieAngst,dieZifferder zum Militär- dienst Tauglichenkönnteallzu schnellsinken,setztenderwildenHändlerjagd dochgewisseGrenzen.Wiesollte eserstwerden,wennMoskowiterundKulis in denWettbewerb eintretenwürden?...UndschließlichschämtendieRe- girenden sich auch ihrer scheinbar civilisirenden Politik,dienur danach trachtete,in allen WelteckendenKundenfangzuorganisirenundfriedsam nachder VäterSittehausendeStämmemit denHeilswahrheitendesBrannt- weins,derTricottaillen und derSiphiliszubegliicken.DergerühmteWohl- stand,den derindustrielle Aufschwung schuf,wardin einem Landeja stets nur dadurch möglich,daßin einem anderen Lande dieLagederLohnarbeiter verschlechtertwurde.AmEndedieserEntwickelungdrohtederKriegumdie Märkte, einKrieg,dervonden LändernhöhererKultur dannvielleicht mit einemuntauglichen Werkzeugzuführenwar. DasAllessollteeineRe- girung mitmachen,diesichfürdieberufeneVertreterin sittlicher Mächte

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ausgab?SiesollteAsiatenundAfrikanermitkleinkalibrigenGewehrenund Kanonenzwingen,vonihrzukaufen,draußenringsum Feindsäligkeitwecken undimeigenenLande dabei dieSchaarderProletarisirtenunddeshalb Unzu- friedenen wachsensehen?Nein:esging wirklichnicht mehr.

Denhellsten Köpfenwar diese Erkenntnißlängstgedämmert,aber einaus demLabyrinth führenderPfad hatte sichauchihremBlick,den das Traumbild einernachMarxensSinn sozialisirtenGesellschaftnichtblendete, noch nicht gezeigt.Dageschahes,daßim Jahre1899 dasDeutscheReich undPreußeneineStaatsanleiheimBetragevonzweihundertMillionenMark andieDeutscheBankverkauften. Zum erstenMale wurde einemeinzelnenJn- stituteinsolchesRiesengefchäftzugeschanzt.Undsieheda:dieSache ging, ging bessersogaralsfrüher,wodieFinanzverwaltung sichselbstandasPubli- kumgewandthatte.Diedurch lästigeKontrolvorschriftenundbureaukrati- scheUmständlichkeitnichtgehemmteBank,diegewöhntwar, mitYankeesund Türken,BritenundBuren, JudenundAntisemiten Geschäftezumachen, bewältigteauchdieihr jetztgestellteAufgabe flinkundgut:sie brachte die, neuen deutschenKonsols mühelosunterundstricheinenansehnlichenNutzen ein.DerVorgang stimmtedieRegirendennachdenklich.War dasBank- wesen, dessenFormen sichseitdenTagenderRialto-Girobank so mannichfach gewandelthatten, vielleichtnocheinerweiterenEntwickelungfähig? Schon beherrschtesdieIndustrieundweistderFabrikationdieWege; schonwird voneinzelnenBankenKolonialpolitikgroßenStils getriebenund ganzePro- vinzen,dievon derRegirung vergebensHilfeerflehten, erhoffen nunvon einerBankgründungdasHeil.Wennman einenTheilderLandesverwaltung auf dieseParvenumächteabladenkönnte,diesichden modernen Bedürfnissen fOschlauanzuschmiegenverstehen!SiekeuchennichtunterderLastder Tra- dition,brauchen nichtmitEthosundPathoszuwirthschaftenund könnenin künftigenRaufhändelnumdieMärkteoffenbekennen,daßsieverdienen wollen.

Sie werdenauchohneUmsturzgesetzemit demProletariat fertig werdenund dabeinichtumeinesZollesBreitevomBodendesBesitzrechtesweichen...Unter den im LandeGewaltigenwarEiner,derfrühereinWeilchenin derBankwelt heimischgewordenwar.Weithatteers danichtgebracht,die Dividendenbrüder schätztenihn eigentlichnuralsNachtischrednerundHerrvonHansemann sahihnüber dieAchselan;dennochlebteeralsPolitiker seitdemvondenKennt- RiserundGeschicklichkeiten,dieeralsBankdirektor erworben hatte.So starkwirkteselbstimmittelmäßigBegabtendieMachtdes Milieus. Dieser Mann hatte längstgefühlt,daßmit deraltenVerwaltungpraxis Nützliches

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nicht mehrzuleistenwar. Woher sollteman diePräsidentenundPräsidial- räthe,dieLandrätheundOberbürgermeisternehmen,dienichtnurdensteifen Amtsschimmelreiten undam GeburtstagdesKaisers »zündende«Byzan- tinertoaste ausbringenkönnen? DieklügstenLeute retteten sichin diegroße Industrieoder in diehoheFinanz; und unterdenBeamtendurftemanfürdie wichtigstenPosten auch nichteinmaldietüchtigstenwählen,sondern mußte erst nachderAbstammungforschen,dasMilitärverhältnißfeststellenunder- kunden,inwelchemCorpsderKandidatseine Studentenzeitverbummelt hatte.MitsolchemMenschenmaterialwarnichtszumachen;esging nicht auseinerAuslesederBrauchbarstenhervorundtaugte höchstenszum trockenen Schreiberdienst. England, dessenAdelsichseitIahrzehnteniuderIndustrie und imBankgeschäftbethätigt,hatein modernen Ansprüchengewachsenes Beamtenpersonal.Im DeutschenReich,dessenFassadezwar modernaussieht, dessenWesenaberseudalblieb,wäredieserZustand nichtzuerreichen.Hierwar

andervisinertiae derBureaukratie selbstdieRiesenkrafteinesBismarck manchmal erlahmt.Der ganzeschwerfälligeApparat mußtefallen,wenndau- erndNützlichesentstehensollte...HabennichtBankendieTürkeieuropäisirt, Egypten erobert,Sibirien undChina erschlossen?IstderKongostaat nicht einAktienunternehmenwiedie Continental Bodega-Gesellschastundließ Zola,derinzwischenalsgroßerPolitikerentdecktwurde,nichtseineSaccard undHamelinvonderBanqueUniverSelle träumen,die denPapstalsauf AktiengegründetenHerrscherimHeiligenLandeansiedeln sollte? Weshalb sollesunmöglichsein,diegesammteVerwaltungdesDeutschenReiches oderwenigstenseinenbeträchtlichenTheildavon—einerBank oderBanken- gruppe zuverpachten?Dannfiele endlichwenigstensderdichtePhrasen- schleierunddieimgirusderInteressentenvereintebürgerlicheGesellschaft könnterückhaltlosbekennen,daßderProfit ihr höchsterLebenszweckist.

.,,Deutsches ReichA.-G.«: ingoldenenLetternprangtdieIn- schriftaufdersolangeleerenGiebelflächedesfrüherenReichstagspalastes.

Parlamente sind nichtmehr nöthig:derAufsichtrathkontrolirt dieGeschäfts- führung; undWünsche,Forderungen, Beschwerdenwerdenin derGeneral-

«

versammlung vorgebrachtunderörtert. DasHeerist nachdemherrlichen MusterderAstorianerundeinkertonianerorganisirtundstetsgerüstet,auf deninnerenFeindzuschießen; den innerenFeind:sonenntmannämlichdie GegnerderAktionäre,dieübrigens nichtetwainDeutschland gebürtigzu seinoder zu lebenbrauchen.HauptaktionäristHerrIohnD.Rockefellerin New-York,derschon1898 ungefährzehntausendMartin derStunde ein-

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nahm, seitdemderBillionärgrenzesehr nah gekommenist, zwanzigkleinen undmittelgroßenPotentatendieCivilliste zahltundsichjetztdasVergnügen macht,imGeschäftsbetriebder D.R.A.-G·den entscheidendenEinflußzu üben.

SeinAktienbesitzwirdauf dreihundertMillionen Markgeschätztundsichert ihmbei allenBeschlüsseneinegewichtigeStimme. Natürlichdarfnurbei ihm,der den londonerRothschildwie einen kleinen Mannbehandelt,dasfür

dendeutschenBedarfnöthigePetroleumgekauftwerden.Dafür giebter,wenn dieGeldmittelknapp werden,aberauchimmerwieder Kredit.Von»natio- nalerPolitik«wird nur noch selten gesprochenundman denktnicht mehr daran, billigarbeitende Slaven oder DänenüberdieGrenzezujagen; sogar mit Kulis unddressirtenNiggernwerdenschonerfolgreicheVersuchegemacht.

Aber deralte Kapitalismuswarjaauchinternational,wenn seineVertreter freilichauchgerndiePatriotenmaske trugen. DeutscheKonsols lagen schon langeinLiverpool,Kopenhagen,New-YorkundRio,Niemandkonntewissen, mitwessenGeldeeigentlichinDar-es-Salaam,Neu-Guinea undKiautschou kolonisirtundscheinbar germanisirt wurde,undkeindeutscherKapitalist scheutesich,inLodzoderbeiMoskau Fabrikenzugründenundsoderrussi- schenIndustrie aufdieBeinezuhelfen,wenn dabeinur eingutesStück Geld zu verdienenwar. Jetztwar dielästigeHüllegefallenund dieSache ging glatteralsje vorher.Alle Aktenwaren verbrannt,alleBeamten,die demAnspruchderGeneraldirektion nicht genügten,mitAbfindungsummen entlassenworden. Nirgends fandman mehrdenVermerk ,,1«eproduc.nach dreiMonaten«: Alleswurdesofort, ohneumständlicheSchreiberei und, soweit esmöglichwar,mündlicherledigt.DasunbeliebteVolk derSteuererheber warabgeschafft;dieSteuern wurden anallenDepositenkassenderAktien- gesellschaft bezahlt,einbequemesCheck-undClearingsystemerstrecktesichüber das ganzeReichundjeder Bürgerkonnteohne Sparkassenbuchanjedem TagedenseinemGuthabenentsprechendenBetragandenSchalternderBank abheben.DieMinister, diebeinahenurnochdekorativzu wirkenhatten:sahen staunend,wiesicher,stillundpromptAlles ging,wenn man sichdesneumo- dischenTeufelszeuges,derTelegraphen,TelephoneundTypewriter,bediente.

NachdreiJahren schonkonnte eine Dividende vonzwölfProzent vertheilt werden und im Lande warlängstinzwischenderRuf verstummt, daß»die-Kul- turaufgabenleiden«.DieseErfolgeimInneren habenzu derErwägungge- führt,obessichnicht empfehlenwürde,auch dieauswärtigePolitikderD.R.

A.-G.zuüberlassen,dieschondurchdieBeseitigungderlängstunniitzlichge- wordenenBotschafterundGesandten alljährlichMillionen ersparenkönnte.

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Der UtopistRodbertusks

MtopististRodbertus zunennen. Nichtetwa, weilerdenkommunisiischen

g-. oder sozialistischenZukunftstaat vorausgesagthat,denn indiesemstecken wirja Alledrin. KeinefrühereZeit hateinenBeamtenorganismusgehabt, dersichmitdem unserenvergleichenließe,unddieser istdieleibhaftigeVer- wirklichungdesrodbertusischenSozialismus·Wenn sichdieBeamten als TodfeindedesSozialismus"geberden, so geschiehtDas theilsausUnkenntniß derSache, theilswird esdurchdieHaltungderdeutschenArbeiterführer gerechtfertigt Natürlich sehen sichdieBeamten genöthigt,eineParteizu bekämpfen,derenFührer sichinwahnsinnigenrevolutionärenPhrasen ergehen undunausgesetztaufdieRegirung schelten.Undvollends seit1895, wo dieLiebknechtundGenossenmitverbrecherischerUnvernunftdiederüber- wiegendenMehrheitdesVolkesheiligennationalen Erinnerungen beschimpft unddadurchdieArbeiterschutzgesetzgebungvorübergehendzumStillstandge- bracht haben,kannvoneinerwohlwollendenNeutralität desBeamtenthumes derSozialdemokratiegegenübernicht mehrdieRedesein.Undesist psycho- logisch erklärlich,daß sichdiepflichtgemäßeAbneigungderBeamten gegen diePersonen aufdieSache überträgt. BestündedieserGrund nicht, so müßteman dieAbneigungderBeamtengegen denSozialismus für Konkurrenz- dir)Ein AbschnittausdemSchlußkapiteldesBuches ,,Rodbertus«vonKarl Jentsch,das inFr. Frommanns Verlag (E. Hausf)inStuttgart erscheint- DaJentschzumersten MalezudenLesernder»Zukunft«spricht erzeigt indiesemHeft auch seineneue Schriftüber dieAgrarkrisisan—,mageinWort iiberdasWesendesmerkwürdigenMannes gestattet sein. Er ist kein zünftiger Nationalökonom, keiner,dersicheineOrdentlicheProfessurundwissenschaftliches Ansehen ersessenhat,undnur eine kleineSchaarwird ihm,dervonLagarde wohlebensowievonRodbertus und Kettelerbeeinflußtwurde, aufallenWegen folgenwollen. Seitaberder damals schonSechzigjährige1893mitdenGedanken hervortrat,dieerunter demTitel »WederKommunismus noch Kapitalismus«

zusammenfaßte,mußeralsstarkeundselbständigePersönlichkeitgeschätztwerden.

Erschreibtnichtnurungewöhnlichgut,auseinemtiefen,aber vonsentimentalifchem Ueberschwang freien Gefühl fürdasElendderhilfloswimmelnden Masse heraus, undhatnichtnurdieFähigkeit,auf denverschiedenstenGebietenschnellheimischzu werden:erbesitztauchden beideutschenSozialpolitikernso seltenenbonsons, den praktischenMenschenverstand,derihm ZuständeundErscheinungenohnedentäuschen- denSchleier zeigt,denDoktrinarismus undPhrafegewebt haben.Alleguten Eigen- schaftendeskatholischenPfarrers, der in denHäusernundHüttenseinerGemeinde keinFremder ist, verkörpernsichinihm,—unddabeifehlt ihm jedeSpur pfäffischen Wesens. ManchemmagManchesinJentschsbescheidenvorgetragenen Lehrengrillig scheinen:einenAnreger, dessenwarmes EmpfiudeneinkühlerKopf lenkt, mußJeder inihmerkennenundeswärenurnützlich,wenn seineSchriften künftigeinennoch größerenLeserkreis fänden,alserihnen bisher schon beschiedenwar. M.H.

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Der UtopistRodbertus. 191 neidhalten;denndie Beamten habengenau Das,was dieSozialistener-

streben,unddawäreesdennallerdings erklärlich,wenn sievon derVer- allgemeinerungDessen,was jetzt ihr Privilegiumbildet: Existenzsicherheit und gesetzlichbegrenztes Arbeitmaß,eineEntwerthungoderVerminderung dieses ihres Vorrechtes fürchteten.-Ferner habenwirungeheureStaatsbe- triebe,nichtnur fürdenTransportundVerkehr, sondern auch Produktion- betriebeimengerenSinne, wie diefiskalischenBergwerkezauchdie Armee produzirtin denMilitärwerkstätteneinenTheil ihrer eigenen Bedürfnisse- Fernerwerden geradediegrößtenproduktivenBetriebe, die derAktiengesell- schaften, schon heutevonBeamtengeleitet,währenddieMehrzahlderEigen- thümer,dieAktieninhaber,vomBetriebe nichts verstehtundauchkeinen Ein- blick dareingewinnt.Wenn derStaat diese Eigenthümerablösteundjene PrivatbeamteninStaatsbeamten verwandelte,sowürdeDas so wenig Störungenverursachen,wiedieVerstaatlichungderEisenbahnen verursacht hat. Endlich greiftderStaat sovielfachundso tiefinsErwerbsleben ein, daßdieErwerbenden nur nochin sehr beschränktemSinne freigenannt werdenkönnen. DerStaat ziehtdenjungenArbeiteroderHandwerksgesellen fürdenMilitärdienstunddannnoch mehrmalszuUebungenein undreißt ihn dadurchaus seinemBroterwerb heraus; fürdie,»Freiheit«,sichdann wiedereineArbeitstellesuchenzumüssen,bedankensichdieHerausgerissenen;

sie sindvollkommen imRecht,wenn siedenStaat für verpflichtethalten, ihnenneue Arbeit zubesorgen, nachdemerihnendiealtegenommen hat.

DerStaat unterwirftvieleBetriebe zumZweckderBesteuerungeinerso strengenAufsicht, daßz. B.dieSpiritusbrenner schon oftdenWunschaus- gesprochenhaben,ermöge doch gleichselbstden ganzen Betrieb übernehmen undsie ablösen.DerStaat zwingtdieUnternehmerzuBeiträgenfürdie ArbeiterversicherungundhatdamitdenWegderLohnregulirung beschritten.

Der Staat greiftdurchSchutzvorschriften,Arbeitordnungen,Gewerbeinspektion, Sonntagsgesetzein dieBetriebeein, so daßdieUnternehmerschonlange nicht mehr soganz»Herrimeigenen Hause« sind.Der Staat beschränktden unlauteren Wettbewerb,kümmertsichum die Art, wiederHändler seine WaareandenMann zubringen sucht,undsendetseinenBeamten in den Laden,damiternachsehe,obauchdie Butter getrenntvonderMargarine verkauftwird. Warum denBeamten nichtbaldhinterdenLadentischstellen unddieMargarine verkaufenlassen?DaswäreeinenützlichereVerwendung des Mannes. VondenAgrariernwirdderStaat gedrängt,denGetreide- handelzubetreiben,underlehnteshauptsächlichnur aus demGrundeab, weilihmdieSachezuschwierigvorkommtundersichdavorfürchtet.Nachdem der Staat einmal dieungeheureLastderArbeiterversicherungübernommen hat,wäreeseineKleinigkeitfür ihn, auch nochalleübrigenVersicherung-

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anstaltenzuübernehmen,besonders,da dascentralisirteundverstaatlichteVer- sicherungwesendadurchungemeinvereinfachtwerdenkönnte,daßesdenCharakter derVersicherungabstreifte:derStaat könnte z. B.ausdenentsprechendzu erhöhendenSteuereinnahmen ohneWeiteresjedemzur ArbeitUnfähigen,der -nachweist,daßerpflichtgemäßander Nationalproduktiontheilgenommenhat, einRentezahlen;damitentfielenalleSonderbeiträge,Sonderberechnungen undSonderverwaltungen.VonzweiSeiten herveranschaulichtdiePrivat- industriedieUnvernunftderfreien Konkurrenz,dieVernünftigkeitdesSozialis- mus undbahnt zugleichdiesenan. DiegroßindustriellenKartellebeschränken dieFreiheit ihrer MitgliederinderProduktionund inderPreissorderung undsichernihnen dafürdieVerzinsung ihres Kapitales DieWaarenhäuser und VersandgeschäfteaberzeigendieLächerlichkeitdesKleinkrams. Der Detaillist hatdievolkswirthschaftlicheAufgabe,diefertigeWaare an den Mann oderan dieFrauzubringen.Ein kleiner Ellenkrämerbewirktam Tage vielleichtsechsbiszehn Verkäufe,Dasheißtalso,ergehtden ganzenTag müssigunddie paarHandgriffe,GeschäftsbrieseundRechnungen,dieerzu leisten hat,sindnur unbedeutende Unterbrechungenseines Müssigganges.

DieseelendeAusübungseines volkswirthschaftlichenAmteswirdihmmit- sagenwir—- 1500 Mark jährlichgelohnt,wasihn selbst natürlichviel zu wenig dünkt, für seine »Arbeit«abernoch zehnmalzuvielist. Derjunge Mann imWaarenhause leistet zehn-, zwanzig-, vielleichtfünfzigmalsoviel Arbeit. Wennnun dasganzeVerkaufsweseninderselbenWeise organisirt wäre,so brauchtendieVerkäufernatürlichnicht so langezu arbeiten wie heutedieAngestelltenin den"Waarenhäusern;mithöchstenssechsstündiger ArbeitwäreAllesabgemachtundesbliebenvon denheuteimHandelBe- schäftigten(esgäbeja auchkeineHandlungreisendenmehr) nochvieleTausende übrig, die,inFabriken,WerkstättenundGruben angestellt,dietheilweise überlangeArbeitzeitderjetzt darin-Arbeitendenkürzenwürden· Also:alle ElementedesSozialismus sind vorhanden.Wann undinwelchemGrade siezu einerkonsequentdurchgeführtensozialistischenEigenthums-undPro- duktionordnungverwachsenwerden, Dasist, scheintes,nur eineFragederZeit.

SelbstdasArbeitgeld ist nicht utopisch.WiedasMetallgeld,über- hauptdasBargeld,ausdemUmsatzdesGroßhandels,namentlichinEngland, so vollständigverschwundenist, daßvieleMilliarden ohneeinenPfennig Geld, durch bloßeAb-undZuschreibung,umgesetztwerden,so läßtsichkein innerer Grund denken,warum diese Praxis nichtüber den ganzenTausch- undKausverkehrausgedehntund dieserineinevomStaate organisirteEin- kommenvertheilungumgewandeltwerdenkönnte. DieBestimmungderWaaren- wertheinWerkstundenwürdefreilich ungeheureMühe verursachen,aberun- möglichwäresie nicht.Nur täuschtsichRodbertus —- und hiertritt nun

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DerUtopistRodbertus. 193

derUtopist hervor—, wenn ersich einbildet,derermittelteWerthwürde durchwegderwirklicheWerthunddieArbeiter würdendamitzufriedensein.

Gewiß weichendieheutigenPreise meistenssehrweitvondemgerechterWeise anzunehmendenWerthdergeleistetenArbeit ab undfast Jeder hält sich für verkürzt;aberdaeseben»der Markt«ist,derdiePreise festsetzt,undman

diesesunpersönlicheWesennicht fassenkann,so mußman sichdie,,ungerechte«

Bezahlung seinerArbeit oderWaare,wenn auchmurrend,gefallen lassen.

EineBehörde dagegen,die denWerth jederWaarenachdem,,Normalwerth«

festzusetzenhätte,würde einenschlimmenStand haben.Auchbei einersolchen Behördewürdeesmenschlichzugehen;undabgesehendavon,daßabsoluteGe- rechtigkeitüberhauptunmöglichist,würdeoftgenugaus MangelanEin- sicht,aus GunstoderInteresse gefehltwerden. Aberselbstwenn siedas UebermenschlicheleisteteunddieGerechtigkeitverwirklichte,würdeihr doch Niemand glauben;wieheute,würdesichJedermann für benachtheiligthalten undman hätte Menschen,dieman fürdenerlittenen Schadenverantwort- lich machenkönnte. Eswürdenauchalle die anderenUebelständeeintreten, dievondenGegnerndesSozialismus prophezeitwerden. Soz. B.würde sichdasFehlendes Antriebes, den derprivateEhrgeizunddieprivate Hab- sucht verleihen, durch VerlangsamungdesFortschrittesderTechnikbemerkbar machenunddieMöglichkeitwärenicht ausgeschlossen,daßeinesTagesdie ganzeEentralbehördeausstumpfsinnigenRoutiniers vonderArtjenesGeneral- postmeistersNagler bestünde,derdemDampfwagengebietenwollte,ander preußischenGrenze Haltzumachen. Auchwäreesgarnichtunmöglich, daßdieSchwierigkeitenundSchwerfälligkeitender alten Naturalwirthschaft wiederkehrten.Abersolcher Unvollkommenheitenwegendarf natürlichder Sozialismus nicht utopischgenannt werden: wenn Unvollkommenheitutopisch wäre, dannwäredie ganzeWeltgeschichteeineUtopie.Gerade darumsindRod- bertusunddiemeistenSozialisten, außerdemnochvieleandere Theoretiker, Utopistenzunennen, weilsieglauben,derzukünftigeZustand,magerkommunistisch odersonstwiegedachtwerden, werde ein vollkommenerZustand sein und einsolcher vollkommenerZustand seidasZielderweltgeschichtlichenEntwickelung·

Utopischnenne ichdenGlauben, daßaufErden irgendeinmalein Zustandeintretenwerde, der vollkommengenannt zu werdenverdiente und dieMenschenzufriedenmachte,dasverlorene Paradies wiederbrächte.Nicht deshalb sind Bellamysund Hertzkas Zukunftbilder utopisch,weilsieeine sozialistischeGesellschaftordnungundallerleitechnischeWunder ausmalen;

das Allesist möglichund diespäterenGeschlechterwerden wahrscheinlich Wundererleben, die wiruns so wenig vorzustellenvermögen,wiesichein Menschdesvorigen JahrhundertsdasFernsprechenhätte vorstellenkönnen.

Utopischsind jene Schilderungennur deshalb,weilsiedieVerwirklichungder 14

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VernunftundGerechtigkeiteinschließenundunsüberredenwollen,dieMenschen würdenjemals zufrieden sein. Utopistennenne ich daheralleEntwickelung- theoretiker siemögenvonHegelsJdealismusodervonDarwins Materialis- mus ausgehen—, die denFortschrittzum Bollkommeneren predigenundals AbschlußderWeltgeschichteeinausErden zuverwirklichendesAllervollkommenstes verkünden. DieJrrthiimerdesRodbertus indieser Beziehung sindkeine anderen,alsdiedie ganzemoderne Soziologieund Naturwissenschaftbe- herrschen.Esistnicht wahr, daßderzusammengesetztereOrganismusder vollkommenere, dasWirbelthiervollkommener als dasKerbthieroderdas Weichthiersei.EinhöheresWesendarfman esnennen, weilesmehr Geist verräth,abernichteinen vollkommeneren Organismus DieBienenicht nur, sondernschondie Qualle, jadasJnfusorium isteinsowunderbares undvollkommenesWesenwie derElefant; jeder Organismus istvollkommen inseinerArt. Soist aucheinGroßstaatmit einem verwickeltenVerwaltung- organismus keineswegsansichschon höherzuschätzenals ein kleiner Stadt- staatoder eine kleineBauernrepublik,diesichvielleichtsogar, gleichderAuster, ohne Kopf behilft.Wenn dieBürgerdesKleinstaates bessereundglücklichere Menschen sindalsdie desGroßstaates,so ist jener höherzuschätzen.Es ist fernereinJrrthum, zuglauben, daßdieStaatssormen aufeinander folgtenunddaßdie eineerstabgelebtsein müsse,eheeineanderehervortritt.

Wieinder Natur diesogenanntenniederenOrganismennebendenhöheren fortleben, sobleibenauchdie älterenStaatsformenneben denneuen bestehen;

ja,die AusdrückeAlt undNeu haben hiernur einesehr«zweifelhasteBe- rechtigung: Groß-undKleinstaaten, Despotien, beschränkteMonarchienund Republikenhaben seitvierJahrtausenden abgewechselt.DerFortschritt, so- fernman einensolcheninNatur undGeschichteannehmenwill,bestehtnicht darin,daßalteOrganisationformen abstürbenundneue anihreStelleträten, sonderndarin, daßdieWeltdurchdasHinzutretenneuer Formenzuden altenreicherwird. Sowirdz. B.auchdasHandwerknichtvonderManu- faktur,dieManufaktur nichtvon derFabrikverdrängt, sondernalle drei Betriebsformenbestehennebeneinanderundesentstehensogarimmerneue

Handwerke. AuchdasVerhältnißdesJndividualismus zumSozialismus hat Rodbertus falsch bestimmt. Jn einerbeinahe lächerlichenWeisetritt sein Vorurtheilgegenden,,Freihandel«,alseinebloszumZerstörenbe- rufene Kraft, hervor,wenn erdievermeintlicheAuflösungdesRömerstaates mitServius Tullius beginnen läßt,d.h. schonindermythischenZeit, auf diebeinaheeinJahrtausendgewaltiger Größe folgte.Freilich:zusterben beginntderMensch,wie derStaat, schonimAugenblickseiner Geburt,denn alleserische iststerblichund trägtdenTodeskeim vom ersten Augenblick seinerEntstehunginsich.Esistaberüberhauptnicht wahr, daßderJudi-

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Diese relative Besserung darf aber doch nicht darüber hinwegtäuschen,daß die Geldverhältnisse erheblich schwieriger sind als in der selben Zeit früherer Jahre und daß die Lage erst

Immerhin gehen auch bei ziemlich kollektivisirter Wirthschaftsührung die Vortheile nicht so weit, wie Frau Braun annimmt. Jch kann mir nicht vorstellen, wie eine Wirthschasterin

»Die ausschlaggebeude Bedeutung, die der Körnerban noch immer fiir den landwirthschaftlichen Betrieb besitzt, bringt es mit sich, daß die Forderung einer für die

Direktoren von ihrer Geschäftsführung erreichenwollen, auch wirklicherreicht wird- Gerade in einem Jahr, wie das letzte eins war, kommt es nicht in erster Reihe darauf an, einen

und als ob er jeden Griff genösse, wie etwas Neues, Angenehmes, zieht er sich- höher, als man gewöhnlich zu klettern pflegt. Er beachtet nicht die Aufregung des ohnehin

305 die einzige Quelle der Erkenntnißhingewiesen; da er aber noch nicht weiß, daß alle Logik in den Gewohnheiten der Sprache steckt und daß selbst der fprachliche Ausdruck für

Der Gegensatzzwischen einer wesentlich repräsentativen und einer mehr sachlich-sozialenRichtung wird sich ohne Zweifel in den nächstenJahren noch verschärfenz wenn er auch für

Der eingeschränktenForderung aber, daß rasch anwachfende städtische Gemein- wesen bei Zeiten Grund und Boden erwerben, um ihn als Bauland zu ver- werthen, kann auch