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Die Zukunft, 3. Februar, Bd. 30.

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Academic year: 2022

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Sie Zukunft

»Es-J·.

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Berlin, den Z.Februar t900.

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TranSvaaL

Wenn

einenglischerRanke einesTagesdieGeheimgeschichtedessüd- -QoafrikanischenKrieges schreibt,wirdervielleichtbündigfeststellenkönnen, WelchesmünzbareInteressedieweitverzweigteFamilie Chamberlainandicsem Krieghatte, vielleichtauch, welcheSummedervomTürkenhirschnichtmehr sub- ventionirte Erbe derenglischenKronegeradederFirmaWernherBeitschuldete, alsEk-gegen denRathdessachverständigstenHeerführers,in dieBahnderGe- Waltpolititdrängte. Einstweilen sindwirauf Vermuthungen angewiesenund müssenuns vor demthörichtenWahn hüten,daßreife PolitikervomSchlage SalisburysundBalfours sichvon demkeckenKolonialministerzubloßem Handlungerdienstdingen ließen.Undwirmüssenauch nüchternprüfen,was MSüdafrikaeigentlichgeschieht. NochwankendieGrundmauern derbriti- schenMachtnicht, noch istuuk dasenglischePrestigeempfindlicherschüttert EingroßesWelthaus,das inallenErdtheilenNiederlassungenhat,kannsichohne LebensgefahrvonZeit zuZeit sogardenüberflüssigenLuxuseinerRiesendummheit gestatten;EinsolchesWelthaus ist England;seineDummheit bestanddarin,daß es-statt geduldigzu warten, bis diereifeFruchtihmin denSchoßfiel, einen Ka-

Pitalistenkriegmit denWaffen frühererTageauszufechtenversuchte.Es lonnte die Buren aushungern,mitmodernerenMitteln,alsdieholländischenEroberersieeinst cMwandten,unt indemselbenLande dieKassernzubewältigen;aberesdurfte nichtdarandenken,seine unzulänglicheArmeeinkleinenBruchtheilennach einem Gebiet zusenden,dasselbsteinem vielbessergeschultenHeer rechternste Schwierigkeitenbereiten würde. Immerhineilt derGlaube,mitEnglands Weltmachtgeheesschonzu Ende,denThatsachenweitvoraus. Moderne KriegeentscheidetnichtderpersönlicheMuth, nichtdiestraffeDisziplin, nicht

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194 Die Zukunft.

einmaldiestrategischeGeschicklichkeit;nur dergrößereReichthumgiebthier denAusschlag.Das klingt traurig, istaberwahr;und daEnglandviel mehrGeldhatalsdieBurenrepubliken,wird esvielleicht doch schließlich nochansZielkommen. Ganz ohne WirkungkanndasSchauspiel völliger Hilflosigkeitfreilich nichtbleibenunddieserGedanke bedrückt dieklugenBriten wohl mehralsdieTrauer um ein paartausendgetöteteMiethlinge.» Da für irgendeinenanderenpolitischenVorgangindiesemAugenblickkaum ein Interessezu weckenist, sei hierder vor denletzten englischenNiederlagen geschriebene BriefeinesDeutschenmitgetheilt,derseit Jahrenimafrika- nischenSüden lebt, dieStimmungdereinzelnenStämme kenntundüber diewirthschaftlichenVerhältnisselehrreicheAufklärungenzugebenvermag:-

»Der GangderEreignisseinSüdafrikahat,so wenig überraschender fürdenKenner derhiesigenZuständeist,in Europasehrverschiedenartige GefühleundKommentare hervorgerufen.AllerleiInteressenpolitiker, Kapitalisten mitihren einseitigen HandelserfahrungenindengroßenStädten undHafen-·

plätzenSüdafrikas,Touristen,dieihre oberflächlichen,währendeinesdreimonatigen Reisebummels durchdieKapkolonieunddieBurenrepublikengesammelten Beob- achtungenumAllesin der Weltgerngedrucktsehen,KompilatorensWiitheriche,die nie überRixdorfoderPankowhinauskamen,aberstolz, aufGrund,aktuellerc Par- forcesGeschichtstudiemihre,Kritik«Transvaals undseinerZukunftinBrochuren odergarBüchernzusammenfassen, schneidernanderneuen Karte Südafrikas bereits miteinem Eiferherum,deraufuns hierunten zwarnur erheiternd wirkt, fürdasPublikum daheimaberdochseineGefahren haben könnte,wenn nichteinTheilderernsterendeutschen PressederegoistischenWeisheit dieser SpeziesvonAfrika-GemüthsmenschendengesundenMenschenverstandeinesselbst- bewußtenNationalismus entgegensetzte.

Eshandelt sichhierum sehrvielgrößereDingealsum dieErfüllung desUitlander-grievances, derenErwähnungjetztselbsteinemhartgesottenen Jingonur nocheinmitleidiges Achselzuckenentlockt,umsehrvielmehr auchals umdieFrage,ob· derdeutscheKaufmannineinem Südafrikaunter britischer oderAfrikander-FlaggemehrChancenfür seinen Geldbeutel haben wird.Dieser Kampf, dessen AnalogiemitdemBefreiungskriegdernordamerikanischenUnion zutreffend hervorgehoben wird, istnur dieEinleitungzujener großen Völker- bewegung, die,in einementschiedenantikapitalistifchenGefühlwurzelnd,immodernften Sinne sozial istundunaufhaltsamzurBildungeinervernünftigsozialen südafrika- nischenUnion drängt.EsisteinJrrthum, zuglauben, daßdasBritenthum Südafrikasinseiner Majorität imperialistisch gesinnt sei.Jch sprechehiernatür- lich nichtvondenZugvögeln,diesichdasLandfür einige Zeit ansehen,inden Minencentren schnellundmüheloszurWohlhabenheitzukommenhoffen,aber vonvorn hereinnichtdieAbsichthaben,ihrLebenhierzubeschließen,sondern vondenwirklichenSettlers,diedurchFamilienbande,die Natur ihrer Geschäfts- verhältnisseunddieernste,eifrigeBetheiligunganderpolitischenundwirthschaft- lichenEntwickelungSüdafrikasihrenEntschluß,wirklicheSüdafrikanerzuwerden, bethätigthaben, Diesesettlers aber,zumTheilselbst Farmer,zumgrößerenTheil

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TransvaaL 195 freilichIndustrielle,BeamteundHandwerker,bildenmitderholländischenFarmer-

bevölkerungdenGrundstock derimheutigen sozialen Sinne arbeitenden Be- VölkerungSie hat seit JahrenschoninpassivemGegensatzzuderDrohnen- bevölkerungderfluktuirenden KapitalistenundMinenspekulantengestanden,in sehebemerkenswerthemUmfang sichaberseit Beginndesjetzt wüthendenKrieges zuthätigemWiderstandgegendasvom,,speaker«als,,internationaleOligarchie vonSpekulanten«gebrandmarkte Schmarotzerthum herausgearbeitetundesist FUteWssaUhm zubeobachten,wiesicheingroßer TheildervordreiMonaten noch

»dasrhvdesischeHorn blasenden kapkolonialen Presse mehrund mehr dieser-

szialenFrontveränderunganpaßt. Dasimperialistische Prinzipderbritischen SJIegirungkonntefürSüdafrika undwenn nichtalleAnzeichen täuschen,auch fUrdie übrigenbritifchenKolonien, besonders für Australien-keinen unglücklicheren liFindenanvertraut werden als denenChamberlainsundhier speziell seines YektrauensmannesdesGouverneurs Milner·Alsdas Ministerium Schreiner sich mdiesemvom imperialistischlackirtenGroßkapitalismus leichtfertig heraufbe- schworenenKriege aufdenannoch maßgebendenstreng konstitutionellenStand- PUUktstellte,umdieKapkolonieimFeldzuge nichtzuengagiren,und-als

Schreilleypersönlichnichts wenigeralseinAnhängerderimperialistischen Ex- pFUsionpolitihsichwilligvomGouverneur auf seinen Premiersposten festbannen lIeß-haterderwachsenden antiimperialistischen Strömungnur umso freiere Bahn geschaffen,daderVerlaufdesKriegesdieUnzulänglichkeitderbritischen achtmittehjenerAusdehnungmaniedenunerläßlichenrealenRückhaltzuge- währen,bewiesenhatundwahrscheinlichnoch deutlicher beweisenwird·

Schonjetzt istman in derKapkolonie allgemeindarüberklar, daß für den herbeigeführtenRnin allesgeschäftlichenWohlstandes auf Ersatzvombritischen Mutterlandeausnichtzurechnen ist. Vielfache, aufGeneral Bullers Ver- heißlmgvonKompensationen für geschädigteloyaleEinwohnerergangene Anfragen der-Presse,von PrivatleutenundGesellschaften,anwen man sichdenn für diefe Kompensationenzuhalten habe, findvonMilitär- undEivilbehördenmit vielstigendemStillschweigenaufgenommenworden. WasWunder,daß sich. die GrundundHeerden besitzendeBevölkerung nüchternerenErwägungenhingiebt alsdenHirngespinnstenvoneinemnach EnglandsSiegundderAnnektirung erBurenrepublikenzuerwartenden Aufschwung (b00m),derdochnur derohne- hin reichgenug gebliebenen Spekulanieneliquezu Gutekommenundkeinestabilen WerkhefürdieFarmerunddieHandwerker-Klasseschaffenwürde,denenaußer- demdurchdasvonderJingopresse verheißene,kolossaleZuströmenneuer weißer Einwanderer«eineKonkurrenzinAussicht gestellt wird, fürdiehierdie ein- fachftenLebensbedingungennichtvorhanden sind-

Es ist schierunbegreiflich,wasAllesdiesepolitischenPhantastendiezum Theil freilichetwasweitSchlimmeres-, nämlichbewußteBetrüger sind vonder nachBegründungdes lmperial Dominion of South Africa zuerwartenden Herr- lichkeitdesLandes zusammenfaseln: Rhodesia sollals Glieddieses Domini- Ums durchdiewirksamere NachhilfeimperialistischerMachtfülle,aufgeschlossen«

werden, undJedermannweiß, daßRhodesiabankerottist,weilesdortnichts Janszchließemgiebt.Transvaal sollinzahlreichekleinereFarmenparzellirt werdenundseinen BedarfanHalmfrüchtenselbsthervorbringen;willman etwa,

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wieesallerdingsdiechauvinistischePresseNatals vorschlägt,diejetzigen Eigen- thümerderFarmen expropriiren? ManprahltmitMeliorationen, Jrrigationen, Aussorstungen,und dasAllesist gewißrecht schönundwünschenswerth,nurver- gißtman, daßinderKapkolonie selbst noch ungeheure Provinzenvergebens aufdieallerbescheidensteRegirunghilfezurHebung derLandwirthschaftharren und-daßman nach diesem Milliarden kostenden Krieg nichtineinigenJahren hervorzaubern wird,was man imeigenenHauseinhundert Jahrennichtzu Stande bringen konnte-

Woher denn,soistimmer wiederzufragen, sollen die Mittel kommen?

Das GrandHotelinKapstadt,hiernur nochHotelJerusalem genannt, hallte neulichvondemGeschreiseinerMillionär-JnsassenausJohannesburg wieder,als dieNachricht kam, daß die RegirunginPretorianeuerdings Das heißt: seit AusbruchdesKrieges die Minen tüchtigbesteuert habe,unddieCapeTimes nannten diese Maßregeleine,Schurkerei«.Wird sicheineRegirung, deren MitgliederundHintermänner so starkandenRand-Sharesbetheiligt sindwie ChamberlainunddiesogenanntehöchsteenglischeAristokratie,die Finger dadurch verbrennen wollen, daß sie Paul Krügers Steuerschraubeübernimmt oderwo- möglichnoch fester andreht?Sie wirdsich hüten, sodummzusein;undwir wissen hierheute schonganzgenau, daß fürdieKostenderDurchführungaller jenerZauberplänekeineswegsdieGroßkapitalisten,sondernwirSteuerzahlerder produktiven Klassen aufzukommen bestimmt sind.DieBevölkerungderKap- kolonieaberbedanktsichbestensfür diese Aussicht,wiesieauchfüreineHeran- ziehungzudenKriegskosten nimmermehrzuhaben sein wird.

Uebrigens:dieLageunddieAussichtenauf demKriegsschauplatzsindzu- nächstso, daßaneinenentscheidendenSiegEnglandsüber dieBuren nichtzu denkenist.Man hörtesselbstvonMilitärs hier schon aussprechen, daßes eigentlichnur nochumdieEhre geht.EnglandsTruppen,vondenendieHälfte allein fürEtappenzweckeundzurNiederhaltungderüberalldrohenden Afri- kander-AufständeinderKapkolonienothwendigist, reichen wederderZahl noch derQualität nachaus, um dasausgezeichnetbewaffnete, vortrefflich geführte und trotzallenenglischenLügen! noch fiir vieleMonate genügendverprovi- antirte BurenheerausseinenstarkenBergverschanzungenherauszutreiben. Die britischenTruppen.sinddurchdiefortwährendenschweren Niederlagenallerihrer Generälebereits stark entmuthigtunddemoralisirt; diebesten vonihnen sindindiesen erstendreiKriegsmonaten geschlagen; undwas jetzt nochherausgeschicktwird, ist schnellzusammengesuchterAusschuß.England istgarnichtinderLage,einenJahre lang dauernden Krieg in Südafrika führenzukönnen.Dietapfere Haltungund dieErfolgederBuren habenobendrein auch die AfrikanderderKapkolonieaus ihrer anfangsbeobachteten PassivitätaufgerütteltundesisteineThatsache, daßdieAfrikander sich still,abereifrig rüsten,um einer etwa beabsichtigten MassenerdrückungderRepublikenmitbewaffnetemWiderstandgegendiebriti- schenTruppenzubegegnen. Englandwirddaher,wenn ihmdasKriegsglück nichtinallernächsterZeit überwältigendeErfolgeindenSchoß wirft,umder EhrederArmeewillennur so lange laviren,bisessich einigermaßenmitAn- standausderheillosenKlemmeherausziehen kann,undeswirdschließlichfroh sein, dieKapkolonieundNatalfürsichretten zukönnen,wogegendieRepubliken unterder Garantie derUnabhängigkeitpolitischeReformenzugestehenwerden.

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Transvaal. 197 Dasaberbedeutet,wiemansichhierschonlängstnicht verhehlt,keine dauernde

BeicegungderBölkerkrisis,dienur durch eineVernichtungderbritischenArmee ImBurenkriegjetztschonherbeigeführtwerdenwürde.Derseit Monaten tobende Kampf,der inhohemMaßenichtnurdiekriegerischenfsondern auchdie civili-

satorischenTugendenderBuren gezeigthat,wirdmitdenVorurtheilendernicht- britischenWeltgegendieshervorragendzurStaatenbildunggeeignetePionier- volkSüdafrikasaufräumen unddieserNation selbsteinSpornsein, fortzu- schksitem nichtimSinne einesödenKapitalismus, sondernimSinne der agrikulturellenBestimmungSiidafrikas. Transvaal,seit seinemBestehenvon Englandinunerhörter WeisedrangsalirtundauseinerKrisisindieandere geworfen,bedarfnur derRuheundwünschtdiese Ruhe,umsichinkurzerFrist zneinemblühendenStaat zuentwickeln,wieesderOranjefreistaatinmuster- giltigerForm ist. Südafrika ist ohnedieBuren,die eserst kolonisirten,gar nichtdenkbar; Heloten,zu deneneinbramarbasirender Jingoismussie degradiren möchte,mögeninGroßbritanniennebendemalleskräftige Mittelstandsdasein ertötenden Großgrundbesitzvegetiren,aberhier haben wir,vonderrhodesischen deBeerssCompanyabgesehen, glücklicherWeisekeineLandkönigeundwissen, daß derbedächtigvorrückende,solide OchsenwagenimStaatswappenTransvaals noch für vieleJahrzehntedasWahrzeichenderEntwickelung Südafrikasbleibenwird.

Dieschonvorhin flüchtigcharakterisirtefest ansässigebritische Bevölkerung aberwirdaufdieDauer derBildungderUnionundeinergemischtenAfrikander- bevölkerungvon derEinheitlichkeit,wieesdienordamerikanischegeworden ist, nichtwiderstehen.DieRassegegensätzezwischenBritischundHolländischhaben frühernichtinderheutigen Schärfe bestanden. DerHaßdesBurengiltdemimpe- FiakiftischenbritischenEindringling,abernichtdemseitJahrenmitihm lebenden,mit IhmGeschäftetreibenden undhäufigauchsichmitihmverschwägernden,zumSüdafris vkanergewordenenBriten. Darum bewahreunsder-Himmelvordem inAussichtge- stellten Einströmenneuer britischerElemente mitihrenangeblichreformerischen, thatlächlichaberdrstruktivcn Tendenzen.Diebestehendearbeitende Bevölkerung des Landes istbeiihrer gesunden Selbstergänzung vollanimStande,dieVer- einigtenStaaten vonSüdafrika selbstzubegründen,undsiewirdindemselben Augenblickdazuschreiten,wodemeroberungsüchtigenGroßbritannien nochdeut- licheralsjetzt schondieOhnmacht seiner ExekutivmittelzumBewußtseingebracht werdenwird. Daaber dieweißeBevölkerungzuzweiDritteln holländisch(dutch) istundbleibenwird,sowerdendieVereinigten Staaten vonSüdafrikadutch feinunddieBriten werdensichnolens volens damit abzufinden-haben.«

Ganz soweitsindwirleidernoch nicht. Zwar istkeinZweifel mehr daranmöglich,daß England füreinenTerritorialkrieggegengesitteteVölker militärischnichtgerüstetist.Aber dieKöniginhat,unterdemBeifalldesstärksten TheilesderNation,inderThronredeebengesagt,derKrieg müsseumjeden Preis sieghaftbeendet werden ; und daGroßbritannienjedenPreiszahlenkann, wird derBetrachterausschweifendeHoffnungennochnichthegendürfen.

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Vor fünftausendJahren.

Wie

KulturentwickelungderMenschheitliegtnur zu einembescheidenen Bruchtheilklarvorunseren Augen, währendzahlloseGenerationen unsererVorfahren geringeodergarkeineSpurenvon ihrem Thunund Treibenhinterlassenhaben.BeidenamerikanischenVölkernverstummtjede weitereKundeschon,wenn wirbis zumBeginndesMittelalters zurückgehen;

fragenwirnachdenGeschickenunseres eigenenVolkes, so schweigtselbstdie Sage, sobaldwirdenAnfang unserer Zeitrechnungum einKleines über- schreiten;Dunkelheitbedeckt Italien undseine Bewohner,wenn wir in dasachte

,JahrhundertvorChristiGeburthinaufsteigen;dennwasunsdiesogenannten Terramaren Oberitaliens, PfahlbauniederlassungenausderBronzezeit,lehren, istzuwenig,umeinirgendwieklaresundvollständigesBild derdamaligen Zeitzugeben. Ungefährebensoweitreicht unsere Kenntnißdergriechischen Kultur. Das heißt:derwirklichgriechischen,diesichnachdergewaltigenUm- wälzungderdorischen Wanderungin stetigerEntwickelungaufgebaut hat.

Etwas weiterhinauf,bisinssechzehnteJahrhundert, gelangenwir mitder nrykenischenEpoche,derEpochederhomerischenHelden,dieauchinder homerifchenDichtungimAllgemeinennoch zutreffend geschildertwird,obgleich diese Dichtung schon mehrere Jahrhundertejünger ist.Das istaberauf griechischemBodendieältesteKultur, vonder uns, dankSchliemannsund Dörpfelds erfolgreicherArbeitinMykenä, TirynsundTroja, erheblicheund werthvolleUeberrestebekanntsind.Was wirauf griechisch-kleinasiatischeni Gebiet von denvorhergehendenPerioden wissen inTrojaundCypern führennothdürftigeSpurenbisindasdritteJahrtausend—, beschränktsich imWesentlichenaufTöpferarbeitenund primitive Werkzeuge. Besser steht esmitdenaltbabylonischenResten,diebisüber dasJahr Dreitausendzu- rückweisenunddervollständigerenErforschungvielleichtnocheinereicheAus- beute vorbehalten. Vorläufig gebenaberauchsiekeinzusammenhängendes Bild. Nurein Land derErdeistes,dessengeschichtliches,kulturelles und künstlerischesWerden wirüber einenZeitraumvon fünftausendJahren hin fastlückenlosvor uns ausgebreitet sehen: Egypten. Hier vereinigtensich günstigeUmständeallerArt,umuns einefast unübersehbareReihevonDenk- mälern verschiedenerGattungzuerhalten.Jahr für Jahr entsteigenden geheimnißvollenGräbern immer neue Kunstwerkeund stellenuns diereiche Kultur desPharaonenlandesimdritten JahrtausendvorChristus anschau- lichundgreifbarvorAugen, währendNachtundSchweigendieVölkergeschicke derübrigenWeltindieser Zeit umhüllt.

BekanntlichistunsereKenntnißderpolitischenGeschichteEgyptensauf dievondenaltenPriestern verfaßtenKönigslistengestützt,derenZuverlässigkeit

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VorfünftausendJahren. 199

VVVzwei JahreneineüberraschendeBestätigungfand,alsdeMorganbei NakadedasGrab desMenes entdeckte, der alsersterKönig genanntwird unddem vierten Jahrtausendvor ChristiGeburt angehörte.Schon jene PriestergliedertendiegewaltigePharaonenreihenach Dynastien,undwenn auchdieersten etwaachtzehnDynastien nurinihrerrelativenChronologie einiEtermaßengesichertsindundinderabsoluten ZeitbestimmungstarkeUn- sicherheitenbestehen,so hat dochdieWissenschaftnichts Besseres thun können, alsjene Dynastiengliederungbeizubehaltenund ihrdiegesammtekulturge- schjchtlicheEntwickelungeinzuordnen. Zu bessererUebersichtfaßtman dann gewisseDynastiegruppenwieder in»Reiche«zusammenundtheiltdieersten eIfDynastiendem AltenReich (4000?bis2200) zu, diezwölftebis sechzehntedemMittleren (2200bis1600)unddiesiebenzehntebiszwan- zigstedemNeuen Reich,das um 950 vorChristusendetundalsounge- fährdermykenifchenPeriodeinGriechenland entsprechenwürde. DerAn- schlußandiegesicherteGeschichteerfolgtmit dersechsundzwanzigstenDynastie (Psammetich)imsiebenten Jahrhundert; unddieeinunddreißigsteDynastie führtendlichzuAlexanderdemGroßen. Versuchtman, aufGrund dervor- handenen KunstdenkmälerinflüchtigenUmrisseneinBildderkünstlerischen LeistUngenvoretwavier-bisfünftausendJahrenzuentwerfen, so hatman es nur mitdem AltenunddemAnfangdesMittlerenReicheszuthun;das NeueReichistpolitischderHöhepunktderegyptischenHerrlichkeit;esist dieZeit,dadiegroßenEroberer ausderneunzehntenDynastie,dieSethos undRamses, ihre Herrschaftbistief nach Asien hinein ausdehnten, istaber inkünstlerischerBeziehung,vorAllemaufdemGebiet der bildendenKunst, schonerheblichvon derbewunderungwürdigenHöhedes AltenReichesherab- gesunken.Unter den vielenRäthseln,dieuns dieegyptischeKunstentwickelung aufgiebt, istesvielleichtdasmerkwürdigste,daßeingesundes,phantasie- Volles,hervorragendbegabtesVolksichinallerfrühesterZeit, doch wohlaus eigener Kraft,zugroßartigenkünstlerischenLeistungen erhebtunddennoch imspäterenVerlauf seiner Entwickelungeiner totenähnlichenErstarrung anheimfällt Langsam,aberstetig gehtineinemZeitraumvonzweitausend Jahrendieservon keinemnennenswerthen AufschwungunterbrocheneProzeß Vorsich; nüchterneund einförmigeSchablonisirungtritt andieStelle der früherenrealistischenFrischeundLebenswahrheit,trotzraffinirtester Künstelei derTechnikgelangtkeineKünstlerindividualitätzurerfolgreichenAuflehnung gegen dieverknöchertenRegeln priesterlicherBevormundungundnur aufdem Gebiet derArchitekturwirdfortundfort Großesgeleistet,obgleichauch hier dieAufthürmungungeheurerMassen höhergestelltwirdals diefein abge- wogene HarmoniederGlieder·

AmLeichtestengewinntman einenbefriedigendenUeberblicküber die

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200 DieZukunft.

GesammtleistungdesAltenReichesimMuseumvonGizehbeiKairo.Zwar enthalten auchdieMuseenvon Berlin undWien einestattlicheReihevon Kunstwerkenausjener Zeit,aberdie imehemaligen HaremdesKhedive aufgestellteSammlung ist doch ungleich reichhaltigerundwerthvoller.Eine erstaunlich großeZahlvon Kunsterzeugnissenund AlterthümernallerArt istindiesen Sälen, Zimmern’,Korridoren nnd Höer aufgehäuftund mehrererTage bedarfes,um auchnur oberflächlichallesVorhandenezu besichtigen.VoneinundneunzigRäumenenthalten nicht wenigeralseinund- zwanzignur Werkedes AltenundMittleren Reiches; beinaheAllesstammt ausschließlichausGräbern undesist überraschend,wasdortdieJahrhunderte überdauerthat.

Jn FolgedereigenthümlichenGlaubensvorstellungenderEgypterwaren AnlageundAusschmückungder GräberGegenständedesgrößtenLuxus;und nichtnur diearchitektonischeAusgestaltungderGrabpalästemitihrenzahl- reichenSälen undKammern,nichtnur dieschier unglaublicheAusdehnung undMannichfaltigkeitdesbildlichenWandschrnuckesin Gemälden undReliefs erheischtunsere Bewunderung:vorAllemistesdieaufabergläubigenJdeen beruhendeSitte,demVerstorbenendiePortraitstatuemitinsGrabzugeben, der wiresverdanken,daßwireineSchaarvon PrinzenundPrinzessinnen, Hofbeamten, Priestern, RichternundSchreiberningetreuem,meistlebens- großemKonterfei besitzenunddaßdievorvielenJahrtausenden Verstorbenen heutenoch körperlichvorunsstehen.Für dieLebenswahrheitdieserGestalten isteinVorgangbezeichnend,demdieberühmteHolzstatuedessogenannten

»Dorfschulzen«ihrenNamenverdankt: alssieauseinem Grabdervierten Dynastiebei Sakkara auftauchte,erklärten diearabischenArbeitereinstimmig, Das seidasBild ihresDorfscheikhs;nndwenn man das wohlwollende, rundliche,mildlächelndeAntlitzmitdenlebensvollenAugen betrachtet, sieht man gernüber dieetwassummarischeBehandlungderübrigenKörpertheile hinweg.DieegyptischeKunst istniemals dahin gelangt,dieEingliederung derExtremitätenindenRumpfgenauerzustudiren, auchdieOberflächen- behandlungblieb immerprimitiv wasbesondersanBrustund Leibauf- fällt,wodieAbgrenzungdesUnterleibes sowohlnachobenwienachden Hüftenzu völligvernachlässigtist—, aberganz außerordentlichistdie LebendigkeitdesGesichtsausdruckes,die indenälterenZeitennie des indivi- duellstenGeprägesermangelteundeine ganze Skala vomwundervollen Ernst biszurschelmischenHeiterkeit durchläuft.Dazu trägt besondersdiekunstvolle BehandlungdesAugesbei. Sowohlbei denKalkstein-wiebei denHolz- statuenbildetmeisteinopalisirendes weißesQuarzstückdenAugapfel,ein durchsichtigesKristallstückdientalsLinseundhinter dieser haftet,um die Pupilledarzustellen,einkleinerSilbernagel, dessenhelles FlitterndenSchein

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Vorfünftausend Jahren. 201 des Lebenshervoruft.Die ausgezacktenRändereinesBronzeplättchens jetztleideroft durch Grünspanentstellt gebendieWimpernwieder, die schwarzenAugenbrauen sind gemalt.Bemalt ist übrigensdie ganze Statue.

BesondersvondenlebensgroßenKalksteinstatuen,so zumBeispieldesPrinzen RahotepundseinerGemahlinaus derdrittenDynastie,desSchreibersaus Sakkara (ZeitderfünftenDynastie), istkaumhieunddaetwasabgeblättert;

undinunverminderter Frische strahltdas kräftigeRothbraundesnackten Rumpfesund derGliedmaßen,imscharfenKontrastzu demkurzen,schwarzen Haaroderauchderkunstvollen Perrücke.DieHüften umschließteinhell- fakbigerSchutz,denrothe,blaueundgelbe Schnüre,diesorgfältigdaraus- gemaltsind,schmücken.DieserSchurz liegt meistensenganundist zierlich gesältelt,beimanchen Personenaberister unförmlichgroßundstehtin liöchstkomischerWeiseweitvom Körperab,sozumBeispielbei dem be- rühmtenTi, demwohlgenährtenköniglichenOberbaumeisterderfünftenDynastie, demInhaberdesprächtigstenGrabesinSakkara. AuchHals-undBrust- kettenvon Goldundedlen Steinen hatderMaler täuschendnachgeahmt.

DaßdiealtenKünstlerdiePortraitähnlichkeitpflegten, siehtman aufden erstenBlick ; und dierealistischeTreue, mit dersieauchdasHäßliche:große,weit AbstehendeOhren,dickeNasen,denFettwansteinesaltenMannes, auf- fallende BrustwarzeneinerFrauundAehnliches, nachbildeten, beweistihre Gewissenhaftigkeit.AndereStatuen,besonderssolcheausAlabaster, Rosen- granit undBasalt sind unbemalt.’k)Auffallend schönistdiegroßeDiorit- statuedesKönigs Chefren,desErbauers derzweiten großenPyramide.

NächstdenStatuen sinddieWandreliefszunennen, die inzahlreichen BruchstückenimMuseum, noch besseraberindenGrabanlagenanOrt und Stelle,zusehen sind. SolcheGräber des AltenReichessindingroßerZahl über dasganzeLandverstreut.Einigevondenschönstenundgrößtenhat man nahbei Kairo inSakkara,deruralten ResidenzstadtMemphis,aufge- funden;essinddie Gräberdes bereitsgenanntenTi(fünfte Dynastie)und desMery (sechsteDynastie). Dieses enthältnichtwenigeralseinunddreißig Räume,derenWändesämmtlichmitbemalten Reliefstreifengeschmücktsind.

KaumgiebteseineSeitedesmenschlichenLebens, die indiesenBildern nicht dakgestelltwäre! Man siehtin naivrealistischerDeutlichkeitalleVerrichtungen desAckerbaues,derVieh-undGeflügelzucht,derJagd,desFischfanges,des SchiffbauesundderSchiffahrt,derverschiedenstenHandwerkeundschließlich derBestattungunddesTotenopfers, so daßman eineanschaulichereVor- stellungvomLeben und TreibenderEgypterum dasJahr2500vorChristi

Ile)Hier ist die virtuoseTechnikzubewundern, die dasharte Material spielendbezwang-

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