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Philosophie und Leben. Jg. 4, H. 8 (1928)

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4. JAHRGANG + 8. HEFT + AUGUST 1928

„ 3 m ©tenfte ber D o l b e e t n b e t t erflrebt unf er e 3 n t f $ r i f t ei nt fach*

Ut^e a u ß f p r a d j e ber b e t r i e b e n e n toeltanfthaultchen E i d j t u n g e n . “

£>cr (§>dff, Jom 5Bcg un5 Jdnc E>rd 55crroanb^

lungen

■33on E u g e n O e i t e t

V o r w o r t

Von Sag ju Tag mehrt fid) bie 3ahl her SERenfchen, benen bie Sluf- faffung ber SBelt als eines mafcfjtnenartigen SJtedhanismus nicht mehr genügt. Slber aud) ber Verfug, bie SBelt als bas (Ergebnis unb ben

©chauplatj namenlofer Kräfte anaufefjen, fann nicht befriebigen. Senn biefe Kräfte finb „blinb", bas Reifet fie entbehren eines felbftänbigen

©trebens auf ein (Entwidlungs 3 tel hin. 3war hat man ermittelt, bafe fie geioiffen ©efefcen gehorchen, fogar fehr oerftänbigen ©efefoen, benen man es offenbar jufdjreiben mufe, bafe bie SBelt fein Efjaos, fonbern min- beftens ein h ö ch ft f i nnr e i c h e i n g e r i c h t e t e r SETCechanismus ift.

Slüein bie näd)ftliegenbe grage, wer benn ber Urheber biefer ©efefoe unb ju welkem 3n>ede er wohl btefes gange Kräftefpiel ins Seben ge­

rufen habe, biefe grage pflegt als nicht mehr ins ©pftem gehörig be­

trachtet unb ausgefdjieben 3 u werben. (Ein merfwürbiges Verfahren, welches notwenbigerweife bas ^uftanbefommen eines einheitlichen SBelt- bilbes oerhinbern, bie flare (Erfenntnis ber 3ufammenhänge unmöglich machen unb bem 3rrtum Tür unb Tor öffnen mufe.

Nur eine SBeltanfchauung, welche jenen lefoten gragen nid)t aus bem SBege geht, fonbern fie im ©egenteil 3 um Slusgangspunft nimmt, hat Slusfid)t, ein ben Verftanb unb bas ©emüt wirflich befriebigenbes SBelt- bilb su liefern.

gür mich ift ber einzig mögliche Slusgangspunft bie Sinnahme eines

©ottes, ber ein ©eift ift unb ber bie Siebe ift.

Sie £fiften3 btefes ©ottes 3U beweifen oerfuche id) nicht, unb 3War aus bem ©runbe nicht, weil ber einige fd)lüffige Beweis bie perfönlidje Erfahrung ift. Siefe aber mufe jeber felbft

m a ch e n

unb er fann unb wirb fie machen, wenn ein ernftes ©treben nach ber SBahrfjeit in ihm wohnt.

(Ernftes ©treben nad) ber SBahrheit ift ber ©djlüffel, ber bie ©eheim- niffe ber geiftigen SBelt erfchliefet, nicht alle, gewife, aber genug, um 3 U erfennen:

^ b ilo fo p b ie unb Seben. I V . 15

(2)

2 1 6 S e r © e t f t , f e i n 9B e g u n b f e i n e b r e i V e r t o a n b i u n g e n

bafe ber Untergrunb aller Singe, bie fd)öpferifd)e Kraft, bie bas Welt*

all ins Seben gerufen hot unb fortbauernb erhält — ©eift ift; bafe alles Seben Don biefer Kraft herrührt; bafe biefes Seben jur Entwidlung beftimmt ift unb bafe ber SQlenfch hieran mitjuarbeiten hat, inbem et oor allem ben Sebensfeim, ber ihm anoertraut ift unb ber ben Stempel feiner 3ch=‘’Perfönlichfeit trägt, in allem ©uten, was barin ift, jur Entfaltung ju bringen fud)t, bamit er, in feine geiftige Heimat jurüdfehrenb, eine im ©uten entwicfelte (Seele mitbringen fann.

§ür SRenfchen, welche auf biefem 23oben ftehen ober geneigt finb, fid) auf biefen 33oben ju ftellen, ift bas 23ürf)lein gefcfjrieben.

Es unternimmt ben Verfucf), ein Weltanfchauungsgebäube ju errichten.

Sas ©ebäube ift, meiner Einteilung entfprechenb, ein Stempel geworben.

Wohl wirb man<her finben, bafe ber SSauftil ungewohnt, bie Steine ju »erfchtebenartig, einige Vogen ju fühn gefpannt finb, ber unb jener Pfeiler ftatt aus bem feften (?) ©ranit bes Wiffens aus bem jerbrech»

liehen (?) Kriftall bes ©laubens gefertigt fei unb bafe manche Seile über=

haupt fehlen: immerhin, es ift ein STempel unb meine Vttte geht bahin, ihn mit bem gleichen Ernft unb ber

gleichen

2lnbad)t ju betreten, bie ben Erbauer befeelt haben. Sann wirb ber Segen nicht ausbleiben, auch bann nicht, wenn ber Sefer es oorjiehen follte, biefen unb jenen Stein ober ^Bauteil burd) einen anberen ihm beffer fcheinenben ju erfefeen. Sas fei ihm unbenommen. 3ch habe nur bie 2lbficf)t, ju jetgen, mit welchen Steinen i ch gebaut habe unb nehme nur in 2lnfprucf>, bafe ihre Verwen=

bung ben Senfgefeften nicht wiberfpricht unb bafe in bem Nahmen, inner- halb beffen fie angewanbt finb, ihnen eine gewiffe Wahrfcheinlichfeit innewohnt. Wem im einjelnen Salle biefe Wahrfcheinlichfeit nicht grofe genug oorfommt, ber ift gebeten, beswegen nicht bas Vüchletn beifeite ju legen, fonbern es ju Enbe ju lefen unb ben ©efamteinbruef auf fich wirfen ju laffen. Vielleicht fpürt er bann einen Hauch bes Wahrf)etts=

geholtes, ber in bem ©anjen liegt unb oielleicht ift er bann mit mir ber 2lnficl)t, bafe biefer Wahrheitsgehalt ftarf genug ift, um auch biejenigen Schlußfolgerungen ju tragen, welche für fich allein betrachtet, ju wenig begrünbet erfcheinen fönnten.

W er aber auch bann noch glaubt, nicht mitgehen au fönnen, ber möge fich oergegenwärtigen, bafe bie ©ottheit unergrünbbar, bafe baher jeber nur b as Vilb ber ©ottheit oerehren fann, bas e r fich macht.

Nichts liegt mir ferner als mein ©ottesbilb anberen aufbrängen ju wollen.

Allein wenn aus bem Vüchlein ju entnehmen ift, auf welchem Wege unb auf ©runb welcher Vorftellungen ein im allgemeinen auf bem Vo»

ben bes Ehriftentums ftehenber unabhängig benfenber SRenfch, bem bie

religiöfen fragen feit oielen 3af>ren Herjensfadje finb, Nuhe unb Ve=

(3)

D e r © e t f t , f e i n SB e g u n b f e i n e b i e i S e t t o a n b l u n g e n 2 1 7

friebigung für Verftanb unb ©emüt, Kraft unb fröhliche 3 u»erfi<ht in allen ßebenslagen, flare (Ertenntnis »om Sinn unb Swed bes ßebens, tiefe unb troftretcbe (Einblide in bie bunflen unb cerfcblungenen 3Bege bes Scbitffals gewonnen unb fcbliefelicb bie ©ewifebeit bes perfönlicben 3Bet=

teriebens nad) bem Jobe unb einer fortfcbrettenben fiöberentwidlung ge=

funben bat, fo ift bie Hoffnung berechtigt, bafe biefe SRitteilungen »iel- ieicbt für manchen gleicbftrebenben 3Jtenfd)en eine gorberung auf feinem fd)ioeren SEßege bebeuten fönnten. Um biefer |>offnung willen glaubte ich, irofe »erfcbiebener Bebenten, bie hier niebergelegten Betenntniffe ber Öffentlicbteit nicht oorenthalten au follen.

1 . Abfcbnitt

©eiftige SBefen als Kinber ©ottes 3m Anfang war ©ott unb nichts aufeer ihm.

©ott ift bie ßiebe.

ßiebe braucht 2 öefen, bie fie lieben fann.

S a folche SBefen nicht »orbanben waren, fühlte fid) ©ott burd) feine ßiebe gebrungen, fie au fchaffen. ©egenftanb ber ©ottesliebe tonnten felbftoerftänblich nur 3öefen feiner Art, alfo, ba ©ott ©eift ift, nur geiftige Sßefen fein, ©ott ift aber nicht nur bie ßiebe unb nicht nur

©eift, er ift aud) bas ©ute. ©eine ßiebe tonnte baber nur geiftige 3Befen wollen, bie ebenfalls gut waren.

Aber bie ©üte burfte ihnen nicht »on Statur aus als eine un»erliet- bare (Eigenfcbaft mitgegeben fein, benn wenn biefes ber galt war, fo banbeiten fie awar gut, aber gwangsläufig, nicht aus eigener (Ertenntnis unb eigenem £ntfd)lufe heraus. Sas ßiebesbebürfnis ©ottes mufete »iel=

mehr felbft»erftänblid) gehen auf geiftige 3Befen, bie bas ©ute als (Ent- widlungsaiel ertannten, einen freien Sßillen hatten unb fid) freiwillig für bas ©ute entfcbieben.

(Solche (Ertenntnis unb fold) freier Söille tann aber nur wohnen in einem SBefen, bas geiftige Selbftänbigfetf, eine eigene 3<h-^Perfönlid)feit befifet.

©egenftanb bet göttlichen Sebnfucbt mufeten alfo fein: Selbftänbtge geiftige 3Befen, bie freiwillig bas ©ute taten beswegen, weil fie es als bas felbft»erftä'nblid)e (Entwidlungsaiel ertannt hatten, alfo richtige Kin- ber ©ottes. Kinber, in benen er fid) felbft etbliden tonnte, weil fie (Er­

tenntnis »on feiner Ertenntnis unb greibeit »on feiner greibeit in fich trugen unb »on biefer greibeit in feinem ©inne ©ebraucb machten.

©oldje Kinber tonnten nicht mit einem Schlag fettig auf bie Beine geftellt werben, fonbern fie mufeten fich entwideln, wie alle Kinber fich entwideln muffen.

15*

(4)

2 1 8 D e r © e i ft, f e i n 2B e g u n b f e i n e b t e i S e t w o n b l u n g e n

S ic Entwidlung mußte ferner burd) eigene Arbeit t>or fid) gehen; fie burfte fein unüerbientes ©efchenf, fonbern mußte bie grucht eigener Mühe unb Anftrengung fein. Senn nur bas felbft Erarbeitete ift wirf=

lief) unfer befife. Enblid) toar noch eines notwenbig, um »olle ©ernähr bafür ju fchaffen, baß bas ©ute nur um bes ©uten willen getan würbe:

biefen ASefen burfte nicht »on Anfang an bas flare bewußtfein ihrer göttlichen Abfunft mitgegeben werben. Senn bann hätten fie fich nicht mehr unabhängig gefühlt unb ihre Entfchließung wäre nicht mehr frei gewefen; »ielmehr mußte auch biefes bewußtfein erft ber Preis geleifte=

ter Entwidlungsarbeit fein.

2 . Abfchnitt

Materie unb Seben

Um folche ©eiftwefen entftehen gu laffen, bebiente fich ©»ft ber Materie.

Materie ift nichts anberes als eine ^uftanbsform göttlicher Kraft.

3Benn göttliche Kraft berart fchwingt, baß für unfer 3Bahrnehmungs»er=

mögen ber Etnbrud bes Stofflichen entfteht, fprechen wir »on Materie.

2 Bir haben es alfo in allem, was wir wahrnehmen, mit ben $uße=

rungen göttlicher Kraft ober göttlicher Kräfte ju tun: bie ©eftirne, unfer Söeltfpftem, bas heißt bie Sonne unb bie fie umfreifenben Planeten, bie Erbe unb alles, »as auf ber Erbe ift, bie gefamte anorgantfehe unb orga=

nifche SBelt, alfo bas Mineralreich, bas Pflangen- unb Tierreich, enbltch ber Menfd) felbft in feiner förperlichen Erfctjeinung: alles befteht aus göttlichen Kräften, welche in ftofflicher SBeife, wie wir uns furj aus=

brüden wollen, fchwingen.

3nnerf>alb ber ftofflichen Schwingungsweife gibt es wieber unzählige Unterarten.

3ebe Schwingungsart wirft auf unfer A3ahrnehmungs»ermögen an=

bers, fo baß für unfere Sinnesorgane bie unzähligen ©egenftänbe ber Sinneswelt entftehen1).

*) 3R ü biefer Sluffaffung fteht bie m oberne Sttom lehre in gutem E tn flan g . D enn n a * biefer befifet b as 2lto m , b a s ift ber angenom mene fleinfte S e il ber SOlaterie, über»

haupt feine SJtaffe, fonbern ift a ls eine B a llu n g e le f trif * e r K räfte aufjufaffen, in ber 2 lr t, baß um einen pofitio eleftrifdh gelabenen K ern — P r o to n genannt — a ls SKittel- punft fleinfte S e i l t e n negatioer E le ftr ijitä t, bie fogenannten S ieffro n en , mit größter

©efchtoinbigfeit berum freifen. 2 l u * bet K ern befteht lebiglich a u s E le ftr ijitä t, unb

3

» a r bei jebem E lem en t a u s einer anberen g a h l oon fogenannten E lem en tar=2ab ungen.

D a ber K ern bes SB afferftoffatom s gleich einer E lem en tar=2ab u n g ift, fo muffen bie K erne auch a lle r übrigen Sltome a u s SEBafferftoff befteben. D urch bie E ig e n a rt bes 2lto m fern s toirb bie E ig e n a rt bes 2lto m s, b u r * bie E ig e n a rt bes 3lto m s toirb bie E ig e n a rt bes * e m i f * e n E lem en tes beftimmt, m ithin, ba alle K ö rp er a u s biefen E le ­ menten f i * jufammenfefeen, bie E ig e n a rt ber K ö rp er, fo bafe bie E rf*e in u n g sfo rm ber K ö rp er bie g o lg e bet 6 * » in g u n g s n > e if e ihrer 3ltom e ift.

E leftriaität ift ein Stam e, hinter bem f i * eine K ra ft o erb irg t, beren SBefen uns n o * unbefannt ift. D ageg en toifien toir oieles über ihre Ä ußerungen unb es ift taum b aran ju jtoeifeln, bafe fie bie © ru n b lag e beffen ift, to as toir M a te r ie nennen.

(5)

Sie Schrift1) fagt Don ©ott, bafe er wohne in einem Sicht, 6 a niemanb hinau tommen fann; ein grofees Sicht oom f)immel umleud)tet ben au be«

fehrenben Paulus2). 3Bo ©ott ben Augen ber SSRenfchen wahrnehmbar roirb, gefd)iel)t es meift in ©eftalt bes geuers: er fährt herab auf ben Berg Sinai mit geuer8); er erfcheint bes Staats in einer geuerfäule4);

er fd>aut aus ber geuerfäule5); er roirb ein oerjehrenbes geuer genannt6);

er fommt mit geuer7) ufio.

Siefen Berichten liegt eine tiefe SBahrheit jugrunbe: ©ott, ber Aus*

gangspunft, ber 3Kittel= unb Brennpunft aller }d)öpferifrf)en Kräfte bes Sßeltalls, ber eroig fprubelnbe Urquell bes Sebens unb ber Bewegung, ber über alles menfchliche Berftehen reid>e ©eift, ber ungezählte SBelt*

fpfteme ins Safein ruft, beren feines bem anberen gleich ift, ja beren feines ein Sanbforn trägt, bas einem anberen Sanbforn auf irgenb*

einem biefer SBeltfpfteme gleich wäre: biefer unoorftellbar grofee ©ott unb Schöpfer ift felbftoerftänblich ein oollfommen unftoffltd>er unb baher mit menfchlichen ©innen nicht wahrnehmbarer ©eift; aber wenn er irgenbwie eine £>ülle um fid) legt, um wahrgenommen zu werben, fo ift nichts näherliegenb, als bafe biefe frnlle aus Sicht unb geuer befteht.

(Es ift fchlechterbings unmöglich ZU benfen, bafe ©ott in ginfternis unb Kälte wohne. Ser Safe „©ott wohnt in einem Sichte.. M ift eine oon ben SBaljrheiten, bie bem SERen|d)en unmittelbar gewife finb unb bie ba*

her nicht bewiefen zu werben brauchen.

©ott beftimmte alfo bie Kräfte, aus benen jene oon ihm gewollten

©eiftwefen fid> allmählich entwideln follten, gab ihnen ben (Entwidlungs*

befehl unb hiefe fie ftofflich fchwingen.

Sunächft galt es, bie ©runblagen zu fd)affen: SBeltfpfteme zu bilben.

Sie Kräfte hüllten fich, ihrem Urfprung gleich, in Sicht unb geuer unb bilbeten ©onnen als bie Kernpunfte ber SBeltfpfteme. Safe fie babei bie oollfommenfte gorm bes Stoffes, bie Kugelform annahmen, oerfteht fich oon felbft. Sie arbeitenben Kräfte waren, weil bem Quell alles Sebens entfprungen, felbft lebenbig.

Seben ift Bewegung. Ohre im wefentlidjen einheitliche Bewegung teilte fid) ben burd) fie gebilbeten Sonnen mit unb oerfefete biefe in Srehung um bie eigene Achfe.

Aus ben Sonnen fonberten fich bann bie 'Planeten ab unb fingen an, um ihre SEftutterfonne zu freifen. Bet biefem Aufbau ber SBeltfpfteme hielten bie fcfjaffenben Kräfte fich an bas im Atom gegebene Borbilb:

Sie Sonne entfpricht bem ben Atom=3ERittelpunft bilbenben Kern, bie

'Planeten ben um ben Atomfern freifenben (Eleftronen.

(6)

2 2 0 S e r © e t ft, f e i n 3B eg u n b ( e i n e b r e i 3 3 e t » a n b l u n g e n

3ebes Söeltfpftem ift alfo ein ins Ungeheure »ergröfeertes Atom unb jebes Atom ift ein ins Ileinfte oerfleinertes 2öeltfpftem!

3eber Stein, jebe Pflanze, jebes 3Tier bcfteljt aus Ileinen Söeltfpftemen!

ltnb ber SÜRenfd) ift aus gleich gebilbeten Atomen jufammengefetjt; er trägt Söeltfpfteme in fid>; in ihm fchwingen bie gleichen göttlichen Kräfte, rote in Steinen, Pflanzen unb 2ieren, mit 9ted>t fühlt er fid) eins mit biefen, aber aud) mit feinem ©ott, aus bem er heroorgegangen ift.

(Es ift begreiflich, bafe bie bie Sßeltfpfteme bilbenben Kräfte junädjft in ben feinften gorrnen bes Stoffes fdjwangen unb erft allmählich au ben herberen übergingen: bem anfänglich ätherifchen ober ftrahlenartigen Suftanb »on ganz geringer Dichte folgte ber bichtere, feurig=gasförmige, barauf ber feurig=flüffige, fchltefelid) ber fefte. So umgab fid) bie als geuerball aus ber Sonne herausgefd)leuberte Erbe allmählich mit ber feften Prüfte, auf ber organifdjes Seben entftehen fonnte.

Unermeßliche SEHengen »on fchtoingenben Kräften waren an ber Arbeit.

3cf) fage abfichtlich »an ber Arbeit", benn es hanbelte fi<h ni<ht um ein geiftiofes Aufrechterhalten eines beftehenben Suftanbes, fonbern um 3 tel=

betoufete Entwidlung. greilich flar betoufet war bas 3iel nur bem grofeen 2ßerfmeifter, aber ein Schimmer, ein toenn auch nod) fo fchtoadjer Strahl biefes 25etoufetfeins unb ein toenn auch nod) fo Ictfer f>aud> feines Ent*

widlungsbefehls toar auch ?um lefeten totnzigften ^raftatom gebrungen unb wirfte als Anfporn zur Arbeit.

Allein nicht alle antworteten in gleicher ASeife barauf.

Denn feines oon ihnen toar irgenbeinem anberen gleich, ha fie ber göttlichen Schöpferfraft entflammten, bie in ihrem unenblid)en Reichtum unb ihrer unerfchöpfltchen gülle 3 toar ungezählte Sebensfetme ausftrömt, niemals aber tote 33aufteine herftellt. 3a toir müffen annehmen, bafe biefen Sebensfeimen, toenn fie aud) augenbltdlid) in bie gron ber SKa- terie gezwungen waren, bod) ein Schatten oon göttlicher greiheit ge*

blieben war, ber es mit fich brachte, bafe oon bem einen bie Antwort lauter, oon bem anberen weniger laut ertönte. Es ift begreiflich, bafe bie entwicflungsbereiteften unb entwidlungsfreubigften Kräfte zueinanber ftrebten, fid) zufammenfanben unb gegen bie übrigen abfonberten. 3n foldjen Slräfteballungen entftanben, burd) bas Sueinanberftreben, burd) bie Siebe gewedt, Spuren eigenen Sehens.

Die einfachfte uns befannte gorm bes organifdjen Sehens ift bie 3eüe.

Durch Ihre Bereinigung zur Seile gingen bie Einzelkräfte zwar ihrer

Sonberejiftenz oerluftig, taufd)ten aber bafür bie ^ugehörigfeit zu einem

33erbanb unb bamit bie 3Röglid)feit ber ASeiterentwicflung ein. Aufeer

für SBeiterentwidlung mufete für 53efriebigung ber 53ebürfniffe ber Seile,

für ihre Erhaltung unb gortpflanzung geforgt werben.

(7)

© e r © e i f t , f e i n SB eg u n b f e i n e b r e i 3 5 e t n > a n b l u n g e n 22 1

£>iersu beburfte bie Seile einer ßeitung. S a bte Aufgaben ber Seitung 4)ö$erc waren, mußten biejenigen Kräfte, tocId>e bie Seitung übernahmen, feinftofflicher fchwingen als bie übrigen.

SBo fid) Sellenbilbung unb mit biefer Kräfte norfinben, bie eine 2ei=

tung erfennen laffen, pflegt man Don 2eben su fprecfjen. Sie SBahrheit ift jebod), baß es einen toten Stoff überhaupt nicht gibt, baß jeber Stoff aus immerwährenb fdjwingenben, bas ift lebenben Kräften befteht.

Sie Einjelgelle ift bereits ein wenn aud) »erhältnismäßig einfacher Organismus. Solche bilbeten fid) sunädjft im SBaffer. ©rößere Organis=

men bebingen ben Sufammenfchluß Dieler Sellen. Sie Aufgaben ber grö=

ßeren Organismen finb naturgemäß

Dtelgeftaltiger

unb erforbern eine immer mehr ins einseine get)enbe Arbeitsteilung.

(Es bilben fid) innerhalb bes Organismus Seilgruppen, beren jebe ihre Sonberaufgabe hat. Siefe Seilgruppen finb bie Organe bes Organismus.

3n jebem Organ fchwingen bie Kräfte anbers.

Unjählige Derfdjiebene ©attungen unb Slrten biefer Organismen ent- ftanben nebeneinanber, bie einen bem Pflanjenreich, bie anberen bem Tierreich angehörenb.

Sie Vilbung ber ©attungen unb Slrten mag burch äußere Umftänbe D e r a n l a ß t roorben fein; e r m ö g I i d> t mürbe fie burd) bie Ver=

fd)iebenheit ber (Einael-Kräfte, aus benen bie Sellen unb Organismen heroorgegangen waren.

Vorwärts getragen würbe bie (Entwidlung naturgemäß oon benjenigen 3nbioibuen, in benen bie entwidlungsfähigften Kräfte lebenbig waren.

Sie (Entwidlung führte oon ben SBaffertieren ju ben im SBaffer unb.

auf bem 2anbe lebenben unb Don biefen su ben 2anbtieren, beren höchfte Stufe wieberum bie Säugetiere finb. Ss ift fein Sweifet, baß bie jeweils höchfte (Entwidlungsftufe gleichseitig oon Dielen 3nbioibuen erreicht würbe.

Srühseitig, jebenfalls fd)on Dor (Erreichung ber Säugetierftufe, seigte fid) unoerfennbar bie Überlegenheit besjenigen Tierftammes, aus welchem fpäter ber SDlenfd) heroorgehen follte. 3m Vergleich su ihm finb bie anberen Angehörigen ber Tierwelt, bie gan 3 e Pflansenwelt unb alles, was wir sur fogenannten anorganifchen SBelt rechnen, alfo namentlich bas 9Jtineralreid) aufsufaffen als bie (Ergebniffe oon Kräften, welche tninber entwidlungsfähig waren unb baf>er Dorseitig in ihrer Entwidlung ftedengeblieben unb sum Teile, wenigftens für unfer SBabrnehmungsDer=

mögen, erftarrt finb.

Ser Sdenfd) mag affenähnliche Slhnen gehabt haben; bie jeftt oor=

hanbenen Affenarten ftammen jebod) nicht Don ben gleichen Ahnen, »ie

ber SRenfd), fonbern Don minber entwidlungsfähigen Seitenoer»anbten

biefer 3Renfd)en=Ahnen ab.

(8)

2 2 2 S e i © e t f t , f e i n 3B e g u n b f e i n e b r e i V e r w a n b l u n g e n

(£5 ift anaunehmen, bafe im Saufe bet Seite« aud) Siete unb ^flanjen unb bie anorganifebe W elt bas (Entwidlungsaiel, bas ift bie 33ergeifti*

gung, erreichen toerben. Auf welchem Wege aber, barüber toage ich feine Vermutung au äußern, ßinfttoeilen fdjeint it>r Hauptjwed bet au fein, bie materiellen ©runblagen für bie Eiiftena bes 3Kenfchen abaugeben.

3. Abfchmtt

35efeeltl)eit; bie feinftofflidjen inneren Körper bes SWenfchen Sie Atome hoben bie (Eigentümlichfeit, baß fie mit getoiffen anberen Atomen 23erbinbungen eingeben, währenb fie mit allen übrigen Atomen folcbe SSetbinbungen nicht eingeben. SSRan fpricht hier oon Affinität ober 23erroanbtf(haft ber Atome.

Worauf biefe 23ertoanbtfd>aft beruht, fann uns bie (Ehetnie nicht fagen.

Sie geftftellung ber Umftänbe, unter benen bie 33etbinbung erfolgt, f)tlft uns ntd)t weiter, ba biefe Umftänbe uns über ben ©runb, toarutn bie 23erbtnbung gefebiebt ober nicht gefchieht, nichts mitteilen fönnen. Weiter- helfen fann uns nur bie Annahme, baß auch bie Atome oon Seben, unb atoar oon einem na<h (Entwidlung ftrebenben Seben erfüllt finb. ®iefes Streben führt biejenigen Atomfräfte aufammen, welche ftcb gegenfeitig in ber (Entwidlung förbern fönnen, währenb biejenigen, welche fich nicht förbern fönnen, einanber ablehnen.

©iefes Sueinanberftreben unb (Einanberablehnen, biefe Siebe unb bte=

fer Haß finb Sriebe, bie, felbftoerftänblich oölltg im Unbewußten oer=

iaufenb, fich als bie erfien leifeften Regungen beginnenben feelifchen Sebens au erfennen geben.

W ir bürfen fagen: Wo fich Seben finbet, finbet fich auch 23efeeltheit;

bie 33efeeltheit reicht foweit wie bas Seben, bas heißt fie ift überall. So wenig es einen toten Stoff gibt, fo wenig gibt es einen unbefeelten.

3n ben (Erfchetnungen bes organifchen Sebens tritt bie *33efeeltE)eit beut=

lieh beroor. W ir haben im oortgen Abfchnitt bei (Erwähnung ber 3elle, als ber einfaebften uns befannten gorm bes organifchen Sebens, gefehen, baß in ihrer Seitung Kräfte auftreten, benen ihre Weiterentwidlung ob=

liegt. ®iefe Seitungsfräfte bewirfen ben 3ufammenfchluß oieler 3ellen unb auf biefe Weife bie 23ilbung höherer Organismen, innerhalb biefer bie Ausbtlbung oon Organen in immer größerer SahC mit immer grö=

ßerer Arbeitsteilung unb oon ftets aunehmenber geinheit; fie fehren

babei oor, was aur (Erhaltung bes Organismus, jur 33efriebigung feiner

93ebürfniffe unb aur gortpflanaung notwenbig ift. £5 würbe auch fchon

erwähnt, baß biefe Seitungsfräfte, ba fie höhere Aufgaben au erfüllen

haben, ficherlich feinftofflicher fchwtngen als bie übrigen.

(9)

S e r © e i f t , f e i n 3B e g u n b f e i n e b r e i 3 3 e r r o c i n b l u n g e n 2 2 3

Siefe fieitungsfräfte bringen nun zwar bie feinften Organe hervor unb bebienen fid) it>rer als SBerfaeuge, man fann ihnen aber nicht einen be=

ftimmten ©ift im Körper nachweifen. 3nsbefonbere finb alle Bemühungen, fie auf beftimmte Seile bes Reroenfpftems ober bes ©ehirns feftjulegen, vergeblich gewefen.

2 Btr finb baher gezwungen anzunehmen: biefe 2 eitungsfräfte burch=

bringen unb beherrfchen 3 War ben ganzen Körper unb jebe einzelne feiner Dielen SRillionen Seilen, fchwingen aber fo feinffofflich, bafe wir biefe Schwingungen mit normalen ©innen nicht wahrzunehmen Permögen.

Söohl aber fönnen bie Schwingungen con fenfitioen Perfonen ober in gällen befonbers gefteigerten Söahrnehmungsnermögens gefehen werben.

Es zeigt fid) bann ein aus ftrafjlenartiger feiner Rlaterie beftehenbes ©e=

bilbe, beffen äufeere gorm bemjenigen phpfifchen Körper entfpricht, 3 U bem es gehört.

SÜRan bezeichnet ein folches ©ebilbe als S l f t r a l l e i b , ©eelenleib ober Ochleib. Sie betben leftteren Bezeichnungen weifen barauf hin, bafe aus biefen Kräften bie ©eele unb bas 3<h entftehen. Siehe 2lbf<hnitt 4.

Sie im 2 lftralleib fdjwingenben ßeitungsfräfte ftehen zunächft burch=

aus im Sienfte ber 3<h=2iebe, ber Eigen- ober © elbftliebe bes Organism us.

3Bas bie <£ n t ft e h u n g ber feelifdjen Kräfte angeht, fo laffen fich, wie erwähnt, ©puren oon ihnen fd)on bei ben fleinften Seilen ber 9Jta=

terie feftftellen, was zu bem ©djluffe brängt, bafe feelifd>e Kräfte, wenn auch allereinfachfter Art, einen wefentlichen Beftanbteil ber 3Raterie aus=

mailen.

Sie B e b e u t u n g aber ber feelifchen Kräfte befteht barin, bafe alles, was mit Entwidlung 3 ufammenhängt, burch fie bewirft wirb. Sem=

gemäfe werben nicht nur bie materiellen Kräfte burch fie gefteigert unb oerfeinert, fonbern fie befiften auch bie gähigfeit, fid) felbft 3 U fteigern unb 3 U oerfeinern.

3n biefer gähigfeit ber Steigerung über fich felbft hinaus liegt bas

©eheimnis bes 5Bad)stums. Befäfee bas Samenforn biefe gähigfeit nicht, fo fönnte es fid) niemals 3 ur Pflanze entwicfeln; befäfee bas E i biefe gähigfeit nicht, fo fönnte niemals ein Embrpo baraus entftehen. Siefe gähigfeit ift recht eigentlich fchöpferifcher 2Irt unb trägt ben Stempel ihres göttlichen Urfprungs an ber ©time.

B e i ben Pflanzen unb Sieren ift mit ber Bilbung bes SIftralleibes bie Entwidlung abgefd)Ioffen. Ser SERenfch hat einen weitergehenben Ent*

widlungsbefehl erhalten: fein 3 iel ift bie Bergeiftigung unb aus biefem

©runbe finb unter ben Seitungsfräften feines Organismus auch folche, welche ihn inftanb feften, biefes Siel 3 U erreichen. Es finb bie Kräfte ber

© ottesliebe unb ber Räch ft en liebe. 3 >®arfinbfieregelmäfeig 3 unä<hft

(10)

2 2 4 S e i © e i f t , f e i n SB e g u n b f e i n e b i e t 3 3 e r t » a n b l u n g e n

nur in geringem Umfang tätig, wäbrenb fie fid) gum größeren Seile in einer Art non Scblafjuftanb befinben, aber je mebr ber SSRenfd) ©ebanfen ber

©ottes* unb Stäcbftenliebe Staum gibt unb fie burd) entfpreebenbe f>anb=

lungen oerwirflicbt, um fo mebr werben biefe Kräfte lebenbig unb ent=

falten fid), wäbrenb in gleichem SEftaße bie Kräfte ber 3<h=ßiebe jurücf=

geben unb fd)ließlicb, wenn bie Vergeiftigung erreicht ift, oöllig oer=

fdjwinben.

Siefer Vorgang muß allmählich eine Umgeftaltung bes Aftralleibes berbeifübren, unb gwar in ber Art, baß feine Schwingungen mebr unb mebr burd) feinere Schwingungen erfefct toerben. 3e ftärler bie Kraft ber felbftlofen ßiebe in einem SERenfchen ift, um fo feiner toerben bie Scbwin=

gungen, unb wenn bas Siel ber Vergeiftigung burch ßiebe erreicht ift, bat fich ber Aftralleib in ein helles, leuebtenbes ©ebilbe oon äußerfter gein- heit oerwanbelt, für welches ber Ausbrud ß i cb 11 e i b bie paffenbfte Bejeicbnung ift. Siefem ßicbtleib haftet etwas Überirbifcbes an, obwohl er in jebem SERenfchen, ber feinen Safeinsjwed erfannt hat unb ihn gu oerwtrflicben ftrebt, oorbanben ift.

Stur ber ©rab feiner Ausbilbung ift oerfebieben, je nach bem (Ernft unb ber Kraft bes Verwtrflidjungsftrebens.

Söährenb wir bie im Aftralleib tätigen Kräfte ber 3d)=ßiebe bem S e e l e n l e b e n juweifen, bezeichnen wir bie Kräfte bes ßidjtleibes als getf ttge, mit Stecht, ba fie aus ber ßtebe ftammen unb in ber ßiebe befteljen, ber gleichen ßiebe, bie bie ©runbfraft bes göttlichen ©eiftes ift.

Sen SJRittelpunft fowohl bes Seelenlebens als auch bes geiftigen ße­

bens im SERenfchen bilbet bas 3ch.

Es bebarf feiner näheren Ausführung barüber, baß ber Aftralleib nicht unfterblid), fonbern baju beftimmt ift, fich allmählich aufgulöfen, währenb ber ßicbtleib oon Sauer ift unb fich immer mehr oeroollftänbigen foll.

(Siebe Abfdmitt 7, 10.)

S ic Ausgeftaltung bes ßtdjtleibes ift Aufgabe bes 3d)s, welches burd) biefe Arbeit unb nach SERaßgabe ihres gortfdjreitens aus bem Bereich bes Seelenlebens in ben Bereich bes geiftigen ßebens auffteigt. (Siebe Abfcbnitt 5.)

(Es fann fehr wohl fein, baß bem 3d) noch weitere (Entwidlungsmög=

liebfetten offen fteben; bann wirb es bureb feine ©ebanfen unb f»anb=

lungen fich benjenigen — nod) feinftofflicberen — Körper febaffen, beffen es aur Verwirflicbung biefer SDtöglichfeiten bebarf1).

*) Über ben Slftralförper fiefje aum 93eifpiel: „ ® ie aufeinanbetfotgenben S eb en " »on Sllbert be N ocfjas, überfefct »o n fjelene fiorb o n (fieipjig, V e rla g Sfftaj 2lltm an n , 1 9 1 4 ), 3 . S e il, 1. K ap itel; fern er „ ® a s 9Becf>felfpieI »o n Siebe unb S o b " oon G buarb E a r - penter, überfeßt »on £>ans Steifiger n S rien , O berbap ern , 2lntf)ropos=33erlag, 1 9 2 4 ), insbefonbere 1 0 . unb 1 1 . K ap itel m it bem erlenstoerter reiffenfefjaftiieber 33egrünbung.

(11)

©er ©etft, fein SB e g unb feine brei 35er»anblungen 225

4. Abfchnitt Sas 3d)

Soch toir finb oorausgeeilt unb müffen ein ©tüd Söeges aurüdgehen.

Sie ben pflanalichen unb ben tterifcEjen Organismus leitenben Kräfte gipfeln in einer ©pifee. Siefe ©ptfte ift bas toerbenbe 3d). ©eine erften Anfänge gehen fotoeit aurüd wie bas organifche 2eben felbft. 3u feiner Enfwidtung trägt oor allem ber Kampf ums Safein bei. 3e größer unb oielgeftaltiger bie Anforberungen biefes Kampfes finb, um fo größer unb oielgeftaltiger mufe bie Arbeit bes 3d)s fein, um fo mehr toirb biefes fid) über fid) felbft hinaus fteigern, um fo beutlidjer toirb fid) aber aud) bie Eigenart bes Organismus ausprägen, bie ja burd) bie Eigenart feines 3d)=Kernes beftimmt toirb. Über bie Anfänge bes 3d) breitet fid) nod) oöllig bas Sunfel ber Unbetoufetfjeit. Aber rote bie finftere Stacht all=

mählich in bie SRorgenbämmerung übergebt, biefe mehr unb mehr au=

nimmt, bis enblich ber erfte 2id)tftrahl bes Sagesgeftirnes über bem tjoriaont aufleuchtet, fo bilbet fid), wäljrenb bie Enttoidlung ber Orga=

nismen oortoärts fdjreitet, beim 3d) allmählich ein bumpfes 33ewußtfein feiner Eigenart; biefes 93ewußtfein toirb geller unb geller, bis es enblid) im 3Renfd)en au oölliger Klarheit heranreift. Sam it ift bas 3d) erwacht.

©eine Entftehung unb Enttoidlung oerläuft fonach aunächft im Unbe=

wußten, bann im Gewußten. Sowohl bie E n t w i d l u n g bes 3 d) s als aud) f>te Erlangung bes 3d) = 2 3 e w u ß t f e i n s oerteilen fid) über ungemeffene Setträume. 25eibe Vorgänge fpiegeln fid) wieber in ber Ent=

widlung bes Kinbes, welches lange oor ber ©eburt im 2etbe ber SSJtutter oorhanben ift, aber erft mit ber ©eburt ein felbftänbiges Safetn erlangt, alfo ein 3d) wirb, unb bann nod) 3ahre braud)t, bis allmählich bas 33e=

wußtfein feiner felbft erwacht.

©o lange bas etnaelne 3ch feiner felbft nod) unbewußt ift, wirb es nad) bem Sobe fchwerltd) als ©onberwefen wetterleben fönnen, fonbern in bet

©attungsfeeie untertauchen müffen. ©eine gortfchritte werben baher fo lange nur ber ©attungsfeeie augute fommen.

Von feinem Erwachen an nimmt bas 3d) bie Sügel felbft in bie f>anb.

Swar bauert bie unbewußte 3eütätigfett in ben meiften lebenswichtigen Organen, namentlich in ben Organen bes 23lutfreislaufes, bes ©toff- wed)fels unb bes Steroenfpftems fort, besgleichen natürlich bie unbewußte

©eelentätigfeit, aber im übrigen ift bie 2eitung auf bas bewußte 3cf) über=

gegangen.

Sie 93ebeutung biefes Vorganges fann man fid) nicht groß genug oor=

ftellen. Es ift eine ilmwälaung, eine grunbftüraenbe Veränberung.

Senn währenb bie 2eitungsfräfte bes Organismus bisher lebiglid) bem

ihnen tnnewohnenben Entwidlungsftreben gefolgt waren unb ihre ganae

(12)

2 2 6 ® e r ( S e i f t , f e i n S ß e g u n b f e i n e b r e i 2 5 e r » a n b t u n g e n

SEättgfeit auf bte fwherführung 5 es ihnen anoertrauten Organismus ge=

richtet war, eine Sätigfeit, bie fich 3 K>ar unbewußt, aber beswegen aud) unbeirrbar im ©ehorfam gegen ben »on ©ottes £>anb etngepflanjten Srieb »olljogen hotte, hat jeßt ein neuer f>err bie f>errfd>aft angetreten, ein neuer §>err »oll „©elbftbewußtfein" unb eigenen VMliens.

B ei allem feinem ©elbftbewußtfein ift er aber unwiffenb: (Er weiß nicht, baß bas Reich, über bas er herrfcht, »on göttlichen Kräften auf=

gebaut würbe unb er es fozufagen »on biefen jum Sehen erhalten hat, fo baß er »on Rechts wegen fich mit ber Rolle bes Vafallen begnügen müßte,

©tatt beffen betrachtet er fich als abfoluten f>errfd)er, bem nur burih Ver=

erbung, Überlieferung unb (Erziehung gewiffe ©chranfen auferlegt finb, über bie er fich aber auch htnwegfetjen fann, wenn es ihn gelüftet. Unb es fehlt nicht an folchen ©elüften.

Sas ©treben bes Och, fich felbft au behaupten unb fich burchzufeßen, bilbet ben Slusgangspunft.

Verfeßen wir uns in bie Sage bes Urmenfchen, ber feines 0<h bewußt geworben ift. SBährenb er fich bisher mit ber Ratur eins gefühlt hat, empfinbet er jeßt bie Ratur als etwas ihm fremb ©egenüberftehenbes, als etwas ©egenfäßliches; er fängt an fie zu befämpfen unb forbert ba=

burch ihren Söiberftanb heraus. (Er fämpft gegen bie 3Tier= unb Pflanzen- weit unb macht fie mit wenigen Ausnahmen — Haustiere, Rußpflanzen

— zu feinen gefaben. (Er glaubt, bem »on einzelnen Tierarten gegebenen Beifpiel folgenb, fich feine Rahrung wefentli<h burch Vernichtung frem-.

ben Sebens »erfchaffen zu muffen1) unb eröffnet einen mitleiblofen Ver=

nichtungsfampf gegen alles, was feinen §>errfchaftsanfprüchen fich nicht fügen will. f>art unb mitleiblos wirb auch fein Och unb für feinen SBillen fich felbft zu behaupten unb burchzufeßen erfennt es feine anberen ©chran=

fen an, als biejenigen, welche ihm burch entgegenftehenbe gleich ftarfe ober ftärfere Kräfte gezogen werben. Oeber »on biefen Urmenfchen ift

»öllig unbefchränfter f>err über feine ©tppe, lebiglich auf ©runb feiner größeren Kraft, fo lange, bis ein ftärferer berfelben ober einer fremben

©ippe ihn erfchlägt unb fetnerfeits bie fjerrfchaft antritt.

Sennod) war auch in biefen ©eelen ber Ruf zur SBeiterentwidlung lebenbig unb wenn er noch f» »ft übertönt würbe burch ben ©iegesjubel bes immer felbftbewußter werbenben Ochs, er »erftummte boch nie »öllig.

On ber Bibel hat er bie gorm eines göttlichen Verbotes angenommen:

Von allen Bäumen im ©arten bürft ihr effen, nur »on bem Baume ber (Erfenntnis bes ©ufen unb Böfen in ber Rlitte bes ©artens nicht. Sas will fagen: Ohr bürft »on bem was bie (Erbe trägt eud) fo»iel nehmen, als ihr für eures ßebens Rahrung unb Rotburft braucht unb ihr bürft euch

J) Sm eifeUos jum S ch ab en [einer geiftigen (Entoicfiung!

(13)

© e r • © e i ft , [ e i n SB e g u n b f e i n e b r e i S S e r r o a n b l u n g e n 2 2 7

bas reichlich neunten (nur ein einiger Don allen Bäumen im ©arten ift eud) oerboten); was aber barüber hinausgeht, baran follt ihr euch nicht

»ergreifen, benn bas wäre ju toeit getriebene 3cf)=2iebe, es wäre böfe unb roäre ©ünbe.

Berechtigt ift alfo biejenige 3<h=2iebe, »eiche fid) mit bem begnügt, toas bas 3<h brauet, um fich felbft behaupten 3 u fönnen. Reichlich ge­

meffen, benn ©ottes Orbnungen finb nicht fletnlich-

Unberechtigte 3ch=2iebe ober ©elbftfucht bagegen greift über biefe

©rense hinaus unb führt 3 ur ©ünbe. Ss gibt feine ©ünbe, welche nicht aus menfchlicher ©elbftfudjt entfprungen wäre. © e l b ft f u <h t ift b ie U r - f ünbe bes 9R e n f d) e n. Senn ber felbftfüchtige SKenfd) ftellt fid) in

©egenfafc 3 U ©ott unb 3 U feinen 9Kitmenfd)en unb oerfehlt fich gegen bas

©ebot ber ©ottesliebe unb gegen bas ©ebot ber 9tä<hftenliebe.

Ser felbftfüchtige SDtenfd) liebt nur fich felbft; alles was er tut, geht nur aus bem ©ebanfen an bas eigene 3<h heroor unb ift barauf berechnet, bem eigenen 3d> Vorteile ober Annehmlichfeiten gu 3 uführen. S r tut nichts umfonft, in allen 2 agen rechnet er; fo gut er für fich 3 U forgen oermag, fo fchlecht finb bie Anliegen ©ottes unb bie Anliegen feiner SJlitmenfchen bei ihm aufgehoben.

Aber im ©runbe genommen nüßt er nicht einmal fid) felbft. Senn ein folches felbftfüchtiges Senfen unb f>anbeln macht ben ©eift unfrei unb

»iberfpricht baher bem göttlichen Sntwicflungsplan, ber will, bafe ber

©eift immer gröfeere greiheit erlange. Sie golge ift eine Hemmung ber Entwidlung, woburch bie mit ber Verftridung in bie SÜRaterie naturgemäß oerbunbenen 2 eiben herbeigeführt unb neue Verförperungen notwenbig werben, ©ewife wirb auch beim felbftfüchtigften SRenfd>en ber göttliche Entwidlungswille fd>Hefeltd) ©ieger bleiben, aber je hartnädiger ber SRenfd) wiberftrebt, um fo empfinblidjere SRittel wirb bie Vorfehung an- wenben, um ihn 3 ur befferen Sinficht 3 u bringen unb um fo länger wer­

ben biefe SSRittel angewenbet werben.

Sas 3d> ift swar ber Brennpunft unb bas Banb ber feelifchen Kräfte, boch erftredt fich fein Bewufetfein burchaus nicht auf alle biefe Kräfte, oielmehr fcheinen gerabe bie wichtigften unterhalb ber Bewußtfeins- fchwelle geblieben gu fein.

3Rit biefen leßteren Kräften befchäftigt fid) bie neue Sßiffenfchaft ber Parapfpchologie. ©ie finb 3 ur 3eit nur bei wenigen SERenfchen ausge- bilbet; 3 Weifellos ift, bafe fie bei allen 3Renfd>en feimhaft »orhanben unb bafe ihre Beherrfchung in ber Entwidlungslinie ber 2Renf<hheit liegt.

SBeitaus wichtiger jebod) als alle biefe gähigfeiten ift bas Entwidlungs-

ftreben bes 3ch, welches unterbewußt in biefem wirft unb erft gut 9tuhe

fommt, wenn bas 3<h fein 3iel, bie Vergeiftigung, erreicht hat.

(14)

2 2 8 S e t © e ift, f e i n 3 B c g u n b f e i n e b r e i 3 3 e t n » a n b ( u n g e n

5. Abfcbnitt Unfterblicbfeit

©inb nun bie Organismen fterblicb ober unfterblicb? Ss tft flar unb bebarf einer (Erörterung nicht, bafe bte einen Organismus bilbenben Kräfte bei feinem Sobe nicbt oerlorengeben fönnen.

©ie grobftofflicb fcbwingenben Kräfte, welche bisbet ben pbpfifeben Körper gebilbet haben, »erben anbere Skrbinbungen unb ©i<btigfeits=

auftänbe eingeben. ®te feiner fcbioingenben Kräfte bes Aftralleibes wer=

ben junäcbft ben Sob überbauern. ©er Aftralleib jiebt fi<±> aus bem pbp=

fifeben Seib heraus unb bilbet nunmebr ben gleichen Organismus auf ber Aftralebene. 2Bie lange ein folcber befteben fann, wirb oon bem ©rab feiner 3<b=Sntwicflung abbängen, benn bas 3ch ift bas 33anb, welches bie Kräfte jufammenbält. Sin Organismus, ber ein feiner felbft beroufetes S5<h noch nicht ausgebilbet bat, toirb auf ber Aftralebene faum lange weiterleben fönnen, fonbern toirb ftcb halb auflöfen unb feine Kräfte wer=

ben oermutlich SSeftanbteile ber ©attungsfeele toerben, ber er angebört.

®as toirb regelmäfeig ber 0all fein bet ben Wangen unb Steren. Aus=

nabmstoeife toirb auch ein Sier ein feiner felbft betoufetes 3cb erlangen fönnen.

gür bie Regel jeboch toirb folget gortfehritt bem 3Renf<hen oorbe=

halten fein. “Bei ihm fann ein Untertauchen in ber ©attungsfeele nicht mehr in grage fommen, fonbern nur ein gortleben als ©onberwefen.

©enn jeber normale SJtenfcb, auch wenn er auf gana ntebriger ©tufe fteben follte, bat bas perfönlicbe ©elbftbewufetfein erlangt, fein 3cb ift er=

wacht unb bamit ift eine feeltfche Sntwicflungsftufe, noch baau eine oon gröfeter 33ebeutung, gewonnen. Sine feeltfche Sntwicflungsftufe fann aber burch &en Sob bes pbpfifeben Seibes nicht mehr oerlorengeben, ba fie organifch in ber ©eele gemaebfen ift unb erft erreicht werben fonnte, nach' bem ihre natürlichen SSorbebingungen gegeben waren.

Richtig ift allerbtngs, bafe ber Aftralleib gebilbet wirb burch feeltfche Regungen ber 3cb=2iebe unb bafe biefe Regungen an unb für ftcb nicht auf bie ©auer berechnet finb, fonbern nur einen Übergang barftellen. Aber unter ben Kräften, welche ben SEHenfcbenftamm gegrünbet unb burch bas

^Pflanaen» unb Sierreich binbureb bis aum SJtenfcben beraufgefübrt haben, finb oon jeher nicht blofe folcbe feelifcher, fonbern auch folcbe geiftiger Art gewefen. SERögen biefe letzteren anfänglich auch noch fo tief tn bet ©eele oerborgen gewefen fein ober gefchlafen haben, ihre Anwefenbeit genügte als Unterpfanb bafür, bafe bie ©eele nach bem Sobe bes ßeibes weiter*

leben unb fchliefelich bie 23ergeiftigung erreichen wirb.

Aber biefes Iefetere Siel ift nur burch eigene Arbeit erreichbar unb je

mehr bie ©eele auf bie 3<h=2iebe etngeftellt ift, um fo febwerer wirb bie

(15)

g u t S e g t ü n b u n g b e t ® t f > i l 229

Slrbeit fein, um fo länger toirb fie bauern unb einer um fo größeren fc^meralic^cr Verförperungen toirb es bebürfen. (<Siet)e Slbfchnitt 9.)

Um biefen Seiben gu entgegen, gibt es fein anbetes SJtittel, als fchon gu 2ebgeiten bas 3cf) aus bem Bereich bes nur feelifdjen 2ebens in ben Bereich bes geiftigen Sebens emporguheben, mit anberen SBorten: Durch

©ebanfen unb fmnblungen ber ©ottes* unb SRächfienliebe mit ber 95er=

getfttgung gu beginnen unb fid) baburd) einen 2id>tleib gu fdjaffen, beffen fein ftoffliche Schwingungen bem Verfall entgegen unb batjer geeignet finb, bem 3d> als gitticfje gu bienen, bie es ber Ewigfeit entgegentragen1).

(Schluß folgt im nächsten Heft.)

3 u r S5cgrun5ung Crffnf

93on 51 u g u ft S K e f J e r

3n feiner Ethif, bie f>ans D r i e f ch unter bem STitel „Die fittliche 2at" (im Verlag E. Steinide, 2eipgig, 1927) hat erfcfjeinen laffen, lehnt er bie 2Bertetf)if ab (33 ff., 391). E r begrünbet bas fo: 9Rit bem Eingug bes Sßortes „3Bert" in bie ^hüofophie fei zugleich eine große Verwirrung in fie eingegogen. 2lbet Driefd) hat felbft burd) bie Untertreibungen, bie er hinfichtlich ber 53ebeutungen bes 3Bortes „3Bert" oornimmt, gegeigt, bafe folche „Verwirrung" leicht gu befeitigen ift. |jätte er bie bebeutenben Vertreter ber 2Bertphilofopf)ie, bie id) in meiner „Deutfdjen 2ßertphilo=

fophie ber ©egentoart" (2eipgig, 9teinide, 1926) bargefiellt habe, näher gewürbigt (nur mit Scheler fefet er fid) furg auseinanber), fo würben ihm auch bie pofitioen 2eiftungen biefer 9tid)tung fid) einbringlidjer ge=

geigt haben. Übrigens ift Driefd) in feiner Ablehnung nicht fonfequent, fofern er boch fid) nicht enthalten fann „bas Söort ,3öert‘ gelegentlich gu oerwenben" (40). Unfere weitere Betrachtung wirb übrigens geigen, bafe er in b er © a ch e ber Söertphilofophie fehr nahe fteht unb bafe eine liebeoollere Vertiefung in bie Söertphilofophie wohl manches oon feiner Ethif ferngehalten hätte, wogegen wir im folgenben fritifche Be=

benfen erheben müffen.

Verwanbtfchaft mit ber 3Bertphilofophie geigt Driefch in feiner 2luf=

faffung ber ethifchen Erfenntnis.

E r fieht (mit 5fted)t) in „SBert": „gut", „es follte fein" — „Urbebeu- tungen", bie wir höchftens erläutern, aber nicht eigentlid) „befinieren"

fönnen. „3<h fchaue, wann fie erfüllt finb, ohne mir Stechenfchaft geben gu fönnen, wie i«h eigentlich bagu fomme, fie im befonberen galle für erfüllt gu befinben. Dafe fie etwas E n b g ü l t i g e s mit 9iüdfid)t auf O r b n u n g im 9tahmen eines irgenbwie g a n g h e i t l i c h e n Etwas fei, ift alles, was fid) über bie Bebeutung ,gut‘ fagen läfet" (25 f.).

*) ® ie fe s ffiingebettetfein bes 3 cf) in bie geiftigen K räfte fom m t tjübfcf) jum finn- fälligen SJusbrud in bem 2 ß o r t 2 i cf) t leib.

(16)

230 g u t “B e g t ü n b u n g b e i CE t f> i t

(3n biefer Veatehung bes „©uten" auf eine „©anaheit" »errät fich aller- bings fchon bie metaphpfifche Senbena pon Sriefchs <Ethit.)

2öie bie SBertethtf, fo ftrebt auch Sriefd) hinaus über Kants ethiföen gormalismus (beffen pofitioe bebeutung er aber bod) oielteid)t unter*

fchäftt).

Um ben formalen begriff bes „©etn-follenben" mit fonfretem 3nhatt au erfüllen, greift Sriefd) aurüd auf „ethifche ©chau" (26ff. u. ö.). „SBenn id) e t h i f d> fchaue, fo fchaue ich unter ber gorm bes ,Es follte fein' — bas ift alles" (59). Auf Sinaelfragen fönnen toir hier aus Raum- grünben nicht eingehen; id) will nur bemerfen, bafe mir nicht recht flar geworben, was er an ethifcher Erfenntnis bem „3nftinft" unb was er ber

„Vernunft" aufchreibt, ferner, welche “Bebeutung er mit bem Sßort

„Vernunft" hier »erbinbet.

Söeit bebeutfamer für unfere fritifdje Auseinanberfeftung mit Sriefd) ift fein ©ebanfe, bafe ber „leftte Veaugspunft aller inhaltlichen Ethif"

unb bamit „ber höchfte fittliche objeftioe ,9öert‘" ein „3uftanb ber gei=

ftigen SERenfchheit fei, bei beffen Verwirflidjung mit 9tücffid)t auf fie alles in O r b n u n g fein würbe" (43). Sie metaphpfifch=religiöfe Orientie­

rung oon Sriefchs Ethif befunbet fid) an biefer ©teile bartn, bafe er be­

tont: inhaltlich erfüllt fönne bas ©djema biefes höchften Süßertes nur burch „metaphpfifche fippothefen" werben, unb bafe er jenen „höchften fittlichen 3uftanb" mit bem religiöfen Ausbrud „Erlöfung" beaeicjjnet.

Aber jene Orientierung nach bem Sranfaenbenten hat nun für bie Ethif Sriefchs bebeutfame unb — bebenfliche golgen.

SBährenb Kant in tfbereinftimmung mit unferem allgemeinen fittlichen Vewufetfein ben „guten" SMlen als bas Einzige fd)äfet, was „ohne Ein- fdjränfung gut" genannt werben fönne, ihm alfo höchften © e l b ft wert beilegt, erfennt ihm Sriefd) nur ben abgeleiteten SBert bes M i t t e l s au. „Se r ,gute 3Renfd)‘ als Suftanb, feinen Anlagen nach gebad)t, ift SJlittelwert; feine guten §anblungen finb 3Bertmittel" (36).

(3ur Erläuterung oon Sriefchs Sprachgebrauch fei bemerft, bafe er

„ S K i t t e l w e r t " einen 3uftanb auf bem VJege aur Verwirflidmng bes Enbwertes, nämlich ber „Erlöfung", nennt unb „SB e r t m i i t e l " jebes

© e f ch e h n i s , bas bewufet ber Verwirflichung bes Enbwertes bient.) Sie ausgeprägt religiöfe Einteilung auf bie als abfolut unb unoer- gleichlich wertooll gebaute „Erlöfung" geigt alfo aud) bei Sriefch (wie bei fo pielen) bie Senbena, bie ©ittlichfeit ber SBürbe eines echten © e l b ft - w e r t e s au entfleiben unb fie aum blofeen SRittel für ben Enbwert herabaubrüden. Senn „gegenüber bem metaphpfifch Seiten" wirb „alles gleichgültig" (70).

©o fommt es benn fchliefelkh baau, bafe mit bem Eigenwert auch bte

objeftioe ©eltung unb Verpflichtungsfraft bes Sittlichen preisgegeben

(17)

3 u r 33egrünbung bet St&il 231

wirb. „SERetapbpfifcb gilt bas meiapbpfifcb ©efefete, alfo aucb bet religiöfe Sßiffensfern, als ©runblage bes Ethifchen. S a s S t b i f c b e f c b w e b t in ber 2 u f t ohne bi ef e © r u n b l a g e (»on mir gefperrt)...

Obne metapbpfifcbe ober religiöfe 93eranferung ift bas Etbifdje, mag es nocb fo einbringlicb unmittelbar gegeben fein, oor bem Ontelleit gar nidjt eigentlich oerpflicbtenb. Obne foldje 53eranferung fönnte es ,3llufion‘

fein" (185 f.).

SRan fiebt: I)ter ift bie oon Kant fcbon fo übergeugenb oertretene

©elbftänbigfett ber ©ittlicbfeit gegenüber ber Religion oöllig preis=

gegeben! 3Ran fragt ficb aber: wenn toirflicb bas Stbifcbe als „etn = br i n g l i c b unmittelbar gegeben" bezeichnet wirb, fo fann bas bocb finnooll nur bebeuten, bafe » ir fittlidje SBerte, toie ©erecbtigfeit, ©üte, in ficb als „fein=follenb" unb eben bamit als uns unmittelbar „oerpflid)=

tenb" erleben, mag ber metapbpfifcbe Beftanb fein, welcher er wolle.

Stach all bem Angeführten toirb es uns gar nicbt mebr wunbern, wenn uns aud) Sriefd) — gang in ber üblichen Söeife ber Sbeologen — oerficbert: „S e r fonfequente iXnfterblicbfeitsleugner fann eigentlich 9<*r nicht ein bewufet fittlicber SOlenfd) fein", unb behauptet, „bafe ohne Un=

fterblicbfeit bas .©ewiffen’ — ,3llufion* fei" (187).

greiiich gibfcSriefd)

3U,

bafe auch ber rabifale SRaterialift unb Atbeift

„bie ethifche ©cpau, bas ,©ewiffen‘ nicht fortbringen" fönne, aber er meint, beffen Ausfagen „ f ö n n e n ihm gar nicht im echten (Sinne oerpflicbtenb fein" (186). SRan fragt fid) erftaunt: SBarum benn nicht? Grflärt bod) Sriefcb felbft: „Sa s ©ute, was fein fann, f o l l fein; bas liegt in feinem Begriff" (153). 3Benn wir aber etwas als „f e i n - f o 11 e n b" erleben, erleben wir es bamit nicht 3 ugleicb als o e r p f l i c b t e n b ? ©mb „fetn=

follenb" (ober „gut") unb „oerpflicbtenb" nicht gleidjbebeutenb?!

Statürlid) fann id) bas Berpflicbtenbe anerfennen ober ablebnen. Aber hätte id) nicht auch gegenüber einem Snbjuftanb ber „Erlöfung" biefe greibeit? Aud) ein foldjer fönnte auf mich ja nur oerpflicbtenb wirfen, wenn ich ihn als „fein=follenb" unb fomit als „gut" unmittlbar fdjaute;

auch jenem (Enbjuftanb gegenüber wäre es meiner freien Entfcbeibung anheimgegeben, ob ich mich gut Arbeit an feiner Herbeiführung oerpfIich=

tete ober nicht. Senn — wie Sriefcb mit Stecht bemerft — : „man fann ficb nur felbft oerpflid)ten, aber nicht burd) 3»ang oerpflicbtet werben" (109).

3n biefer Bemetfung fpüren wir gu unferer greube wieber etwas oom

©eifte Kants unb feiner Autonomie. Aber es ift charafteriftifd) für bas Swiefpältige oon Sriefcbs <Etf)if, bafe biefe Bemerfung ba fällt, wo Sriefch gteicbfam auf bem feften Boben ber b i e s f e i t i g e n Sßirflid)- feit ftebt. 3ur ^Rechtfertigung ber bemofrattfcben ©taatsform nämlich führt er aus, jeber müffe ftimmberecbtigt fein. „f>ätte einer feine ,Stimme*, jo w ä r e er mo r a l i f c h g a r nicht 3 um © e h o r f a m fel bft

^W lofopfei* unb Seben. I V .

(18)

232 g u t 2 3 e g r ü n b u n g ber (Effet!

gegen gute © e f e fc e o e r p f l i cf) t et"; benn alle Verpflichtung fei eben Selbftoerpflichtung. „SRur in bet Semofratie ift ber Einzelne ,©Keb‘

unb nicht nur Objeft bes Staates.. . nur ber ,33ürger‘, nicht ber .Unter- tan’ hat pflichten gegen ben Staat" (109).

Aber wie foltten biefe einleucfjtenben ©ebanfen nicht aud) für einen tranfzenbenten Enbzuftanb gelten? 3hm gegenüber hätten mir ja aud) feine „Stimme" gehabt: toie follte oon ihm eine Verpflicbtungsfraft aus- gehen, — roenn toir uns nicht wegen feines inneren Sßertes ihm gegen«

über felbft oerpflichteten? 3n ber Sat erfennt ja auch Sriefch gelegentlich an, bafe „aus bem blofeen Sein bas, roas fein foll, nicht abgeleitet wer- ben fönne" (43). 9Ritbin ergibt fich auch aus me t a p b p f i f d ) e m Sein fein „S o ll", feine „Verpflichtung" für uns, ja bei ber Aufteilung meta- phpfifcher f>ppotf)efen (unb ebenfo bei unferen religiöfen ©ebanfen über

©ott unb Öenfeits) mufe uns etbifche Sdjau normgebenb fein. So geftebt aud) Sriefch einmal gu: ,,2ogifd) genommen (b. h- bod) wohl ber ©eltung nad)) ift etbifd>e Schau bas erfte, 3Retaphpftf (unb ^Religion) bas zweite"

{185). Aber toenn ich SRetaphpfif unb 'Religion nur benufce, um „bas 2) a f e i n ber fittlichen Schau zu oerftehen", fo befagt bas bod) weit we=

niger als bie oben erwähnte Vebauptung, bafe ohne SRetaphpfif ober SReligton bas Ethifdje feine V e r p f l i c b t u n g s f r a f t habe unb info=

fern „in ber 2uft febwebe".

®iefe lefetere, für bie Selbftänbigfeit ber Etbif oerhängnisoolle Ve=

bauptung hat ©riefd), wie wir oben gefehen haben, tatfädjlicb aufgeftellt.

Aber auch in ben 3 n h a 11 ber Etbif bringt er burd) feine Hinneigung zum tranfzenbenten eine bebenflid)e Unfidjerheit.

®ie ©runbfrage, „ob mein 2eib als folcber leben foll", wagt er nur

„hppothetifch" zu entfrfjeiben, nämlid) oon ber metapbpftfd>en „Annahme"

aus, es möchte bas mir mitgegebene 2ebensgefühl, bas bod) aud) aus ber höchften Quelle ftammt... bem 'Plane ber hofften Quelle gemäfe fein (56). E r rechnet babei ernftbaft mit ber 2Röglid)feit, bafe 2eben über­

haupt „beffer nid)t wäre, alfo mittelbar ober unmittelbar oernid)tet wer­

ben follte". 3n biefem galle würben wir aud) aller 'Pflichten gegen bas 2eben anberer entbunben fein; es hätte bann ja „feinen Sinn, fich um bie V e f o n b e r h e i t e n anbern 2ebens zu fümmern (es fei benn vielleicht fogar im S i n n e e i n e r S e r f t ö r u n g a l l e s 2 eb ens!)" (64;

oon mir gefperrt).

Es fällt mir ba bie Erzählung oon einem inbifeben Vüfeer ein, ber VSeib unb Kinb oerlaffen habe, um fid) ganz feinen religiöfen Verrieb- tungen zu wibmen. Sein 3öeib fei fcbliefelich in ihrer SRot unb Verzweif­

lung zu ihm gefommen unb habe ihm fein oor fmnger wimmernbes Slinb oor bie güfee gelegt unb ihm zugerufen: „Sorge für bein Kinb, Affet!"

Se r aber habe fid) in feiner Verfenfung nicht im geringften ftören laffen.

(19)

g u t S S e g r ü n b u n g b e r <£t ^11 233

VMe fid) Srtefch au biefem gall ftellen würbe, ift leicht 31 t erfehen aus feinen Bewertungen über bie „Rotlüge". Sie 2 üge, als bie „tßürbe"

bes anberen oerletjenb, ift ein Unwert. Slber unter Umftänben wirb burcl) Sagen ber Unwahrheit ein nod) größerer Unwert oermieben. „Sßenn 3 um Beifpiel ein Kranter gerabe ber äufeerften ©efahr entronnen, aber no<h fehr fdjwad) ift unb jeber 2 lffe!t ihn in bie ©efahr surüdwerfen fönnte, bann b a r f ich ihm fagen, bafe fein auch fchwer frant gewefener Vater noch lebt — auch, wenn er gerabe geftorben ift" (85).

@0 entfcheibet 3 unäd)ft Srtefch — gan 3 im ©eifte ber Söertethif, auf

©runb einer SBertabwägung. (Er fügt aber noch bei: „SBenigftens gilt bas oon bem sugrunbe gelegten Slusgangsftanbpunlte aus, ber ja unfere gefamte ,irbifche‘ Morallehre überhaupt erft möglich machte, oon bem Stanbpuntte aus alfo, bafe ge b e n unb S a t überhaupt im ,Plane*

ber SBelt liegen. Sollte im Sinne einer gewiffen Slftetit bas 3öahrheit=

fagen um j e be n Preis etwa eine magifch = e r l ö f e n b e VMrtung haben, fo läge natürlich alles anbers; bann müfete ber Schwertrante burch Vermeibung ber Rotlüge 3 um Rüdfall in bie Krantheit unb 3 um Jobe gebracht werben — aus ,hö<hftem‘ Mitleib. (Es ift gut, fich ge=

legentlich wieber einmal bes hppothetifchen Söefens unferer gefamten Morallehre 3 U erinnern" ( 86 ).

Sriefch rechnet alfo ernfthaft mit ber Möglichleit, bafe burch neue metaphpfifche ober religiöfe (Ertenntniffe unfer ©ewiffen unb bie auf ihm ruhenbe M oral eines Sages aufeer Kraft gefefct werbe. 3ßürbe er es wohl auch für feine Pflicht halten, feinen Sohn 3 u fchlachten (wie 3lbra=

ham), wenn er einmal übergeugt wäre, bafe ihm bas ©ott geböte?!

Vom Stanbpuntt autonomer M oral, bie im ©ewiffen, nicht im angeb=

lieh metaphpfifchen ober religiöfen „(Erlenntnis" ihre ©runblage hätte, wäre ein fold>es ©ebot abgulehnen, ba es nicht con einer wirtlichen

„©ottheit" flammen tönne.

(Es ift auch fehr lehrreich 3 u beobachten, wie Srtefch, ber als über*

3 eugter Pagifift aufs einbringlichfte bie VMberfittlichfeit bes Kriegs bar=

tut unb in biefem Sufammenhang einmal (166 31.) Üöten bie „gröfete Sünbe" nennt, boch ben fog. „heiligen Krieg" nicht nur „entfchulbigt", fonbern ihn „für feine 2 lusführer" als „gerabegu geforbert" begeicfjnet, natürlich nur, w e n n er l e b i g l i ch bes „heiligen" 3 >®edes, alfo ber (Errettung non ber ewigen Verbammnis wegen, geführt wirb. Sann gibt fich „höchftes M itleib" in ihm tunb. Einige werben getötet, auf bafe fehr toiel Zahlreichere gerettet werben für bas metaphpfifche f>öd)fte, welches man 3 U tennen glaubt. „Siefer .heilige Krieg' fei ,teine Staatsattion*, fonbern ,etne metaphpfif<h=religiöfe fmnblung', ebenfo wie — bie golter im Sienfte ber 3nquifition es war" (123).

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Cytaty

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