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Die Zukunft, 6. Mai, Bd. 27.

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Berlin, den 6.Mai 1899.

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Das neue Frankreich.

Wnleugbarbricht sichbeiderMehrzahldergebildetenFranzosendie e-«o Empfindung Bahn, daß ihreVorstellungenundihre moralischen GrundbegriffeinderGegenwarteinetiefgehendeVeränderungerfahren haben.

DiegroßeMenge sieht allerdingsnur unbestimmte Bewegungen;weraber einigermaßenmitderGeschichtedesfranzösischenGeistesvertraut ist,erkennt kaufaleBeziehungenundunterscheidetbereitsgewisseHauptursachen.

Jch glaube,daß wirin Frankreich aufeinemPunkte angelangt sind, Woesgestattet ist, zurückzublickenundzuresumiren. DieEpocheläßtviel mehrGewordenes fallenalsirgendeinefrühere,erworbene Gedankenund Gefühleerscheinenihrdrückend,ebensodrückend wie dievonderVergangen- heitalsErbtheilübernommenesoziale Ordnung. Sie denktmehrdaran, sichdavon zubefreien,alseinenErsatzdafürzuschaffen,sieversuchteine Mengeneuer Methoden,diealten Grundlagen befriedigensie nicht mehr Undselbstdiesatte Bourgeoisieistdavontiefer berührt,alssieessichein- gestehtDieMenschenverbrauchensichsehr schnell,—- unddoch schreitetdie geistigeEntwickelungnur langsamvorwärts. HinterdemfieberhaftenHin UndHer steckteintappendes Zögern.Man bemerkt, daß gewisseEinflüsse VonUUßengekommensind,und da dieöffentlicheMeinung stetseinesSchlag- ertes bedarf, so schreibtman denEreignissenvon1870dieErschütterungzu.

Das dürfteeinestarke Ueberschätzungjener Ereignisse sein. Dasnervöse Unbehagendes modernen Menschen ist allgemeinund hatältere undtiefere Ursachen:den ungeheuren EnergieverbrauchEuropasund diegegenseitige Zerreibungderaufeinander stoßendenantagonistischenGeistesrichtungen.

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Umnur von Frankreichzusprechen:esist jaganzklar,daßdieFolgen des deutsch-französischenKriegesvon derGeneration,die damals involler Manneskraft stand,nicht so empfundenwerden konntenwievon derzweiten Generation. Der Mann von fünfundzwanzigJahren begreift heuteden Mann von fünfundvierzigJahren nicht;und zwarinFolgeeinesewigen Gesetzes.UndauchdasalteFrankreich,dasnichts gelerntundnichtsver- gessenhat, begreiftdasneue nicht mehr.So langedieVertreter desAlten dieRegirung nochinHänden hattenund ihrweiterdenStempel ihres Geistes ausdrückten,tratdieVeränderungwenigerhervor; heute,dasie, Einer nachdem Anderen,verschwindenunddasjunge FrankreichanihreStelle tritt und sichderAutorität bemächtigt,wird eineganz andere Lebens- anschauungsichtbar,die Lebensanschauungeinernüchternen,ernstenGeneration, dienachlogischerGewißheitringtundzwei charakteristischeMerkmale zeigt:

einstarkesphilosophischesInteresseundeineausgesprocheneVorliebefürdie JdeendesAnstandes. WennDasaufdenGebieten der Literatur undKunst, vondenenich namentlich sprechenwerde,amDeutlichstenhervortritt,soist esdoch aufdenanderen GebietendesGedankens undderThätigkeitnicht wenigerderFall. Dasbeweistunter Anderem daslebhafte Interesse,das densozialenFragen entgegengebrachtwird. DerBlanquismus,dieTheorien Jaurizs undderSchülerBenoitMalons undalleSpielartendesSozialis- mus,dieethischeFragenmitökonomischenverketten,sindProduktederneuen Richtung.DiePossibilistenund dieParteigängerderGuesde, Lafargue, Bebel, Burns undGeorge: sieAllesindvonausländischenIdeenbeeinflußt.

ColinundKarlMarxwerdenheuteinFrankreich beinahe häufigergenannt alsProudhon.JnBezug aufdenfranzösischenAnarchismuswirdDas

selbst abgesehendavon, daß sein grundlegendesDogmainternational ist Niemand soleichtbestreiten,denndieAbhängigkeiteinesEliståeReclus, JeanGrave undSebastienFaure von Bakunin, KrapotkinundStirner istzuaugenfällig. Ziehtman, um vollständigzusein,auchdieBewegung des»Aristokratis»mus«heran, so stößtman sofort auf Friedrich Nietzsche;

undin derEthikundPsychologiestehennebenTaineundRenaneinStuart Mill,Herbert Spencer, EmersonundCarlyle.Die ersten Bücher Paul Bourgets sind durchunddurchphilosophischundalleverratheneine kosmo- politischeGeistesrichtung.EineganzeSchule französischerPhilosophenund Moralisten,die imgroßenPublikum freilichwenigbekanntsind,baut die An- schauungenGoethesweiteraus. An die StelledesbeschränktenPatriotismus, derjede fremdeUeberlegenheitleugneteundsichineitlemSelbstlob gefiel,ist einPatriotismus getreten,derdiefremdenVölkersorgsam studirtundsich Alles,wasauchunsnützlichseinkann,anzueignenbemühtJMan hatein- gesehen,daßdas,,far daSe«einungenügendesundschädlichesPrinzip ist

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DasneueFrankreich 235

undnur für Zeitungtiraden taugt. Jgnoranten mögen glauben, daßder Pessimismus SchopenhauerswieeinFünf-Milliarden-Jochaufuns lastet;

derEinsichtigeschätztdenWerthder»AphorismenzurLebensweisheit«und weiß,daßsie auch Manchenunter uns getrostetundgestärkthaben.

So scheinenUnterströmungendesfranzösischenGeistesinvielbe- deutenderemUmfangeoderdochunmittelbarer ausfremdenQuellen gespeist zuwerdenalsfrüher.Das denkendeFrankreicharbeitetstillundbeharrlich aneinerfortschreitendenEinführungabstrakterund internationaler Elemente; aberdiese heimlicheMinirarbeit wirdvon plötzlichenZusammenbrüchenbe- gleitet, unddiese überraschendasPublikum.Woauchimmersieäußerlich eVfolgen,in denKunstausstellungen,in denKonzerten,imTheater,im Roman,überall wirdihresymptomatifcheBedeutung soforteinElementder NeugierundderVerwirrungundman fragt erschreckt,woher sie stammen, weilman ihreBeziehungenzu den.tieferen Phänomenennichtkennt.

SeitJahren schon sind solcheErscheinungenaufgetreten; zuerstisolirt, dannimmer häufigerund jetzt schließensie sichingroßerAnzahlzueiner Reihezusammen,dieeinevollständigeVeränderungder,nationalen Psyche bedeutet.Sieist unbestreitbarundallgemeinundderKritiker hatsienicht zUrühmenoder zu tadeln,sondernzuregistriren,zubeobachtenundzuer- klären. Das willich versuchenundzunächstdieBasis stizziren.

Einfremder Einfluß,denman demKriegevon 1870X71 zuschreibt, istinFrankreich vorhanden. ErhatdiezeitgenössischenJdeen umgewandelt.

Die Einen brüsten sichdamit, die Andern grämensichdarüber. Die Leute, dieihnausVoreingenommenheitleugnen,kommennichtinBetracht,dennsie verrathennur ihre Unwissenheitund Verständnißlosigkeit.Siewollen in dieserernstenund allgemeinen Bewegungnur SpielereiundLaunefinden.

Wennessichwirklichnur darum handelte, so brauchten sie sichnicht so auf- zuregen,nicht vorübergehendeVclleitäten undModen mitsolcher Heftigkeit zUbekämpfen.Handeltessichaberum eineGefahr,die denganzenfran- zösischenGeistundunsereZukunftinFrage stellt, so istesschonderMühe werth,näher zuzusehen.Biswie weitist alsoderfremde EinflußinFrank- reichvorgedrungen? Jn welchemMaße istermitdencharakteristischenEigen- schaftenunseresGeistesvereinbar? Jn welchem-Maßeisterihnenschädlich?

Bisjetzt hatman diese Fragen nochkaumgestellt.Man hatlieber aufeinenvorübergehendenSnobismus geschlossenund dieeinePartei hat jede

Einwirkungvonaußenprinzipiellals-nachtheiligverworfen,währenddie andere slealsvortheilhaft pries. Das mageinangemessenesVerfahren fein, WFIIUdiePolitikermiteinander überSchutzzolloderFreihandel streiten; für gelstfgeKontroversenistesungenügend.Eshandelt sichnichtdarum, Etwas dUrchzusetzenoder zuverhindern,sonderndarum,sichzuverständigen, undso

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hatman sichbisjetztdenn ganz und garnicht verständigt.Esist keineswegs ausgemacht,daßeinfremder Einflußimmerschädlichist so argumentirtnur derChauvinismus—, ebenso wenigaberauch, daßeinunbegrenzterEinfluß vonaußenvortheilhaft ist.AlleshängtebenvondemUmfangederTrans- fusionab. EsgiebtimAuslandeJdeem diesichmitunseremOrganismus vertragen,und deshalb istesgut,wenn wirsieuns nutzbar machen;es giebtaberandereIdeen,diefürunsunbrauchbarsind undunsnur Schaden bringenwürden: Ohne daß auchnur derVersuch gemachtworden wäre, die Scheidegrenzezuziehen, istman vielmehrzueinerPolemikinBauschund Bogen übergegangen,die denSachverhaltverdunkeln mußte.Dieöffentliche Meinungaberhat sichan zweiAusdrückegeklammert,diefürsieförmlich zumSchibboleth geworden sind: hie ,,01ari(åfrancpaise··, hie»brumedu Nord-L DieseAusdrücke werden durchalleZeitungen spaziren geführtund sollenAlles erklären. Jederwendet siean, aberNiemand giebt sichdie Mühe,zusagen,waserdamit meint. DasführtzuderFrage:

Worin sinddieJdeenvon Mitteleuropa nebelhaftundwas istdie

»französischeKlarheit«?Wenn diese Fragebeantwortet ist,dann erstwird sichbestimmen lassen,ob dasVaterland inGefahr ist.Nebenbei wird dann nochdieFragezustellen sein,ob dieAufnahme fremder Jdeen durch unsere Künstler ein, ZeichendesVerfallswäreodereinfachbedeutete,daßdiegeistigen BedürfnisseFrankreichssichveränderthaben.Dennschließlichsind dochVer- fallundVeränderungvoneinandergrundverschiedeneErscheinungenGewiß istesberechtigt,dieJntegritätdesnationalen Kunstgeschmackeszuvertheidigen;

dochwenn erselbst sichzu verändernanschickt,sokannman auch nichtim Nameneiner,,nationalenKlarheit«solcherEvolutionwiderstreben,esseidenn, daß diese berühmteKlarheit wirklicheineunerläßlicheExistenzbedingungdes vergangenenund.zukünftigenFrankreichsbedeutet-

Jchkommenur miteinemWorte aufdieBehauptungdes»Sno- bismus« zurück,dennesistschonan sich unmöglich,denArbeiteneiner ganzen Generation »Snobismus« als Motivunterzuschieben. Wirklich:alle diefeMusiker,Maler undSchriftsteller solltenkein anderesZiel habenals das»åpaterlebourgeois«unddasNachäffendes Fremden? Demsollten sie ihre Zeit vundArbeitkraft opfern?WürdeeinesolcheMystifikationdenn zuletztnicht siealleinschädigenundlächerlichmachen?

DiefranzösischeMalerei istvon allenKünstendernationalen Tra- ditionamTreusten geblieben. Ihre stärksteEvolutionseitdreißigJahren,der Jmpressionismus, istreinfranzösisch,und dieselbeKritik,dieheuteden nordischenNebel bekämpft,überschüttetedamals denJmpressionismusmit Hohn.WieistDas verständlich,wenn dienationale Tradition denMaßstab abgeben soll? Niemand war französischeralsgeradeEduard Manet in

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DasneueFrankreich. 237 den Werkenseiner zweiten Periode, nachdemer denEinflußderSpanier überwundenhatte.Man hatinFrankreichnichtsFreieres,nichts Ehrlicheres undnichtsGeistreicheres indembesonderenSinne, den dieMaler diesem Ausdruckbeilegen—- gesehenund dieWerkeManets bedeuteneineEtappeder französischenMalerei, genausowie die Davids,ja, eigentlichnochmehr,und wie die derDelacroixundEourbet. RenoiristinseinerFarbentönungundseiner weichen GrazieeindirekterNachkömmlingFragonards.DieStudien eines Degas,mitihrer sorgsamgewähltenmerkwürdigenGesteundderSchärfeihrer Physiognomien,illustrirendas moderneLeben, wie Delacourts Kupferstichedie Sitten desachtzehntenJahrhunderts wiedergaben.Claude Monetstammtaugen- scheinlichvon ClaudeLorrain. DieFrauenportraits Besnards, seineVor- liebefür eigenartigeSujets,die meilenweitvom Konventionellen entfernt ist, seine Grundauffassungundseine Faktursind absolutfranzösisch.DasSelbegilt VondenAquarellender Bertha Morisot. DieHauptbestrebungendieser Künstlergruppe,dasSuchen nachdem modernen Charakterin derausdrucks- VollenFreiheitderHaltungund dieTechnikderwissenschaftlichenFarben- theilungsindrein national und den stilisirtenMalereien derAusländer durchausentgegengesetztDer Jmpressionismus hat, stärkerselbstalsder akademischeNeuklassizismusunddieromantische Richtung,alteTraditionen ekueut und esist seltsam, daß diese AuffassungimPublikum erst so spät, erst jetzt sichlangsamdurchgesetzthat.

Ganz allerdings hatderfremde Einfluß auchdie Malerei nichtver- schont. GustaveMoreau,derSchule gemachthat, istdenenglischenPräraf- faeliten nahverwandt. DerSalon desMarsfeldes lehrt, welchenZauber James Whiftler aufeineSchaarvonKünstlernausübt, dievon Jahrzu Jahr wächst.Er und Besnard werdenamMeistenkopirt.Eswäreschwer,von derPersönlichkeitPuvis’-de Ehavanneszusagen, daß sie mehr französisch alsausländischist,ebensovonCarriere ZwischenAlma TademaundGårome, zwischenLeightonundBo·uguereau,zwischenHansMakart undEarolus- Duran, zwischendenDüsseldorfernund Bonnat sind starkeBeziehungenvor- handen.Man sieht:esfehltin derMalerei nichtanfremden Einflüssen,sie wird aberganz und garnichtdavon erdrückt undistsicherlichvonallenKünsten dieoriginellste. AuchinderBildhauerei haben, abgesehenvondemAkade- mismusderinkeinem Landeeigenwüchsigist,diewenigen großenTalente reinfranzösischeTendenz.Dalou mitseiner realistischenKraft, Bartholomä- mitseiner sentimentalen Anmuth, Alexandre Charpentiermitseiner nervösen Scl)Itliegsamkeit,dieClaudel mitihrerleidenschaftlichenHeftigkeitverdanken denFremden nichts.Rodin endlich,derdenAusgangdesJahrhunderts beherrscht,isteinGenie,daskeinemAnderengleicht;erwurzeltimMittelalter Undwirdvielleichtdiebesten Bildhauer seiner Epoche dahin zurückführen;

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238 DieZukunft.

erscheintdiegewöhnlichenKonventionen mehrundmehr sallenzulassen undein Entdeckermonumental-synthetischerFormen man möchtebeinahe sagen:·einerFiguren-Architektonik zu werden. Eine soaußerordentliche Natur kannnicht rubrizirtwerden. Jm Allgemeinengebendiefranzösischen BildhauerdemAuslande mehr,alsfievonihm empfangen.

Ganzanders stehtesallerdingsumdieMusik,dievondenSympho- nikerndesAuslandes tyrannisirtwird. Wagner lastet aufganzEuropa undNiemand hat seit »Parsifal«einegroßeSchöpfungunternommen, die nichtunter seiner Nachwirkungstände. Selbst Massenetwirdtrotzseiner heraussorderndenOberslächlichkeitundtrotzseinermanierirten Sentimentalität vonwagnerifchenFormeln heimgesucht.Das Selbe giltvonReyerzSamt- Saöns widmetdenbestenTheil seiner vornehmenPersönlichkeitderSymphonie undhatniemals Anspruch daraus erhoben,inderOperNeueszugeben.

WasVincent d’Jvry, Ernest Chaussonund Guy Nogartz angeht, so stehen sieim BanneWagnersoderCäsarFrancks·. So auch Erlanger.Dierussische Musik hat durchBorodin,dieskandinavischedurchGrieg,diedeutsche,abgesehen vonWagner, durchSchumannamStärkstenaufunseingewirkt.Derzartestealler unsererKomponisten,derauchin derVerfeinerungderTechnikamWeiteftenzu gehenscheint,ElaudeDebussy,stehtBorodinunendlichnäheralsdenFranzosen.

Bruneau versucht mühsam, sich verschiedenenEinflüssenzuentziehenund durch gewisserealistischeEssekteeineneigenen Charakterzugewinnen.Und dereinzigeMusiker, der die Tradition BerliozsundBizets wiederaufniirmt undmitganzpersönlichemTemperamenteinewirklichausfranzösischenJn- stinktengeboteneMusik schreibt,Gustave Charpentier,bleibtvereinzelt.Man scheint ihn nichteinmal zuverstehen. Uebrigens istDas sehrerklärlich.

Männer wieWagnerimMusikdrama, Cäsar FranckinderSymphonie, Schumannim LiedlassenihrenUnmittelbaren NachfolgernnurwenigSelb- ständigkeitübrig.

JnderLiteratur istdertiefeEindruck, denDostojewskijundTolstoi hervorgebrachthaben, bemerkenswerihDerrussischeRoman istinden letzten Jahrender stärksteGegnerdesnaturalistischenRomans geworden.

DieNeigungenfür denEssaiundfürdenpsychologischenRoman,diePaul BourgetwiederzuEhren brachte,beherrschenauch Hervieu,Barries unddie ganzejunge SchulederAnalytiker; ihre philosophischenNeigungen find theils England, theils Deutschland zugewendet Schriftsteller,diesichvon jeder Schule fernhalten, sindElemir Bourges,derausdieenglischenTragiker zurückgeht,Huysmans,derinseiner letztenmystischenManier dasdeutsche vMittelalter wiederzubelebenversucht,und Rosny,derin feinenwissen- schaftlichenundsoziologischenRomanen starkmitdem Ausland sympathisirt;

auch PaulAdamistzwarinderFormreinfranzösisch sein impresfio-

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DasneueFrankreich. 239

UistischerStil stammtvondenGoncourts —, hataberinseinem Okkultis- MuseinElement,dasihnvon unsermLandetrennt. LåonDaudetistvon MetaphysikförmlichdurchtränktundMarcel Schwob hatvieleBerührungen mit derenglischenLiteratur. Dasmoderne Drama stehtimZeichenHenrik Jbsens, dessenWerken wir Alle eineneueIntuitiondanken. So geringdieZahl derJbsen-Vorstellungenauf »FreienBühnen«und imVaudeville:Theaterauch war:sie habeneineAufregunghervorgerufen,dienicht vergehenwird.Jbsenund Tolstoimüssenauf unserLand wirken, wiesie aufganzEuropa gewirkt haben, dennsie habenneueWerthe geschaffenundsind,wieWagner, ohne Nebenbuhler.

Es wird mitihnen auchebenso gehenwie mitWagner. Einsterklärte die ganze iranzösischeKritikzwischenzweiEpigrammen,niemals würdendieFranzosen sichdieser Musik anpassen; jetztsind»Walküre«und,,Lohengrin«diebesuch- testen OpernundkeinfranzösischerMusikerwürdeheutenochwagen, sich demEinflußWagners gänzlichzuentziehen.UndunsereLyrik?Der Ver- suchder modernen französischenPoesie,einenfreienVers zuschaffen,dersich tm dieüberlieferteProfodie nichtbindet, war durchaus ohne Vorbild;er wirddieeinzigedauernde Bereicherungfein,dieder»Symbolismus«der Literatur zugeführthat.Nun, dieses Suchen nach gebrochenenRhythmen, Nach musikalischerKlangfülleund Assonanzen entsprangunmittelbar zwei Ursachen:derGewöhnungandieneuere fymphonischeMusikund das moderne Musikdrama,danebenaberauchdemWirkenenglischerKunst.

Ueberall sehenwiralsoeingewissesEindringen ausländischerEin- flüsse.Kann man nun angesichtseinersolchenEntfchiedenheitundBreite desPhänomenswirklich noch behaupten,daßunsereMaler,Musiker,Dichter UndEssayisteusichvereinigen,umdasPublikumzumystifizirenund dienationale Traditionzuschädigen,undihreArbeiten inläppischemSnobismus ver-

fälschen?Dasist albern;unddochwiederholtesder Journalismusnochimmer VorjedemWerke,dasihninErstaunen setzt.Unddiese geistigeUnzucht solltenun schon seitfünfzehnJahren herrschen?Denn schonüberfünfzehn Jahreerstreckt sichdasWirken derKünstler,dieichnamentlichaufgeführt l)abe. Nein,esistklar,daß hiereinGesetz vorliegt,dasalleKunstgebiete gleichmäßigbeherrschtundeineneue Aesthetikfordert.Allegehorchenihm, ZUilJrenBüchern, ihren Partituren undihrenBildern. DieGesammtheit 1hrerWerkezeigtdieTendenz,den alten,bewährtenVorzügendesfranzösischen Geniesandere, diesiebeidenAusländern entdeckthaben, hinzuzufügen

chisistkeineVerschwörungderKünstlerund einerKoterie imPublikum, IststichtirgendeineLauneundSpielerei, sonderneineOffenbarungmodernen Gesstcs,dieIebeusfiihigundfruchtbar ist.

« Nachdem dieseBewegunganfänglichgeleugnetwordenwar,fühltman IetztaUchschon ihreganzeBedeutungoder, wieEinzelne sagen, ihreganze

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Gefahr, unddamitistdieFrageineinneuesStadium getreten.MitJbsens Dramen istderAusdruck ,,nordischerNebel« inunsere Zeitungen gelangt;

dieserNebelhat nachderTheoriederZeitungschreiberalsoeinengroßen Theil unsererSchriftstellerumfangen,diesichdaraufinWolken,inunbestimmte Träumereien undverworrene Sensationenverliebt haben.Daswärenun freilicheinesehr bequeme LösungdesProblems;aberesfragt sich,obsie auch richtig istundob dieSchriftsteller,dieplötzlichso ,,nebelhaft«geworden sind, nichtindemNebeldochEtwassuchenund zufinden hoffen. Wenigstens wäreeshöflich,sie selbstdarüber zuhören.Sind fernerdieIdeen, die der,,Norden«gestaltet, nothwendig nebelhaftoderscheinteineIdee nicht manchmalnur Denen nebelhaftundunverständlich,diesich nichtdieMühe geben, siezubegreifen?Wenn die somunter indenNebelverbannten aus- ländischenKünstlersichdaringanz wunderbar zurechtfinden: vielleichtwollen dieFranzosen,weilsieDasebenbemerken,auchnicht ängstlichersein.Eine Auffassung,dieausDeutschland einLandvoninTabaksqualm gehüllten Bierhäusern,aus denEngländerneineNation von,,Gin«konsumirenden JockcysundausJbseneinenimBärenfell stolzirendenlappländischenEin- siedler macht, genügt doch nichteinmal fürdie Karikatur, so belustigend sie auch für mancheLeuteseinmag. Undwas bedeuteteigentlichdie,,fran- zösischeKlarheit«,dieman anruft,um denverhängnißvollenNebelzuzer- streuen?DasiealleinangeblichihremLandeseine Lebensfähigkeiterhalten kann, undzwardieFähigkeit,einLeben zuführen,dasdem Leben, mit dem sichdasübrigeEuropa begnügenmuß,weitvorzuziehenwäre,so mußman sie füreine ganzaußergcwöhnlicheTugend halten.Wasistdennnun diese

»Klarheit«?UndvorAllem: liegt sieinden Jdeen oder im Ausdruck?

DasDogmavonder»französischenKlarheit«istebenDogma, istReli- gion: dadurch entziehtessichjeder Analyfe. den dieausländischenSchrift- steller sichindieTheoriedes»Nebels«fügtenundihrenEhrgeizdarinfänden, unklarzuscheinen,so müßtensieziemlichnärrischsein. Gerade da,wowir sIeals ,,nebelhaft«bezeichnen,behauptensieimGegentheil,ganz klarenJdeenzufolgen, underkennen den»Nebel«,in denman siehartnäckigeinschließenwill,durchaus nichtan. Anders, wiegesagt,die»franzöfischeKlarheit«; sie istunter uns indiskutabel, einGlaube,einDogma.Dagegen isteseinWenigaus der Modegekommen,von»gallischemGeis«zusprechen.Manverstandunterdiesem esprjt gauloiseinedurchsichtigeHeiterkeitdes Stils, dieman alsbesonders charakteristischfür Frankreichansah.Mansprach oftvondiesemGeist,konnte ihnaberbeimbestenWillennicht definiren.Geradeso stehtesauchmit dem ,,Gemüth«derDeutschen. ManfragedendeutschenPhilister danachunder wirdsagen, daßeskein Wortgiebt,umdenAusdruckineinefremde Sprache zuübersetzen; weiterwirdman nichtsausihm herausbringen.DerDeutsche

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DasneueFrankreich 241 hält alsodas»Gemüth«fürdiegermanischeSeele, derfranzösischeZeitung- schreibersagt,erverwerfeimNamender,,französischenKlarheit«ein Drama Jbsens. Setztman ihmweiter zu,sowirdman ausseinenAntwortenhöchstens heraushören,die»französischeKlarheit«seiDas,wassogleichverstandenwird undnichtdunkelist.

Wasistdennabernichtdunkel? JederGedankeist verständlichoder unverständlich,je nachdemBildungsgradedesHörers,vordemman ihn ausspricht, immervorausgesetzt,daßerlogischausgedrücktwird. Die Un- klarheit existirt alsoineinemanderen Sinne nur indermangelhaftenForm des Ausdruckes. JederGedankedarf schwer faßlichsein,wenn ernur das GesetzderLogik erfülltundvom Denkerklarformulirtwird. Wenn man allesSchwierigeunklar nennen wollte,sowärennur Banalitäten erlaubt.

Das istaberhoffentlichnichtdasJdealder,,französischenKlarheit«.Nur diePlattheitwirdsofort verstanden. DiepsychologischenArbeiten Tardes, diemathematischenArbeitenPoinearcåswürden einenFeuilletonistenganz eben soinVerzweiflungsetzenwie einDrama vonJbsen;unddoch istderGe- dankengangdieserArbeitenvollkommen »klar«.Auchscheintman die»Frage derKlarheit«beisolchenwissenschaftlichenStudien nieauszuwerfen.Warum denn aber bei demRomanschriftsteller,demSymphoniker,demMaler,diesich inihrem Beruf doch auchmitderLösung schwierigerProbleme befassen?

Manhatniesagen hören,TardeundPoincariåseienmitAbsichtunverständlich, weilman eineunbestimmte Achtungvor ihrer Spezialität hat.Manübersieht aber,daß dieKünsteebensosubtilUnd ebenso komplizirtsindwie diePhilo- sophieoder andereWissenschaften-Sohatman auch nocheinBischen Achtung vordermalerischenundbildhauerischenTechnik,weilman davon-nichtsver- steht-Abereinallgemeines Vorurtheil hältdieSprache fürJedermanns Eigenthumundverlangt, daßdie Literatur sich deshalb auch Jedermannals Kritikergefallen lasse.UnddochhandeltessichUmeinen besonderenGebrauch derSpracheunddieliterarischenZweckemachenausderSprachegenaueben soeintechnischesAusdrucksmittel, wieesThonundFarbensind.DieFrage derKlarheit darf also fürdie Literatur nichtanders gestelltwerdenalsfür jedeanderegeistigeProduktion. Dieeinzige logischzuforderndeKlarheit ist diederGedanken. Man darfnicht fordern,einWerk, dasMonate derBe- obttchtungundderAusführungverlangt hat, solleinallenseinenAbsichten imZeitraumvonwenigenStunden oderMinuten beurtheiltundverstanden werden. Es giebteineArtnatürlicherPietät,dieman demSchaffenden schuldigist;undsoeinfach diesesGebotauchscheinenmag:eswirdtäglich VOUderübergroßenMengeDererverletzt,die einenzerstreutenBlickaufeinBild Werfelheinen Akt einerOper anhörenoderzwanzigSeiteneinesBuchesüberfliegen unddann,spöttischlächelnd,verkünden,sie hättendasZeug nichtverstanden.

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