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Philosophie und Leben. Jg. 5, H. 12 (1929)

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Academic year: 2022

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(1)

lP>btlofopbte unb Heben

5. J A H R G A N G + 12. H E F T + D EZEM B ER 1929

„ 3 m £ > ien fte ö e r O o ifc g e in ^ e tt e r f t r e b t u n fe r e 3 e ttfd ^ r tft e in e fadi^

Itc^e 2 f u 0 f p r a $ e b e t ö e rfc ^ te ö e n e n to e ita n fc h a u ltc h e n K t ^ t u n g e n . “

B a s U n b e r o u j S f e

i n b e r % t t o J o p f ) w u n b ^ P j y c f > o a n a ( y [ ß 33on 5 lr t f)u r 5 )r e tt> s

3Benige begriffe finb in ber ©egenwart fo fe^r in aller Stftunbe, tme berjenige bes Unbewußten, über wenige I)err}cf)t fo t>tel ilnflar^eit unb gehen bie Meinungen Jo ftarf auseinanber, ix>ic über ben genannten. 3ft boch bas Unbewußte unter bem (Einfluß einer getüiffen mebi 3 tnifrf>en

2 Roberid)tung gerabe 3 u 3 um Jummclplafe ber phantaftifchften unb t>er=

wegenften ‘Behauptungen geworben, unb macht fid> bod) in be^ug auf if)n ein folcher pfpd)ologi|d)er Dilettantismus breit, baß es f)öcf)fte Seit

ift fid) genauer über jenen begriff au r>erftänbigen.

®ie neuere ^^ilofopbie ift feit S e s c a r t e s rr>efentlirf> ^hilofophie bes Gewußten: fie oereinerleit auf ©runb bes Cogito ergo sum bas

©ein mit bem 53ewußtfein, nad)bem bas Slltertum unb SERittelatter es mit bem ©enfen gleichgejefet Ratten. 6 0 fällt if>r insbefonbere bie 6 eele

mit bem Sewußtfein ober 3ch unmittelbar in eins 3 ufammen, unb fie betrachtet es als ihre Slufgabe, bie feeltfd>en Srfcheinungen, fei es aus ber gorm, fei es aus bem Inhalt bes 33ewußtfeins, 3 U begreifen in ber Über 3 eugung, baß cs ein anberes 6 ein als 33ewußt=6ein überhaupt nicht gäbe. Natürlich, baß ihr unter folchen Umftänben ein unbewußt

©eelifches als ein Sßiberfpruch in fid> felbft erfcheinen mußte unb fie, wenn fie t>on einem folchen fpraef), barunter am Gnbe bod) auch nichts anberes oerftehen fonnte als ein in feinem Sern irgenbwie ,23etr>ufetes.

3n biefem 6 inne hat 2 e i b n i 3 suerft bie ®yiften 3 unbewußter 33or=

ftellungen behauptet. (£r nannte fie „petites perceptions", „percep- tions insensibles" unb oerftanb baruntcr 3?orftellungen oon fo ge=

ringem ‘Bewußtfeinsgrabc, b. h- fo geringer 6 tärfe unb ©eutlich=

feit, baß fie fid) bem 33ewußtfein gan 3 unb gar entstehen, ein Unbeach=

tetes ober Unbemerffes, bas aber nichfsbeftoweniger ein 3nf)alt bes 33ewußtfeins fein, alfo oberhalb ber 33ewußtfeinsfcbwelle liegen follte, toie etwa bas 2 iden ber Uhr im 3 immer, bas ©eräufch ber einseinen SBellen bes SKeeres, einer 2Rüble ober eines ‘JBafferfalles, auf bie mir, in eine Slrbeit vertieft ober infolge oon ©ewohnheit nur nicht achten.

^Pbilofopbie unb Ceben. V . 24

(2)

342 'Das Unbctuufcte in bcr *^)f)ilo|opf)ie unb ^ i p d j o a n a l p j c

Unb aud) Sl a n t , g i e r t e , 6 d) e 11 i n g , f) c g c l unb 6 d) o p e n « l ) a u c r lieften ben 33 ctouj 3 tfcinsinhalt aus tJorbetoufeter unb unbetoufc tcr feelifeber $ätigfcit f)crt)orgcl)cn, mochten fic biefe nun, toie bic erft=

genannten, als 33orftcllungs=, ober, tt)ie ber icfctgcnannte, als ?Btllens=

tätigfeit ocrftchen, jcboch ohne auf bie 2 lnfid)t 3 U Berichten, bafe toir uns biefer unmittelbar betou&t roerben, uns ihrer bamit in 3 tt>cifcllofcr ‘JBeife r>erfic^)ern tonnten. 6 o finb Sl a n t s apriorifchc Verftanbesformcn, bic in ber 2 Imt>cnbung auf ben Smpfinbungsftoff Erfahrung, b. h- ben je=

heiligen ‘Sctoufotfeinsinhalt, suftanbebringen, 3 toar infofern felbft un=

beroufet, aber fie finb trot 3 bem gormen „bes" ‘Seroufetfeins unb fönnen besl>alb aud) als fold>e oon uns unmittelbar ins 55err>ufetfein gehoben roerben. 6 o fprid)t 6 d) e 11 i n g oom „ctoig Unbewußten" als ber

„ 6 onne im ^Reiche ber ©elfter", bas er mit ber 3bce als fd)öpfcrifcbcm

^rinsip aller < Jßirflid>feit ober mit ber 'JBcltjcele glcid)fct 3 t. 2 lber aud) f) e g e l la'fet bic unbetoufote 3bee fid) erft burd) Vermittlung ber SZatur im 3Rcnfd)cngcift belaufet toerben, unb ( S c h o p e n h a u e r behauptet bas ©lcid)c oon feinem alogifd)en blinben ‘JBillen. ®abci 3 it>cifcln fie aber bod) fämtlid) nicht baran, bies Unbctoufetc felbft 3 um 23nt)alte bes Scrcufetfeins machen unb fid) feiner im 3ufammcnfallcn oon 55etDufet=

fein unb 6 cin unmittelbar bemächtigen 3 U fönnen.

® as Sluftommcn bes Begriffs bes Unbctoufotcn gab 3 umal in bcr 6 d)ulc 6 d )d lin g s bic Vcranlaffung ba 3 U, fid) oon jeftt an mit befonberer < 23or=

liebe ber unbewußten Seite bcs9iatur=unbS[Rcnfd)cnlcbcns,bcr fog.9tacf)t=

feite bes 3)afeins, 3 U 3 utoenben unb ben ungewöhnlichen, rcgclwibrigcn unb franfbaften Suftänbcn ber Seele feine Slufmcrffamfcit 3 u wtbmcn. 3m Sufammcnhangc hiermit toanbte ber ®rcsbencr 2 Ir 3 t S a r i © u ft a t>

(£ a r u s bas neue ^ rin 3 ip bes Unbewußten aisbann aud) auf bic ge=

wohnlichen Vorgänge bes Seelenlebens an unb führte cs bamit in bie

^fpd)ologie ein, naebbem es oorber eine 9tollc fc>auptfäd)lid) nur in bcr SRetaphpfif unb organifd)cn 9Iaturpbilofopl)ic gcfpiclt hatte. „$cr

6 d)lüffcl 3 ur Srfcnntnis oom 2Bcfcn bes bewußten Seelenlebens liegt im ©cbictc bes Unbewußten": bies als bcr erfte cingefchcn 3 U haben,

ift bas unbeftreitbare Vcrbienft oon S a r u s. S r ift bierburd) bcr 33c=

grünber bcr ^fpchologic bes Unbewußten im neunschnten 3ahrt)unbert geworben. Unb toenn man jüngft wteber auf ihn surüdgegriffen hat unb feine fjauptwerfe oon neuem bcr Öffcntlichfeit wicber 3 ugänglich 3 U

machen beftrebt ift, fo eben wegen biefer feiner grunbfäftlichcn Stellung

3 um Unbewußten. ^fpchologen, wie g o r t l a g e , E m m a n u e l §> e r = m a n n g i cf) t e unb U l r i c i , fehritten nur immer entfchicbcncr auf bem oon ihm gctoicfcncn ‘Jßegc fort. Schon hatte man fid) oon ber bis=

herigen Slnficht eines ftufentocifc §)croorgcbcns bes Gewußten aus bem

Unbewußten, bic auch E a r u s noch oertreten hatte, freigcmacht unb

(3)

‘D a 5 Unberoufetc in ber ^)l)ilojopt)ie unb ^Ipcfjoanalpfe 343

bic rr>cfcntlid)c ^crfchiebcnhcit bes ^Bctoufetfcins oom Unbettmfoten er=

fannt, auf ©runb tt>eld)er es unmöglich ift, bas eine aus bem anbcren nur einfach logifch abauletten. 6 d)on fchicn man im ^Begriffe au fein, bcn Dollftänbigen 23rud) mit bcr ^f)iiofopl)ic bcs ‘Scrpufeten au t>oll=

aictjcn. ® a trat ein Srcignis ein, bas biefer ganaen Derheifoungsoollcn (fnttmdlung ein jät>cs Snbe bereitete unb jener ^hilofophie noch einmal bie 33orhcrrfd)aft im fieberte.

3m 3abre 1869 erfd>ien £ b u a r b t>. f > a r t m a n n s „^{jilojop^ie bes Unbewußten". 6 ie rüdte biefen begriff in ben SWittelpunft eines philofophifcbcn Spftcms, fafete alles aufammen, was über bas Unberoufete bisher ausgemacht tt>ar, unb entrmcfelte bie golgerungen, bie ficf> aus bcr Slnnahme bcr grunbfäfelicbcn ‘Scbcutung jenes Begriffs für bic ge=

famte 5ßcltanfd)auung ergaben, ©ie bisherigen Vertreter bcs Unbett>uf 3 =

ten waren Steiften unb Unftcrblichfcitsgläubigc getoefen. 6 ie Ratten bei aller 2 lnerfennung eines unbewußten Seelenlebens an ber 6 ubftantia=

litat ber (Sinaclfecle unb bcr 2 lnnahme eines fclbftbcwuj 3 ten unb pcrfön=

lid)cn ©ottes fcftgchalten. ®ie „^büofopbie bcs Unbewußten" legte bar, baß beibc 2lnnat)mcn mit bcr 33 orausfct 3 ung bcs Unbewußten unt>ercin=

bar feien. $ as mußte ihr notir>cnbigerir>cife bie ©egncrfchaft aller gläu=

bigen ^büofopbcn au 3 ict>cn. 21 uf bcr anbern (Seite fühlten aber aud) bie

2 ltl)eiftcn fid) babureb abgeftoßen, baß bcr sl)bilofopb bcs Unbewußten mit biefem ‘Segriff bcr t>on ihnen verworfenen ©ottesvorftcllung einen neuen §>alt au geben fd)ien, wäbrcnb bie StRatcrialiften an ber ibea=

liftifd)cn (ännftellung £>artmanns 2 lnftoß nahmen, bie ihn mit ben fpcfu=

latiocn ^bilofapbcn ber erften £>älftc bes 3abrbunbcrts Dcrfnüpfte, unb bie 9laturforfchcr, bie fich bamals im 33ollbejtt$e bcr ©unft bes % tit=

alters befanben, fid) töblicb bureb bie 2 lrt verlebt fühlten, tüte ber ^Begriff bcs Unbewußten bie t>on ihnen befämpfte telcologifche 9laturauffaffung wicbcr heraufauführen fuchte unb bic Slllcingültigfeit ber mcchaniftifchen SBcltanfchauung in grage [teilte. 33or allem aber wanbte fid) bcr auf

ben Äathebern hcrrfchenbc crfcnntnistheorctifcbe 3bcalismus gegen bas

^Prinaip bes Unbewußten. (£r glaubte, foeben unter bem gelbgcfchrei

„3urüd au S a n t !" bie ©Icichfefcung bcs Seins mit bem ‘Scwußtfein neu begrünbet unb bamit bcr fon aller bisherigen ^hilofophie fo fchn=

lieb erftrebten arocifcllos gewiffen ‘JCirflicbfeitscrfcnntnis bie 2 Illcinhcrr=

fchaft gefiebert au haben; unb nun follte bie augcftanbcncrmaßcn nur als

§>ppothefc, als Vermutung aufaufaffenbe Annahme eines unbewußten Seins feinen 6 tanbpunft über bcn öaufen werfen, follte ein 3lußen=

ftchenbcr, ein „®ilcttant", rote man § a r t m a n n au nennen beliebte, bie afabemifchcn Vertreter bes philofophifchen ®cnfcns 2 ügcn ftrafen?

(£s war bie 3?it, wo bic SQtctaphofif infolge bcs 3ufammenbrud)s ber

großen nacbfantifchcn Spftcmc unb bcr 5?orherrfchaft ber eyaften 9Jatur=

(4)

344 D a s Unberoufete in ber ^ ^ i l o [ o p b i e unb ^Ipc^oanalpjc

tt>iffenfd)aftcn bcr allgemeinen Verachtung verfallen tvar, ivo es |d)lcd)t=

hin für untoiffenfd)aftlic^ angefeben tvurbe, fid> mctaphpfifchen ©cbanfen=

gangen hinaugeben unb ber 3Biberfpruch gegen ben vergötterten K a n t unb feinen erIenntnistt>eoretifd)en 3bcalismus, feine (5leid)fefeung bes

©eins mit bem Sctvufetfein, gerabeau rvie eine f>eiltgtumsverlekung er=

fd)ien. Unb nun follte bas ©ein als folchcs unbervufet, bie ©eele nicht, ivie es feit © e s c a r t e s unb ^ a n t für felbftDerftänblid) angefehen tvurbe, bas 53 etvuj 3 tfein, follte ein mctaphpfifches Unbctvufetes bas lefcte SBort ber philofophifchen (Srfenntnis bilben? Sßie Sin SUtann erhob fid)

alles, tvas auf 2 Biffenfd)aftlid)feit Slnfprud) machte, gegen ben

fophen bes Unbctvuftten. 9taturforfchcr, Theologen, sl)hilofophen, alle tonangebenben Scanner ber 2 ßiffenfd>aft, Sogmatifer tt>ie ©feptifer, machten gegen bas ^rin^ip bes Unbcrvufeten gront. 9lid)t lange, fo tr>ar cs ber einmütigen Verachtung bes gefamten 3 ettQ£iftes verfallen, unb bie ^l)ilofopl)ie bes 33ctt>ufeten erfd)immerte toieber in bem alten ©lanj unb fonnte fid) unangefochten in ben 9tuhmesftrahlcn, bie befonbers von bem tarnen S? a n t s her auf ihr ®afein fielen.

9Zid)t, als ob man ben begriff eines Unbetvufoten ganj unb gar vcr=

tvorfen hätte! ®af$ bas ^etoufetfein nichts 2 ct 3 tcs unb itrfprünglid>cs fei, bas behauptete ja au cf) bcr natunviffenfchaftliche SKatcrialismus.

?tur follte cs nad) feiner 2 Infid)t nicht, rvie bie bisherigen Slntvälte jenes

^Begriffes angenommen Ratten, ein unbcivufet ©celifchcs fein, tvas ben (Srunb bes ^ctvufetfeins bilben follte, fonbern ein StRateriellcs, bcr SDtcchanismus ber 2Itome unb SDtolcfüle, bcr im ©ehirn ber (>ö^eren ßebetvefen bie Srfcheinung bes ^Bcrvufetfcins l)ert>orruft. ©ein ift nicht

^croufetfein, fonbern materielles ©ein. 2 Ibcr bie SOtatcric bringt fid) jum

‘23crouf3tfcin, inbem fic im ©ehirn einen SKcchanismus erzeugt, bcr als 9lcbcncrfd)ctnung bcr 33etvegung bas < 23ctr>ufetfcin fo 3 ufagen von fid) abfefct. S ic völlige Unhaltbarfeit biefer 2lnfid)t bürfte heute tvcnigftens in tviffcnfchaftlichcn Greifen fo gut tvic allgemein gugeftanben fein. 9Ra=

terie unb ^Betvufetfcin gehören atvei ganj vcrfchicbcnen ©cinsgcbicten an;

von ber im 9taume fich abfpielcnben 23ctr>cgung ber Sltomc unb 2CRole=

füle führt feine ’Srücfe aur reinen 3nnerlid)fcit bes ‘öctvufotfeins hin=

über. Sille noch fo fcharffinnigen 33erfuchc, bas < 23ctvu(3t=6cin aus bem

®a=©cin ber SRatcric ab^ulciten, höben fid) als verfehlt ertviefen unb tverben bics immer tun, tveil fic Unvereinbares in einen 2Btrfungs=

jufammenhang miteinanber 3 U bringen fuchen. S)a 5 l ö r p e r l i ^ e (p h P f i o l o g i f d) e) Un b e t o u f e t e ber 9?atunt>iffenjchaft fann nicht bcr craeugcnbc ©runb bes 33 ctvuj 3 tfcins fein, mit tvcld)cm es bie < ;Pfpd)o=

logie, bie 5Biffenfd)aft von ber ©eele, 3 U tun hat- 9tur fovicl fann man, ja, mufe man ben SDtatcrialiftcn sugeftchen: < 23croufetfein fann ohne ma=

tericllc < 33ctvcgung nicht auftanbefommen. Ss „haftet" irgcnbtvie an bcr

(5)

$ a s Unberoufote in ber ^P^iloi'op^ic unb ^ ip d jo a n a lp jc

%

345

SKatcrie, ift burd) fic 3 toar nicht t>crurfa(^>t, aber bod) bebingt, fo it>ie bie Sönc an bem 3nftrumcnte haften, burch beffen 2 Infd)lagen fie be=

btngt finb. Kein ‘Betoufetfein ohne materielle Unterlage! Kein Bctouj 3 t=

fctnsinhalt unb feine 33eränbcritng biefes Onfcalts ohne eine entfprechenbc 33eränberung in bemjenigen, was feine materielle förperlichc 33oraus=

fefcung bilbet!

3Rit biefer ßinficht, toie fie burd) bie naturrx>iffenfrf>aftlicf>e '23etracf>=

tung bes 6 eelcnlebens {eit ber SRitte bes oorigen Oahrhunberts $ur

©etr>ibbeit erhoben rourbe, voax ein mächtiger 6 cf)ritt oonoärts in ber ßrfenntnis bes 5öefcns ber 6 cele gemacht, nachbem bie materielle Be=

bingtbeit bes SSctüufetfeins bis bahin oon phüofophifchcr ©eite noch fo gut toie feinerlei 33erüdfid)tigung gefunben f)atte. ©as förperlichc Unbctouftte, b. h- ber materielle Organismus, genauer bas ©e=

bim, ift ber Ort ber ruhenben molefularen Einlagen 3 u be=

ftimmten ßeiftungen eines 3nbioibuums, toie fie bei ben 9ieflej=

betoegungen, ber 9taturhcilfraft, bem organifd)cn Bilbcn, ben 3n=

fünften, C5err>obnt>eiten unb gertigfeiten bes 3nbioibuums, in ber Ausführung einer Bewegung ufto. einen beftimmenben Sinflujj aus=

üben. 3n ihm finb bie ©cbäd)tniscinbrüde in ber gorm ton fog.

©puren ober 2 agerungs 3 uftänben bcr 2Itome ober SDtolcfülc niebcr=

gelegt, unb fie begrünben bamit auglcid) basjenige, was man ben £ 1 )a=

raJter jenes 3nbioibuums, bie ©efamfheit bcr gattungsmäßigen unb inbioibuellcn Slrten ber ‘Beantwortung oon beftimmten Weisen ober SKotiocn, nennt. 3n biefer Bestehung ftimmte bie „^hüofophte bes Un=

bewußten" oollfommen mit bcni SERatcrialismus unb bcr med)aniftifd)en 3Beltanfd)auung überein. SIber nun batte ^ a r t m a n n ben (Stiel 3 U=

gleid) umgebreht unb bie ‘Behauptung aufgcftcllt, bafe, wie cs fein Be=

wufetfein ohne SDtatcric gibt, es aud) feine materielle Bewegung ohne Bcwufetfein geben fönne. ®agegen aber lernte fiel) ber gefamte

geift wie gegen eine unerhörte Sumutung an feine wiffcnfchaftliche ®enf=

weife auf.

Unb bod) follte cs nid)t fo febroer fein, ein^ufeben, bafe ohne biefe 2In=

nähme bcr Sftaterialismus am Snbc bod) bas leftte SBort behält unb bic aisbann unumgängliche Behauptung ber Sntftchung bes Bewufctfeins aus materiellen Bcrocgungsauftänben bic ^fpchologte 311 einem blofeen unfclbftänbigen 2 Inf)ängfcl ber 9laturwiffcnfd)aft herabbrüdt. 'Denn wenn nicht jebe materielle Bewegung fchon als folchc mit einem entfprcchcnben Bcwufetfein oerfnüpft ift, wie roill man fich aisbann bie Sntftehung bes Bcwufetfeins im ©ehirn bcr ßebewefen erflären? Sßenn es fein 3Rolefular= unb Sltombcwufctfein gibt, tote fann es bann ein Bewußt*

fein ber aus ihnen aufgebauten Organismen geben? 2Bcnn es bloß bic

oerroirfcltc ‘Bcfchaffcnheit bcr Vorgänge im ©ehirn bcr ßebewefen fein

(6)

346 3)a5 Unbewußte in ber ^bilojopt)te unb ^jpcfjoanalpic

foll, tt>as it>r (33ctoufetfctn 3 uftanbebringt, fo ift bie 2Infid)t bes 3Ra=

terialismus unt>ermeiblid), haft SKaterie unter getoiffen Umftänben boeb imftanbc ift, 33 ert>uj 3 tfein urfäd)lichent>etfe ju erzeugen. 6 elbft ein fo t>orftd)figer gorfcher toie 30 u n b t hat fid) ber Sinnahme nief)t ent-

3 ict)cn fönnen, bafo bie 2ebenserfd)einungen ber nieberften Organismen, ber Urtierchen, sl)r 0 t 030 en ober Slmöben, nid)t blofe förperlich ober blofe feelifd) fein fönnten, fonbern fotuohl bas eine tr>ie bas anbere fein müj 3 =

ten, roeil anbernfalls bas Betoufetfein plöblid), bei einer beftimmten Slrt ber Bewegung, tote ein Deus ex machina, in bie (£rfd)einung treten würbe, was t>om förperltd>en 6 tanbpunft aus als eine „Slataftrophe", oom feelifchen aus als „SBunber" angefehen werben müftte. 6 cf)on 6 p i n o 3 a unb 2 e i b n i 3 haben bie Skrhältnismäfeigfeit (^Relativität) bes 3nbimbualitätsbegriffes ertannt, bie f> a e cf e l aisbann naturwif=

fenfchaftlid) näher begrünbet l)at. Der Organismus ftellt einen 6 tufen=

bau t>on 3nbit>ibuen bar, oon benen jeweils bie nieberen in bie höheren gleichfam eingefchachtelt finb, bie Sltome in bie SKolefüle, bie SKolefüle in bie ^lasmateilchen, biefe in bie 3 * 11 * 1 */ 3 dlgruppen ufw., unb beren

2 eitung unterteilen, wobei bas höchfte 3 ^ntrum, bas ©ehirn, bie ein=

I>eitlid>e ©efamtheit ber in it)m enthaltenen 3nbimbuen t>on oerfchiebener (Stufe bilbet. ‘ffias hinbert uns aber aisbann an ber Einnahme, bafe bem äufteren materiellen 6 tufenbau ber 3nbit>ibuen auch ein ebenfold)er innerer 6 tufenbau oon 55etoufetfeinsinbimbuen entfprid)t, unb bamit auch ben untergeorbneten 3 ^ntren jenes ©tufenbaus ein eigenes *Se=

wufetfein 3 ii 3 ufd)reiben?

2 Jlan wirft ein, baft bies unerweislid) fei unb bie Erfahrung uns 3 U

einer folchen Sinnahme feine §>anbf)abe biete. Unb es ift wahr: „unfer"

95etoufetfein, bas befinnliche, überlegenbe, abftrahierenbe unb Begriffe bilbenbe 53ext>ufetfein, worauf fid) unfere ,,‘^Perfönlichfeit" grünbet, ift an bas Dafein unb bie Befchaffenheit bes fog. grofeen ©ehirns, bie graue 9linbcnfd)icht ber ©rofehirnhälften gebunben. 2 lber i)at nid)t bie p!>pfio=

logifche Unterfuchung ge 3 eigt, bafe es aufeer bem ©rofehitnbewufetfein auch ein Bewufotfetn tieferer Seile bes ©ehirns, ber fog. 6 innes 3 entren,

gibt, in weld)en unfere Gmpfinbungen suftanbefommen, um t>on hier aus 3 um grofeen ©ehirn geleitet 3 U werben, wie bies bie Skrfuche mit enthirnten Jieren unb bie Gyiften 3 folcher 2 ebewefen beweifen, bie über=

baupt nod) fein grofees ©ehirn befifeen? 6 olcf)e höben ein ©ebächtnis, antworten auf bie entfprechenben Gleise mit 6 inneswahrnehmungen unb SBillensäufterungen unb benehmen fid) für bie oberflächliche Betrachtung gan 3 fo, als ob fie feinerlei (Sinbufoe an ihrer feelifchen Sätigfeit erlitten hätten, ftüfcen fich alfo babet auf ein Bewufotfein tieferer ©ehirnteile.

Die berühmten lier&erfuche t>on g l o u r e n s , 33 0 11 unb anberen

haben bie Tatfache aufeer S^eifel geftellt, bafe wir auch bem Kleinhirn

(7)

D a s Unbcroufetc in ber ^ tjilo fo p ^ ic unb ^ ft)d )o a n a lt)jc 347

unb bcm SHüdcnmarf ein eigenes SSetDußtfein juerteilen müffen, tote benn ber ^^pftologe P f l ü g e r gcrabcau oon einer „9lüdcnmarfs=

feele" gefprochcn hat; fte haben gezeigt, bafe auch nach Entfernung bes gefamten ©ehirns bie feelifrf>en Säuberungen bet §röfd)en, fmhnern, Xaubcn ufw. nicht aufhören, bie bet nieberen Vieren an ben ©anglien,

©anglicngruppen unb oerwanbten ©ebilben haften: man benfe an bie Kriechtiere, an 9tegenwürmer, beren Hälften, auch getrennt, nod) weiter*

[eben. Unb fteigen wir nun im Vergleich ber Organe eines höheren 2cbe=

wefens mit ben entfprcchcnbcn 2lrten ber 3Tierreit>e bis 3 U ben einaelligen hinab, fo finben roir uns aud) hier 3 ur Einnahme eines ‘Sewufotfeins jener Organe genötigt, ba nicht einjufehen ift, warum, wenn tr>ir ben Slmöben ein 33ewufctfetn 3 ufchrciben müffen, wir bet ber ©leichheit ihter protoplasmatifchcn ©ubftanj unb ihres organifchen ©cfüges ben 3 el=

len, Sellgruppen, 9tcm n, SRusfcln, Rauten ufw. bas ‘Setpufetfein ber in ihnen fich abfpielenbcn materiellen Vorgänge follten ab 3 ufprcd)en

haben. 3a, bie Überlegung nötigt uns, wie gejagt, ba 3 U, auch noch über bas 33 ctt>uj 3 tfein ber Sellen hinaus 3 ugchcn unb ein 33 ewuj 3 tfein ihrer 9Rolefülc unb lebten Snbes ber 3Itomc, als ber ilrbeftanbteile alles materiellen ©afeins, anaunehmen. S e r 2 raum fpielt fich in anberen, tieferen Seilen bes ©chirncs ab als unfer gewöhnliches waches 2 cbcn.

®ic £>ppnofc unb ber ©omnambulismus eröffnen uns einen Sinblid in bas 3nncnlcbcn t>on 6 d)icf)tcn unferes ©ehirns, bie uns für gewöhnlich gana unb gar ocrfchloffcn bleiben, wie benn auch bie fog. offulten (£r=

fcheinungen unb bie Sciftungcn ber SOtebicn, wenn überhaupt, fich nur aus bcm ^ewufetfein folcher t>on ber ©rofehirnrinbe fo weit entfernt liegenber ©ehirnteile erflären laffen, baft einer, ber nur bas ©rofohtrn*

bewufetfein anerfennt, genötigt ift, ihre Tatfä'chlichfeit gana unb gar au leugnen.

®ie 2 ßelt bes Sewufetfeins reicht alfo in ber Tat weiter als biejenige

„unferes'' ^Sewufetfeins; fie reicht genau foweit, wie bie ‘ffielt ber materiellen 33 ewegungs 3 uftcmbe. „Unfer", bas ©rofehirnbewufetfein, ift awar bas höchfte, aber nicht bas einzige 33ewu&tfem in unferem Orga=

nismus. Ss gibt ein unbewußtes, b. h- für bas ©rofehirnbewufetfein un=

bewußtes ‘Sewufetfein, ein in beaug auf bas leßtere, b. h- b e 3 u g s =

w e i f e ( r e l a t i o ) U n b e w u ß t e s , unb biefes umfaftt genauer bie

©efamtheit aller berjentgen ^Bewufetfeine, bie nicht an bie materielle Unterlage bes großen ©ehirns, fonbern tieferer ©ehirnteile unb fonftiger 33eftanbftüdc bes Organismus gebunben finb. ®as ©rofehirnbewufet*

fein ftüftt fich auf bie es begrünbenben ‘Bcwufetfeinc feiner einaelnen

‘Seftanbteile, bie in ihm aur Einheit aufammengefafet finb; aber es weife für gewöhnlich nichts t»on jenen, unb Vorgänge, bie an ihrer ©teile,

3 . 33. im Kleinhirn ober im 9lücfenmarf bewufet finb, brauchen es

(8)

348 D a s Unberoufote i n ber ^ t l o f o p b i e u n b ^ j p d j o a n a l p l e

barum nicht aud) 3 ugletch für bas Bewußtfein bes großen ©ehirns su fein. Es hängt oon ber Stärfe bes bejüglichen 9 iei 3 es unb ber ©üte ber neroöfen Ceitung ab, ob ein Vorgang, ber in tieferen Teilen bes Organismus, in untergeorbneten ©ef)irnfcf)td)ten, 5tüdenmarfstcilen,

©anglienfnoten, 9 tert>en 3 ellcn ufw., innerhalb unb außerhalb bes ©e=

hirns ein fog. U n t e r b e w u ß t f e i n ausloft, bies auch 3 uglcicb

im O b e r b e w u ß t f e i n , bemjenigen bes ©roßhirns, tut; unb 3n=

halte, bie bem Sentralbcwußtfcin fchon wicbcr entfehwunben finb, aber boch nicht fo, baß fie fchon unter bie Schwelle ber nicberen 3nbit>ibual=

bewußtfeinc hinabgefunfen finb, fönnen in folchen noch eine 3 eitlang

nachtlingen, unb 3 war um fo länger, in je tiefere Stufen man innerhalb bes Organismus hinabfteigt. 2tber auch ruhenbe ©ebächtnisfpuren, be=

ftehenb in gewiffen ßagcrungsoerhältniffcn ber Sltome unb SDtolefüle tieferer ©ehirnfchichten, tonnen burch 9 tet 3 e, bie unter ber Schwelle bes 3cntralbcwußtfcins, aber über berjenigen eines meberen 3nbimbual=

bewußtfeins liegen, zeitweilig in Erinnerungen umgefefct werben, bie

3 war bem 3entralbewußtfcin unbewußt bleiben, aber in tieferen 3nbt=

mbualitätsftufcn bewußt oerftänbige §>anblungen auslöfen, wie im Traum unb Somnambulismus. Kur 3 , ber ‘Begriff bes Seelifchen er=

weift fich als ein t> i e l w e i t e r c r als berjenige bes Sclbftbcwußtfcins ober 3d>: ift bod) biefes gar nichts anberes als bie einheitliche oorftel=

lungs= ober gefühlsmäßige 3neinsfaffung ber 3nhalte ber jeweilig h*>ch=

ften ‘Bcwußtfcinsftufe, im Traume mithin ein anberes als im SBachen unb baher auch nichts weniger als bas tätige Subjeft ober ber E r 3 euger

bes ‘Bcwußtfcinsinhalts, wie bies ber fog. Spiritualismus im f>inblitf auf © e s c a r t e s behauptet.

Es gibt hiernach nicht bloß ein förpcrltd)es, fonbern auch ein f c c = l i f c h e s U n b e w u ß t e s . 2lber beibe finb 3 unäd>ft nur ein mit Un=

recht fo genanntes Unbewußtes, bas erftere, weil es überhaupt nichts Seelifches ift, bas lefetere, weil es unbewußt nur in besug auf bas nächfthöhere Bewußtfein, an fich jeboch etwas Gewußtes ift. ?ßir finb bemnach mit unferem bemühen, bas Gewußte aus bcm Unbewußten 311

erflären, mit bcm bc 3 ugswetfe Unbewußten fo wenig über bas < 23ewußt=

fein felbft hinausgefommen, wie mit bcm 2 cibnt 3 fchen Unbewußten, bem fchwach ober minber ‘Bewußten, bas, wenn wir es genauer betrachten,

mit bcm be 3 ugsweife Unbewußten 3 ufammenfällt.

®as fchöpferifche ^rinsip bes Unbewußten fann felbft nicht wicbcr Bewußtfein, es muß unbewußt, unb 3 War eine u n b e w u ß t e f e e =

l i f che T ä t i g f e i t fein, nachbem bas forperliche Unbewußte fich als unfähig herausgeftcllt hat, ein ‘Bewußtfein aus fich hert>or 3 ubringen.

S a s Bewußtfein ift swar etwas Seelifches, aber feine Tätigfeit; eine

(9)

3)a 5 Unbcroufete in ber ^l>ilofop^ic unb ^Pjpdjoanalpie 349

Bcwußtfeins„tätigfeit" gibt cs nicht. (£s ift auch nichts 6 clb=

ftänbiges, feine 6 ubftan 3 ( S c s c a r t c s), fein ©ein an fich, fon=

bem ber bloße 3 u ft a n & °i nc5 folchen, gebunben an bie Bewegungs=

oorgänge feiner materiellen Unterlage ober bes förperlichen Unbe=

wußten unb barum an fich fclbft gan 3 untätig, leibentlid) unb un=

fchöpferifch. Bewußt= 6 ein ift ©efühls= ober £mpfinbungs= 6 ein: ber 3 uftanb, wo bie 6 eele etwas in fich finbet, was fie nicht unmittelbar felbft gefeftt fyat, fonbern was ihr wiber ihre urfprüngliche 9tatur burch bie Gnnwtrfung ber 9ieiae t>on außen her aufgebrängt wirb. 2 s ent=

fpricht burchaus nur bem Bewegungs 3 uftanbe, ben bie 3 U ihm gehörige SJtaterie burch jene (Sinwirfungen erleibet. golgltch muß bie bas Be=

wußtfein erseugenbe feelijd)e Sätigfeit etwas anberes als Bewußt= 6 ein,

eine f c h l e c h t h i n ( a b f o l u t ) u n b e w u ß t e f e e l i f c h e 2 ä =

t i g f e i t fein, bie bas ‘Bewußtfein auf ©runb ober bei ©clegcnheit ber materiellen ‘Bewegung eines entfprechenben Organs h^roorbringt.

Nur eine in j e be m 6 i n n c u n b e w u ß t e STätigfeit fann f eel i f che Sätigfeit, nur bie S T ä t i g f e i t fann ein fchlechthin Unbewußtes, nur eine f e e l i f c h e S ä t i g f e i t fann ber fd)öpferifd)e ©runb bes Be=

wußtfeins fein. Kein Bewußtfein ohne Bewegung entfprechenber 9Jla=

terie! Sletne in Bewegung befinbltche SKaterie ohne ein cntfprcchenbes Be=

wußtfein! 2 lber auch fein Bewußt= 6 ein ohne feelifche STätigfeit, bie als folche fchlechthin unbewußt ift. (Sntfpricht bas förperliche Unbewußte bem 3nftrumcnte, bas gefpielt wirb, bas 33cwußtfcin bem SOZufifftüd, bas hierburch h^roorgebracht wirb, fo läßt fid) bie unbewußte feelifche 2 ätig=

feit ober bas fchlechthin Unbewußte bem Spieler Dergleichen, ber bas 3nftrument in eben biefe Bewegung feftt unb baburch bas SDZufifftüd

erfiingen läßt.

©aß es ein besugsweife Unbewußtes, ein Bewußtfein nieberer 3nbi=

mbualitätsftufen in ben Organismen gibt, biefer Sinficht fonnten fich auch bie ©egner § artm an n s auf bie Sauer nicht entstehen. 6 ie fprad)

3 U beutlich aus ben 3Mert>crfucf)en unb ben Überlegungen ber Dergleichen*

ben Slnatomie, ^hpfiologie, ßntwtdlungslehre unb ^fpchologie. 2 Iud)

fchien fie immerhin noch int (Sinflang su ftehen mit ben gorberungen ber Bewußtfeinsphilofophie. 6 o finbet fie fich auch bet anberen ^hüofophen,

3 . 'S. bei g e ch n e r , 2 B u n b t unb ^ a u 1 f e n. ®aß es jeboch ein fchlechthin Unbewußtes geben follte, eine feelifche STätigfeit, bte mit Bewußtfein überhaupt nichts 3 U tun h &t, fonbern t>on biefem artlich oerfchieben ift, baoon wollte bie gefamte ^hilofophie 31 t Sebseiten Ö a r t m a n n s nichts wiffen unb ließ ihn bie 2lufftcllung jenes Be=

griffs mit ber 53erfemung bes ^rinsips bes Unbewußten unb ber gän 3 =

liehen Nichtbeachtung feiner philofophifchen Stiftungen büßen. Sein

?Bunber! benn wenn bas besugsweife Unbewußte boch immerhin noch

(10)

350 $)as Unberoufote in bcr ^ b ü o f o p b i e unb ^Pjpcfyoanalpje

3 ur ^fpcbologic gehörte unb innerhalb bes Bereichs möglicher £rfab=

rung 3 u Hegen festen, fo voax bas frf)Ic(t)tt>in Unbewußte ein offenbar metapbpfifd)cr Begriff, 3 U bem man nur burd) ©eblüffe oon ber (Sr=

fabrung aus gelangen tonnte; unb bie SRctapbpfif war in 2 ld)t unb

Sann getan unb follte nun einmal feine 3ßiffcnfd)aft fein. Safe aber bie

^fpcbologic eine reine ßrfabrungswiffenfebaft fei, bie, toie fie oon ber (Erfahrung ausgebt, aud) bic ©rensen ber (Erfahrung nid)t überfd)rciten

bürfe, bas galt jener % t it als ein unumftößlicbcr unb fclbftocrftänblicbcr

©runbfaft ibres 5)enfens.

9tun ftef)t aber fooiel feft: wenn es fein fd)led)tl)in Unbewußtes gibt, fo ift ber tatfäcblicbc 3nbalt unfcrcs Bcwußtfeins oollftänbig unerflär=

itd). < 23err>ufet=(Sein ift, toie gefagt, ©cfübls= ober $mpfinbungs=©cin.

(£s baftet an ber Bewegung materieller Urbeftanbteilc. 6 s teilt bamit oon f)aus aus beren ‘Sielbeit, Orbnungslofigfcit unb Sctfplittert^eit.

5Bie aber toill man aus einer 33iclbcit für fid> fclbftänbigcr, urfprüng=

lieber Bcwußtfcinsinbaltc, aus getrennten Urgcfüblcn unb Smpfinbun=

gen unfer cinbcitlicb gegliebertes unb georbnetes < 23etx>ufetfein oerfteben?

©ein beißt fooiel toie: in Bcsicbung ftet)en; bas gilt oom Bewußt=©etn nid)t roeniger als oom ®a= 6 cin. 2 Bie aber fommen bic Besiegungen, fommen bic 3ufammcnbängc unb Untcrfcbiebe, fommt bas 5>crgleid)cn, Trennen unb 33erbinbcn nad) beftimmten ©efiebtspunften, fommen bie oon K a n t fog. 33erftanbcsformen ober Kategorien in ben 3nbalt un=

feres Bewußtfcins hinein, toenn biefes bod) nichts anberes fein foll als ber fubjeftioe 3Bibcrfd)cin bes ‘JBirrwarrs ber Sltombcwcgung in ©e=

birn unb Heroen? ©cfüble unb ßmpfinbungen finb an fid) fclbft irra=

ttonal ober alogifcb, cntfprecbenb bem irrationalen Sbarafter ber ma=

teriellen Vorgänge im 3 ugebörigcn Organismus. ?ßobcr aber aisbann bie Sogif unb bcr (Sinn, bie fid) in allem 3nbalt eines böseren Bcwußt=

feins finben unb bic bod) unmöglich aus bem äußerlichen ^Birbeltanj bcr 2ltome ins (23cir>ußtfcin t)^^übcrgcf!offcn fein fönnen? (Ein jufäl»

liger äußerlicher 2lnftoß fann ein SSRufifinftrumcnt sum Tönen bringen, aber feine Bectboocnfcbe ©onatc auf ihm juftanbebringen. SBenn cs feine unbewußt fcelifd)c Tätigfeit gibt, fo ift alle fog. feelifcbc Tätigfeit,

bas 3öollen, bloß eine unfclbftänbigc Spiegelung bcr aisbann allein wirtlichen materiellen Bcwcgungs 3 uftänbe. SERit biefer 2lnnal)mc aber finft bie ^fpd^logic, toie gefagt, 31 t einem 2 lnf)ängfel bcr ^bpfiologic herab, unb alle ©eclcnwiffenfcbaft ift in ?öabrf)cit bloß eine ‘ffiiffcnfcbaft

oon ben Bcwcgungsoorgängcn in ©ebirn unb 9?crocn.

®ie fcblccbtbin unbewußte feelifebe Tätigfeit, bic uns niemals als folcbc unmittelbar 311 m Bewußtfein fommen fann, fonbern bic toir nur mittelbar aus ben Bcwußtfcinsoorgängcn erfcblicßen fönnen, muß

© e n f e n fein, toeil alles Besieben ®enfcn ift unb eben fie es fein foll,

(11)

35 a 5 UnbetDufete in bcr *?>t>ilDfop^ic unb ^ ( p d j o a n a l p j c 351

woburch alle Beaiehungen unb ®enfverfnüpfungen erft in ben 3nt>alt bes Bewußtfeins, bie ‘JBelt ber ©efühle unb Smpfinbungen, hinein=

fommen. Slllein ihre 33orftellungen, in benen fie benft, finb nicht be=

wußter 2 Irt, alfo feine Smpfinbungen, raumaeitlid) beftimmte 2 ln=

fchauungen, Wahrnehmungen, Begriffe ufix>., weil alle biefe burd) bie

2 lnwenbung ihrer be 3 tel)entlichen STätigfeit auf ©efühle unb 2 mpfinbun=

gen, bas Bew ußtsein, ja erft auftanbefommen feilen. Die unbewußte 33orftellung ift baher aud) nicht ftnnltd), von außen beftimmt, fonbern unfinnlid) ober überfinnlid); nid)t abftraft unb allgemein, wie ber Be=

griff im fog. bewußten ®cnfen, fonbern fonfret, in fid) unb burd) fid) felbft beftimmt; nid)t allgemein, fonbern einzeln; nid)t leibentlid), bloße Antwort auf einen äußeren 9 iei 3 , aufnehmenb, feine bloße Erneuerung von vorhanbenen ©ebächtniseinbrüden, fonbern felbfttätig, fehöpferifef), urfprüngltd); nid)t Slbfpiegelung einer vorhanbenen ?Birflid)feit, fon=

bern ibeale Vorwegnahme einer erft 3 U fefeenben 3Birflid)fcit unb pflegt in btefem Sinne aud) als 3 b e e bezeichnet au werben. ®as in folgen 3been fid) vollaiehenbe unbewußte ®enfen ift bal)er aud) nicht bisfurfiv:

es aerrt feinen 3nhalt nid)t acitlid) auseinanber, ift fein ®enfen, bas vom (Sinaelnen aum ginaelnen fid) hintaftet, fonbern es ift intuitiv, anfd)au=

lieh, intelleftuelle ober geiftige 2 Infd)auung, inbem es alles Sinaclne gleicf)fam in eins aufammenfd)aut, unb nur baburd) ift es imftanbe, bie Sinaelgefüble unb Smpfinbungen ber tieferen Bewußtfeinsftufen burd) bie 2 Inwenbung feiner logifd)en gormen auf fie in eins 3 U faffen, 3 U

verfnüpfen, fie logifch gleichfam 311 burchfeelen unb ©efüf>Ie in höhnte 3nhalte bes Bewußtfeins, in Slnfchauungen, Wahrnehmungen, Begriffe ufw. umauformen, biefe felbft wieber aueinanber in Beaiehung au fefeen, au urteilen unb au fchließen, unb fo bas ®enfen im gewöhnlichen be=

wußten Sinne bes Wortes au ermöglichen.

5)aau wäre es aber gar nicht imftanbe ohne ein W o l l e n , bas feinen 3nhalt, bie abfolut unbewußte 33orftellung ober 3bee, verwirf=

licht unb bamit erft ben Jätigfeitscharafter bes Sogifchen begrünbet, bas an fid) unaeitlid) ober ewig ift. 2llle feelifche Tätigfeit alfo ift ein Wol=

len, unb awar ein folcbes, bas eine fcblechthin unbewußte 35orftellung als feinen 3nhalt feftt. K a n t s 2cf)re von ben unbewußten logifchen

©eiftestätigfeiten ober Kategorien, bie allem 'Bewußtfein vorangehen unb biefes erft auftanbebringen, 6 d) e 11 i n g s unb $ e g e l s 3lnfid)t von ber unbewußten 3bee, bie ben Weltinhalt beftimmt, um burch bie Vermittlung ber 9?atur aum ‘Bewußtfein ihrer felbft au gelangen, finb mithin ebenfo berechtigt, wie S c h o p e n h a u e r s Sluffaffung bcs Hn=

bewußten, bas, auf naturwiffenfchaftlichcm Wege erfchloffen ober von

außen angefchcn, als Kraft crfcheint, auf pfpchologifchem hingegen ober

von innen betrachtet, fid) als W ille barftellt. 3)ie unbewußte feelifche

(12)

352 $ ) a s U n b e r o u j j t e i n bcr <’P b i l o | o p f ) i e u n b ^ j p c b o a n a l p l e

2ätigfeit ift 3Bille i^rcr gorm, aber Vorftellung, 3bee ihrem 3nhalte nad): betbe finb bei ihr in eins t>erfd)mol 3 cn, wie bie 93ewegung unb bie Dichtung bcr 'Bewegung, unb fo wenig es ein SBollen gibt, bas nicht etwas, b. h- eine beftimmte Vorstellung, will, fo wenig gibt es eine Vor=

ftellung, bic nicht erft als 3nhalt eines Sßollens wtrffam ober wirtlich würbe.

3n bcr 2at jeigt bie genauere pfpd)ologifd)e ^Betrachtung, baß bas=

jenige, was wir ®enfen nennen, als Senten, als Xätigfeit genau fo unbewußt ift, wie bas Sollen. Ober was finben wir in uns oor, wenn wir benfen? Vorftellungen, bic etnanber folgen, bie uns „einfallen", aber auf beren Sraeugung wir unmittelbar feinerlei Sinfluß haben.

Unfer fog. bewußtes ®entcn ift ein „^icflcftiercn", gleichfam ein 3urüd=

ftrahlen bcr fchöpferifchcn unbewußten Senftätigfeit am (Spiegel unferes (Sehirnmcd)anismu 5 . (£s ift an bas ©ehirn gebunben, burd) bie 3u=

fälligfeit feiner natürlid)en ‘Siußerlichfeit unb mechanifchen ©efct 3 mäßig=

feit gefärbt. Seine Vorftellungen, bie es fclbfttätig ju erzeugen meint, finb nur ber untätige SBiberfchein bes unbewußten Senfens, bie guß=

ftapfen, wie o. f> a r t m a n n fich ausbrüdt, bie bas allein fd)öpferifrf>e unbewußte ®cnfcn fefct, wä'hrenb bas 6 d)rciten biefes ®cnfcns felbft als fold)cs unbewußt ift. '2111c SJlängel, feine Unfid)erheit, Ungenauig=

feit, SIbftraftheit, alles Schwanfen, Saubern, 3 tt>etfeln, Überlegen ufw.

ift lebigiid) burd) feine ©ebunbenheit an ben materiellen Organismus bebingt, wohingegen bas eigentlich unbewußte Renten mühelos unb gleichfam aeitlos, bie ihm burd) bie materiellen Vorgänge gelieferten

©efühle unb Smpfinbungen 311 höheren ©ebilben jufammenfaßt, bamit ben ®enft>organg begrünbet unb ihn jeweils feinem beftimmten 3^ 1

entgegenleitet.

Unb basfelbe wie 00 m ®enfen gilt nun aud) 00 m 3öollen. 2lud) biefes ift unmittelbar unbewußt unb fann nur mittelbar aus feiner Urfachc, bem SDIctio, aus ben es begleitcnben unb nachfolgenben ßmpfinbungen unb ©efühlcn, aus feiner Sßirfung, ber Ja t, fowie aus bem ‘Sewußtfein ber Vorftellung erfchloffen werben, bie bas % k l ober ben 3nhalt bes

^Boltens bilbet. ® i r fpreeben 3 War Don einem bewußten ^Sollen, unb Schopenhauer hat gemeint, fid) bes 2 Bollens ebenfo unmittelbar als bes „©inges an fid)" bewußt werben p fönnen, wie Ä an t, Schelling unb f) e g e l bies t>on ber unbewußten Vorftellung ober 3bee behauptet haben. 3n 2ßahrhcit finb wir uns auch unferes ‘Jßollens eben nur „be=

wußt", unb barin liegt fchon ausgefprochen, baß wir auch oon ihm nur eine empftnbungsmäßig beftimmte, b. h- untätige, Vorftellung befitjen.

^Bewußt heißt ein 5öollen nur, beffen % k l eine bewußte Vorftellung ift,

währenb es felbft als folches fd)led)thin unbewußt ift, genau wie wir

bies auch t>on unferem Renten gefehen haben.

(13)

D a s Unbewußte in bcr ^ i l o j o p I ) i e unb ^ j p d j o a n a l p j c 353

6 0 gibt cs gar leinen Scwußtfcinsinhalt, an beffen 3 uftanbefommen nicht jeweils alle brei mfchicbcnen Wirten bes Unbewußten, bas förper=

lid>e Unbewußte (unfer 2cib), bas beaugsweife Unbewußte, bas < 23etr>ufet=

fein ber entfprcchcnben tieferen 3nbimbuatitä'tsftufen, unb bie fd)led)thin unbewußte feelifrf)e 2 ätigfeit gleic^mäfeig beteiligt wären. ®as !örper=

lid)e Unbewußte bilbet bie unumgängliche 33ebingung bes Bewußtfcins, bas in ber ©eftalt bes ©cfühls unb ber (Smpfinbung an ben materiellen

‘Sewcgungsoorgängcn bes Organismus suftanbetommt. ®as be 3 ugs=

weife Unbewußte liefert ben Stoff für bie be 3 iet>enbe unb incinsfaffcnbe logifrf)c Tätigfeit bes fct)lecf)thin Unbewußten, ben ©egenftanb, worauf fid) biefe richtet, unb ohne welchen fic feine Vcranlaffung f)ättc, ins (Spiel au treten. ®ie fcf)led>tl)in unbewußte feelifrf)c Tätigfeit aber ift erft bas eigentlich fchöpfcrifchc ^rinaip, bas aus für fid) felbftänbigen ©efüt)len unb Smpftnbungen tieferer 3nbir>ibualita'tsftufen ben 3nt>alt ber höheren Stufen aufbaut, buref) Slnwenbung ihrer logifchen formen auf ben *230=

wußtfcinsftoff ben leftteren orbnet unb bie Erfahrung als ©egenftanb bes ‘Scwußtfeins auftanbebringt, burd) aielftrebige Bearbeitung ber ßr=

fahrung ben gegebenen < 25etr>ufetfeinsin^alt über fid) felbft hinausführt unb bamit erft ben gortfd)ritt ber Srfenntnis ermöglicht.

Durch unfere bisherigen Darlegungen beftätigt es fid) in bcr Tat, baß nichts vcrfchrter fein fann, als mit bcr hcrrfd)enben 33cwußtfcinsphilo=

fophie 33ewußtfein unb Seele nur cinfad) einanber glcichaufe^en. ©as ewußtfein ift nicht bie Seele felbft, wie bas Cogito ergo sum bes D e s c a r t c s bies annimmt,fonbern ein bloßes für fid) unfelbftänbigcs Sraeugnis, eine (Srfcheinung ober ein Suftanb ber Seele, etwas, bas ihr burd) Vermittlung bes 2 cibcs foaufagen t>on außen augefügt, ihr augc=

fallen,für fic felbft jcboch eben beshaib„aufällig//ift. Ss ift infofern „fpäter"

als bie Seele in ihrer urfprünglichen 2 Befcnhcit, erftreeft fid) genau fo weit wie bie mfchicbcnen 3nbimbualitätsftufcn eines Organismus, in benen es burd) bie Sinwirfung ber 9iciae unb ben materiellen 3 ufammenhang mit ber förperlichcn Außenwelt angeregt ift, unb bewegt fid) foaufagen auf ber bloßen Oberfläche ber Seele. ®iefc felbft ift folglich auch nicht bas 3ch; benn bas 3d) ift nur ein abftrafter anberer 2 Iusbrucf für bie jeweils gegebene einheitliche gorm unfercs Bcwußtfcins: es ift nur ein untätiges, gleichfam punftartiges Spiegelbilb bcr Seele im oberften je=

welligen < 33ewußtfeinsaentrum. ®ic Seele als folche hingegen ift oorbe=

wußt unb unbewußt. S o aber ift fic bic ©efamtheit ber unbewußten burd) 3been beftimmten 3ßillensäußerungen, bic fid) auf ben 2eib einfchlicßlich bes ©chirns bcaichcn unb ben (23cwußtfcinsinhalt bcr mfchicbcnen 3n=

bioibualitätsftufcn ebenfo wie ben 2eib als Stufenbau ber 3nbft>ibuali-

täten auftanbebringen, erhalten, mänbern unb fortcntwicfeln.

(14)

354 'Das Unbetoufete in ber ^ b ilo fo p b ie u n fc ^ p jp ^ o an alp jc

hiernach fann eine ben Tatfachen wirflich gcred)t wetbenbe 6 eelen=

wtffenfchaft nur eine folche fein, bie alle verfebiebenen Slrten bes Unbe=

wußten c)leid>mdfeig ins Sluge faßt unb fie aur (Etflärung bes Bewußt=

[eins, feiner Sntftehung unb ^3cf(t>affent>eit verwenbet, wie bei f) a r t = mann, unb wie id) bies felbft in meiner „^fpcbologie bes Unbewußten"

(1924) burd) alle Teile burchaufübren verfud)t habe. Daß bie beute am 5iuber befinblid>e Bewußtfeinspfpchologie hiergegen noch immer ihre Slugen verfd)ließt unb felbft ba, wo fie wenigftens bas beaugsweife Un=

bewußte anerfennt, t>on biefem boch fo gut wie (einerlei ©ebraud) macht, ift 6 d)ulb an bem herrfebenben traurigen guftanbe jener Sßiffenfchaft, hat fie au mühfeliger Unfrud)tbarfeit, aur „©elbftfaftration aus lauter unfachlichen 9lüdftd)ten" (v. f) a r t m a n n) verbammt unb t)at ihr bie nur au begrünbete ©eringfehä^ung aller am Problem ber 6 ecle betei=

ligten Greife augeaogen.

6 0 war cs burchaus au begrüßen, baß ein 6 i g m u n b § r e u b unb feine 6 d)üler ben Begriff bes Unbewußten vom naturwiffcnfcbaftlicb=

mebiaintfehen ©tanbpunft wieber aufgriffen unb ihn für |>eilawecfe im galle nervöfer Srfranfungen fruchtbar au machen juchten. Die fog.

^fpchoanalpfe, b. h- ©eelenaerglieberung, ftellt ber bisherigen Ober=

flächenpfpd)ologie, b. b- ber ^fpchologie bes Bewußten, eine von ihr fogenannte „Tiefenpfpchologie" entgegen unb macht fid) anheifchig, bem Bewußtfein verborgene 6 eelenvorgänge ber wiffenfcbaftlichen Beobad)=

tung au erfchließen; unb es braucht nur barauf hingewiefen au werben, welche Bebeutung biefe ^PJpcbologie für bie heutige f>eilfunbe erlangt unb wie fie gerabeau aur 3Robeftrömung ber ©egenwart geworben ift, bie in allen Äulturlänbern ihre überaeugten Anhänger unb Vertreter hat. SBas einem v. f) a r t m a n n burd) ben Slusbau eines ber groß=

artigften philofophifchen ©pfteme nicht gelungen ift, wofür id) felbft feit mehr als vieraig Bahren ohne (Erfolg gefämpft habe: bie Überwinbung bes herrfebenben Vorurteils ber ßinerleiheit von 6 ein unb Bewußtfein ift ber ‘’Pfpcboanalpfe in einem folchen StRaße auteil geworben, baß ber Begriff bes Unbewußten gegenwärtig foaufagen in aller SERunbe ift unb bie Sinnahme einer unbewußten ©eelentiefe heute gerabeau aum felbft=

verftänblichen Zubehör einer nicht von ber Satheberpfpchologie ber Uni=

verfitäten angefränfelten 6 eelenwiffenfchaft gehört.

Seiber wirb man nid)t behaupten fönnen, baß bie ^fpchoanalpfe einen wefentlichen gortfebritt in ber Grfenntnis bes Unbewußten über bie

§>artmannfd)en Sinfichten hinausgebracht hätte. Der Begriff bes Un=

bewußten hat burd) g r e u b unb bie ihm verwanbten gorfcher feine Klärung erfahren. 3a, bie ^fpchoanalpfe hat bie in beaug auf jenen Begriff herrfd)enbe Verwirrung vielmehr nur gefteigert unb fo unge=

heuerlid)e, tollfühne unb verftiegene golgerungen an ihn angefnüpft, baß

(15)

D a s Unbcroufote in ber ^P^ilofop^ic unb ^p|pd)oanalpfe 355

man cs ben s13fpcf)ologen wahrlich ntcf>t oerbenfen fann, wenn fie jeftt erft recht nichts Dom Unbewußten wiffen wollen.

3d) benfe babei ntcf>t an § r c u b 5 fog. Sejualtheorie, an fein merl»

würbiges 33crfeffcn|ein barauf, alle feeltfchen Störungen auf gefd)led)t=

lid)c Urfachen 3 urüd 3 uführen, bas befonbers in feiner Deutung bes Trau=

incs oft nahc 3 u ans Komifche anftreift. 3d) benfe auch nicht an feine ße^re oon ber 33erbrängung, nach welcher feclifche Vorgänge, bie fich im 33ewußtfein abfpielen, t>om 3d) wegen ihres peinlichen 3nhalts ins Unbewußte 3 urüdgcbrängt werben follcn, um t>on hier aus fich ftörenb bemerfbar 3 U machen, unb oerbrängte 5ßünfd)c ober Triebe fich eine

„Erfafebefricbigung" 3 U oerfchaffen Juchen, bie fich als feelifrf>e ober förperliche f>emmung äußert. < 23efanntlich fteht biefe 2 Infid)t bei g r e u b in engftem Sufammenhange mit feiner 2 Infid)t oon ben fog. „Komplexen",

35 orftellungs 3 ufammcnhängen unb 3ntereffenfreifen eigentümlicher 2Irt, bie, als oerbrängte, ins ‘Bewußtfein 3 urüdftrcbcn, unb t>on benen ber fog. Öbipus= ober 5Jaterfompley bie größte ‘Berühmtheit erlangt hat unb eine nahc 3 u herrfchenbe Stellung im Unbewußten einnehmen foll. hier­

nach foll ber Sohn in bie SRutter, bie Tochter in ben 33ater oerliebt, jebes ber beiben oon Eiferfucht gegen ben ?5ater b 3 W. bie SDtutter erfüllt fein unb beren Tob herbeiwünfehen, wenn auch gan 3 ohne ein Bewußt*

fein biefer Tatfache. Das Urteil hierüber mag ben Säften überlaffen bleiben, fowie auch bie Entfcheibung über g r e u b s 33erfud)e, feine 3ln=

ficht über bie oerbrängten Inhalte in feiner Sluffaffung ber gehlleiftungen CBerfprcchcn, 33ergeffen, Verlegen) unb ber Traumfpmbolif für bie ge=

wohnliche Seelenwiffenfchaft fruchtbar 3 U machen, ben ^fpchologen an=

heimgeftellt fein mag, beren SKeinung boch n^ohl feine anbere wirb fein fönnen, als baß hier gewiffe oielleicht gelegentlich oorfommenbe Ein 3 el=

fälle in unglaublicher Überfpannung 3 U einer allgemeinen Tatfache auf=

gebaufcht finb. ^ebenfalls bürfte biefer Teil ber greubfehen 2ehre alles anbere als geeignet fein, ber ^fpchoanalpfe Anhänger aus wiffenfd>aft=

liehen Greifen 3 u 3 uführen.

3ßorauf es mir anfommt, ift bie oollfommen willfürliche unb burch nichts gerechtfertigte Deutung, bie g r e u b unb feinesgleichen bem Begriffe bes Unbewußten geben unb ihre mangelnbe Unterfcheibung ber oerfchiebenen 2 lrten jenes 'Begriffs. Obwohl fich vielleicht feiner unter ihnen mehr als greub felbft um beffen genauere ‘Beftimmung bemüht unb in immer erneuten Anläufen bas 2ßefen bes Unbewußten feföuftellcn oerfucht hat, ift er boch bisher über bunfle 9tebcwenbungen unb fchwer oerftänbliche Unterfcheibungen, 3 . B . 3 wifchen einem 33orbcwußtcn unb Unbewußten, nicht hinausgefommen, wie benn überhaupt feine gan 3 c 2 lrt, fich aus 3 ubrüden, foweit es fich um rein pfpchologifche Singe han=

beit, in unflarem §>albbunfel, t>er 3 Weifeltcm Gingen mit bem ©egen=

(16)

356 'Das UnbciDufcte in ber < ’Pbiloiopt)ie unb ^ jpd j oa n al p fc

ftanbe unb einem unerquidlichen ©pielen mit neu geprägten gachaus*

brüden fteefen bleibt.

g r e u b lehnt bie Einnahme eines be^ugstpeife Unbewußten, eines 33eu>ußtfeins außerhalb bes ©roßhirnbewußtfeins in einem unb bem*

{eiben Organismus mit freilich fcollfommen unautreffenben Sinwänben ab, fowte er auch bas forperliche Unbewußte faunt irgenbwie befonbers berüdfid)ttgt. gür ihn ift alles Unbewußte als folches etwas ©eelifches, feelifche Jätigfeit, aber freilich nichts SJtetaphpfifches, fonbern etwas

^fpchologifches; faßt er boch auch bie t»erbrängten Slompleje als im Un=

bewußten fortwirfenbe Sätigfeiten auf. Nun ift aber ber begriff einer einmal im 23ewußtfein sorhanben gewefenen unbewußten feelifchen lätigfeit ein 3Biberfpruch in fich felbft. Denn erftens gibt cs im ?3ewußt=

fein leine Sätigfcit: 33ewußt=©ein ift ©efühls= ober £mpfinbungs=©ein.

Unb fobann Jönnen auf biefem ©ein beruhenbe 33orftellungen nicht als feelifche Sätigfeiten unbewußt fein, fonbern gehören, wenn fie unbewußt geworben, aus bem ©roßhirnbewußtfein entfehwunben finb, entweber als ruhenbe ©cbächtniseinbrücfc bem förperlichen Unbewußten an, ober aber fie finb, als fcclifche Inhalte, bem bejugsweife Unbewußten, bem 53ewußtfein tieferer 3nbimbualitätsftufen, auaurechnen, wo fie aisbann nicht als Jätigtciten, fonbern bloß als auftänbliche 33orftellungen weiter»

ejiftieren. 33erbrängtc Hompleje, bie im Unbewußten wirten unb ihr Safein burch feelifche unb förperlid)e Störungen, burch Slngftauftänbc Neroenanfälle, Zähmungen cinaelncr Organe ufw. an erfennen geben, fönnen folglich nur burch materielle Suftänbe beftimmte 2 Billcnsäuße=

rungen in tieferen ©tufen ber organifchcn 3nbimbualität fein, bie unbe=

wußt nur nach ihter 3Billcnsfeitc, bagegen bewußt in bcaug auf ben 33or=

ftellungstnhalt bes betreffenben 2 ßillcns finb. ©o!d>e burch forperliche 3uftänbe ober Sagerungsoerhältniffe eines materiellen Organs beftimmte SBillensäußerungcn heißen im ruhenben 3 uftanb „Jricb e", unb in biefem ©tnne pflegen wir t>on einem Nahrungstrieb, 33ewegungstrieb, Srwerbstricb, ©efd)lechtstrieb, ?Banbcrtrieb ufw. an fprechcn; bagegen heißen fie „ ‘öegehrungen", wenn ber burd) jene Anlagen mechanifch ein=

gefchränfte unb gleichfam gcbunbcnc 5ßille auf ©runb eines SXRotit>s in Xätigfeit übergeht, bie in ber betreffenben Snbhribualitätsftufe enthal=

tenen ©pannträfte auslöft, anm wirflichen 2 öollcn, bem ‘©ollen im engeren ©tnne wirb unb als 3Tat in bie Srfcheinung tritt. *33ei allebem ift aber nur bas 3Bollen unbewußt, unb bies awar in fd)led)thinigcm

©inne. ®ie bas 2 ßollen beftimmenbe 5?orftellung hingegen ift bewußt, wenigftens an ihrer ©teile. 2 lls bewußte aber ift fie untätig, auftänblich, materiell bebingt, unb es ift baher im höchften ©rabe unauläffig, fie unter bem Namen eines mbrängten ^ompleyes ber unbewußten fce=

lifchen lätigfeit auaurechnen. g r e u b hulbigt mit feiner Slnfchauung

(17)

$)as Unberoufete in ber ^ ^ i l o f o p i c unb "Pjpcboanalpfc 357

ber ‘'Platonifcben Theorie bes ©ebächtniffes, nach welcher bewußte 23or=

ftellungen ins Unbewußte bmabfinten, unbewußt werben unb als be=

wußte wieber jum Vorfcbein fommen fönnen, jener befannten „Tauben=

fd)lagstbeorie", bie aber mit ber unmittelbaren Sufammengebörigfeit von 33ewußtfeinsform unb ^öewußtfeinsinl>alt arbeitet, benn hiernach wirb mit ber 33cwußtfeinsform einer Vorftellung 3 ugleicb aud) beren 3ni>alt aufgehoben. 3n SBabrbeit ift alfo bas 3nbivibuum in ber Tat ein Trieb=

wefen: unbewußte, burd) materielle Einlagen gebunbene unb beftimmte Sßollungen ober „Triebe" fteben hinter allen [eelifd)en Äußerungen.

Slber nur bie monomanifd)e 35erfeffenbeit einfeitig gearteter Naturen fann alle Triebe auf ben einen ©efd)led)tstrieb (g r e u b), ober auf ben einen ©eltungstrieb (21 b l e r), ben Söillen 3 um 2 eben (6 cb o p e n = b a u e r) ober 3 ur 2ERad)t (SR i e fc f d) e) unb ähnliches 3 urüdführen

wollen.

Sieben bem von g r e u b fogenannten Unbewußten, ben verbrängten 3nhalten, nimmt ber ^fpcboanalptifer 3 u n g ein weiteres Unbewußtes, ein fog. „folleftives Unbewußtes" an, bas nicht, wie jenes, rein perfön«

lieber Slrt ift unb bloß bie (Erlebniffe ber (Einaelejiftena umfaßt, fonbern biejenigen bes ©efd)led)tes, ber ©attung in fich einfchließt unb, wie er fich ausbrüdt, ber „ererbten fnrnftruftur" entstammt. Darunter finb alle 3Rotive unb ‘Silber 3 U verftehen, bie jeberseit unb überall ohne befon=

bere gefd)id)tltd)e Überlieferung entftehen fönnen, bie 23orftellungen unferer eigenen Sinbheit fowie berjenigen unferes, ja, bes menfd)lid)en

©efchlechtes überhaupt, bie 2lrt, (Spmbole 3 U bilben, SOtptben 3 U er=

benfen, bie fich gleichmäßig bei allen Völfcrn wieberfinben, alles f)obe, (Eble, Überlegene, 6 d)öne, wobureb fich frer SfJlenfch von anberen orga=

nifchen Sßefen unterfcheibet, aber auch alles Stiebere, häßliche, Dunfle, Untergeorbnete, bas ihn mit bem Tierreich verbinbet, m. e. SB. ber SRieberfchlag ber feelifchen Äußerungen unferer Slbnenreibe, „bie burd) millionenfache SBieberbolung aufgehäuften unb 3 U Tppen verbichteten (Erfahrungen bes organifchen Dafeins überhaupt."

(Es ift flar, baß unter biefem „ererbten" Unbewußten nichts anberes

3 u verftehen fein fann als ein förperliches Unbewußtes, bie ruhenben

2 agerungs 3 uftänbe ber SItome unb SDiolefüle im ©ehirn unb 9lerven, wie fie bie materielle Unterlage bes ©ebächtniffes unb ber (Erinnerung bilben unb bie ©efamtheit unferer Triebe unb (Eharaftereigenfchaften bebingen. Denn nur SDlaterielles fann vererbt werben, nur ber Körper ber Ort ber ©cbäcbtnisvorftellungen fein, wohingegen fich mit ber Stn=

nähme „feelifcher Spuren", als S3eftimmungen ber feelifchen Tätigfeit fchlechtcrbings fein 6 inn verbinben läßt. (Es ift baber auch eine offen=

bare Skrwecbfelung bes förperlicben Unbewußten mit ber fchlecbthin un=

'‘Pbüolopbie unb £ebcn. V. 25

(18)

358 $)as Unberoufete in bcr ^ ^ i l o f o p ^ i c unb ^fpcf)oanalpfc

bewußten in 3been fid) auswirfenben feelifchen Sätigfeit, in bejug auf bas folleftioe Unbewußte oon einem „Slrchetppus" im ©egenfafee 3 um „Sf=

tppus" unferes gemeinen Verftanbes ober unferes bewußten ©elftes

3 U fprechen, feinen 3nt>alt als eine 2Irt „Urwiffen", es felbft gleichfam als einen 6 trom urtümlicher 33ilber ober 3been auf 3 ufaffen, lauter 53e=

ftimmungen, bie in fehroffftem SBiberfpruche 3 u ber Vorftellung einer

„ererbten |)irnftruftur" unb ber im Organismus aufgehäuften Einlagen

3 U beftimmten materiellen 6 chwingungsformen ftehen. Vollenbs unge=

rechtfertigt aber ift es, wenn 3 u n g bas folleftioe Unbewußte für bas fchöpferifche ‘’Prü^ip unferes 33cwußtfeinsinhalts erflärt unb bamit in gan 3 materialiftifcher 5öeife bas f>öhere aus bem fieberen, bas ©eiftige aus förperlichen 53 ewegungs 3 uftänben meint, ableiten 3 U fönnen. Sin folleftioes Unbewußtes gibt es in 5ßahrheit nur als 3nbegriff materieller

©ehirnanlagen. 6 0 aber ift es felbft nichts 6 d)öpferifches, fonbern bloßes S r 3 eugnis, bie 33ebingung für ben bewußtfeinsmäßigen 6 toff ber fehlest»

hin unbewußten Sätigfeit. ®iefe aber ift als folche etwas SDZetaphpfifches.

Unb wenn 3 u n g ben begriff bes Unbewußten für einen ausfchließlich pfpchologifchen anfieht unb bie Sinnahme feiner metaphpfifchen ‘Bebeu- tung ausbrüdlich abweift, fo offenbar nur, weil er, als 9laturforfcher unb

2 lr 3 t, noch mitten im Vorurteil gegen bie SKetaphpfif barinfted't unb fid) bie Unterschiebe im begriffe bes Unbewußten nicht flargemacht hat. ®as aber ift wieberum nur ber galt, weil er fo wenig, wie bie übrigen ^fpcho=

analptifer, fich mit ber ^Phtfofophie bes „Unbewußten" auseinanbergefefct hat, wie man benn in fämtlichen Slunbgebungen ber ^fpchoanalptifer einen f) a r t m a n n faum irgenbwo auch nur bem tarnen nach er=

wähnt finben wirb, unb wenn, bann meift in einer Sßeife, bie man 3 U

bisfret erfcheinen läßt, baß man oon beffen 2 lnfid)t Jaum irgenbwelchc flare Vorftellung befifct.

6 0 rächt fich an ber ^fpchoanalpfe bas Überfehen f ) a r t m a n n s unb bie faft gänsliche Nichtbeachtung, burd) welche bie afabemifchen Greife biefem ®enfer feine gegenfäfeliche Stellung gegen bie herrfchenbe

^hilofophie bisher haben entgelten laffen. 6 ie hätte, nachbem bie ^hilo=

fophie bes Gewußten feit © e s c a r t e s alle SKöglichfeiten ihrer Snt*

widlung erfchöpft hat, 3 U einem oollftänbigen Umfchwung in ber ge=

famten philofophifchen ©enfweife führen fönnen. 6 tatt beffen ift fie bis=

her in pfpchologifcher l23e3iehung über unbeftimmte allgemeine 9iebe=

wenbungen unb unfruchtbare 33egriffsfpalterei nicht hinausgelangt. 3n einfeitiger Überfpannung ihrer ©runbannahmen ift fie vielfach berartig ins Slbfonberliche, ja, gan 3 Verrüdte ausgeartet, baß wirfliche ^fpchologen über fie bie 2 ld)feln 3 uden unb bie ßaien fich mehr burd) bie pridelnbe 3utat ihrer Unanftänbigfeit als burd) bie oon ihr gebrachte 2luf=

flärung ange 3 ogen fühlen. SÖtan fann nur hoffen, baß fie fich noch recht-

(19)

S l a n t g e f e l l f c f c a f t u nb Ä a n t 359

öcitig auf ben wahren begriff bes Unbewußten befinnt unb jebes SDtal beutlich angibt, von welcher 2Irt bes Unbewußten fie rebet, unb wie biefer

"Begriff 3 U verftehen fein foll. ©ann, aber aud) nur bann wirb fie ihr heutiges 2 lnfehen nicht mehr bloß it)ren Teilerfolgen im galle nervöfer Erfranfungen, fonbern augleid) bem von ihr geförberten gortfehritt auf bem ©ebiete ber 6 eelenforfd)ung verbanfen fönnen. 9Zur bann wirb fie eine wirtliche r/3Tiefenpfpd)ologic" im ed)ten Sinne bes Wortes fein unb ben 9iuhm für fid) in Slnfprucf) nehmen bürfen, ber aufünftigen s_pi)ilo=

fophie, ber sT3hilofophie bes Unbewußten, ben Weg gebahnt 3 U haben1).

^ a n f g e j e t t j e ^ a f f u n b — ^ a n f 33on 9 t e in f r a t b 6 1 r e cf e r

©ie Kantgefellfchaft feierte in biefem 3ahre in f)alle ihr 25jähriges

“Beffchen. ©ie Vorträge waren bem Sterna „ 6 t a a t u n b E t h 1 1"

gewibmet. 2lm Schluß ber Vortragsreihe ftanb merfwürbigerweife fein

^ilofopb, fonbern ein Geologe: ^rof. 2 1 1 1 h a u s = Erlangen, ber fid) felbft als „grcmbling" in biefem Kreife beaeidjnete, unb ben 91eufan=

tianismus von vornherein ablehnte. Das Thema feines Vortrages hieß

„Staat unb 9teid) ©ottes". Offenbar follte bas Programm ber Tagung mit einem Slusblid auf bie t>öd)ften unb lebten 3 ufammenhänge fchließen, in bie tatfächlid) alle ett>ifd)en unb philofophifchcn Betrachtungen mün=

ben. 3nfofcrn war bas Thema gewiß am ^lafcc.

Eine anberc gragc ift es, ob wohl Kant felbft mit biefem Schlußftcin im ©ewölbe ber Subiläumstagung einverftanben gewefen wäre. (Seine fromme Ehrfurcht vor ber fittlid)en Bcbeutung ber ‘Bibel fteht außer grage. Ebenfo aber aud) feine unerbittliche Kritif, wo er fie im 3ntercffe ber Wahrhaftigfeit für geboten hielt. f)at er es nicht ausbrüdlid) abgelehnt, Religion auf eine hiftorifche Tatfache grünben au laffen, bie immer bem 3tveifel ausgefefet unb niemals unmittelbar evibent au machen ift? 3ft es nicht ber gan 3 c Sinn feiner ^Phüofophie, von bem ficheren Boben ber Empirie aussugehen, unb erft von ba aus in aller Befcheibenheit an bie methaphpfifchen Probleme heran 3 utrctcn? Demgegenüber geht bie theo=

logifche 9lid)tung, bie ^rof. 2 Ilthaus vertritt, gerabe von ben efd)atolo=

gifchen ©ingen aus, als ob fie bas Sicherfte von ber W elt feien; geht von ben 21nfchauungen bes Urchriftentums aus, als wäre in ihnen bas unerfchüttcrlicbe 2 lpriori bes menfchlichen ©enfens gegeben. 2 lus bem

ßichte bes ^Reiches ©ottes, in bem fid) ber Theologe 3 U f)aufe fühlt,

*) 93gl. f)ierju (£. p. f t a r t m a n n : 3)ie moberne ‘Wpdjplogie; ©runbrifo bcr

^fpcMogie; ferner V re ro s: (£. D. £>artmanns pf)il. 6pftem im ©runbrifo (1906);

^Pfpc^ologie bes Unbctoufeten (1924); 2et)rbud) bcr Cogif (1928); 3B. p. 6 cf) n e b e n :

(fbuarb p. §>artmann (1929).

(20)

360 3 u r ( £ i n f ü t > r u n g in b i c ^ b i l o f o p b i e

wirb bann bcr irbifcbe Staat in ben Schatten bes Tobes t>ertr>icfcn. S r ift in allem gerabc^u bas ©egenteil bes ©ottcsrcid)es, in ihm f)errjd)t 3toang, im ©ottesreid) bie 2tcbc; als Ict 3 tcs ^robuft ber ftaatlid)cn Be=

mübungen ber SJtcnfcbbeit, wie es bcr beutfebe 3bcalismus wolle, bürfc bas 5tcid) ©ottes nicht angefeben werben, Sincn 3ufammenbang tönne man böcbftcns in bem Sinne gelten laffen, bafe bie Tugcnb bes ©cbor=

fams unb bcr Sclbftcntäuftcrung fd)on im irbifeben Staate geübt werben fönne. Abgclcbnt aber würbe bie angelfäd)fifcbe Auffaffung, bic bie A r­

beit am irbifd)cn Kulturftaat fd)on birett als Arbeit am Gleiche ©ottes gelten laffen will. So tritt in biefer Auffaffung wieber einmal bcr mebr gebanflid)c Sbaraftcr bes 2utbertums 3 U bem mebr febaffensfreubigen Sbaraftcr bes (Sabinismus in ©egenfat}. SKüfeig, barüber 3 U ftreiten, wclcbc von biefen beiben gormen bes Sbriftcntums bic wertvollere fei.

Sem Sbriftcntum febrieb ber 9lebner bas 33erbicnft 311 , bic 9led)te bcr freien ^erfönlicbfcit auch bem Staate gegenüber behauptet 3 U haben. Sr liefe babei bic S^ttoltcr aufeer Bctracbt, in benen umgefebrt bie 3icd)tc bcr freien ^crfönlicbfcit ben febwerften Kampf gegenüber fird>lirf>cr Ser=

gewaltigung 311 befteben bitten. B c 3 ctd)ncnb, wie er bas Problem bcr Strafe bebanbclte: S r 3 itierte Bismards Ausfprud) an bie 3uriften, fie folltcn bas 3iid)tfd)wcrt niebt aus ber f>anb legen. Sie müftten freilich ficb babei bewufet bleiben, bafe es nicht ihr mcnfcblicbcr Arm, fonbern

©ott burcb ihn führe. 951 an benft fehaubernb an bie Opfer bes menfd)=

liehen 9tid)tfcbwcrtcs, bic bis auf ben heutigen Tag im 9tamen ©ottes abgetan worben finb, unter benen fid) fo unsä'blige finben, bic boch nur eine SBabnvorftcllung von göttlichem 2 Bcfcn in bic golterfammer unb

3 ur 9iid)tftätte führte. Ss ift immer bic ©cfabr bcr übcrbeblicbfcit bamit verbunben, wenn S[Rcnfd)cn vom Stanbpuntt ©ottes aus pbilofopbiercn ober gar b^nbcln wollen! ®ie 3Bürbe bes Staates febeint mir in ber Kantifchen Staatspbilofopbie troft aller nüchternen Beurteilung nicht

nur vorfiebtiger abgewogen, fonbern auch beffer gewahrt 3 U fein.

(Bcmerfung bcr Sd)riftleitung: Natürlich (teilen wir ber Kant=©cfell=

febaft gern 9laum 3 U einer etwaigen Entgegnung 3 ur Verfügung.)

3 u r @ m f ü f ) r u n g i n b i c

V III. 3ur 2Dcrfpf)tfofop()ic: 2Berf arten (Schluß).

2 . 2 c b e n s - o b e r 33 i t a 1 10 c r t c. 3\i$u gehört in erfter ßinte bas ßeben felbft, ferner ©efunbfjeit, ßcbcnsencrgic, greube am ßeben, ftraft, ?Bibcrftanbsfät)ig«

feit, ungehemmte Ausübung ber ßcbensfunftionen.

3. 31 n l a g c = u n b 3 3 ilb u n g s tt> e rte . 6 ie fdjlicfccn fid) of)ne fd)arfe ©renje an bic r>origc klaffe an. $)enn !örpcrlid)c Einlagen toie körperhaft, ©cmanbtbeit, leiftungsfäf)ige Sinnesorgane fann man aud) nocf) 3U ben 33italmerten rechnen. 3ebo<$

mürbe es nid)t bem 6 prad)gcbraud) cntfpred)cn, molltc man aud) bie geiftigen An­

lagen, mic gutes ©ebäd)tnis, 6 d)arffinn, 6 cf)Iagfertigfeit, fünftlcrifd)c Talente, 3ßil-

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bilbung einer beftimmten Sülethobe, bamtt aber bem ^fufchertum ein für allemal entriffen 3 U toerben1). 6 eit Kant ben Slriti 3 ismus gelehrt, haben toir, wenn

Sie Söfung fann nur biefe fein: bas Volf, nämlich SERutter unb Arbeitsbienen (bie Srohne fteht aufeerhalb bes Volfes), bilbet eine Einheit fo gut wie ber

©efprädjen mit einem greunbe weiter. 3öir grübelten wirflid) übet fd)Wierige gragen nad). 9tod) weife id), wie wir uns einmal bis fpät in bie 9tad)t hinein

mittelbar aus feinen Sebenserfabrungen beraus feftftellen fann, bafe er mit anberen 3Renfd)en jufammenlebt, nicht nur äufeerlid), fonbern aucb innerlich; bafe er

(Es ift mit oftmals ootgefommen, als wollten bie ©elehrfen nicht Berftanben werben Bon ber SÜtaffe, unb beswegen fchreiben fie mitunter auch fo

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