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Philosophie und Leben. Jg. 5, H. 2 (1929)

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Academic year: 2022

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Ip^ilofoptyte tmö Heben

5. JAHRGANG + 2. HEFT + FEBRUAR 1929

„3m Ö ienftE Der IDolhsetn^etf erftrcbt unfere 5 e itfih n ft etne fa#s Itt^e Stusfprathe öer öerf^teöencn todtanf$ault(hen K t^ tu n g en .“

©ympaff)te un5 tf)re 23e§kf)ung ju £tebe, Crf)e un5 gxßun&fd&aff

53on S B i l t i c I m © e r b S u n b c

2 Renfd)cn leben nicht nur untereinanber, fonbern miteinanber, bilben

©emeinfehaften, gewollt ober ungewollt, wirtfchaftliche, berufliche, geiftige.

®as SMnbemittel ift für ben (Einzelnen 3 umeift fein egoiftifches öntereffe, bas je nach ber 2lrt ber (Semeinfc£)aft mehr ober weniger beutlich 3Utage tritt. 2 lber unabhängig oon biefen ©emeinfamfeitsbeftrebungen unb frei oon allen egoiftifchen Zielrichtungen gehen 6 tröme oon SDlenfch 3 U SRenfch, bie fpmpathifchen 6 tröme.

W ir fpüren fie, fobalb wir nur irgenbeinem StRenfdjen bewußt gegen=

übertreten unb unbeabfichtigt unb üöllig ungewollt Wohlgefallen an ihm finben. (So möchte ich 23egriff 6 pmpathie beutlich machen: als bas ungewollte Wohlgefallen eines 371 enfehen am anbern. Sftan fönnte bas Wort auch überfetjen, b. h- wortgetreu aus bem ©rlechtfchen ins ®eutfd)c übertragen. ®as 9tefultat ergibt einen tiefen (Sinn unb fönnte etwa fein:

„mit=leiben", „ 3 ufammen=leiben", „miteinanber=Ieiben", (sym = 3 ufam=

men, pathein = bas Selben). ®ie Sitten, bie bas W ort erfanben, fdjeinen fchon gewufet 3 U haben, bafe es mehr miteinanber 3 U leiben als fich 3 U freuen gäbe. 2 lber bleiben wir lieber bei bem „Wohlgefallen eines 2 Jlen=

fchen am anbern" unb finben uns mit bem 33ebeutungswanbel ab.

Wohlgefallen? — 2 llfo Siebe ober auch Sreunbfchaft! — 9tein, 6 pm=

pathie ift weber Siebe noch Sreunbfchaft. ®ie Überfel 3 ung bes Wortes mag immerhin basu ftimmen; aber bie 53egriffserläuterung läßt biefc Ausbeutung nicht mehr 3 u; benn bei ber 6 pmpathie h^nbelt es fich um ben 9Jt e n f cf) e n , nicht um SKann ober Weib. Slann man benn über«

haupt einen SUtenfchen fchledjthin fich Renten? (Eigentlich nicht; benn wenn ich nur fage: „SRenfdj", ftelle ich wir entweber einen männlichen ober einen weiblichen oor. Unb nach biefer ©runbeinftellung werbe ich >>as über ben SERenfchen ©efagte fo ober fo beuten. „9Kenfch" ohne 33 e 3 iehung auf ein ©efchlecht ift eine Slbftraftion. 33on bem Segriff „SRann" wie oon bem ^Begriff „W e ib " muß ich fooiel abftrahteren, baß eben nur bas

©emeinfame übrigbleibt, bann habe ich ben begriff „SJRenfdb". Unb bas ift

<Pt>i(o[opbie unb Ccbcn. V . 3

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6 9

m p a

11

)

1

e u n b i & r e S S e ä i e t j u n g j u ß t c b c

eben bas SBefonbere ber ©pmpathie, baft fxc ben SR e n f ch e n meint, nicht SRann, nicht Sßeib, ja aud) bie weitergehenbe Seilung nad) SSeruf, ‘Sllter, 6 tanb, Ontclligenj ufw. oollftänbig übergebt. $cr SER e n f d) ift mir fpm=

pathifd). S r !ann ein 33ettler fein ober eine ©ame im 2luto, ober eine alte SERutter. 2)ie ©pmpathie wenbet fid) allein an bas, was alle gemein- fam befiften, an ihr 9Renfd)entum. ®as ift es, was fic oon Siebe unb greunbfehaft grunbfät^lid) unterfcheibet. ®iefer Unterfcfjieb wirb nod) be=

fonbers baburd) bcutlirf), bafe «Spmpathie niemals £iferfud)t f>cr»orruft, wie fic bei einem breifantigen ‘33erf)ältnis ber Siebe unb auef) ber §rcunb=

fd)aft unoermeiblich ift.

§err 36. ftellt mir feine 33raut oor unb id) fage ihm, bafj fic mir fpm=

pathifd) fei. ©ans anbers märe feine Sinftellung, wenn id) ihm gejagt hätte: id) liebe fie.

S e i ber greunbfdjaft ift bie (Sache infofern anbers, als bas 23inbc=

mittel ein anberes ift unb nebenbei fef>r »erfchiebenartig fein !ann. SERan fönnte ba unterfd>eiben gwifchen (Seelenfreunbfctjaft unb greunbfehaft auf

©runb gleichgerichteter Ontereffen. ®och ift wieberum eine reine 6 eelen=

freunbfdjaft ohne gleid?gerid)tete Ontereffen eine Slbfurbität. 2 lber wie fie aud) fei, b. h- welches 33inbemittel aud) bas überwtegenbe fein mag, wirb bod) eine greunbfehaft 3 U jweien ftets inniger unb bauerhafter fein, als eine foldje 3 U breien ober 3 U mehreren. Sympathie, oon welcher (Seite fic aud) bas greunbfd)aftsoerl)ältms berühre, wirb niemals 3 U (Störungen Slnlafe geben.

(Spmpattue fragt nid)t naef) bem ©efd)led)t unb nicht nach Sllter ober Stanb ober Ontereffe.

Unb nun bas Zweite: (Spmpathie ift ba ober fie ift nicht ba. Sie ftellt fid) fofort ein, fie braucht feine 3 cit 3 u ihrer (Entwidlung, wie Siebe meiftens unb greunbfehaft immer. 5ßo fid) ©pmpathie allmählich bilbet, gefd)iel)t es nur fcheinbar; benn es !ann 3ctt Pergehen, bis ein gewiffer (Einbrud oon jenem anbern SERenfdjen gewonnen ift, ber nötig ift, um bie 6 i)mpatl)ie überhaupt anfprechen 3 U laffen. Oener Stnbrud braucht nid)t einmal ein ©efamteinbrud 3 U fein, bic 6 pmpathie wartet bie allmähliche Slufhellung bes anberen SERenfd)en nicht ab. 6 onbern fobalb ber Sinbrud einen gewiffen ‘’ßunft erreicht, weife ich — unb 3 War augenblidlid): ber SERenfch ift mir fpmpathifd). S s gibt aud) Siebe auf ben erften 33lid; bas Toll unbeftritten fein. 2lber fie ift feiten unb noch feltener wirflid) unb echt unb oon ®auer. Sympathie reagiert n u r auf ben erften 33lid unb — ich wage es ?u behaupten — fie ift immer oon ®auer.

60 fieht man ficf> manchmal genötigt, einen 3Renfd)en feiner fmnb=

lungsweife wegen 3 U »crurtcilen, ben 53erfehr mit ihm ab 3 ubred)cn, wäf)=

renb bie ©pmpathie als folche, wenn fie überhaupt bagewefen, baburd

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S p m p a t f r i e u n b i t) r e 5 3 e a i e i ) u n g j u S i e b e 33

feinerlei 33eränberung erfährt. ®ie tragifdjc 3bee oieler Sramen beruht auf biefer STatfacfec.

3)a roälät fid) nun bie gro&e grage heran, was es ift am anbcrcn SERenfchen, bas bie ©pmpathie bei mir auslöft. 3d) laffe bie mir fpmpa=

tljifchcn SRenfcben im (Seifte 9teoue paffieren unb ftelle fel>r balb feft, baft es bie oerfchiebenften (Eigenfdjaften finb, feelifche, geiftige unb förperliche im bunteften 5)urd)ctnanber, bie jeweils meine ©pmpathie erregt haben.

Damit fcheint fid) bie Unterfuchung ins ilferlofe 3 u »erlieren.

3d) ftetle aber gleichfalls feft, bafo Diele SSRcnfchcn eben nur m e i n e

©pmpathie erregt haben, nicht bie meines greunbes, ober bie meiner grau. 3a, 'Perfonen, bie mir im hohen ©rabe fpmpatt)ifd> finb, fönnen meinem greunbe ober meiner grau gerabe 3 u unfpmpatijifd) fein. S ie fe STatfarfje, fo nertnirrenb fie aud) anmuten mag, ift cs jeboef), bie geeignet ift, einiges Sicht über biefe Deroicfelte 2Ingetegenf>cit 3 u verbreiten.

®as Ergebnis ift fur 3 folgenbes:

©pmpathie ift eine burchaus relatioe ©efühlsftrömung. ('Darin ftimmt fie übrigens mit Siebe Dollfommen, mit greunbfd)aft teiltpeife überein.)

©ie richtet fid) nad) meiner “^erfönlichfeit, b. h- nad) bem Wefen ( 3 Tem=

perament), bem (Eharafter, bem 3 ntelligen 33 uftanb uftn. bes Beobachters,

©pmpathie ift eine Wechfelbesiehung, ift ein ©trom Don SRenfd) 3 U StRenfd). 3m Zeitalter bes 9tabio fönnen tuir bie eleftrifchen Wellen fef)r bübfd) sum Vergleiche herangiehen: ©inb ©enber unb (Empfänger auf bie gleiche Wellenlänge eingeftellt, fo ift eine Slorrefponbeng möglid). ©inb fie es nicht, fo rührt fid) nichts in meinem (Empfangsapparat.

Übertragen ficht btefes 93eifpiel fo aus: 3eber SÖtenfch erfcheint toie mit

©enber unb (Empfänger für fpmpathifche ©tröme ausgerüftet. 3 ft mein (Empfangsapparat auf bie gleiche Wellenlänge abgeftimmt, b. h- ben fpmpathifd)en ©trömen meines ©egenübers homogen, fo fage ich: ber Sftenfch ift mir fpmpathifch; ich fühle mich ihm Derroanbt; toir ftimmen 3 ufammen; er bringt in mir eine ©aite 3 um (Erfltngen.

gühlt fich mein ©egenüber nun auch mir oertnanbt in biefem galle, wie ich mich ihm? durchaus nicht immer! ®as fommt gan 3 barauf an, ob fein (Empfangsapparat auch auf bie gleiche Wellenlänge meines ©en=

bers eingeftellt ift; benn jeber SQtenfd) ift foroohl ©enber als auch (Emp=

fänger, unb bas ift burchaus 3 tt>eterlei. (Es gibt ‘Seifpiele genug, bafe m ir ein SDIenfd) fpmpathifch ift, toährenb ich i h m gleichgültig ober gar un=

fpmpathifd) bin.

3n biefem ©inne läßt fid) ber Vergleich mit bem 9iabioapparat noch bebeutenb toeiterführen:

©timmt bie Wellenlänge meines (Empfangsapparates mit ber bes ©en=

bers nicht genau, fonbern nur annähernb überein, fo erfolgt ftatt ber

3*

(4)

34 © p m p a t f ) i c u n b i f j r e S S e j i e f j u n g au S i e b e

Horrefponbeng ein unangenehmes ©eräufef), ber 21 n t i p a t h i e t>er=

gleichbar. ®enn Slnfipatfne ftellt fich nur bann ein, wenn mich gewiffe 33 e 5 iet)ungen mit meinem ©egenüber oerbinben. ©inb gar feine 33e»

Übungen ba, fo ift mir ein SWenfd) nicht unfpmpafhifd), fonbern g I e i d) = g ü 11 i g. 2 ). h- finb bie 3öellenlängen r>on ©enber unb (Empfänger burcf)=

aus anbere, fo erfolgt überhaupt fein ßmpfang, aud) feine ©torung.

©pmpatJ)ie unb 2 Intipait)ie finb alfo nicht, wie man gemeinhin annimmt,

©egenfeile; fie liegen oielmehr (toenn td) fo fagen barf) räumlich neben=

etnanber. Leibes finb Erregungen meines inneren SOZenfchen, ©pmpathie bie angenehme, Antipathie bie unangenehme. ®as ©egenteil oon beiben, alfo ber Sluhejuftanb meines inneren 9Jlenfd)en ift bie © I e i cf) g ü [ = t i g f e i f. ©ie fcheint bei weitem ber häufigere 3 uffanb ber 9Bed)fel=

bejiebungen 3 toifd>en SEftenfcb unb SDlenfch ju fein.

3um ©d)Iuf 3 noch ein 3öort jum 23ergleid) oon ©pmpathie unb Siebe.

2 )en grunbfäfclichen ilnterfchieb beiber ©efühlsftrömungen habe ich weiter oben erörtert. ®aran 3 U rütteln liegt fein Slnlajj »or. Sennod) hatte 65 in ber weiteren 33efpred)ung tr»of)I oftmals ben Slnfchein, als märe es ein Seichtes, awtfchen Siebe unb ©pmpathie parallele bie gülle aufgubeden, etwa, als märe bie Siebe eine ©pmpathie höhnen ©rabes. Siefe 21uf=

faffung ift tatfächlich toeif oerbreitet, toeshalb mir eine Hlarftellung 5rin=

genb nötig erfcheint, um fo mehr als baburch befagte 2 Iuffaffung fich als folgenfd)toerer 3rrfum entpuppen wirb.

Och ftelle bie grage fo: Oft es möglich, baft man lieben fann ohne ©pm=

pathie für ben geliebten StRenfchen? 6 s hanbelt fich um SSJtann unb 2Beib;

benn bie 2 Ibftraftion „9ftenfch" fällt hier fort. Hann alfo beifpietsweife ein SDIann ein 3Räbd)en lieben, wäf>renb fie ihm unfpmpathifch ift? ®as fcheint auf ben erften 331id unbenfbar — unb boch id) es fo. S5iele Gben gehen an biefer Jatfache jugrunbe, gerabe bie Siebesehen, ©teilen mir uns swei folcher SDtenfchen oor: fie lernen fich fennen (tote man fo fagt) unb lieben. ®ie Siebe überfällt fie tote ein füfeer Sauber, ber mit fo elementarer Hraft ju toirfen beginnt, baß alles anbere: berufliche ^Pflich“

ten, früher gefaßte Urteile unb SERafime, gamilienrüdfichten ufto. flein unb bcbeutungslos erfcheinen. (Sigenfchaften, feien cs feelifche, geiftige ober förperliche, bie uns an jebem anbern 9Jtcnfcf)cn unfpmpathifd) finb ober bocl) niemals geeignet wären, unfere Teilnahme wachjurufen, an bem geliebten SÖtenfcfjen erfcheinen fie oerflärt ober überfonnt ober — feien fie gar au abftofecnb — bemerfen wir fie gar nicht. „Siebe ift blinb", fagt man in biefem ©inne mit 9iecbt. 3a, wäre bie Siebe nicht etwas fo Urnatürliches, fönnte man fie als einen SBahnauftanb be 3 eichnen, ber je=

bes oernunftgemäfee ®enfen ausfchlieftt ober boch ftarf beeinträchtigt unb

nur bas eine 3 tel hat, ben ©cliebten als ben föftlichften ©d?at 3 ber 2 rbc,

unb unbebingt als folchen, heim 3 utragen, au befifcen.

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3 b e a l e u n b i f j r e S 5 e r t t ) i t f l i d ) u n g s a t t c n 35

Sage ich 3 . 25. ju bem Spanne: „ 2 lber ficfjft bu benn nxcf)t, bafe ftc f>änbe hat, bic bu mir immer als bir unfpmpathifcf) begeicfjnct baft?" 9iein, er weift es nicht mehr ober leugnet es ab, wie unter einem 3 ®ange unb mad)t ©cbichtc auf it>re }d)önen f)änbe. Ober id) fage: „SOlcrfft bu benn nicht, baft fie eigentlich recht bumm ift unb ein gefpreiates Sßefen gur (Schau trägt? S u bift bod) fonft {0 fritifd) gewefen." — S r wirb taufenb ßntfchulbigungen für fie finben, unb feine Uritif fchweigt, als Ijätte ihn alle Vernunft »erlaffen.

33ehielte ber Sauber feine 59Iad)t, auch wenn fein 3iel, bie Bereinigung ber beiben Siebenben, erreicht ift, fo wäre wohl alles gut. 2 Iber eines Sages, früher ober fpäter, hört fein 2 ßtrfen auf. S a s ift wie ein allmäh=

liches Aufwachen aus einem 9?aufd). S ie Vernunft tritt wieber in ihre alten 9led)te ein. Unb nun foll es fiel) ausweifen, ob bie beiben Siebenben einanber auch fpmpathifd) waren unb bamit nod) finb. 6 inb fie es, bann ftel)t bem (Sheglüd nichts im 2 Bege. (Sie finb es letber meiftens nicht. Ste SSeobachtung gibt mir 3ted)t. — Orgenbwann eines Sages ftehen fiel) in ber (Ehe nicht mehr 9Kann unb Söeib gegenüber, fonbern ihre Abftraf- tionen: SlRenfch unb SSRenfcf). Unb bas weitere entfeheiben bie fpmpa=

thifchen ©tröme. ©inb fie gleichgeftimmt, fo wirb fich bas bisherige jauberhafte ©lüd »erfdwnen unb oertiefen 3 u einem echten unb wahren unb an feiner Sauer wirb fein 3 tDcxfcI fein. ©inb fie ungleich, fo roirb entweber bie Antipathie bas 3 ufammenleben unerträglich machen, ober bic ©tröme gehen mit oerfd)iebener Söellenlänge weit aneinanber »orbei, unb bie einftmals glüdlichen (Ehegatten gehen ncbcneinanberher in ftumpfer ©leichgültigfeit.

Auf © 9 m p a t b i e , ni c ht a u f 2 1 e b e grünbet fich eine glüdliche

®he. könnte einem biefe 2 Taffache nicht 3 U benfen geben? «Sollte man nicht baraus lernen? O, man follte fchon. Sichter unb Senfer aller Seiten haben es geprebigt; aber tu einer was, wenn bie Siebe fpricht! §at bod) felbft ber weife ©ofrates mit feiner Xantippe einmal eine ßiebesehe be=

grünbet.

35cak unb if)rc ^crrDirfn^ungsarfcn

55on f> u g 0 S R atcus

(Es gibt bie ‘ffiirflichfeit, bic fogenannte Realität, unb cs gibt bas 3beal.

Über beiben erhebt fich bic 53erwirflid)ung, b. h- jene ‘ffiirfiichfeit höheren

©rabes, welche Obeal unb SBirflichfeit oereinigt. 5Bir fönnen hier t>on

(Erfüllung fprechen. Unb auf fie allein fommt es an. 5Benn ein naioer

Realismus, ber fogenannte O p p o r t u n i s m u s , bie 3öirflicbfeit

immer nur, wie fie eben ift, in betracht 3 iel)t, weil er nichts anbercs

fennt, fo hilft bas nichts 3 ur 23erwirflid)ung. S e r Opportunismus liegt

(6)

36 D b c a l c u n b i t) r c 3 3 e r t D i r t l t c f ) u n g s a r t e n

nod) oor bem 33erwirflid)ungsproblem. S r ift erbaltenb, nicbt fortbauenb;

ift i ? o n f e r o a t i o i s m u s . Unb ebenfo wenig es, wenn umge=

fef>rt ein naioer 3bealismus, ber fogenannte R i g o r i s m u s , ben 55e=

febl erteilt: §>alte gum 3beal, and) wenn bu baran untergebft! 5)enn burd>

itnferen Untergang ift eine 33erwirflicbung ebenfo wenig näl)ergebrad)t.

2Iud) ber Rigorismus liegt oor bem 3krwirflicbungsproblem. (Er jielt auf bas SOlartprium ab. S r fcf>afft 33tutaeugen, beren ©efinnung aller»

bings unter Umftänben einer 93erwirflid)ung inbireft bienlid) fein fann.

®ie Skrwirfltcbung als folcbe aber forbert mehr, mehr als ©tillftanb, mehr aud) als Untergang. ®enn 23e«t>irflid)ung bebeutet: ®urd)bringung ber SSBirflicbfeit mit bem 3beal, bes 3beals mit ber 3öirflicbfeit; beibes ift — faft — basfelbe. SBerroirflid?ung ift alfo nichts Sinfacbes, fonbern etwas Sweigliebriges; fie ift 91 e a l - 3 b e a l i s m u s.

Run !ann bas 3beal »ollfommen niemals oerwirflid)t werben, febon besbalb nirfjt, weil bas Üleinfte 35ollfommene ju feinem Rabmen einer oollfommenen 3ßelt bebürfte, obne bte cs in einem letßtcn, böd)ften 6 inne unoollfommen bliebe. 3n ber aHatbematif bei&t bas lefttlicb Unerreid)=

bare afpmptotifd). 3)as 3beal ift afpmptotifd). 5Ber bas nod) nid)t erfannt E>at, wer nod) an eine oollfommene 33erwirflid)ung glaubt, ift 3 11 u = f i o n i ft. S r geht ber Snttäufcbung entgegen.

Sßer es bagegen erlannt l>at, bajj bas 3beal niemals reftlos oerwirf=

liebt 3 U werben oermag, unb fid) in btefes 6 d)id'fal boeb niefjt finben fann, ber wirb notgebrungen jurn e f f i m i ft e n werben. S r müfjte bas Sieben eigentlich fortwerfen, bas jur Xragöbie geworben ift, fofern tra=

gifcb nid)t bas jufällige, fonbern bas unoermeiblicbe Übel ift. 3 tt>ifd)en 3bealismus unb ‘'Peffimismus befielen alfo Sesiehungen. 3e l)öber bas 3beal, befto weniger ift es erreid)bar. ®er ^effimift ift ber 3bealift, ber an ber Realifierung oerjweifelt. Sod) gibt es für ibn einen 2lusweg. S r fann fid) in ben äfthetifchen ©enufj retten. ®enn einen fold)en bereiten uns alle tieferen Srlebniffe — aud) unfere ©cbmerjen. 3Ber feinen

©cbmerj genießt, ift 'P a t h e t i f e r. 2 )er ^Patbetifer ift bie Rettung bes

^efftmiften »or fid) felber. Sine ©pielart bes ^atbetifers ift binwieberum ber & r i 11 f e r , ber bas 3beal (ftatt es anpbeten) als SDlafeftab oer=

wenbet, an beffen ©röfee er Slnteil hat- $)as rettet t^n oor ber 23eraweif=

lung barüber, bafj bie 3BirfIid)feit an biefer ©röfte fo wenig Slnteil bat.

*

Opportunismus unb Rigorismus liegen nod) oor bem 33 erwirflid)ung 5 = problem. $)er 3llufionismus repräfentiert gum erftenmal einen Sppus, ber auf 33crwirflid)ung bebaebt ift; aber ber 3llufionift bat nod) nid)t er=

fannt, bajj colle 35erroirflid)ung unmöglicb ift. ^effimift, ‘’Pathetifer unb

Sritifer haben es erfannt. 2 lber fie fönnen fid) niebt bamit abftnben.

(7)

3 b e a l e u n b i l j r e 3 3 e r r o i r f 1 i d) u n g s a r t e n 37

3Ber fid) hingegen bamit abjufinben oermag, baß bie Söirflidjfeit un=

oollenbet ift, b. J). wer um biefe ©runbtragif bes 2 >afeins weife unb fid) bennod) »eitet gu leben entfd^ließt, ben nennen wir einen 9 ie f ig n ie r = f c n. ®ie 9iefignation wirb oft oerfannt. 6 ie ift nicf)t ein 9lein, fonbern fie ift melmef)r gerabe bas flcxne Da, bas wir aud) nocf) gegenüber einer unoollfommenen, unoollenbbaren 3öelt aufbringen fönnen. S ie 9tefi=

gnation ift bie naturgemäße 33erljaltung gegenüber bem 2lfpmptotifd)en, bem man fid) swar ftufenweife annä^ern fann — eben mit einem {leinen 3a, — bas fid) aber nie ooll erreichen läßt: in einem großen Da. ®ie 3le=

fignation ift bie 9tettung in bie SOlittellage, bie uns winft, wenn mir aus unferen l)öd)ften Dllufionen t)inab in ben Slbgrunb ber Sesillufionierung geftürjt finb. ®ie Stefignation ift jene SOIitte 3 Wtfd)en ben fummeln bes Dllufionismus unb ben 33 er 3 Weiflungen bes ‘’Peffimismus, bie nid)t ba=

burd) erreicht toirb, baß man auf falbem SBege ftef>en bleibt, fonbern biefe SERittc ift eine rüdläufige Bewegung wieberum aufwärts, nad) bem ber gall ben tiefften ^unft erreicht t>at. 21lle weiteren Xppen ber 33er=

tüirflicfjung aber, bie nunmehr 3 U nennen finb, gehören, wenn aud) in immer oerfdjleierterer, befreiterer gorm, ber <Spf)äre ber 5tefi=

gnation an.

S o ift es moglicf), mir finben uns nacf) langen, »ergeblid)cn 33erwirf=

Hcf)ungsoerfud)cn in bas Sd)id'fal, baß Dbeale niemals erreicht werben fönnen. 2 Bir taffen bie SBelt, mit ber mir lange geftritten fjaben, nun geljen, wie fie gel)t. 3Bir gelangen bamit au einem ^weiten Realismus, bem Realismus bes Snttäufdjten, bem D n b i f f e r e n t i s m u s . S r ähnelt bem Opportunismus, was bas f)innel)mcn ber 3Tatfäd)lid)fcit an=

betrifft. 21 ber wäfcrenb ber Opportunift mit biefer f)innef)menben f>altung nur feiner eingeborenen Steigung folgt, ift beim Dnbifferentiften bie gleiche Haltung erft 9icfultat einer 9tieberlage unb eines ^erjicbtes. — 9 Iun fann fid) biefe 3 unäd)ft nur abgerungene gügfamfeit aud) allmäblid) in eine Überjeugung oerwanbeln, baß bas 2 cbcn fd)on fo am beften ift, wie es ift unb non uns aus feiner Umgeftaltung bebarf, weil mit ben Übeln bie Segensfeiten unlösbar oerfnüpft finb. 2öir fyaben ben religiöfen D p = t i m i s m u s , ber lanbläufig Q u i e t i s m u s ober F a t a l i s m u s genannt wirb. 3Bät)renb ber ‘‘Mfimismus meift Dugenbfacfye ift — bie großen 2nttäufd)ungen fteljcn am 2Infang ber 53erwirfIid)ungsoerfud)e

- pflegt bie Steigerung bes Dnbifferentismus 3 um religiöfen Optimis=

mus eine leftte 2llterserrungenfd)aft 3 U fein, wie 3 . 33. bei Spinosas grieben in unb mit ©ott. SSÖenn bas 2eben aber, wie cs ift, mit allem Kampf unb aller STCot gutgel)cißen wirb, fo bebeutet bas 3 ugleicf) eine bcroifdje Haltung. S e r Dnbifferentismus gipfelt im H e r o i s m u s ( 3 .33.

bei 9 tiefcfd)e; bie gormel „Denfeits oon ©ut unb 33öfe" enthält beutlid)

ein inbifferentiftifd)es Element. 33on Ijier aus fteigert fid) 9tiet;fd)e im

(8)

38 3 b e a l e u n b i b i e 5 $ ü r t t > i r f l i d ) u n g s a r t e n

„.garafhuffra" jum E^evotfrfjcn Optimismus, 3 um

A m o r fa ti,

b. i. bem tiebenben 3a=fagen gum ©chtdfal).

Sßie mit ber Realität fönnen wir ober auch mit bem 3beal »orlieb nehmen, tüte es ift, b. h- als einer bloßen ©ebanfentatfache ohne 23er=

wirflicfjung. 5öir gelcngen fo auch 31 t einem 3 toeiten 3bealismus, gleich=

falls auf refignatioer ©runblage. Unb ba wir bas 3beal noch genießen fönnen, felbft toenn wir auf feine 93erwirflicbung oerjidjten, fo münben roir auch hier in eine optimiftifd)e ©piße, nämlich in einen ‘Säfthetigismus ber 3bee, in einen bewußt wirflicbfettsfremben, wirflichfeitsoergeffenen

©enuß an ber 3bee; man nennt biefen 3uftanb lanbläufig © d) w ä r = m e r e t. (Es leuchtet aber ein, baß refignatioer Realismus, b. i. 3nbiffe=

rentismus (gegenüber ber 3öirfUcbfett), unb refignatioer Sbealismus, b. i. ©d)wärmerei (gegenüber bem 3beal\ in bemfelben SKenfcben fehr toohl reibungslos nebenetnanber einhergehen fönnen.

*

2Bährenb Opportunismus unb Rigorismus bas 23erwirflichungspro=

blem nod) nicht angretfen unb es oon ihnen unberührt bleibt, weil fie es noch nicht gefichfet haben, laffen Onbifferentismus unb Schwärmerei cs ebenfo ungelöft hinter fich liegen, nadjbem fie fich Don feiner Ictjfgültigcn Unlösbarfeit überaeugt haben. ®er Ollufionift muß eines 2ages an ber Unmöglichfeit, cs ooll ju löfen, frfjettern, ber ^effimift ift bereits baran 3 erbrod)en; er Bezweifelt.

Aber es gibt noch einen britten 2 öeg, ber offen bleibt, auch wenn wir bie Unrealifierbarfeit abfoluter 3beale erfannt haben. Unb er ift ber folgcnwichtigftc. ‘Jöir entfcbließen uns nämlich, bie 23crwirflid)ung ber 3beale gleichwohl in Angriff 31 t nehmen; freilich unter (refignatioer) güg=

famfeit in bie ©ren 3 en, bie einem folchen Unterfangen oon oornherein gefe( 5 t finb. ®as heißt wir werben (E t» 0 l u t i 0 n i ft e n. Unfer Sun wirb fid> kann in brei (Stufen erheben.

$)ie erfte: 3Ran wählt an allen (Ereigniffen, bie bas 2eben an uns heranträgt, bie guten unb erfreulichen (Seiten aus unb fchärft bei fich &en 23lid für fie; man genießt fie bewußt unb geht über bie unerfreulichen

©eiten bes ®afetns ebenfo bewußt unb ftillfchweigenb hinweg. Afttoe Sätigfeit ift an btefem Verhalten einmal bie Auswahl unb bie bewußte Eingabe an bas (Erfreuliche, fobann bas bewußte Abfehen oon ben 2rü=

bungen unb ben Übeln. Auf biefem Söege gelangen wir 3 U einem, btes»

mal am Wirtlichen felbft »erbafteten, alfo realxftifd>en ^fthetisismus, bem

$ftheti 3 ismus bes © e n f i t i 0 e n. S a s bewußte ©enießen ber pofitioen

‘Jöirflichfcitswerte ift (E p i f u r ä t s m u s , bas ftillfd)wcigenbe §)inweg=

gehen über bie negatioen ift © 1 0 i 3 i s m u s. — 9tealiftifd)er $ftheft 3 is=

mus, alfo ©enfitioität, ift auch bas ©lüd bes 3mpreffioniften an SRannets

(9)

ö & e a l e u n b i f ) t c 55 e r » i r f I i cf) u n g s a r t e n 39

Spargelbeet, ift 23elasque3’ ßntbedung ber in ber S a t oorbanbenen heimlichen ©d)önheiten auch am faß lich e n noch.

2 öir gehen in ber 2 lftioität einen ©cbritt weiter; wir laffen uns nicht mehr auswätjlenb am gegebenen 2 Birflid)en genügen, fonbern wir sichen unfererfeits aus, bie Stätten, SSJienfchen unb 33erhättniffe aufsufuchen, bie unferem 3beal entfprechen ober bod) näher führen. ®abei wirb ftillfchwei=

genb »orausgefeftt, baß es bergleichen ibealgemäße ©pbären gibt; nur finben fie fid) bort nicht, wo bas ©diidfal uns hingepflanjt hat. den­

jenigen, ber unenttoegt nad) kem ©egenbüb feiner 3beale in ber 2lußen=

roelt fucht, ber ruhelos wanbert unb reift, um es 3 u finben, ihn nennen wir 5 l o m a n t i ! e r . ©eine ©efahr ift: ewig oergebtid) ju fuchen ober in 2 Ibenteuern augrunbe 3 U gehen. 2)er burch Hemmungen im tätigen

©uchen gelähmte Sfamantifer ift ber © e h n f ü d) t i g e. 33leibt bas bes romantifchen ©udjens unbeftimmt unb wechfelnb, fo haben wir ben a h a s o e r i f c h e n , bleibt es unbegrenst, toeift es ins Unenbliche, fo haben wir ben f a u ft i f d) e n SRenfcben.

®em 9lomantifer reiht fich als britter Sppus bes 33erwirflicbungs=

willens ber 21 f t i o t ft ober (£ t h i f e r an. 3)er 2 I!ticift »artet nicht ab, was bas geben an ihn heranbringt, er sieht auch nicht aus, bas 3beal in bet gerne 3 U fud)en, fonbern er wünfd>t, es im ©egebenen felbft 3 U ge- ftalten. ®ies fann fein, weil ein urfprünglicher ©chaffensbrang ihn er- füllt, ober weil er vergeblich auf bas 2 eben gewartet, oergebtid) auch <je=

fucht hat unb 3 U ber (rrfenntnis fam, baß fich &as Obeal nicht oom ßeben einfach erwarten unb baß es fid) aud) nicht fuchen läßt, weil es noch nirgenbs oorhanben ift unb erft gefchaffen »erben muß. ®er 2Iftioift er- wäcbft hier aus bem ©cheitern bes ©enfitioen unb bes 9?omantifers, ber ftärfere aus bem gefcheitertcn fcbwäcberen Sppus (man muß größere 2 ln=

ftrengungen machen!). §)at ber 2 lftioift, um fchaffen 3 U fönnen, 3 uoor mit 23eftebenbem auf 3 uräumen, fo wirb er jum 5 t e o o t u t i o n ä r . ® er ge­

hemmte Steoolutionär ift ber 5t e b e 11 . — ©enfitioismus, 9tomantif unb 2lftioismus: bamit haben wir bie brei ©tufen auf bem 2öege 3 ur 23er=

wirflicbung namhaft gemad)t. Sem ©enfitioismus entfpricht als wirt- fchaftliche ßebensform ber Slonfum. ®er Honfument wählt, was ihm greube macht, unb weift ab, was ihm unerwünfeht ift. ®er 9tomantif ent- fpricht wirtfchaftlid) bie Simulation. 2 >er 9iomantifer ift es, ber 3 U ben 'Singen wanbert unb fie aud) wicber in fein:n 2 lusfahrtso t heimführt.

'Sem ^rinjip bes 2 lftioiften enblid) entfpricht öfonomifd) bie 2 Birtfcbafts- form ber ‘■probuftion.

2luswählen, ©uchen, ©eftalten: immer lauter unb beuflicber erhebt fid)

in biefen brei ©tufungen bas sielwärts gerichtete ^rinstp, ber Soolutio-

nismus. SRun fann es aber fein, baß in allen brei gälten bie STätigfeit

felbft etwas ^eglüdenbes ober bod) Unrube-Stillenbes gewinnt, unb baß

(10)

40 3 b e a ( e u n b i b r e ^ e r tt> t r f [ i cb u n g s a r t c n

fie eines $ages gang gielocrgeffcn unb nur um ihrer fclber willen geübt wirb, bas Wählen alfo um bes (Entfchluffes willen, bas 6 uchen um bes Abenteuers willen, bas 6 chaffen um bes 9iingens willen, — unb felbft bas 3erftören noch um bes 33ernid)tens willen: Sabismus. W ir begegnen bamit einer weiteren 2 lrt t>on sifthettjismus in unferer $ppologie: bem f p o r 1 1 i d) e n ober f p o n t a n e n. ®er fpontane SOZenfch finbet 9luhe nur in ber Bewegung. Worum es bei biefer Bewegung geht, ift ihm gleich, (Es fommt nid)t auf bas 3^1 au, fonbern nur auf bie Bewegung felbft. Wenn man will, ift Bewegung als folche bas %kl, bas Öbeal.

*

Wenn auch bas abfolute 3beal in feinem lebten (Sinne unerreichbar bleibt, fo befteht bod) bie ^öorausfeftung weiter, ohne bie alle SIftioität hinfällig wäre, bie 33orausfet}ung nämlich, baß es trofe allebem möglich fei, wenigftens bebingt unb im ©naelfalle ein eingefchränftes Obeal ju oerwirflichen. (Es ift ba^u allerbings notwenbig, bafe man feine Sölittel unb gähigfeiten fo hoch hiuauffteigere, bis fie bem erftrebten 3beal fon=

genial werben, ©clingf es einem SERenfchen, 311 einem bermafeen fieberen können ju gelangen, bajj biefes können feinem Wollen jeberjeit pro­

portional entfprid)t, fo nennen wir ihn Söleifter, unb bei höchfter Seiftung:

k l a f f i ! e r. ®ie f)i)poftaficrung bes Maffifers wäre ber allmächtige

©ott; feine äfthetifche 23erförperung ift ber f)umanift, ber bie (Entfaltung feiner Kräfte nur um ihrer fclber willen betreibt, ©eine 33orform: ber 6 d)üler. Seine 23erftümmelung: ber ^Dilettant.

W o bas 3beal aber oon ootnhcrein fo hoch 3 U unferen Raupten hängt, bafe cs mit ben oerfügbaren Kräften feinesfalls 3 U oerwirflichen ift, ba fönnen wir auf (Erfüllung nur rechnen, wenn wir bas 3beal felbft fenfen.

®iefen Schritt ooll 3 ieht ber 5? 0 m p r 0 m i fe l e r. S r ift bie 9iefigna=

tionsform bes Sllaffifers. ® e r J?laffifer fann, was er will, ber Slompro=

mifeler will nur noch, was er fann. ®er SÜafftfer hat bie ‘Begabung; ber Hompromifeler bie Weisheit, welche bie eigene ©rense erfennt: 3 um (Er=

fats für mangelnbe ‘Begabung. ®enn Weisheit ift immer in trgenb einem Sinne bewußt erfannte Unfähigfeit bsw. ©ren 3 e unb bemgemäfe 3Rinbe- rung bes Anfpruchs. Weisheit hat immer irgenbwie mit 33 er 3 id)t unb 3tefignation 3 U tun.

(Senfen aber läfet fich hie fwchftforberung bes Obeals nach 3 wei 9ticf)- tungen hin, je nachbem man barauf aus ift, bas 3beal 3 U oerwirflichen (Äünftler) ober bie Wirflichfeit 3 U tbealificren (3iealpolitifer). (Entweber man fchafft bem oollfommenen 3beal eine, ob auch geminberte Verwirf»

lichung. Sine folche, abgeminberte 33erwirflid>ung ift bas S?unftwerf unb

auf gebanflichem ©ebiete bie Sfhcorie. ®er Ä ü n ft l e r , ber fich am

ooilenbeten (Schein bes ^unftwerfs, ber 2 h e 0 r e t i f e r , ber fich am

(11)

5>te S n f t i n t t e b e s 3 K e n f c f ) e n 41

burchfonftruierten ©ebanfenbau bes ©pftems genügen läßt, ohne bas 2 eben unmittelbar ju änbern, fie cerförpern beibe biejenige Sinie bes Sompromiffes, bie auf abgeminberte 93ertt>irflid)ung geht. ®ie anbere ift im R e a l p o l i t i f e r gefeßt. 33 er 3 td)fct ber Zünftler unb ber 2 heore=

tifer auf ben ©tpfel an Realifierung für fein 3beal, nicht aber auf bie 33ollfommenheit beffen, was er realifiert, fo oer 3 id)tet ber Realpolitifer nid>t auf ben höchften ©rab ber Realifierung, b. h- s"Praffifcf)=3Berbung für fein 3öerf, toohl aber fenft er feinen Slnfprud) an bie 33ollfommenheit, b. t. 3bealgemäßheit biefes 2öerfes. 3hm ift es unter allen Umftänben um 3Birflid)feit, wenn aud) nicht um höchftoollfommene ju tun. ßeiftungen non entfd)eibenber 23ebeutung, fomeit SRenfdjen überhaupt etwas Der- mögen, fommen aber nur guftanbe, menn Klaffifer unb Kompromißler, insbefonbere Realpoltfifer, im felben 3nbioibuum fid) bie SBage halten, alfo ber Rtann, ber fann, was er toill, unb ber anbere, ber nur will, roas er fann.

3Bir haben »erfucht, in einer auffteigenben Reihe emporsuflimmen unb auf btefer Sahn ben Ort ju beftimmen für ben Dpportuniften unb ben Rigoriften, ben 311ufioniften unb ben ^peffimiften, ben ^athettfer unb ben Krittler, ben Refignatioen unb ben 3nbifferentiften, ben Optimiften unb ben Quietiften, ben f>eroen unb ben ©d>tüärmer, ben ©enfitioen unb ben Romantifer, ben Slftimften unb ben Resolution«, ben ©portier unb ben

©abiften. Unb mir haben weiter unterfchieben ben Maffifer, ben Zünftler unb ben Realpolitifer. 3Bir alle aber finb im 2eben nicht einer con ihnen, fonbern balb biefer, balb jener, unb letztlich fie alle in einem!

Die Onffxnffc iD'tenJdjm

35on S o fja n n c s 3 tcu m a n n

Überall, too ber menfchlichen Srfenntnis ein noch tieferer (Einblid »er- mehrt ift, als fie ihn bereits befißt, behelfen mir uns mit einer gormel, bie bie Satbeftänbe anbeutet, umreißt, auf fie hinmeift. ©er 3 rrtum be­

ginnt aber bort, mo man fich nicht mehr barüber flar ift, baß biefe gormel nur eine Unbefannte in ben ©leichungen ber 3öiffenfchaft ift, mit ber man c i n f t r o e i l e n mangels befferer unb jureichenberer ßrfenntnis ju ar=

beiten genötigt ift, a I s o b ber Satbeftanb uns bereits befannt märe. S e r

gortfd)ritt ber SBiffenfchaft befteht barin, bie 3al)l ber Unbefannten ?u

verringern buref) 2luflöjung ber ©leichungen, 23efanntes an bie ©teile

bes Unbefannten, Sinficht in bie STatbeftänbc an bie ©teile umreißenber

gormeln, anbeutenber Segriffsmpfterien ju fetjen.

(12)

42 ® t e 3 n ft i n 11 e b e s S D t e n i d j e n

60 gehört bas SBefen bes Onftinftes p ben nod) nicht t>oll geflärten Jatbeftänben ber Statur unb ber Seele.

„2luf ber einen Seite wirb bao Sfojeftid („inftinftio") gewöhnlich für jebe menfehliche f>anblung gebraucht, bie ohne freie Überlegung erfolgt, auf ber anberen (Seite werben bie fmnblungen ber Siere gewöhnlich bem Onftinft pgefchrieben unb bei biefer Berbinbung wirb ber Onftinft all=

gemein ab eine mpfteriöfe gähigfeit aufgefafet, bie ihrer Statur nach gänglich »erfdneben t>on jeher menfchfichen gähigfeit ift, bie bie Borfebung bem 2 iere gegeben hat, weil bie höhere gähigfeit ber Überlegung cerfagt würbe." 9Jtit biefer geftftellung bürfte ber amerifanifche Sosialpfpchologe iDiac ® 0 u g a 11 oöllig bem Sprachgebrauch geredet werben.

3n ber amerifanifchen ‘’Pfpchologie gehört benn auch bie (Erörterung bes Onftinftcs 3 U ben wiffenfchaftlichen Sagesfragen; in ber beutfehen Wiffcnfchaft wirb bas 3ßefen bes Onftinftes nur gelegentlich erörtert, be=

fonbers in ben ©runblegungen ber S o 3 iologie, wo bie 3nftinft=2f)eorie t>on 3Rac S o u g a ll bireft ober in Umbildungen übernommen wirb. 3n ber beutfehen ^fpchologie, t>or allem

extra m uros,

gilt bas Öntcreffe bem Wefen bes Xriebes, ber in nahem ^ufammenbang mit ben Onftinften fteht-

SERangelt ber weftlichen SBtffenfchaff aud) bie ftraffe Schulung, flare Begriffsbilbung unb 2 lbgren 3 ung, bie ber beutfehen Wiffenfchaft eignet, fo hat fie boef) ben 53 or 3 ug, bem Sehen näher 31 t ftehen; ber ftärferen Betonung bes praftifchen Sehens entfpricht eine gröfeere naturwiffen=

fchaftliche ©runblegung ber wiffenfchaftlichen ©efamtanfehauung.

60 fud)t man benn aud) bas Sßefen bes Onftinftes, ber in gewiffen (Eigenfchaften Sier unb StRenfd) gemeinfam ift, im 3ufammenhang bes gan 3 en Sehens gu begreifen, wie auch Bergfon bas Snftinftproblem Don bem einheitlichen Sebensftrom her 3 U erfaffen fucht, ober in 3)eutfd)lanb in Berbinbung unb unter SKobifisierung beiber g. O p p e n h e i m e r . Wtffenfdjaftsmethobifd) gefehen, aber aus anberer fo 3 iologifd)er Situation heraus ift bie ‘Pfpchoanalpfe ähnlich eingeftellt.

Sticht überall, aber fehr häufig, wirb hier ber berechtigte Hinweis 3ß u n b ts überfehen, bafe wir nid)t oom 3Tierc her bas Unbefannte beim SJlenfchen erflären fönnen, fonbern höchftens ben umgefehrten 5ßeg wählen bürfen: t>om ©rab ber Beftimmtheit bes menfchlichen Seelen=

lebens auf bas noch unbefannte tierifd)e Seelenleben 3 U fdjliefecn.

3Rae 5) 0 u g a 11 felbft — nicht feine Nachfolger — ccrmcibet biefen

gehler möglidjft. B e i aller Würbigung ber (Einheit bes SOtenfchen mit

ber Sierreihe fief)t er bod) 33ariationsmöglid)feiten ber Staturbafis beim

SRenfchen; aber mag auch ber fognitioe wie ber motorifche Apparat

oariabel fein, ber „affeftiee" ^ern ift boch nahesu unceränberlid). ®iefer

(13)

® i e 3 n ft i n f t e b e s 2>t e n f d) e rt 43

affeffxDc Hern ift benn aucb bem Onftinft bes Sieres unb bem ©eelen=

[eben bes SDlenfdjen auf ber 9taturbafis gemeinfam; fo ift jebem einaelnen Onftinft eine fpeaififcbe ©emütsbewegung augeorbnet.

SERit bem 3nftinft ber glucbt ift bie ©emütsbewegung ber gurcbt oer=

bunben; mit bem Onftinft ber Slbftoßung bas ©efübl bes Söiberwillens, mit bem Onftinft ber Neugier bas ©efübl ber 23erwunberung; mit bem Onftinft ber Hampfluft bie ©emütsbewegung bes Zornes; mit bem 3n=

ftinft ber ©elbfterniebrigung baw. ©elbftbetonung bie ©efüble ber Unter=

werfung baw. ber (Erhebung; ber (Slterninftinft mit bem ©efübl ber 3 ärt=

liebfeit; ©epalinftinft, fjerbeninftinff, ©ammeltnftinft, 23ilbnerinftinft fcbließen bie 9kibe ber Önftinfte unb ©efüble, bie gelegentlich aucb in anberer Formulierung unb Hlaffifi^ierung aufgefübrt werben.

■Sei aller Sßürbigung ber (Erfenntnis ber Satfacbe, baß pbpfifebes unb pfpebifebes Seben eng aufammengebören unb in ibrem 3 ufammenflang allein ooll erfaßt werben fönnen, ift boeb ernftticb au ftagen: ift mit biefer willfürltcben 3 abl oon „Onftinften" wirflid) etwas gewonnen? ©inb niebt nur eine 9teibe prägnanter pfpcbopbpfifcbcr Äußerungen betrieben unb Icbtglicb mit ber (Etifette „Onftinft" als irrebuaierbar ocrfeben worben?

21 ucb nid>t ber 9tüdgang auf bie primitiven Äußerungen einaelliger 2 ebe=

wefen — in entwicflungsgefchicbtlidjem 33erftänbnis oon ^>ter auffteigenb über bie Sierreibe aum ÜRenfcben — löft aureid)enb bas Problem bes 3n=

fünftes. 33efinben wir uns boeb \)kx ewig auf fonftruierenbem ‘Soben mit bopotbetifd^en 9xefultaten. Unb orbnen wir fämtlicbe höheren geiftigen Sätigfeiten bes 9Renfd)en bem „Onftinfte" au, wirb fo etwa ber „Onftinft bes fleinften SÜRittels", ber „allgemeine Onfttnft", ber „fittlicbe 3mpe=

ratio", bie „golbene Siegel" gefunben, — ift bamit auch nur bas ©eringfte gewonnen, bas über unfere bisherige Kenntnis binausfübrte? ©inb wir uns flar barüber, baß „Onftinft" nichts weiter ift als eine wiffenfd?aftltd>e Unbefannte, fo wirb bie Unmöglicbfeit biefer „2öfung" beutlirf), Jcßcn mir einmal in bie gormeln ein X ein: x ber glucbt, x ber ©elbfterniebrigung, x bes fleinften SERittels, x fittlid)er Onipcrati».

3n ben ^Begriff bes Onftinftes finb biologifcbe Unbefannte mit pfpd)o=

logifd) ‘Sefannten eng oerbunben unb nur bie febarfe ©cbeibung bes 53io=

logifeben unb bes ^fpcbologifcben fann Klarheit fdjaffen. 9tid)tig ift er=

fannt, baß ein Onftinft ein leßtes biologifd)es 2 Igens ift, bas bie ‘’Pfpcbo»

analpfe in 33ereinfeitigung Sibibo nennt, obne baß aber bas ©cbillernbe bes ‘23egriffes aufgegeben würbe. 3)as eigentliche ©eheimnis bes Sehens, bas eine Slftioität in fich birgt, bie au feinem 2 ßefen gehört, ohne fich in bem formalen Slgens au crfd)öpfen, ift uns »erborgen.

2 llle gormeln befagen in fid) nichts weiter als biefe $atfacbe bes

„ ‘ffiillens aum 2 eben".

(14)

44 S i c S n f t i n t t c b e s

2

Jt e n j d) e n

3n ber 33 e 3 eid)nung bes „'SMIens 3 um geben" (Sllbert ©djweifeer) ift aber bereits ein anberes SJZoment gegeben, bas weiterfübrt, felbft wenn mir non ber bei biefem Terminus anflingenben metaphpfifchen Thefe Schopenhauers abfeben. Sriefdjs Sjperimente am ©eeigel=<£i belegen einbeutig bie f i n a [ e gunftion bes 2 ebens; unb nur »on biefer ginalität ber finb alle pfpcbifd)en unb pbpfifeben Äußerungen 3 U »erfteben. 35on bem finalen 53crftänbnis ber [oft fid) aud) bas 9tätfel ber 3nftinfte bes SERenfcben.

g. Oppenheimer bat im 2lnfd)luß an SSergfon bitrd)aus red)t, baß unter bem ©efid)tspunft bes biologifcben Sebensftromes tote bes get- ftigen Sebensftromes ber Kultur es fein Onbioibuum im eigentlichen

©inne gibt.

2Iber bie Tatfacbe ber ginalität aeigt ben jutreffenben, aus bem geben felbft gewonnenen ©efiebtspunft, unter bem bie Tatfacbe, baß wir uns nun einmal als Dnbioibuen füllen, baß wir auch bem Tier einen eigenen einmaligen Organismus äuerfennen, ihre theoretifche Rechtfertigung finbet. 2s ift bas bie 3Tatfacf>c ber ©elbfterbaltung (‘jßilliam ©tern); bei allem 3Bed>fel ber phpfifeben ©ubftanjen im ©toffwecbfel, bei aller < 23cr=

änberung ber feelifchen 3nhalte ift bod) ber Organismus in feiner gunf=

tion — bie ,/^erfon" in ber Terminologie 2 B. ©terns — ber fid) gleicbbletbcnbe, ber fid) burd) ben ‘ffied)fel felbft erhält unb fid) felbft entfaltet. Sille pbpfifchen wie pfpd)ifd)en Äußerungen bienen lebiglid) ber Durchführung biefer finalen gunttion, aud) bas Unbewußte wie bas 33e=

wußtfein erhalten hier ihre sureicbcnbe 33egrünbung. 3Bir werben alfo bie „Onftinffe" als bas, was bem SSewußtfein als „Trieb" erfcheint, alle

©ebanfen, fog. „©efühle", ©timmungen, fmnblungen, als 2 lusbruds>

formen ber finalen ©elbfterbaltung bes Organismus oerftehen fönnen.

®ie 2 lnfäße 3 ur finalen (frfaffung bes ©eelenlebens fommen in ber

“^fpchoanalpfe nicht 3 ur Sluswirfung, fonbern erftiden in bem medjanifd) Haufalen, wie es in bem Silbe bes ©tromes 3 um Slusbrud fommf; oon hier aus muß 3 . 53. 0 . f)attingbcrg 3 ugcftehen, baß es oon ber ^fpcho- analpfe aus unmöglich ift/ «eine in fid) gefd)Ioffene, wiberfprucbslofc Theorie 3 U entwtdeln, welche ber wid)tigften Tatfache bes Trieblebens, feiner 35ielfältig!eit, gerecht werben fönnte."

gaffen wir aber auch alle gunftionen bes 2 >Ienfd)en — feine pfpd)ifcf)en wie phpfifchen — final, wie es 3B. ©tern unb unter iiberwinbung ber

^fpchoanalpfe Sllfreb 2 Ibler tun, löft fid) uns bas ©eheimnis ber 3n=

fünfte bes SDIcnfcben. ©tnb fchon alle Äußerungen bes Tieres nicht an=

bers benn p e r f o n a l i f t i f d ) 3U begreifen, bie tierifchen Onftinfte alfo als bewährte unb oererbbar geworbene 2 R i 11 e l 3 um 3 t c l ber ©elbft=

erhaltung bes Organismus, fo fönnte man fein feelifches wie förper=

Itches Verhalten bes SERenfcben „perfteben", wenn wir fie nid)t in

ihrer 3 ielftrebigfeit erfaffen.

(15)

® t e O n f t i n t t c b e s 5 K e n | c f ) e n 45

(£rfrf>öpft fiel) aber bie finale gunftion ber ©elbfterhalfung unb ©elbft=

entfaltung in ber Jie m e lt in ber biologifdjen ©phäre, Hegt ber © i n n aller (Emotionen unb fmnblungen bes STieres in ber Erhaltung bes Qr=

ganismus unb ber ©attung, (o oollsieht fiel) eine grunblegenbe Wanblung im Auffteigen gum SlRenfchen. Alle geftgelegtheit ber tierifdjen 3nftinft=

formen toirb nicht nur oariabel, auch 3nhalte unb 3iclc finb anbere.

3m 3entrum mcnfd)ltd>en ©eelenlebens ftefjt bas © e l b ft g e f ü h l ober © e l b f t r o e r t g e f ü t ) ! / beffen 3n^alt unb 3^1 fämtiiehe gunf=

tionen bes pjpdjifdjen Apparates bienen. ‘Bringt bas Äinb Anlagen ber biologifd)en ©elbfterhaltung, 3 . B . ben ©auginftinft mit, fo ift biefer be=

reits perfonal final eingeorbnet. 3n ber Ausbalancierung bes Verhält- niffcs oon 3d) unb Umwelt1), ber Verteilung ber Afgente oon 3nbiotbual=

pringip unb ©ogialprinäip enttoidelt fief) biefes ©elbftroertgefühl, bas in ber (Erfüllung bes 3d)s mit SMturtoerten bie »erfrf>iebenftcn gormen fo=

jialen 3ufantmenfpiels benüftt. Alles „3nftinftioe" bes Bieres, bas nicht als faufaler, fonbern als f i n a l e r 9leflej, noch rein btologifcher (Erhal=

tung bient, alles (Erbe an „Begabung" toirb fojiologifd) oariabel unb er=

t>ält Wertung, Bilbung, gormung burd) bas toie bas 3 d) feinen

©elbftroert in ber menfchlichen ©efellfdjaft gu erhalten unb burchjufeften oermeint. B alb toirb bas 3d) burd) Mittel bes offenen ober oerftedten Kampfes, balb burd) ©emeinfehaft gefidjert, erweitert, oertieft, alle fog.

3nftinfte unb STrtcbe finben ätoifd)en biefen beiben 'polen bes (Eon [3Rit]

uno (Eontra [©egen] ihren ^ 10(3 als SDIittel ju bem inhaltlich inbioibuellen Siel ber Behauptung unb ®urd)fefeung bes im fogialen 3 ufammenfpiel entftehenben ©elbfttoertgefühles.

3 el 3 t bebürfen roir nicht mehr fefter Suorbnung eines in firf) rätfel=

Ijaften 3nftin!tes mit jetoeils feftem Objeft ober feftgelegter siujjerung, toir fteben auch nicht mehr oor bem Banferott ber eigenen Sheorien toie bie 'Pfpdjoanalpfe. ©el>en toir oieltnehr auf bas leftte Agens gurüd, ben

„W illen jum 2 eben", unb oerftehen bas eingelne Sebetoefen in feiner finalen gunftion, fo toerben uns fämtlidje (Erfcheinungsformen bes leben=

bigen Organismus oerftänblid) eben als g 0 r m e n ber finalen gunftion ber ©elbfterhaltung. Siefe beim STier nur relatio oariablen gormen finb beim SDienfcben oon aller geftlegung frei unb toerben in bas einheitliche 3iel eingebaut, toie bas 3ch fid) im Verhältnis oon 3d> unb ® u orientiert.

W a s bem äujjeren B lid noch als 3nftinft erfcheint, ift nichts anberes als bie allein fojial^pfpchologifch oerftänblichen ethifchen Ausbrudsformen ber Sieleinhcit bes 3d)s.

‘) ©iebe baju un[eren Sluffaf;: „?!om 3d) unb »om ® u " tn „® u unb bet SUIItag, eine 'Pl'pdjologie bes täglichen Sebens". Sßarnecf, Setlin 1926.

(16)

46 5 R u b o l f S ü t a r i a § o 1

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a p f e I a l s ' P f p c f j o l o g e

fKubotf yjlaxxa iQolgapjd als ^PJyc^oIogc un5 JiffftdKeftgiöJer gul>rer

33on 2t u g u ft SDt c f f c r

II.

S)as sweite f>auptwerf §>ol 3 apfeIs, „Welterlebnis" (®ieberid)S, Oena, I. B b . 270 6 ., gef). 8 .— geb. 11.50; II. 33b. 389 S ., gef). 11.— , geb.

14.50) jeigt biefefben d)arafteriftifd)en 3üge ber ®enf= unb §orfcf)ungs=

weife unb ber ®arffeffungsart, tote bas ^anibeaf.

Aucb f)ier pfpd?oIogifcf)e ^crglteberung unb Beitreibung, bie unper»

merft übergef)t in bid)terifd)e Ausmalung unb propf)etifd)e 33erfünbtgung eines neuen öbeals. ®er Untertitel »errät biefe ®oppelf)eit ber Scf)il=

berung »on ©eienbem unb ber Scfyau oon Setnfollenbem aucb

i ) k x ;

er lautet: „® a s religiöfe Seben unb feine 3ieugcftaltung", unb bas W erf ift gewibmet „ben pilgern, bie eine neue f>eimat fueben".

®er Aufbau bes ©anjen, ober »ielmefrr bie Anetnanberreiljung ber einzelnen Abfd)nitte, ift ä^nlid), wenn auef) nicf?t ganj fo lofe wie im

„^anibeaf". 2 Bäf)renb nämfief) bort bie Erforfd)ung bes ©ewiffens unb feiner Sbeale unb bie 33ertünbigung einer neuen ibealiftifeben Stf)i! erft im 3 Weifen Seil einigermaßen bef)crrfcf)cnb unb jufammenbaftenb in ben 3Jlittefpunft triff, macf)t fid) im Werfe „Wefterfebnis" bie B c 3 iebung auf bas Religiöfe auef) fdjon im erften Seif oielfad) bemerfbar. greilief) fct)lf es aud) bier niebt an Abfdjnitten, bie mit bem f)aupfgegenftanb nur fef)r fofe aufammenbängen.

®ie pfpd)ofogifd>e Betrachtung riebtet fid) in biefem W ert oor allem auf bas ©ebiet bes Seelenlebens, bas §ot 3 apfeI mit einem gutgewäf)Iten Ausbrud als bas „S?aumbewußffein" bejeiebnet. S r unterfrf>eibct bret gfeicf)fam ftufenroeife überetnanber fiegenbe ©ebiete bes Seelifd)cn:

1 . bas „SKinbeftbewußtfein", fosufagen ben „tiefftenSReeresgrunb", beffen ßrlebniffe fic^) ber „geftaltenben Beftraf)fung, bie oon ber leud)tenben SReeresfläcbe, bem oollen Bewußtfein, ausgefyen, ent 3 ief)en", bie aucb

„oom Stoieltdrt bes S^aumbewußten faft unberührt bleiben"; 2 . bas

„Äaumbewußffein", bas mit feinen im Hämmer b 3 W. am 5lanbe bfeibenben (iempfinbungen unb ©efüblen unfere Pollbewußten (£rlebniffe jeberseit umffufef; 3. bas „ooffe ^cwußffein", eben bas, was getoöbnlid) fur 3 cr=

banb bas „Bewußtfein" genannt toirb. (I, S . 9.)

3Rif 9ied)t betont f>ol 3 apfel, baß biefe brei |?auptftufen ibrerfeits eine

SRannigfaltigfeit »erfebiebener Bewußtfeinsgrabe umfaffen. ®arin wirb

if)m bie wiffcnfd)afflicbe ‘■pfpcbologie 3 uftimmen. ®ie für bie beiben erften

f>auptftufen Pteffad) übliche B e 3 eicf)nung „bas Unbewußte" lebnt |)of 3 =

apfel ab: ein „u n bewußtes Bewußtfein" fei unbenfbar, ein finnfofes

(17)

9t u t> o l f S K a t i a §> o l j a p f e I a l s “^ [ p d j o l o g e 47

SBort. „®iefe ocranfchaulichcnbcn §ilfsfi)mbole werben »on unzähligen Unberufenen hppoftafiert, 3 U fubftantiellen s2Mrflicf)fcitcn geftempclt unb in biefem Sinne aud) tfjeoretifd) oerwenbet" (I, S . 3 f.). (Er I>cbt aud) £>cr=

oor, bafe er mit feinen Stufen nid)t oerfd)iebene „Seelen ober Seelen=

etagen" meine, fonbern nur Unterfd)iebe in ber „2Ibt)ebungsart ber

©eiftesoorgänge nach ‘’Plaftijität unb Organifierung". (Er gibt ferner ju, bafe man ohne fnlfe oon Sinnbilbern bas Kaumbewujjte im 33oilbewufet=

fein nicht wohl fefthalten fönne.

$)a es fich beim „Kaumbewujjtfein" um folche Vorgänge hanbelt, bie

„äufeerft gering fich abheben", oon benen wir „meiftens gar nichts wif=

fen" unb bie „nur feiten unb bruchftüdsweife gum oollen Sewufetfein gelangen" (I S . 3), fo ift es oerftänblich, bafe bie Sicherheit, mit benen fjolgapfel feine pfpdwlogifchen Sehren oorträgt, in noch erhöhtem SJlaße auf 'Sebcnfen unb S^eifel ftofeen wirb. SKan weijj ja nur au gut, toic=

fiel toiberftreitenbe ^Behauptungen unb Theorien über biefe ®ämmer=

region bes Seelenlebens gutage getreten finb, feitbem fich in ben lebten Oaljren eine „Stefenpftjchologie" fo ftarf unb oielgeftaltig entfaltet hat-

®as Verhältnis ber brei Stufen jueinanber charaftcrifiert fiwljapfel in bent Sinne, baft, je weiter nach unten, um fo mehr bas „irrationale"

(im Sinn eines Mangels ber Slnpaffung an bie Umwelt) junimmt. gür bas o o 11 e Sewufetfein gilt, bafe wirtliche ober »crnieintlichc 55ebrohun=

gen unb Hemmungen ber Jenbenjen bes Sebewefens, bie auf Erhaltung unb (Entfaltung gehen, „35orfid)t" h^'^orrufen, b. h- (Einteilung ber Slufmerffamfeit auf Sueben unb eoenfuelle Slbwefjr ber ©efahr ober Sehinberung, oergleichenbe ‘Seobachtung, mithin Kontrolle unb wach=

fenbe Kontroübereitfchaff. „S ie führen auf biefem 3öege gu 3nforma=

tionen über wirfliche Vorfommniffe unb beren Sufammenhänge, 311 Kunb=

gebungen, nad) benen wir unfer Streben unb SBirfen orientieren. Unfer wachftes SMlbcwufetfein, alfo auch bas wachfte Selbftbewufjtfein, wirb ftets burd) folche Kontrolle unb Orientierung bcl)crrfd)t."

dagegen foll bas „tiefftfchlafenbe aRinbeftbewufetfein" frei fein oon folcher Kontrolle unb Orientierung an ber Umwelt. 3n ihm foll fich kle Seele „in irrationalen, ber wirflichen Umwelt unähnlichen 53erbinbun=

gen", ja juweilen in einem „phantaftifd)en Sraumgeftriippe" bewegen,

„gleich einem flüchtigen unb blinben ©reife, ber fich faum mehr ber 2id)twelt feiner Kinbheit entfinnt unb fid) in ber ihn umgebenben faum 3 urecf)t 3 ufinbcn oermag". „(Ein berartiges ©eifteswirfen fann beinahe ausfchliefjlid) ben inftinftioen Jenbengen ber 2 lnpaffung an bie Reroen felbft golge leiften, faft als wären biefe ohne 3 ufammenhang mit ber übrigen 2ßelt" (I S . 8 ).

SDlan wirb nun aber aus allgemeinen biologifchen (Erwägungen an=

nehmen bürfen, baß bie feelifchen ^rogeffe unb bie Reroenoorgänge ein=

^Pbilofopbie unb Ccbcn. V. 4

(18)

48 9t u b o

1

f S I t a r t a § o

13

a p f e

1

a l s t c l i g i ö f e r g ü b r e i

anber angepaßt finb — bient bod) bie Einnahme eines fog. „^arallelis- mus" gtüifdjert beiben ber phpfiologifchen “^fpchologie feit Oahr^ehnten als fruchtbare Sirbeitshppotbefc. — gerner muß eine SInpaffung bes ge- famten Organismus unb bamit aud) bes Sleroenfpftems an bie Umwelt angenommen »erben, ba er fonft auf bie Sauer nicht lebensfähig fein mürbe. 2 lngeficf)ts beffcn erfchcint mir bie 2 Innahme ^olgapfels, baß fid) eine Sünpaffung bes Seelifchen an bie Heroen coifjtehe, bie gleichfam gegcnfäßlid) 3 U beren SInpaffung an bie Umwelt fei, höchft fragwürbig.

2 Iud) gibt fto^apfel felbft 311 , baß ber phpfiologifche Verlauf ber 9?eroen- anpaffung an bie Umwelt „noch fo gut wie unbefannt fei" (I S . 18 2 lnm.). SBie will man ba nun gar Behauptungen auffteilen über 2 ln=

paffungen oon „minbeftbewußten" Seelenoorgängen an bie Sleroenpro- 3 effe unb über bas Verhältnis beiber 3 ur Umwelt?! Sßie fönnten auch — um Späteres oorwegsunehmen — mpthifch-religiöfe ©eutungen ber Um­

welt, bie nach fwljapfel jenen dämmerfchichten bes Seelenlebens ent- fpringen, irgcnbweld)c ©eltung beanfpruchen, wenn biefes geben fich lebigltch „in irrationalen,- ber wirflid)en Umwelt unähnlichen Verbin- bungen" bewegte unb gleich einem blinben ©reife in „phantaftifd)em Xraumgeftrüpp" herumirrte?! —

VMr fönnen bie pfpchologifd>en Sehren fwlsapfels über bas „Äaum- bewußte" hier nicht einmal in ihren ©runbjügen wiebergeben; bas ©e=

fagte wirb beweifen, baß jebenfalls fritifebe Vorfid)t ihnen gegenüber geboten ift. Von weit größerem philofophifchen Ontereffe finb feine — ben Nahmen ber^fpdjologie überfd>reitenben — Ausführungen über eine S t e u g e f t a l t u n g b e s r e l i g i ö f e n S e b e n s .

®te Sehnfucht nach einer folchen Sieugeftaltung weiß fiolsapfel ein- brudsooll 3 U fchilbern. 2 Jls „ 3 erftörungsmad)t" empfinbet er „bie Snt- oölferung bes f>immc[s, bie ftumme unb taube (Smigfcit, ben inneren 3 wang, nur ber Srbe 3 U leben". „ 2 ßo früher mächtige 3Bälber ftanben, wo frifche 33Iumenauen atmeten, behnt fich Öblanb aus. d a s Seben im f)öchften, 33efeligenben ift einer ohnmächtigen V er 3 Weiflung ober mob- rigen Sinnesfreuben, beftenfalls einem ermübungsgeborenen, ethifcf), fünftlerifd» ober wiffenfchaftlich gefärbten Versieht gewichen.

3n wem aber noch ein einziger gunfe aus bem fnmmel feiner Sinb- heit lebt, ber muß ein Verlangen nach (Erneuerung tragen, einen ©lau- ben, eine ‘2ßelt erfehnen, bie nicht burd) einen morfchen Unterbau 3 um Schwanfen gebracht, in fid) sufammenftürjen müßte. 5ßie Piele ©ebete höre ich oon folchen, bie nicht glauben fönnen, wie niele 531ide ricfjten fid) noch gegen fnmmel, bie bort niemanb fehen, wie oiele §änbe er­

heben fich, Srlöfung su erflehen, ohne su wiffen, bei wem?" (I S . 216 f).

^oljapfel glaubt nicht, baß biefe Sehnfucht nach Religion etwa gefüllt

werben fönne burch 9lüdfcf)r 3 um (£t>riftentum. 3lus ber fcharfen Slritif,

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91 u b o l f S K a r i a f> o I

3

a pf e l a l s r e l i g t ö f e r g ü h t e r 49

bie er gegen bie hertömmliche djriftliche ©ottesoorftellung rid)tet, feien nur ein paar Säfte hier angeführt, bie empfinben (affen, bafe auch für ihn bas Sheobijeeproblem Pom dmftlichen Stanbpunft aus als untös=

bar erfchcint.

„9Ran roar genötigt, nad) unb nach fiel) einjugeftefjen, baf; bet in ©eftalt eines

©ottes repräjentierte bödjfte ©eift troö feiner

2

Ulgüte unb

2

lllmad)t unjablige §>eere fcfjeufjlidjfter unb bösartigfter SBejen erfc^afft, fie meift auf fioften ber geiftigeren unb liebeoolleren gebeiben läfet.

(£s » a r niefjt ju oertennen, baß er, im ©egenfafc

3

U feiner grenäenlofen ©üte unb 2IUmad)t, Stieg unb Äranfbeit, 35errat unb SJiebrigteit, Summer unb lo b über 3Renjd)en unb Stere »erbangt bat- B a s betenbe Stnb mufj mit fchaueroollem Gntjefoen aufeben, wie ihm „ber liebe ©ott", ber „Sßater im §immei", feine einige ©tüße auf (Erben, feine Sltern, erbarmungslos entreißt.

Seine lugenb unb feine |)eiligfeit oerleibt ben (Eltern bie Straft, ibrem fterbenben Sinbe bas Seben aud) nur einen einzigen

2

Iugenblid ju perlängern.

3Bo ift bie ßiebe, »enn bie 5tflmad)t ba ift?

SBie tonnen bie 33erlegenbeitsfniffe unb 2Iusflüd)te einer oeraiteten 2Beisf)eit biefer furdjtbar gewaltigen ©pradje ber SBirtlichfeit auf bie ®auer ftanbbalten? ©laubt man benn wirtlich, bie heilige 9Rad)t eines „pollfommenften" ©eiftes

3

U jebauen, wenn man bie webgewaltigen SOlenfcbheitsfcbaren unter ben

3

ielbe»ufjten §ieben eines Rimmels»

fprannen »ehrlos

3

ufammenbred)en läfet? — (Es märe bo<b an ber geit, eine blaspbe- tnifdje 3bealifierungs»eife

3

U übertoinben, »eid)e ben beiligften §>immelsgeift

3

um grau»

famften, unerbittlidiften unb racfjcgierigften aller ®ämonen macht, um nur feine

2

II

1

» macht su retten unb ihn als einen Schöpfer ber SBelt

3

U oerherrlicben. Oft es benn roirtlicb fo oerebelnb unb

3

ur innigften ßiebe anfpornenb, eine „

2

lllmacf)t"

3

U lieben,

»enn fie aud) nur einen ^Regenwurm

3

ertreten obet ben marternben ©cbmers eines einigen Sinbes erseugen fann?

SHein! (Es gibt leinen allmächtigen 2r>rannen!

3>er ©Iaube an bie 21llmad)t unb bie »eltfd)öpferifd)e Straft eines ©ottes bat ftefs

3

u tiefften (Erfd)ütterungen bes Vertrauens in bie ©üte unb in bas ®afein überirbijd>er

©eelenmacbt geführt. Sie fünffltd) genährten (Erwartungen tönnen auf bie ®auer ber

»aebfenben (Enttäufd>ung nicht (Einhalt tun, fchon gar nid)t, »enn fie »ie ein rafenber SBalbbranb um fid) greift unb unabfehbare Sfftenfcbbeitsgruppen teils in flammenbe Empörung, teils in alles oerneinenbe

5

k r

3

»eiflung perfekt. ®ann hilft es nicht unb oerfängt nicht mehr, bas entfeelte 33ilb einer primitipen SBeltrepräfentation bureft brobenbe ©ebärbe unb bogmatifche Skrtnöcberung t>or bem gall bewahren ju »ollen.

Ss tann unb »irb ihm nicht entgehen. 3ft boch bas SUifetrauen in fo hohem SJtafje ge- fliegen, bafj mit bem repräfentatioen ©ottesbilbe auch bas ®afein irgenbeiner anbern 2lrt »on überirbifchen §>öcbft»ollfommenbeiten in Stage geftellt unb bem oerbammenben Urteil eines

3

»eifel

3

erfreffenen ©ehirns überantwortet würbe." (II, ©. 275 f.)

fjoläapfel oermag fid) alfo ebenfowenig 311 m cfjriftlichcn ©ottesglauben wie 3 ur d)riftlict)en Stt)if 3 U befennen. Slber ebenfotoenig tüte bie Sthif ift beshalb bie Religion für ihn abgetan; tuelmchr ift er überseugt, auf bie=

fen beiben ©ebieten bes ©eifteslebens bereits höhere ©eftaltungen 3 U fdjauen.

„S ie ^hafc bes gefthaltens an ftarr unoeränberlichen, bogmatifd)en

©laubensbilbern mufe einer panibealiftifchen 9teligionsfunft ber freien

©cftaltung n>eicf)cn"

( I I

S . 284).

S r weife freilid): bas religiöfe tfberaeugtfein läfot fid) burd) 55e»eife

ebenfotoenig erjtoingen wie etwa bie ßiebe. „(Es hängt 3 um großen Seil

(20)

50 31 u b o [ f SDt ar i a § o

15 0

pf e i a l s r e l i g i ö f e t g ü f j t e t

oon her angeborenen 33ertrauensfähigfeit ab, 3 um Teil oon ber ange=

borenen unb anerjogenen Slnlage 3 ur 33erfenfung unb t>ifionärem Seben"

(II 6 . 273). S r betont aud) immer toieber, toieoiel Sebeutung für bie religiöfe 23orfteIIung bem irrationalen Söerben unb Schaffen bes „Kautn=

bewußten" gufomme. 2 Iber er tüill bocf) einer rationalen 9ted)tfertigung neuer SRpthenbilbung nid)t entbehren, er ftrebt infofern eine Bereinigung con „Sßiffen unb ©tauben" an. S r finbet fie in ber burch bie Srfahrung geftüt 3 ten „SKöglicbfeit, nad) Analogie ber Unterfd)iebe non Tieren unb 2)tenfd)en eine unabfebbare Stufenleiter ber 33efeelung in ber Stoigfeit unb 3 aE)Ilofe ©eelentppen im 3öeltall ansunebmen". ,,©ibt es fd)on auf unferem Planeten Unterfcbiebe wie 3 toifd)en Sinsellern unb SDIenfdjen, fo muß logifchertoeife unb erfahrungsmäßig angenommen »erben, baß bie Arbeit ber Stoigfeit unbegrenst mannigfaltigere, größere unb toefent=

liiere beroorbringt. S ie Über 3 eugung, baß bie Söelt auch oon Söefen be=

oölfert toirb, beren geiftige 33efd)affenheit ben SOienfchentppus nahe 3 u unenbltd) überragt, ift Ufo toiffenfcbaftlid) begrünbeter als bie entgegen»

gefegte Söleinung, welche auf ber SSorausfeßung baut, baß bie unabfeh*

baren Kraftoseane ber Stoigfeit nichts mefentlicb anberes, SOtachtoolleres ober Bollfommeneres eraeugen fönne als bie toinsigc Stbe" (II S . 282).

S ie erftere Einnahme entfprid)t aber nicht nur beffer „ber irbifchen Sr=

fahrung unb ber logifchen Vernunft; fie fommt auch mehr ben toefent=

lidjften 55eftrebungen nad) Srhaltung unb Sntwidlung entgegen: ben Tenbenjen tieffter Eingabe unb ber einheitlichen Sebensorganifierung, ber harmonifchen 55erbinbung 00 m faumbewußten Drrationalen mit »oll=

betoußter Kontrolle", “ffienn aber in biefer Sßeife neue fchöpferifcbe 3ftp=

thengeftaltung gerechtfertigt erfcheint, fo muß boch bas SKoment ratio=

neller Kontrolle auch fernerhin in ber 'ffieife in jenes irrationale 6 d)af=

fen hineintoirten, baß es bie 35erfcbiebenf)eit im ‘Bewußtfein wacbhält, bie 3 Wifcben ben repräfentierenben 2Rptl)engeftalten unb ben „wirflicb über=

menfchlich oollfommenen 3ßefen" befteht. S a ß man beibes bisher in eins fet 3 te, bebeutete Betfenfen in Aberglaube; unb baoon freisuhalten oermag nur bie ftetc Srinncrung an ben <3pmbold)araffer ber mpthifchen ©e=

ftalten.

S ie ©ebanfen f)ol 3 apfels über ben neuen SDlpthos auch nur in ben

©runb 3 Ügen mit 3 uteilen, fehlt uns hier ber Raum; fie erinnern an mcta=

phpftfehe ©ebanfen bes Hegelianers Kraufe ( f 1832) unb bes Ratur=

philofophen geebner ( f 1887)1).

6 ie gipfeln fchließlich boch in einer ©ottesoorftellung, bie manche 2 ße=

fens 3 Üge mit ber chriftlichen gemein hat- Bon ©ott — benn biefer ift boch

') über beibe »gl. SEUeffer, ©c|d)id)te ber 'Pbtlofopbic 7- A - u- IV. (ßeipjtg, Quelle & SRepet).

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