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Neue Monatshefte für Dichtkunst und Kritik, 1877, Bd. 5, H. 5.

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Academic year: 2021

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Seite NochdemTode-. NovellevonMari ev.Ebner-Eschenbach . . . . 361 JIricskvon-·Bkitgeno[[eiranH.Czr.IlndersemAusAndersen’sNachlaßmit-

gexheiltvonEmil Jouas . . . -. · . . . . -. -. . . 410 GoetheatoErzikhrnVonLudtoigHabicht. f.. . . . . . . . 421 Im SpiegelderZukunft EinNachtstückvonJulius Duboc . . . . 426 F. EntozundseineZeitschr-ist«VonLeopold Kats cher . . . 432

KritischeRundblirke . . . . . . . . 436

EinFrühlinginVersen.VonOscar Blumeuthal-

Die»NimmMonate-hefte«erscheinenregelmäßigamEnde jedesMonats imUmfangvonmindestens6Bogen Lex.eleg.geh.

Ze-Znhcgmrgbestehtnun2Blindenenje6Beste-.

preispro Band 6Marte;pro Quartal 3Mark; proHeft1 Mark.

Alle BuchhandlungenundPostanstaltennehmenBesteliungenan.

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BuchdemFade. 361

RathdemTode.

Novelle vonMarie v.Ebner-Eschenbach..

»Still,meinguterFürst!Siewissen, ich haltedie Liebefürdasgrausamstevon allenMitteln, welchediezürnende Gottheit erfunden hatum ihrearmen Geschöpfezu strafen.Wäresie jedoch,wieSiebehaupten,dasSchönstedasesaufErden gibt, dannwürdeesIhnenin meinerGegenwartvollends verboten sein,ein Glück zupreisen, dasichniemals kennengelernt habe.«

FürstKlemens stießeinenSeufzeraus, dereinminder kaltblütiges Wesenals GräfinNeumark gewiß gerührt hätte,erblickte zumPlafondemporund gab,aus scheinbaremGehorsam,demGesprächeeineandereWendung: »Was haltenSievon Sonnberg’sBemühungenumThekla?«sagteer. »IchbinvondemErnste seinerAb- sichten überzeugt. MachenSiesich darauf gefaßt: dieser Tage morgen vielleicht, kommter, wirbtum Ihre Tochter,undimFrühjahr fliegtdas junge Paarüber alleBerge.«

,,Möglich,möglich.«

»Und Sie ?«

»Und ich fahre nach Wildungen.«

»Siewerden sichdortsehr verlassen fühlen!« riefderFürst triumphirendaus.

»Siewerden zum erstenMal dieLangeweile,am EndesogardieSehnsuchtkennen lernen. Sie werden sich sagen, daßSieeinesWesens bedürfendasIhrer bedarf, und—« errichtetesichauf, »dieHand ;ergreifen,dieich Ihnen wir wollennicht fragenwieoft, angeboten habe.SeienSieaufrichtig—« setzteerhinzu: »Könnten

Siewohletwasvernüstigeresthun?« .

,,Vernünftigeres«,wiederholtedieGräfin langsam »schwerlich.«

»Nundenn !«

»Nundenn? Siesprachen vorhinsvonLiebeundjetzt sprechenSievonRaison?

Dassind GegensätzelieberFreund.«

»Keineswegs!Gegensätzelassensichnicht verbinden,Liebe undRaison hingegen, sehr gut;wir wollen esbeweisen—- Sieundich!«

Marianne erhobdasHauptundrichtete ihre glanzvollen Augen auf ihn;unter diesemBlickefühlteKlemens seine Zuversicht schwanken,einigermaßenverwirrt und ohne rechten ZusammenhangmitseinerfrüherenRedeschloßer: »Frühoderspät, auch JhreStunde kommt.«

v.5. 24

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362 Reue ÆntrutsheftefürEichtbunstundDritle

,,BetenSiezu Gottdaß sieausbleibe!«entgegnetedieGräfinmunter. »Wenn einealteFrauanfängtzuschwärmen,danngeschiehtesgewißzuihrem Unglückund zu ihrer Schmach, für irgendeinen undankbaren Phaon, irgendeinenflüchtigenAeneas.

Stellen SiesichvorwieJhnenzuMuthewärewenn Siemich fändeninVerzweiflung wieSappho,oder wieDido,imBegriffedenScheiterhauerzubesteigen.Stellen sie sichdasvor!«

»Daskannichmirnicht vorstellen«,sprachderFürst.

»EswäreIhnen zugräßlich.AberSiekönnenruhig sein.KeinefalschereBe- hauptungalsdie,jeder Mensch müsseimLebenwenigstenseinmallieben. JmGegen- theil,diewahre,diefurchtbare Liebe, gehörtzudengrößten Seltenheitenundihre Helden sindandenFingern herzuzählen,wieüberhauptalleHelden.MitjenerLiebe hingegen,diewir kleinen Leutefähigsindzufühlen,findwir kleinenLeute,wenn wirnur wollen undbeiZeitenzumRechtensehen, auch fähig fertigzu werden.«

DerFürst strecktemit würdevollablehnenderGeberdedieHandaus, alswolleer

dieseSophismenvon sich weisenundantwortete: »Wirwerdenfertigmitihr,odersie wirdfertigmit uns.«

Abermals glitt ihrBlick überseinrundes Gesicht,überseinebreiten Schultern,die so rüstigdieLasteines halbenSäkulums trugen:»Das hat gute Wege, nochbinich unbesorgt,«sagte sie.

DerFürstbeendete denWortstreitmitderErklärung:zuredenverständeer, zu überreden nicht.UndinderThat, dazu fehlte ihmdasTalent und—- dieGewissen- losigkeit. Ach,esließ sichnicht leugnen, daßertrotz seinerverzehrenden Leidenschaft, besonders seit einiger Zeit, erstaunlich gedieh; ja,ermußtefich’sgestehen, sogarin den Tagen,wodieseLeidenschaftamheftigsten gelodert, hatte sie nicht vermocht ihmdie Freudezu verderben anseinen Jagdpferden, an derzunehmenden Anzahl Hochwilds inseinen Thiergärten,anseinemganzen fürstlichen Junggesellen-Hausstand aufdem Landewie in derStadt.

Klemens war nichtimReichthum, sondernals einausfichtsloser Sprosseder gänzlichunbegüterten jüngerenLinieEberstein geborenworden. VonKindheitanfür diemilitärischeLaufbahn bestimmt, brachteer’s bis zumRittmeister, nach siebenund- zwanzig, meistin elendenGarnisonenverlebtenJahren. ImVerlaufe derselbenlernte eralleBitternissedesdurch ,,unfreie Association«gebildetenStandes ausdemGrunde kennen,setzteihnen jedochdenruhigen GleichmutheinesaufrechtenMannes entgegen, und verstandes·dieetwas schiefe Stellung deszugleich vornehmstenundärmsten OffiziersimRegimente,mit würdevollemTaktezubehaupten.DerbraveSchwadrous- Commandant standbereitsinreifem Alter,als eineReihevonunerwarteten Todesfällen, dieVerzichtleistungeinesnäheren Agnaten, dieMißheiratheinesanderen,ihnzum Eigenthümerdeszweiten Majorats seinesHauses machte.Sofort verließderFürstden MilitärdienstundwidmetesichmitfastjugendlichemEiferdemDienstedergroßenWelt.

DieBegeisterung,mitwelchererdort aufgenommen wurde, berauschte ihn anfangs, doch begannernur allzubaldan demWerthe seiner Erfolgezuzweifeln.DieFrage, dieeinengeborenen Majoratsherrn, dersich ohne sein Erbgut so wenigdenkenkann,wie seineSeele ohneseinen Leib,niebeunruhigt,dieFrage: »Was gelte ich?«bedrängte ihnundbrachte ihn endlichum alleZuversicht,um allsein unbefangenes Selbst- vertrauen.

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Fluchden-cMode. 363

Da zumerstenMaletratihminschwülerBall-Atmosphäre,umrauschtvonden KlängenderMusik, umwehtvon Blumendüften, umstrahltVonKerzenfchimmer,die glänzendeGräfinMarianne vonNeumarkentgegen,underschloßsichsofortderdicht-- gedrängtenReihe ihrerBewerber an. Wohl hießes, Marianne habekeinHerz, ihre Liebenswürdigkeitsei werthlos,dennsie bestehenur in Worten undwerdegleichmäßig-.

UUclUe-dieihr nahten, verfchwendetzaber dennoch vermochtekeiner dereinmal von ihrem Zauber berührtworden, sichganzaus demselbenzulösen.DerFürstwar kaum in dasBereichvon Mariannens Anziehungskraft gelangt,alsersichdavonmächtiger- griffenfühlte.Mitgeradezublendender Klarheit leuchteteesihm ein,erhabedas Weib- 90funden,dasfür ihn geschaffenfei,undvierzehn Tage nach ihrer ersten Begegnung stellteer,fehr beklommen, sehr bewegt—- wenn auch nicht ohne Siegesgewißheit seinenHeirathsantrag

Er wurdeausgeschlagen,kränktesich,zürnteundverlangtedie Gründeder erlittenen Abweisungzu kennen. Mitfanfter RuhesetzteMarianne ihm dieselbenauseinander und eswaren lauter triftigeGründe: Siehätte sichanUnabhängigkeitgewöhnt, sie taugte nicht mehr fürdieEhe, längst ständebeiihr fest, daß ihr TöchterchenkeinenStiefvater erhaltendürfe...Undsoweiter!

Klemens reiste nach England, kehrtevon dort erstzurWinterszeitzurückund stürzte sichnachseiner Heimkehrmiterneuerter UnerschrockenheitindiegroßeWelt.

Man sahesihmandenAugenan, esverrieth sichinjedem seinerWorte,daßerent- schlossenwar, aus diesem FaschingalsBräutigam hervorzugehen.Aber wieder erwachten seine Zweifel,wiederstelltedieErnüchterungsichein. DieWahlwar zu großum nicht schwerzufein,einerster Schrittzu bindend um nicht reiflichsteUeber- legungzufordern. DieUnternehmungsluft desFürsten sankvonneuem, alservon

neuem innewurde, daßessich nichtdarum handlezuerobern, fondernerobert zu

werden. Marianne traferoftinGesellschaftundgingdann mitstummemundfeierlichem Grußeanihrvorüber. Siegefielihmwomöglichnoch mehralsimverflossenenJahre.

Waswaren Alle derenBesitzihm erreichbar gewesenwäre, imVergleichezu der Einen Unerreichbaren?Konnteman einemhübschenGesichteAufmerksamkeit schenken,nachdem

man dieerklassifchenKopf gesehen,inHaltungundForm, jainjedem Zuge,demder Venus vonMilo so ähnlich?Konnte man demGefchwätzeinesBackfischesdasgeringste Interesse abgewinnen, nachdemman dieGräfineinmalsprechengehört?

Aufeinemendlosen Balle,demKlemens und Marianne alsZuschauer beiwohnten, fügteesderZufall,daß sieimselben AugenblickeausdemTanzsaalein denluftigeren Raum eines anstoßendenSalons traten. Klemens verneigte sichwiegewöhnlich schweigend,siedanktefreundlich lächelndunddochschienesihmalsseiüberihr Gesicht einAusdruckleiferTrauer gebreitet,derihnergriffundihm, halbgegenfeinenWillen dieFrage erpreßte:»Wie gehtesIhnen, Frau Gräfin?«

Sieantwortete unbefangenundeinWeilchen später saßen sienebeneinander auf demKanapee,ineifrigesGesprächversunken.Klemens wußte nicht mehr, daß sie ihm schweres Unrecht angethan,undalserfichdessen besann,dahatte fie sichfoebenerhoben, reichte ihmdieHandundsagte:»Warum besuchenSiemichnicht mehr? Jchbinzwischen zweiund dreiUhr NachmittagsimmerzuHaufe.«

Vonnun anwärejederfehlgegangen, der denFürstenzujenerStunde irgendwo anders gesuchthättealsimkleinen braunen Salon Mariannens. Ererschienmit einem

24r

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364 Treue WanntuheftefürchlgtlimrutundTit-Mk

Lächelnund entfernte sichmiteinemSeufzer aufdenLippen, täglich,denganzen Winter hindurch.Sogingesfort durch zwei, durch zehn Jahre, Jm Frühling reisteernach seinen Gütern, sie nachdenihren;man saheinander erstimHerbste wieder,dennaufdemLandeliebtedieGräfinNeumarkeinsamzu lebenundnahmkeine anderen alsdieunentrinnbaren Besuche ihrer Nachbarnan. VonZeitzuZeiterneuerte Klemens seine WerbungundmachtedieBeobachtung, daßjeder ablehnende Bescheid,den ererhielt,ihn weniger fchmerzte.Was dochderMenschnichtallesgewöhnt!Eskam so weit, daßMarianne ohne grausamzusein fragen durfte: »Wie istmirdenn? Nun sind anderthalb Jahrevergangen, in denenSienichtanmeineVersorgung dachten. Jch scheine IhnenreifgewordenzurSelbständigkeit...O wiemuß ich aussehen!«

Siehatte gut lachenüberihr Alter;fast spurloswar dieZeitanihrvorbei gegangen undhatteihrkaumEinenVorzugderJugendgeraubt. Ihr ganzesWesen athmetedieFrische,dienur denjenigen Frauen bewahrt bleibt,die niemals großeLeiden- schaften empfunden,niemals schwereSeelenkämpfeerfahren haben,unddie einemmehr oderminder unbewußtenSelbsterhaltungstriebe folgend,immerdanachzudenken auf- hören,wodasNachdenken anfängt wehzuthun.

»Sie ist gut«,meintederFürst »und dochnichtzugut,gescheidtunddochnichtzu gescheidt. Mit ihrzuverkehren isteineWonne.« Klemens fühltedasheutewievor zehnJahren. Undwenn erauchdasZiel seiner Wünschenicht erreichte diebesten Stunden seinesLebens haterhierindiesemkleinentraulichen Gemäche,andiesem Kamine zugebracht,andemerjetztihr gegenübersaßund einenVortrag hieltüberseinen MangelanVeredsamkeit.

Marianne, dieHändeübereinander gelegt, hörteihm scheinbarzu. Siemußte jedocheinenanderen Gedankengang verfolgt haben,denn plötzlichunterbrach sie seine Rede: »Und Sonnberg?« fragte sie, ,,HabenSieihn heute schon gesehen?Kommt er Abends aufdenBall?«

»Wie sollteernicht?«antwortete Klemens, ,,eristjasicher,SieundThekladort zufinden.«

»Sie gefällt ihm also,meinen Sie?«

»Gefällt?...Erist entzücktvonihr, hingerissen,über und über verliebt! Ver- lassenSiesichauf mich, ichwiederholees:bevordiese Wochezu Endegeht, ist Thekla seineBraut.«

Marianne war nachdenklichgeworden,eineWolkelag auf ihrerStirn alssie nach einerPauseerwiederte: »Ichkönntefür sie nichts besseres wünschen.«

»Ja,derist’s,«meinteKlemens, »der ist’s!EinSchwiegersohn recht nach Ihrem Herzen.«

«

»Undein Mann nach Thekla’s Kopfe«,fügtedieGräfin hinzu.

Marianne war bei derErziehung ihrer Tochtervornehmlichvon derSorge geleitet gewesen,in dem Kindekeine,,Sentimentalitäten«undkeine»Exaltationen« aufkommen zulassen. Thekla’s Verstand sollte ausgebildet,undihre Phantasie gezügeltwerden.

WohlthätigkeitundGroßmuth hatteman ihralsAnforderungenihresStandes hinzu stellen. Siesollte geben lernen,reichlich,mitvollenHänden,niemals jedoch ohne .Ueberlegung,vor allemnieaus einerflüchtigenWallungdesMitleids. ,,WissenSie

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Bachdem nnd-. 365

warum,liebe Dümesnil?« sagtedieGräfinzuderGouvernante ihrer Tochter,»weil jede Wohlthatmit Undank belohnt wird,undweil wir denleichter verschmerzen,wenn UnserGefühlmitderHandlung,dieihnhervorrief, nichtszuthun hatte.«

»Ah madame,årquiledites-vous?« antwortete Madame Zephirine Dümesnil,wie beijeder Gelegenheit,inwelcher ihrder Sinn vonMariannens Redenvölligdunkel blieb.

MadameDümesnil war eine trockene,auf ihren Vortheil bedachteFranzösin,die sichgegenallesin derWelt,sogargegenihre Pflegbefohlenen,gleichgiltigverhielt.Als aberThekla heranwuchs, geläufigenglischundfranzösifchsprach,ein brillantes Salon- stückmitSicherheitundBravour aufdemKlavier vorzutragenverstand,wie ein Dämon zuPferde saß,wieeinEngel tanzteund ,,un port dereine« bekam,dagerieth ihre ErzieherinzuZeiteninAusbrücheeiner seltsam kalten, jedesWortsorgsam abwägenden BewunderungfürdiejungeDame.

Plötzlichjedochwurdesie sparsamermitihremLobe unddafür verschwenderischmit leisen Warnungen,diesichsammtundsonders aufdieGefahrendesUnbestandes bezogen.

DieComtesse,diebisher so mancheStunde desTagesamKlavier zugebracht, hatte nämlichbegonnen ihr musikalischesTalent zuvernachlässigenundsichmit einerbeiihr ganzunerhörten LeidenschaftlichkeitaufdieMalerkunft geworfen.MitMühenur bewog man sie ihre Staffeleizuverlassen. Freilichbotdiese meistenseineninteressantenAnblick dar. Dabegraste sicheine magere Kuh auf fetter,oder einefette Kuh aufmagerer Weide;

daschlicheineZiegetiefsinnig durchdieschauerlicheStille derEinöde,da ragteausdem Abgrundein-eschmaleKlippeemporund auf derselben standeineGemse,mitFüßen, zusammengeschobenwie die einesinRuhegesetztenFeldsessels.

Sooft Thekla’s Zeichenmeistererschien, hatte sie ihmeinebenfertig gewordenes Werkvorzuweisen. HerrKrämerwarfsichin einenFauteuil, derStaffeleigegenüber, spreiztedie Beineauseinander, stütztedieEllenbogen auf seine Schenkelundverschränkte dieHände. »Damit ich sie nichtüber denKopf zufammenfchlagenkann—« sagteer, blicktezuerstzuTheklaunddann zu demneuentftandenen Kunstwerkempor undfuhr fort, währendesgarsonderbarinseinem Gesichte zuckte: »Schau, schau unserCom- tesserl!...Aberwasmachtdenndie Bankmittenaufder»Straßen«?...Iaso,ein Pferd ist’s...Aha! Alsonur fort so dasheißt:ganzanders ...ichmein’halt nur in der Ausdauer. Geduld überwindetSauerkraut.«

Madame Dümesnil warf ihmeinen indignirtenBlick zu,Thekla jedoch nahm PaletteundMalerstockzurHandundmachte sichmitglühendemEiferandie Arbeit.

Krämerspaßtedie ganze Stunde hindurch, ergriff manchmaleinenPinsel,undüber die Schulter seiner Jüngerin hinweg verwifchteerdieHälftedesBildes,andemsie sichmit so großer Emsigkeit abmühte. Sie nahmesnicht übel, erhobkeineEinsprache,und Madame Dümesnil, auf solche,ihrvonTheklanieerwiesene Unterwürfigkeiteiferfüchtig, nahmdenMaler .,enhorreu1-«.

Da ereignete sicheines schönen Wintermorgens etwas Ungeheures, etwas Unerhörtes.Madame Zephirine stürzteindasSchlafzimmerderGräfinundlegte eineHerrn KrämergehörendeZeichnungsvorlage ausMariannens Bett. Sierief:

,,Ma(1ame, madame voila!« unddeutete mit,,schauderndemFinger« aufeineZeile, dieanden RanddesBlattes hingekritzelt,die Worte enthielt: ,,HabenSiemichlieb ?«

Daneben war vonanderer,achvon schwungreicher,kühner,ach,von Thekla’sHand,ein deutliches: ,,Ja!«geschrieben.

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366 Reue WonntslgeftefürYirigtlmrcstundYrjthn

Marianne starrtedieunheilvollen Zügeanundihr Gesichtwurde weiß,wie das Kissen aufdemsie ruhte.

»Dieses Blatt«, keuchteZephirine »diesesBlatt war bestimmt, heutedem Unver- schämtenübergebenzu werden..

Marianne hemmtedenAusbruchvonMadameDümesnil’s Zorn,dankteihr bestens fürdiebewiesene WachsamkeitundäußertedenWunsch,alleingelassenzu werden.

AlsKrämer, wiegewöhnlichzuspät,zurUnterrichtsstundekam,wurdeerander Hausthürvon demKammerdiener inEmpfanggenommen undanstatt nach Thekla’s

«Lehrzimmer,nachdemSalon geleitet. Schondasmachte ihn stutzen,alseraberdie Gräfin erblickte,dieihmmitdemcorpus delicti in derHand entgegen trat,ward ihm rechtübel zuMuthe.

»HerrKrämer«begannMarianne mitgepreßterStimme—— ,,esist unwürdigvon Ihnen..Ihre hohe Erregung hinderte sie fortzufahren,undderburschikosejunge Mann unddieruhige, weltgewandte Frau standeneinander fassungslosgegenüber.

Erwars’s, derseineGeistesgegenwart zuerstwiedergewann.

»Frau Gräfin«, sagteer, aufdasBlatt deutend,dassie frühervorihmempor- gehaltenunddasjetztinihrerherabgesunkenenRechten zitterte »NehmenSie’snicht übel, Frau Gräfin.DasComtesserl istimmerso schönrothwordenwenn ich gekommen bin,undso hab’ ichmirhalteinenSpaß gemacht.EinenschlechtenGedankenhab’ ich dabeinichtgehabt. NehmenSiemir’snicht übel«, wiederholteertreuherzig.

Marianne sah ihnanundzumerstenMale fielesihr auf, daß HerrKrämerein hübscherMenschwar, mitgewinnenden Augenund mitossenem Gesichte.Das ihre verfinsterte sichimmermehrundnacheinerneuen peinlichen Pause sprach sie: »Meine Tochternimmt vonheuteankeinenUnterrichtim Malen mehr..

Erfielihr raschinsWort. »Das ist gescheidt!denn,wissen Sie,Frau Gräsin, Talent hat siegarkein’s. Esist schad’um dieZeit. Jch hätt’Jhnen daseigentlich schon lang’ sagen sollen,aberich hab’mirhalt gedacht,beiJhres Gleichenkommtesja nicht daraufan.«

SogroßerUnbefangenheit gegenübererlangteMarianne wenigstens scheinbar

ihren Gleichmuthwieder. Mit einigenkaltverabschiedendenWorten reichte sie HerrnKrämerseine Zeichnungsvorlage, von derThekla’s »Ja« sorgsam weggetilgt worden war,undeinwohlgefülltesEouvertH

Dem Maler schoßdasBlutinsGesicht;ersenkteeinigeSekunden langden Blick ausdasinhaltreiche Päckcheninseinen Händenundsagtedann: ,,Schauen Sie,Frau Gräsin,daskannich nicht annehmen... Dashab’ ich NichtVerdient.«Resolut legte

erdasGeldaufdenTisch,bat»demComtesserl«einenGrußvonihm auszurichtenund ging seiner Wege.

Hätte HerrKrämernicht so großeEilegehabtdenPlatzzuräumen,undsichin der Thür umgewandt, ihmwürdeein AnblickzuTheil geworden sein dessensichNiemand aus dernächstenUmgebungderGräfin rühmenkonnte.ErhättedieFrau, dieman empfindungslosnannte, dastehen gesehen, bebend, gebeugt,dasGesichtvonThränen überströmt.

·

Abends hatteMadame Dümesnilwiegewöhnlichdieaus demTheaterkommenden Damen mitdemTheeerwartet. Marianne tratvordenPfeilerspiegelum ihre Coiffüre abzunehmen.Siestand abgewandtvonihrer Tochter,diesichin einenFauteuilnieder-

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BuchdemFade. 367 gelassen hatte,undaufderenGesichtdasLichtdervon einemSchirme halbbedeckten Lampe fiel. Jeden Zug, jede Bewegungdesselbenkonnte Marianne deutlichim Spiegelsehen.

Nach einigen Bemerkungenüber dieheutigen Vorstellung, sprachdieGräfinin gleichgiltigemTone: ,,Unteranderem: derZeichenlehrerhat abgedankt.Ergedenkt nicht länger feine Zeitmitunserer Theklazu verlieren ... Ermeint,duhättestkeinTalent, armes Kind.«

Thekla’sAugen sprühtenhelle Zornesfunken,dieRöthedesUnwillens flammte auf ilJrenWangen;ihrezuckendenLippen öffnetensichwie zurascher Antwort, aber sie schwieg.SiewarfdenKopfmit einerstolzen Bewegungin den Nacken und schwieg.

NacheinerkleinenWeilewar Marianne mitihrer Coiffürezu Stande gekommen, setztesichandenTischundließ sichmitMadame Dümesnil in einelebhafte Erörterung derneuen Kleidermoden ein,anwelcher Thekla nichttheilnahm.

Das jungeMädchenbefandsich zwei Tage langinempörter Stimmung, dann verfiel sieinMelancholie,dienachabermals zwei TageneinerunbestimmtenEmpfindung Platz machte,halbGroll, halb Reue,ganzundgar: Unbehagen. Nochwaren nichtvier WocheninsLandgegangen seit HerrnKrämer’s improvisirter Liebeswerbung, alsdie kleineGräfin sich ihres so rasch ertheiltenJawortes nur nochmitEntsetzen erinnerte;

undeinhalbes Jahrhindurchkonntesievonihrem,odervon einemZeichenlehrerüber- haupt nicht sprechen hören, ohnevorSchamanSelbstmordzu denken.

Einen tiefen, ja,wieMadame Diimesnil meinte, unbegreiflich tiefen Eindruck, machtediese EpisodeimJugendleben Thekla’s, auf ihreMutter.

Das kleineEreigniß,esistnichtanders möglich, mußdieGräfinzu einemRück- blick inihre eigene Vergangenheit veranlaßt, muß schmerzlicheErinnerungeninihr geweckthaben, dachtedieFranzösin.Siebesann sichjetztdeshalbvergessenenGerüchtes, Marianne habe dereinsteinenMenschen geliebt,derihrerinkeinerWeise würdig gewesen sei;einenMann von vielemGeiste, scharfemVerstande,aberzweifelhaftem Rufe,derdiePhantasiedesjungen Mädchenszufesseln, ihr Herzzugewinnen wußte undsich plötzlich—- sehrzur BeruhigungihrerEltern von ihr abwandte,um ein mitOstentationzurSchau getragenes Berhältnißmiteiner stadtkundigen Schönheit einzugehen.EsgabLeute diebehaupteten, vielleicht ohneesselbstzuglauben,die Gräfin habe ihre Neigung für HansvonRothenburgniemals ganzüberwunden. Diese schlechtbelohnteLiebehabe ZeitundEntfernung, habeMariannens Ehemiteinem ehrenwerthenManne überdauert unddeneinzigen Schatten geworfen,derjemalsin ihr glücklichesDasein fiel.WasanalledemWahres sei, erfuhrdieneugierigeDümesnil nie undbliebindieser Sache aufdieGedankenangewiesen, welchesie sichselbstdarüber machte. Nahrunggab ihnen allerdingsdieUnruhe,in die Marianne durch Thekla’s kindischeHerzensverirrung versetztwurde. Soängstlichbehütetman eingeliebtes Haupt nur vorselbst ersahrenemUebel. DieGräfin stand Nachts aufundwachte stundenlang amBette ihrer schlafenden Tochter. SieführteeinestrengereKontrole dennjeüber dieBücherdieThekla las,über dieMusikstückediesie spielte,einenlebhafteren Kampf dennjegegenUeberspanntheitundSchwärmerei.Undsie mußtesichendlichsagen, daß dieser Kampf siegreichgewesenwar.

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