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Neue Monatshefte für Dichtkunst und Kritik, 1876, Bd. 3, H. 1.

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(1)

IlleueMonatghefte

f

irlxkkuuskund Krikili

Herausgegeben

Mkar Blumknthai.

Dritter Band.

W—

VIII-ig- Ernst Zuliugs Güuthcn

1876.

HE:ME-

(2)
(3)

Mitarbeiterdesdritten Bandes-.

Th.v.d.Immer. S.175.

Knonymuz S.82.

Eduard vonBauernfeltx S.18.204.

IoskfBayer.S. 42.

ReinholdBechsteimS. 523.

cAugustBeckenS.296.377.

Michelm genueckr.S.143.464.

L.Vorzele S.80.

Ekrbetug. S.138.

Ida Christen.S. 281.

Iulius Wut-ohS.145.

Mai-jevonEbner-Eschenbach. S.413.

Eduard Engel.S.438.

Luft-ed ÆrydmamuS.221.

Emanukl GeibeL S.16.143.

Ind.Groß.S.506·

UinaGüthner.S. 507.

H.Halm-.S.73.

Ludwig Habicht. S.185.356.

Ed.vonHartmamuS.225.

S.Heller. S.59.237.423.532.

HansHer-rig.S.123.496.

I.I.Honeggkr.S.517.

shano HopfemS.40.

F.KutschenS.243.

Ed.Kierschner.S.144.

Luft-edeMar.S.172.

jerdinand KürnbergenS.97.418.473.

HerinannLinggS.294.488.

HugoXittauetu S. 327.

HieronymusForm.S.56.538.

GustavOttoMüller.S.507.

Otto tMüller.S.215.

Gottlikb Ritter. S.64.67.161.165.249.

348· 452.457.542.

P. K. Rosegger. S.508.

So.Kr.vonSchau-k. S.411.

JohannesScheu-.S.1. 125.329.

Erwin Schlichen.S.334.

Richard Schmidt-Cabanio. S.223.

Adolf Schwarz.S.358.

ID.S. Seemann. S.178.267.

W.Stachel.S.76.361.

Fä. Thrauknfeld.S. 515.

wilhelsninc Gräsin wichenburg.S.506.

Ernst MicherLS.206.

Karlwart-mann. S.77.415.

(4)
(5)

Ynlgalts-Berzeirigniss.

Dramatischegk

Bauernseldt Diereiche Erbin LustspielinzweiAkten Bauernfeld: JmAlter. HäuslicheScenen nachOctaveFeuillet Hermann Lingg: Clytia Lustspielin einemAkt

Uovrlliftischkg.

Johannes Scherr: DerOrdnungsfanatiker Ferdinand KürnbergerFDieKinderderVornehmen Cerberus: DerartistischeDirektor Ludwig Habicht: AusderDauphinåe Otto Müller: DerFlohdesKaisers AdaChristen: EinNovellenstofs AugustBecker: Maler Schönbart . . .

Ferdinand Kürnberger: DieLastdesSchweigens HansHerrig: EinFrühlingsmärchen P.K.Rosegger: Mitten unter Sündern

glyrischkz

Emanuel Geibel: Sprüche

Hans Hopfen: DasHaarimBuche.

Hans Herrig: DerElephant Emanuel Geibel: Ferien Wilhelm Bennecke: Unabwendbar

Oscar Blumenthal: EinemKlagenden

Ed.Kierschner: ZweiBrüder ·

Alfred Frydmann: LeichtsinnigeLieder Richard Schmidt-Cabauis: ZoorykischeEkgüsse Hermann Lingg: Gedichte

296. Seite

18 204 488

97 138 185 215 281 377 473 496 508

16

123 143 143 144 144 221 223 294

(6)

VI

HugoLittauer:"Epigramme

Ad.Fr.vonSchack: Eros . .

Karl Woermann: EinesWinters Wehe . . .

Ferdinand Groß:DasGlück. (Nach EdgarAllanPos) Wilhelmine Gräfin Wickenburg: Sommerträume · .

Gustav Otto Müller: SchweigenderGeliebten. (Nach Lamartine).

Nina Güthner: DerBrief A.Thrauenfeld: Sinn undUnsinn

Bei-mischteLussålze

Josef Bayer: DerStoffkreisdesmodernen französischenDramas Hieronymus Lorm:Leopold Kompert. S.Heller: Paul Lindau’s Tante Therese. . Gottlieb Ritter: Pariser TheaterbriefeundProbeseenen:

l. Theodor Barriere (,,Lescandale (I’hie1-«). II. AlexandreDumas (,,Les DanielIetk«) 111. Paul Feval (,,Bellerose«) . 1V. EmileAugier (,,Ma.dame Caverlet«). V. Alexandre Dumas (,,L’Etrangere«) VI. AdolpheVelot(,,Miss Multon«) VIL LouisDavhl (,,Lesvieuxamis) . VlIL AugierundLabiche («.,l«ePrixMartin«) IX. HennequinundDelaeour . . . . S.Haber: DieKunst, Theaterkritikenzulesen Anonymus: Grabbe’s Hohenstaufen aufderBühne. Johannes Scherr: KarlGutzkow.Einliterarischer Dialog Julius Duboc: Bürger-s Charakterinseinem Liebesleben . Alfred Klar: Zur Scheffelfeier. . . . . . . . Ed.v onHartmann: UeberdieVerlogenheitdes modernen Lebens S.Heller: RobertHamerlingalsRomaneier L.Kutscher: Heinrich HeineunddieenglischeKritik Johannes Scherr: FerdinandFreiligrath Erwin Schlieben: ZurTheoriedesRomans Ludwig Habicht: Literarische Notizblätter Adolf Schwarz: UeberRegiestriche

Marie v.Ebner-Eschenbach: Aphorismen . .

Ferdinand Kürnberger: DieBlumen desZeitungsstils S.Heller: DieklassischenLyriker Deutschlands Eduard Engel: Das JubiläumeinerSage J. J.Honegger: ZurfranzösischenKuriurgeschichte Reinhold Bechstein: DieNibelungenin derneueren Dichtung S.Heller: Adolf Wilbrandt’s Glückswege. HieronymusLorm: Bulwer’snachgelasseneRomane

56 59

64 67 161 165 249 348 452 457 542 73 82 125 145 172 225 237 243 329 334 356 358 413 418 423 438 517 523 532 538

(7)

VII

Kritikm

Seite

W.Stachel: Bücherdramen . . . . . . . 76

Karl Woermann: Jordan’s»Odyssee-Uebersetzung« 77

A.Boczeck:Franle »TragischeKönige« . . . 80

Oscar Blumenthal: O.F. Gensichen’s,,Spielmannsweisen«. 86

Th.v.d. Ammer: A.F.v.Schack’s,,Pisaner« . . . . . 175

Oscar Blumenthal: Edm.Höfer’s,,Literaturgeschichtefür Frauen-« 178

O.S.Seemann: Ernst Wicherks Roman»Das grüne Thor« 178

Hans H errig: »Die ZukunftdesdeutschenTheaters«. 263

Oscar Blumenthal: ,,PsychologischeBeobachtungen-« «267

W.Stachel: »Sammlung deutscher Bühnenwerke« 361

O scar Blumenthal: Hugo Bürger’s,,Dramen« , · 362

Oscar Blumenthal: Hans Herrig’s,,Kurprinz« · » · 363

A. St...:H. Presber’sNovelle »Rudolph« · · · · 363

Wilhelm Bennecke: FaustinWeimar . . . . . ·, 464

Oscar Blumenthal: Böttcher’s ,,Deutsche Dichterhelden«. . 551

Oscar Blumenthal: Hopfen’s »StreitfragenundErinnerungen« ·522

eIlntilwitifchrize

Ernst WichertgegenO.S.Seemann 266

O. S.Seemann gegenErnstWichert 267

Misckllm

Preisvertheilung . . . . . . . 87

EinWortüberShakespaere’sKönigsdramen. 87

EineVerstümmelungvonUrielAkosta. . · · · · 82

BlüthendesUnsinns . . . . . . 87· 180·365

Welche Stückediebesten Einnahmen ergeben. 88

UeberFerdinandKürnberger 88

EindrolligerBegleitbrief 88

Wieman Erfolg erreicht. . · · · · · · · · 88

Oscar Blumenthal: Epigramme ·88· 180· 467

VonHerrn Wehrenpfennig. . . · 179

anuisitionsrichter für Pessimisten 179

SchriftenvonErwinSchlieben 209

Ultramontanes Theater . · 269

,,simpljciusSimplicissimuSJ 270

ReceptzuFrühlingsliedern. . . .· · 365

EinTheaterscherz . . 366

Robert SchumannüberElisabethKulmann . . .466

HieronymusLormüber dasTodschweigen. 466

EinEpigrammvonKurt Mook 555

NaiveTaktlosigkeiten.. 555

(8)

VIIl

»Seite

UnsinnvonJulianSchmidt 555

Deutscher Amtsstil. 555

Lyrische Perle 555

Moderne Marterinstrumente 555

Ausdem»Journal amusant.«. 556

Oscar Blumenthal: Nordseebild 556

Reporter-Arbeit. 556

KleineLesefrüchte 556

(9)

876. X VE-

XX

«

NeueMonatslie

für

» YiclgtkunstUndZkritikx» sz Herausgegeben

Ostia-: Blumenthai.

III·Bund. Heft1.

Leipzig- Ernøt Julius Gärtchen-.

(10)

Januar 1876. ;-.

Inhalt

Der DronungofanatiknnNovellevonJohannes ScheVV Sprüche.VonEmanuel Geibel.

Die reicheErbin LustspielvonBauernfeld.

Das HaarimBucht-.VonHans Hopfen

Der Stoffkreisdeg- modernen französischenDramao VonJosephBayer.

LeopoldKomper VonHieronymus Lorm Paul gliitdau’oTantcTherkseVonS.Heller. . Pariser Theaterliriefr.VonGottlieb Ritter.

Die Kunst Theater-kritikozulesen.VonS.Haber.

cFeritisehcRundblickk . . . . gücherdramewVonW.Stachel.

EineneueJodysseeJilebersetzungVonKarlWo ermann.

Tragiskhc Dichter-.VonA. Boezek.

Embka Hohenstaufen aufderBühne.

»Meine Bücher-schuldVonOsear Blu1nenthal.

cKlio-retten

Die,,H«IcuenMonate-hefte«erscheinenregelmäßigamEndejedesEllionats imUmfangvon5—6Bogen Lex.eleg. geh.

DerZahrgnng bestehtans2ZäudenZuje6Yeftmn

Seite

Preispro Band 6Marte;proQuartal 3Mark; proHeft1 Mark.

AlleBuchhandlungen undPostanstaltennehmen Beste-klungenan.

(11)

DerOrdnunggknnntiken 1

DerBrdnungøsanatikcn

Ein Kapitel ans de1n,,Wanderbuch «.

VonJohannes Sehen-.

li.

Der ehrenwerthe Langalibalele, Kassernhäuptlinga.D.,gab einesTageseinem englischen Missionär auf dessen Frage,wasfür anszeichnendeMerkmale er,Lange-libe- lele,andenEngländern wahrgenommen hätte,zur Antwort: ,,Augen,die allessehen,·

undHände,die allesnehmenwollen«

Dieseunzweifelhaft beste Charakteristikder,,hochherzigen«Briten kammirzu Sinne,alsich,vonderaltenTaminabrückeherdieGassezumHof Ragaz heranfgehend, diescholl gewohnteSchaarVDUNeugierigenVordem,,Chalet«rechter Hand aufder Lauer stehen sah. Richtig fehltendenn auchinersterLinienichtdielanggestreckteu Hälse verschiedenerTraveller-Books inHosenunddievorquellendenGlotzaugendiverser Prayer-Booksin Unterröcken. Doch muß ich sagen, daßeineerklecklicheAnzahlvon Nasen, die dafindwie»derThurmDavids, sogenDamaskus schaut«,ausderGaffer- reihehervorragtenunddaßinmittenderselben,derGafferreihe nämlich,nichtderNasen, wenigstenseinHalbdutzend RosenvonSaron blühten,soin WienoderBerlin gewachsen

waren. s

Maßennun mir,alseinemaltfränkischenMenschen,erlaubt sein muß,dieRose allenuenmodischenTreibhausblumenzumTrotz nochimmer alsdieKöniginder Blumen zuverehren,undmaßenich fernerweitfür dieRosenspeeiesvonSaron eine allemJudo- germanenthumhohnsprechendeVorliebe hege, so mischteich mich, umdie besagtenThürme Davidsherumlavirend,unterdiemehrbesagtenRosen.DieWahrheitzugestehen,siehatten jetzokeinLächelnfür mich,wiesieesdoch auch schongehabt. Wahrscheinlichsahen sie michgarnicht,dennihre Augen, jaundauch ihreSeelen ich glaubte nämlichUnd glaube noch, daß siesolche »ausderWissenschaftlängsthinausgeworfene«Dinger befaßen waren andasChaletda drübenfestgeleimt.

Eslohnte sichaberauchderMühe,dennunter demDachedes kleinenHolzhausess haustezurStunde einrares Trifolinm:—- eineweggejagte Kaiserin,dieDonna Eugenia,einweggewunkener Kardinal,derPrinzvon H. Sch.Undeinweggeschjckter SchwiegersphndesKhedivevonAegypten, Mnftapha Sadyk Pascha.

us.1. 1

(12)

2 Denk Monats-hättfürYichtknnetnnd Kritik

DerPaschawar ein nettes Kerlchenmit einemBäuchleinimerstenStadium und einemverbindlichen Lächeln.DieungeschriebeneBadchronik erzählte,derguteTürke langweilte sichwie derletztederMöpseundfändediesämmtlichenanwesendenDamen zuschlank. ,,Zu schlank?«rief Herr S»derBeherrschervonRagaz, erschrockenaus

»Unddoch habenwir imQuellenhofeineFranzösin,welchesichnur seitlingszurThüre desSpeifefaals hineinzwängenkann,und eineMecklenburgerin,unter welcher schon dreiBettgestellezusammengebrochensind.«DerHerrKardinal war leidendundging

anKrückstöcken.KeinWunder also,daßer mitder rückwärts dieJahrhunderte- bis zumelstcn, hinaufstürmendenKirchenicht mehr recht hatte Schritt haltenkönnen.Was dieKaiserinanging- spwar sieeben nur nocheinegemalte,undzwar eine mit dick- aufgetragenen Farben gemalte.DieBadchronik sagte ihr nach, sie seivoretlichen Tagen Über einen ihr begegnendenHerrnaus Berlin, welcherdemverflossenen Verhuell wirklich täuschendähnelte,so erschrocken,daß ihrein Stückgemalter Wange abgefallen Verhuellius Nasoredivivus dagegen behauptete,vomErschreckenhabeernichts bemerkt, wohlaberhättedie Donna eineBewegung gemacht,alswolltesiedemDoppelgänger ihreshöchstsekigenGemahlsumdenHals fallen.

Wasmich angeht, so muß ich gestehen, daß michweder wirkliche, noch gemalte Kaiserinnen,wederKardinäle noch Paschas sehr interessiren. Wohlaberthatdiesein hagerer Mann, der, soerstand, ungewöhnlichlang sein mußte,einMannmitweißen Haarenundeinemgrauen Bart, vordenAugen blaue,runde Brillengläservon un-

gewöhnlicherGröße,darunter einesogenannteKartoffelnaseundeindünnlippiger,an den Winkeln sardonisch niedergekrümmterMund, aufdemKopfeinStrohhut, dessen Krämpevon einerBreite,wiemirnochnievorgekommen. Diese Figursaß aufeinein Feldstuhl,hieltmitder linkenHandeinengrüngefüttertenSonnenschirmüberbesagten Strohhutempor und lenkte mit derrechteneinen kleinenTubus, welcheraneinem in die ErdegeranntenStockfestgeschraubtwar. DaßderHerrund LenkerdiesesTubusans dasChalet jenseitsderStraße vigilirte, brauch’ichnicht ausdrücklichzusagen.Aber michgaudirtendieUmständlichkeit,derApparat,derForschererust,womitdesMannes Neugier verfuhr. Hatte ichdaeinenletzten Mohikanervormir,einesderletztenOri- ginale, welchein der breitenVerflachung modernster Mittelmäßigkeitund Uniformität mehrundmehrverschwinden?Werwar derManns?DasalteliebeNest Ragaz hat fich, nichteben zur Freudevon jedermann,zum ,,Weltbad«verwandelt undman begegnet dort alljährlichabsonderlichen Figurengenug. Aber einewie derMann vom Feld- stuhlundTubus,dersich geschwindeinObservatorium eingerichtethatte, istdoch»auch

imRagazvonheuteeineexotischePflanzeundverlohnt wohlderMühederBeobachtung.

Schade, dacht’ich, daßder Amadeus Hoffmann nicht mehrlebt oder derEdgar Poe.

Derda tvärefür diesenoderjeneneingefundener Fraß.

Dasmehroderwenigerzuverehrende Publikumverlor sich allgemach,da weder dieWeggejagteKaiserin nochderweggewunkeneKardinal sichzuzeigen geruhteundes doch Uachgeradelangweiligwurde,denrothen FezdesPascha’sanzugafsen, welcherüber derBalUstradeder Veranda rechts sichtbarwar. Zuletztwaren nur noch unser zwei da:derTubusmann,welcher seine Beobachtung fortsetzte,undmeineeigene liebwerthe Person«»WelchedenhartnäckigenBeobachter beobachtete.

Beideerreichtenwirschließlichunsern Zweck:er,indemerMadonna Eugenieund

«

denPrinzen-Kardinal kurz nacheinander aus demHolzhausetreten sah; ich,indem

(13)

VerOrdnungzkunatiken 3 ichZeugedergeometrischenRegelrichtigkeitfein durfte,womitderVigilator sein Observa- toriumabbrach.

Das gingalles so gemessen,alsgältees, mitder bekannten ,,Harmonieder Sphären«Taktznhalten. Schondie Artseines Ausstehens zeigtedenMann, welcher nie einenFußvor den andern setzte, ohne daßersichzuvor genauvergewisserthätte, wohinerträte. AlssichdielangedürreGestaltzuihrervollen Höheauseinander- geschobenhatte, galtesvorallem,klarzusehen.Es wurde daherdieBrillesachtevon derKartoffelnasegenommen nndwurdendiegroßenrunden blauen Gläsermit einem aus derrechten Westentaschegezogenen Lappen weichenLedersnachdrücklichabgerieben.

NachdemLederlappenundBrille wieder an ihrenOrten waren, gingesandasGe- schäftdesAufräumens, ohne Hast,aberauch ohne Rast. Zunächstwurde derTubus losgeschranbt,zusanunengeschoben,miteinemgroßen rothseidenen Taschentuchumund überabgewischtundin eine lederneKapselverschlossen,welchezuvorsorgsam ausgeblasen unddannbehutsam aufdenFeldstuhl niedergelegtward. Hieran gingesandenStock, deralsTubnsgestell gedient hatte, beinäherer Bekanntschaftaberals einwahres Wunder, sozusagenalseinKompendinmoderKonversationslexikouvon Stocksich auswies. Osfenbarwar erderStolzunddie FreudeseinesglücklichenBesitzers.Das konnteman demWohlgefallenabmer"ken, womiterdieverschiedenen Federndeskompli- cirten Möbels spielen ließ,um diezahlreichenMetamorphosen aufzuzeigen, welcheden Stocknachundnachalsordinären Spazierstock,alsramassirten Vergstock,alsRegen- schirm,alsHacken,alsSteinhammer,alsStilet,alsLichtscheere,alsLesepult,alsKork- zieher,alsTrinkbecher,alsSteinmeisen,alsSchreibzeugundnochalssonstallerhand zumVorscheinkommenließen. Jchwürdemich zuletzt wahrhaftig nicht mehr gewundert haben,wenn sichdasvexirlicheDing auch nochalsLandtagsredneroderReichstags- schweigerentpuppt hätte.

DerMann konntemirdienuverhohlenste Bewunderungunddiereinste, menschen- briiderlichsteTheilnahme leichtvom Gesichtelesennndsagte daher, auf seinenwiederin alltägliche Rohrgestalt gebrachtenStockdeutend: »Das Resultat fünfjähriger theo- retischerStudien nnd dreijähriger praktischerKonstruktionsversuche. Ja,meinHerr, mitGenieundOrdnung bringtman doch etzlichesOrdentlichezuwegeauf dieser unserer unordentlichenErde.«

i

Damit lehnteer denWunderstock vorsichtiganeinenPlatanenstamm, schnalltedie Tubuskapselan einenbreiten Riemen,welcher ihmwieein Bandelier vonderrechten Schulter herabhing, nahmdenFeldstuhl auf, machtedaran herum,bis-derselbezu einem winzigenVolumen zusammengeschobenundeingeklapptwar,undschnalltedasDing,in welchemjetztkeinMenscheinenStuhl-hättevermuthen können,ebenfallsanden Riemen.

Hierauf nahmersein StockkompendinmzurHand, stießdieSpitze leicht aufdenBoden nndsagtemit demVollbewußtseinwohlgethanerArbeit: ,,Alles inOrdnnngl Kardinal, Pascha, Exkaiserin abgemacht,in allerOrdnung.«

,,Heil’geOrdnung, segensreichestimmte ich bei,dieSchillerglockeläutend.

»Ja,meinHerr,dasistdasgescheidesteWort, welchesderunsterblicheMarbacher vonsichgegeben hat. Um daszukönnen, mußteerselberein Mann derOrdnungsein- llnddaswar erauch,wiesein jetzo gedruckter Schreibkalender ausweist. Leidersind feineAbfiihrpillenrechnungennoch nicht veröffentlicht Jtem leider auch noch nicht Goethc’sRheinweinrechnungeu,wieuns ebensodergedruckteJJtachweisfehlt,wie viele

1Ol-

(14)

4 Den-:Monat-hellefürYirhthunstundgiritiln

FidibusdemJohann Heinrich Voß seine sorgsolnc Hausfrau Ernestine gedreht habe. Jch mußaberzugeben, daß doch allmälig Ordnunginunsere Literarhistoriekommt. Aufdie- exakte Forschung muß sie basirt sein.Nur dadurch fällt Lichtin dasChaos.Erstwenn esgelungen sein wird,dasVerhältnißvon Goethe’s Verdauungzuseiner dichterischen Produktion unanfechtbar klarzustellen,kannMan daran denken,dasVerhältnißdes- erften TheilsvomFaustzumzweiten richtigzubemessen.GlücklicherWeiseleben nnd- strebendermalen Männer,welche wissen, daßdiesogenanntenMinutien undLappalien eigentlichdasWichtigste sind. JchkenneeinenLeipziger Magister, welcherdenwissen- schaftlichenBeweisgebrachthat, daßdiewahreLiteratur d iesei, welcheman schnöder- weisediePapier-korbliteraturznnennen pflegt. Jchkenneeinenandern ditoLeipziger- Alexandriner, welcher demnächsteinvon derliebenKameradschaftmitRecht schonzum voraus alsepochemachendssignalisirtesWerkedirenwird, dessenTitel lautet: »Die Wäschezettelunserer KlassikerundRomantiker alsAkten- undUrkundensammlungzu einer indnktiv-wissenschaftlichznschreibendenGeschichtederdeutschenLiteratur des 18.und19.Jahrhunderts.« Jchkenneeinen drittenabermalen Leipziger Byzantiner, welcherdie,,diplomatische«GeschichtschreibnngaufdenGipfelderVollendung führen wird. Er hat nämlichdieverschiedenenSorten Tabak,welcheFriedrichder Große nachundnach schuupfte,zumGegenstandeseiner »grnndlegenden«Forschungen gemacht,

umdenNachweiszuführen,welcheEinfliisse Rapp6e, PariseroderDoppelmops aufdie- Gehirnnerven besagten Friedrich’sundfolglich aufdieGeschickederMenschheitgehabt haben. Sehen Sie,meinHerr,dasist echte Wissenschastlichkeit,gesunder Realismus, gediegene Exaktität. HaßnndKrieg jeder Unordnung! Esist unglaublich,was diese zuunserer Zeit fürUnheilanstiftet. Hat sich nicht neulichEinererfrecht,ein ganzes Bnch hindurch beharrlich Göthe statt Goethe G.o.e.th.e -,— zuschreiben? Ja, so hater. ZumGlückhatman ihmmit demSchnlmeisterbakeltüchtigaufdieFinger geklopft. ,,Göthe«,was? ZwaristesBlödsinu,imDeutschendieDiphthongenä, ö,ii mitae,oe,nezuschreiben, ich geb’eszu,nndGoethe selbstwürdesichwohl heutzutage dascin dererstenSilbeseinesNamens ersparenundsichauch nicht mehr »Geheimbdc- Rath« unterzeichnenzallein dieSchreibweise G.o.e.th.e isteinmal alsordnungs- mäßiganerkannt uud nur AnarchistenundRebellen sind dahergottlosgenug, dase inder erstenSilbe wegzulassen. Ordnungmnß sein,imGroßennnd Größten,im Kleinen nndKleinsten«...

Erhielt erschöpftinne,undschnapptenach Luft.

»AufErdenundamHimmel,«ergänzteich anf’s GerathewohldenSatz.

»Am Himmel? Hm, hat sichwas damit!«sagteermitniedergeknissenenMund- winkelu. Zugleich ließerans seinem erhobenenStockdieLichtscheerehervorgncken, alswollt’erdamitgeschwindetliche ,,anarchische«Sterne da droben anspntzen. ,,Wissen Sie,amsogenannten Himmel ist auchkeinerechte Ordnung. Sonsthätteman jaden unordeutlichenLebenswandel derKometenschonlange nicht mehr gednldet. Unddann diesesVorübergehender Venus vorderSonnenscheibe,wassagenSiedazn?Jstdas in derO1·d1"IIIg?DieVenus soll hübschordentlichunter odermeinetwegenüber der Sonne dahingehen,abernichtquervorJhro allerhöchstenNasevorüber. Dasheißtja dol« Sonne soznsageneinSchnippchenschlagennndistwiderallenRespekt-WiderAlles- Dekorum, wideralleOrdnung.«

SoW«cch(’11d-schoßerVonmirweg wirwaren derweil indenHof Ragazund

(15)

Eier Grünnngnfanntilirr.

imrechten Flügelbis insersteStockwerkgelangt—- undfuhrwie der Windaufeinen im Korridor stehenden Tischzu;anwelchem,wieesschien,etwas nichtinOrdnung sein mußte.

»Da habenwireswiedert«murmelte er undfuhr langsammitderSpitzedes Zeigksingersüber dieTischp"latte,bisanfdernicht abgestaubtenFlächeinFrakturbnch- staben»Staub!«zulesenwar.

»So sinddie Weibs·leute!«brummte derBesitzerdesWunderftoekes. ,,KönneltSie esfür möglichhalten, daß ich schon gestern auf dieselbeTischplatte denselbenOrdnungs- ruf geschriebenhabe? Umsonst!«

Undmittemperirter Energie seinen vielseitigen,aberrücksichtsvollzubehandelnden Stockaufdieerste StufederTreppezumzweitenStockwerksetzend,fuhr erfort:,,Sagen Sie, meinlieber Herr,ist Jhnen jemalseinweibliches Wesen vorgekommen, Kind, Mädchen,Frau, Greisin, welches jemalenmittels Ermahnung, Güte, Ernst, Listoder Gewaltzuvermögen gewesenwäre, eineThürklinkeganzinsSchloßzudrücken oder einen Fensterriegelganzzuzudrehen

»Nein;dieWahrheitzusagen, soeinweibliches Wesen istmirnoch nichtvorge- kommen«

»NichtwahrfuhrermitfrohlockendemLachen fort. »Oh,wenn Siewüßten, welche Mühe,welche unsäglicheMühe ichmirjahrelang gegeben,meinenFrauenzimmern daheimdieThürklinken-undFensterriegelordnung beizubringen. Rein umsonst!Aber wissen Sie,wieichbei mir zuHausedasnnordentliche Gezieser bestrafe?Wo icheine Thürenur angelehnt,woicheinFensternur halbgeschlossenfinde, hebe ich sofortdie ThüreoderdenFensterflügelausdenAngelnundstelle sie feitlängsandieWand.

DasverursachtdenDamen hübschAergcrnndArbeit,namentlichim Winter-.Ordnung muß fein, sag’ ich.Aber istdasdaOrdnung,wie?«

Und mitsittlicher Entriistungwieser aufeineStufenfolgevon frischen Milch- -fleckenhin, welchesichdieTreppehinaufzog.Einmit demFrühstücksapparatdieTreppe hinauf-oderherabgeeiltes ZimmermädchenmußtedenMilchtopf nicht ,,ordentlich«im Auge behalten haben.

Wasthatnun meinOrdnungsfauatiker? Etwas,das ich nochniegesehen hatte.

Er zognämlicheiu StückKreideaus derTascheund zeichnetedamit Treppenstufe für Treppenstufeum jedenderverfchüttetenMilchtropfen hereinensauberenKreis.

,,Sehen Sie,« sagteer,»dies istdie ArtundWeise,wieich daheimbeimir meine Frauenzimmeraufderartige VerstößegegenallesScham-undSchicklichkeitsgefühl,die sienatürlich nichtvonsichaus sehenund korrigiren würden, aufmerksam mache. Oh, Unordnung,-deinNameistWeib!«

Il.

Jchbeeiltemich,meiner ans demBade gekommenenReisegefährtinvondemkost- baren Funde zuerzählen, welchen ich soeben gemacht.Allein dieGute war vondem Tubusmanu nndStanbfeindvielwenigererbautalsich.

,,UnstreitigeinPrachtexemplarvon Haustyrami,«meinte sie. »SoeinTöpfe- guckerundStaublappemvütherich!Micherbarmen nur seine»,,Frauenzimmerdaheim««.

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ihnen entschlüpftist. Sie werden sich daher gewiß nicht wundern, daß ich so lange als möglich von dort fern bleibe und die Absicht habe, nicht vor dem Spätherbst

Jn den Brieer an seinen Freund Karl Mayer schreibt Lenau einmal: ,,Jn Amerika werden der Liebe leise die Adern geöffnet und sie ver- blutet ungesehen.« Und so wissen wir auch, wie

gedeihen, der all’ seine abgedanktenMaitressen in Wachs nachbilden läßt und in diesem ,,Museum«sein Leben verbringt und endet? Wo anders als im verkirchlichten Süd- spanien die

Was speciell den für uns wirklich letalen Ultramontanismus betrifft, so kann ja weder bei Mickiewicz, noch bei Slowacki von diesem die Rede sein, er war zu jener Zeit wenig expansiv

Bald sind es hundert Jahre, daß Voß mit seiner metrischen Uebersetzung der Odyssee hervortrat, und damit der Nation ein Werk von hohem Werthe bot. Mit dem Erstarken der

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