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Neue Monatshefte für Dichtkunst und Kritik, 1876, Bd. 3, H. 4.

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Academic year: 2021

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Herausgegeben

Oscar Mumenthai.

III.Band.Heft4.

LeipZigi Ernst Julius Günther.

(2)

: April1876.---——

Inhalt

Seite

EinUnveltenstojs ErzählungvonAdaChristen . 281

GedichtevonHermann Lingg . . . . . 294

Maler SchönhanNovellevonAugustBecken 296

Epigramme VonHugo Littauer . 327

jreiligratn VonJohannes Schere . . . . . . . · 329 Kur Theorieden Uomano PreissehriftVonErwin Schlieben 334

Pariser Theater-briefe.VonGottlieb Ritter. . 348

jitckarischcnotizvniner.VonLudwigHabicht. . 356

UeberRegiestricheVonAdolf Schwarz. 358

WritischeRundblikke . . . . . . . . . . . 361

Sammlung deutscher zZiihnenmerkeVonW.Stachel- Fsleineisücherfchmn

«

Migkellcn. . 365

Die,,"—·tleuenMonatghefte« erscheinenregelmäßigamEndejedesMonats imUmfangvon5—6Bogen Lex. eleg. geh.

Bei-«Jahrgang bestehtans2WändenZuje6Yeftem Preispro Band 6Mart-Hpro QuartalZ Mark; proHeft1 Mark.

Alle Buchhandlungenund Postanstaltennehmen Bestellungenan.

(3)

EinForellen-statt 281

Ein Uovcüensjosk

Erz ählung.

VonAdaChristen.

DerRegen floßin Strömen über diehohenSpiegelscheibendes kleinenhalbdunklen Lesezimmers, welchesdasletzte Gemacheinesweitläufigen vornehmen Kaffeehauseswar.

NuraufdengroßenLesetisch,wobuntdurcheinander ZeitungenausallerHerrenLänder lagen, fielderrunde,scharf abgegrenzte LichtscheinderHängelampe.EineinzigerMensch saßin dertiefenFensternischeundverfolgtemit demgroßensorgsam gepflegten Nagel seines Zeigefingers aufderJnnenseite derScheibedieschmalen Regenrinnen,diesich ausder Außenseitebildeten. ObwohldasGlasWindundRegen abhielt, so frösteltederjunge Mann dochzusammen,wenn plötzlichdieschwerenRegentropsen,vomSturm herüber- geworfenandieScheibeklatschten;sobaldaber das trübeWasser ruhig herablief,ver- folgteermitdemNagelwiedergedankenlosdiebeweglicheStraße.Dabeinagteeran derUnterlippeundschauteso unablässigausdashoheDachdesgegenüberliegendenHauses, alsobfür ihnnur diesabgespülteHausdach ausderWelt wär.

Ein kleinerpudelnasser Junge, derdraußen durchdiestilleHintergasse daherlief, bliebüberraschtstehenundglotzteverwundert in dashäßlicheGesicht,dasmitseineran derScheibe plattgedrücktenNasekaumschönerwurde,alsesinseinernormalen Form war. Die vollendunkelrothenLippenklebtenweitgeöffnetandemGlaseund derBursche draußenstrecktelachendeinenFingeraus, alsoberden Träumer hinterdemSpiegel- fensterin denMundfahren wollte,imselbenAugenblickeaberklapptendiegroßenweißen Zahnreihenzusammenund derJunge zogerschrockenaufschreienddieHand zurück, währendder Mann drinnen laut auslachte!

Dieses kindischeZwischenspielmochteersrischendausdenPoeten gewirkt haben,denn erstrich seinen kurzen rothbraunenVollbart zurecht,nahm seiu Taschenbuchherausund schriebrasch,ohne sichweiterumWindund Wetter zu kümmern. Miteinenmaleaber stießereinenderbenFluchausundschleudertedasTaschenbuchweitvonsich, sodaßes zU denFüßeneinesschlankenMannes,welcherebeneintrat,niederfiel.

»Zusall?« fragtederEintretende,undnahmdasBuch aus.

»Nein, Absichtl«wetterte derAndere,,,natürlichsolltedaskein WillkommfürSie sein....BittesetzenSiesichhierherzumir,damitichallemeinenutzlosenGedanken los« werde.«

,,Mich dünkt,diesindSielos,halte ich sie nicht hierinmeinerHand?«Erreichte dasTaschenbuchdemEigenthümerhin.

IIt. 4. 19

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282 Reue Monats-bestefürYirlgtlmnstundKritik

,,Oh dieseGedanken! lächerlich!SeitzweiStunden sitzeichhier,trinkeschwarzen Kasse,wieGift so starkunddabeibalgeich michmiteinemnichtsnutzigen Novellenstoff herum, daß michschondieSchusterjungen draußenaufderStraßenarren.« Verzweifelt griffermitbeidenHändeninseinekurzgeschnittenenröthlichenHaareundriefwieder ingrimmig: ,,Oh dieserelendeStoff!«....

DerAngekommene hatte seinendunklen Regenmantel abgelegt,eineCigarrean- gebrannt,dem Diener einenkurzen Auftrag gegebenundwolltesichnun andenLesetisch setzen.DerMann inderFensternische fuchtelte indeßmitseinem Taschenbucheinder Luftherumundrief erregtscherzend:

,,SetzenSiesichdochzu mir!Sind wir darumseit Monaten getreuliche, einsame, gegeneinander nachsichtigeBesucher dieses eigentlichunheimlich-finsteren Lesezimmers, habenwiruns darum verschontmitviel Rede undAntwort,unduns freundschaftlichdie Zeitungen zugeschoben,welcheJedervonunsindemselbenAugenblickeamliebsten gelesen hätte? Solche Opfer bringtman nur werthen, sehr werthen....hm....Bekannten! ....

Ja ja....Bekannten!«schrieer,entzücktdarüber, rafchdasWortgefundenzuhaben, welches Denjenigen, für welchenersovielOpfermuth entwickelte, gebührendbezeichnen konnte. Amliebsten hätteerFreund gesagt,aberselbstinseiner größtenErregung fühlte er, daßesnicht gut angingdemfremdenschweigsamenManne gegenüber,wenn erihn auch seitMonaten kannteundtäglichmitihmzusammentraf.

,,Herbert, Schriftsteller«,sagteer,sichvorstellend,als derFremdevorMonaten drei Tage nacheinandermitschweigenderHöflichkeitsichihm gegenüberandenLesetischsetzte, undzuweilenmit einemforschendenBlick zuihm hinüberfah.

,,Ferdinand Schwarz«,erwiderte derFremde damals, undesklangnichtwie ein schaalesGewohnheitswort,alserdemSchriftsteller fagte, daßerihn längstausseinen Werkenkenneund:schätze.So wurdevorMonaten dieBekanntschaft geschlossen,diesich aufdastäglicheZusammentreffenandemselbenOrtebeschränkte.

Obgleich Schwarz nicht sehrvielsprach,war erdochfürdenPoeteneinvorzüglicher Gesellschafter.SeineWorte hattenGehalt, sein Schweigenwar jenesdesaufmerksamen Zuhörers,und daswußtederlebhafte, rasch angeregte Herbertzuschätzen.Auch jetzt saßerdemSchreienden,sichmitbedeutsamenGeberden Abhetzendenruhig gegenüber, hieltdenKopflauschendzur Seite geneigtundschautemitgroßensinnenden Augenin diehäßlichenbewegten Züge Herberts.

»Ich quäle mich, ich quäle Sie, ich quälesogardenBaptist!« schriedieser rücksichts- losgegendieThüre,woflüchtigdasHauptdesgenanntenDieners sichtbar wurde,und rasch verschwand,alsderAufgeregte seine HandindieselbeRichtungschwang.

Schwarz setztesichin dieFensternische,stütztefeinendunklenKopf leichtaufdieHand, bliesein paarRauchwolkenzurSeiteundjeder Zug seines feinenGesichtessprachein erwartungsvolles Interesseaus.

,,Herrgott,wasgäbeich dafür,wenn icheinen tüchtigenStoff hätte,einenStoff für Männer, nicht für jungeundalteJungfern; wissen Sie, etwas,dasimKopfe bleibt, wenn man dasBuchaus derHand legt.«

»Undeinsolcher Stoff sollte sichnicht finden lassen?«meintezweifelnd Schwarz.

»Schwer! Vielleichtwirderauchgarnicht begehrtin kleinemRahmen. Sehen Sie, ichbinehrlich, ichsageIhnen,wieesmirergeht; soundsoviele meinerHerren Kollegen, dieflunkern herum,als ob dieMusehergeflogenkäme undihnendasfertigeKindlein in den

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EinYouellrnstotc 283

Schooßlegte.»DerStoff liegt aufderStraße! .. Greiftnur hineininsvolle Menschenleben!...Grünistdes LebensgoldnerBauml« undsoweiter undsoweiter...

damitschwadroniren dieseGottesgnaden-Dichterherum,unddabeiflickensie sichnur aus soundsovielverbrauchtenLappeneinenStoff zurecht dasZeugwirdgestampftund ge- Walkt und dannschnitzelnsieetwas heraus davon,das dem Lebengeradeso ähnlichsieht, wie einausschwarzemPapier geschnitztesSchattenbildeinemlebendigenMenschengleicht.

DiegewissenSchriftsteller nehmennur keinensodunklenUntergrundzuihren Bildern, ohbeileibenicht!Nurkeinschwarzes Silhouettenpapier,dasLebenist ja rosensarbig, wennsieesin dieHand bekommen,unddieJungfräulein müssendaran glauben!.... AlledieStofflappenkommen rosensarbenaus dergeistigen Stampseundgelten für

»von derStraße aufgelesen,ausdem Lebengegriffen«....Bitte,meinesehr verehrten Herren,bücken SiesichjetztzumBeispielundholenSiemireinStückrosenfarbenen StoffesvonderStraße,Siewerden vielwaschenundputzen müssen,biserfürSie brauchbar ist!«......

»Es regnetaber nicht immer«,war dieruhige Erwiderung.»Sie gefallen sich heutein denSophismen, welcheSiegestern so unbarmherzig-lustigeinemAfterpoetlein als Lebensweisheit austischten,um ihndann laufenzu lassenund zwar mit der Bemerkung, daßderJunge hoffentlich jetzt nochdümmerseialservor einerhalben Stunde war ...

Mit einemspöttischenAugenzwinkernundeinerrücksichtslosenLaunenhaftigkeitin dem TonseinerWorte klagteHerbert ausweichend: »Wenn ichnur einenStoff hätte!«

»AuchdieseKlage ist nichtneubeiIhnen,magaucheinschlechtesTheil Scherzdabei sein. LachenSie nur,ichkenneSie,ichnehmemirostdieFreiheit,Sie zubeobachtenund über Sie zu denken.....Jch dichteauch zuweilen,wenn ich auch nicht niederschreibe, was mirdurchdenKopf geht. In letzter Zeit habe ich sogar ungewöhnlichvielgedacht.

Einäußeres EreignißimSchicksaleinesmeinerFreunde gabdenAnstoßundstückweise hat sichin meinem KopfeineseltsameGeschichteentwickelt....Wennich sie zufammen- hängenderzählenkann, sowillichIhnen denStoffzurAusarbeitung überlassen.«

AusdemunschönenGesichteHerbertswar plötzlichjede Spurvon Aufregungund Sarkasmus wiehinweggewischt;scharf schauteerindieruhigen vornehmen Zügedes Sprechers,dannließerdenVorhangüber dieSpiegelscheiberollen,alswollteerdurch das,was draußenaufderStraße vorging, nicht abgezogen werden,undrief endlich dröhnend:,,Baptist!«....

Derpfifsige Baptistkam mitnoblerMiene angeschwebt, goßdieSchale Herberts voll,drehte aufeinenWink dieHängelampehöherundharrte dann,mit einemsüßlichen Lächelnaufdemverbindlich vorgestrecktenAntlitz.

,,Baptist, ichwillnicht, daßirgendeinfetter Hofrathoder einwindigerAdvokaten- schreiber aufdieJdeekommt,hier statt draußenim Salonzulesen. Baptist, ichvertraue uns Diran.«

Deralso Angeredete schobsein glatt rasirtesKinnnach rechtsundlinks, griffan denfrauenhaft tiefausgeschnittenen Halskragen,alsoberihnlockernmüßte,damitauch sein körperlichesJch diesen geistig bevorzugenden Auftragganzinsichaufnehmen könne, undglittdann geräuschloszu derThüre. HierzogermiteinergraziösenBewegung denschwerenVorhangandenblankenMetallringenzu,räusperte sich,umseine Anwesen- heit noch anzudeuten,dann knarrtedieThürklinke,undgleichsamdoppelt abgeschlossen

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284 Reue Monats-heiltfürerhtlmngtundRrithn

vonderprofasnenKaffeehaus-Außenweltsaßendie beiden Männer in demkleinendüsteren Gemache.

,,Also!«batHerbertmitruhiger Stimme, ,,also bitte,denStoff.«

Schwarzrückteseinen Stuhlmit derLehnegegendieSpiegelscheibe,sodaßseinGe- sichtdemPoetennur halb zugewandtwar,unddannwiederholteerleiseundbestimmt dasletzteWort.

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»Die Geschichte,dieich erzählenWill, Möchteich ernstundaufmerksamvonIhnen angehörthaben, Herr Herbert....Siesollen so ruhigund klarIhr Urtheilüber meinen Helden sprechen,wie dieProblemeinIhrenWerkengelöstsind....Wollenund können Siedas ?«

,,Gewiß!«

»Ich beginne.....Mein Heldwar keinsonderlichliebenswürdigesKind,erwar schwächlich,nervös,verhätschelt,erwurde wie einschönesHündchenvoneinemWeiber- schooßaufdenandern geschleppt,denndie Mutter desKnaben lebte ineinemDorfein einemalten Iagdschloß hieltsichjeder Gesellschaftferneundsahnur zurSommers- zeitvieleFrauenmitihrenkleinenTöchternbeisich,denndasSchloßwurde vonihren Iugendfreundinnen alsAusflugsortbenutzt.Männer oderKnaben durftennieüber ihre Schwelle,undderlangeWinter gingin öderungestörterEinsamkeit dahin.Und dochwar die Dameeinenoch junge, schöne,reicheundvornehme Frau.... Siewar stets krank, ihreganzefeineGestaltvibrirte voneinerbeängstigendenNervenreizbarkeit, dieunschuldigstenKnabenstreichedes Kindeswaren für sie Schrecknisse,diesiemithyste- rischen Weinkrämpfenundschweren Ohnmachten bezahlen mußte, Erscheinungendie den Sohn so erregten, daßerselbstwie todthinfiel,wenn erdie Qualen feinerMutter sah.

Immernur inihrer Nähe lebend,ganzlunter ihrem alleinigen Einflußwurde allmählig dasKindinseinemganzen Wesendemihren ähnlich.Eswar dieselbefieberhafte Zärt- lichkeit, dasselbe zitterndeansie Drängen, dasselbeZusammenschreckenbei demkleinsten Geräusche.DerSohn konnte sichsowieseineMutter ohnejede Veranlassung ängstigen undfreuen,erkonnteohne faßbareUrsacheplötzlichauflachenoderaufweinenund dann überdiese·unvermittelten Ausbrücheselber verzagen.«

DerErzähler hielt inne, sahzu denRauchwolkenhinauf, die, rosig angehauchtvon demLichtschein,umdieLampezogen. Herbert schien enttäuscht,undwenn ihnetwas anregte, sowar esjetztdasProfildesErzählers.DerweicheMundmit demgesenkten Winkel,dasgroße stille Auge,dielangen leichtgewellten Haare,vorAllemaber die starke Nase,die ingeraderLinievonderStirne ausliefund demKopfeeinungewöhnliches statuenhaftes Geprägegab.Dasruhige Antlitzändertesichauch nichtalserwiederanhub.

,,SeineNerven unddieseinerMutter erdrücktenalsobaldalleIugendlust, allen DrangzuKnabenstreicheninihm,erließ sich geduldig mitZuckerwerk fütternund prügeltehöchstensnoch zuweilen heimlichdiekostbaren französischen Puppen,die kleineWunderdingemitihren beweglichenAugenundherrlichenKleidern waren undden NeidallerseinerSpielgenossinnen erregten. AberderverweichlichteJunge wuchs doch zusehends,dieLuft,diefreie BewegungindemwaldähnlichenParke, kräftigteseinen Leib, nur seineSeelelagwie inleichte Schleier gehüllt. Endlichaberkam dieZeit,wo an einenLehrer gedachtwerden mußte.Der altePriester hattewederZeit nochGeduld genug, umdemgeistigschwerfälligenKindeeinguterErzieherzuseinundsokam denn nach ängstlichenBerathungenunddickenBrieereineErzieherin aufdasSchloß.....

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EinWonrllrrrntoE 285

DielangeDamemit demkurzgeschnittenengrauenHaarund dengroßenrunden Brillen- gläsernwar wie einverkleideter Mann inihremAussehenundWesen.Diegroben durchfurchtenZüge,diehohenderbenStiefel,dasschlotterndeKleid mit der männerrock- artigen Ueberjacke,das Allespaßtezu derrauhen Stimme,denbestimmtenBewegungen, derknochigenHand,zu demwilden Ernstingutenunddemherben Spottinbösen Stunden .... SieseidieFraueinessehr gelehrten Professors gewesen, sagte siemit herausforderndemNachdruckderblassen,zusammenschreckendenFraudesHauses,alsdiese sicherkühnte,einzweitesmal aufdieschoneinmalgründlichbesprochenenLebensverhältnisse derFrau Professor zurückzukommen....DieErzieherin verletztedie Nervender Mutter und des Kindesaufdasallergröbste,besonders durch ihre Stimme, ihre Stiefelundihren Tabaksgeruch,denndiewürdigeDame rauchteselbst währendderUnterrichtsstunden, undalsdie Mutter ihres Zöglings sie bat,wenigstenszudieser ZeitihrerGewohnheit zuentsagen,da erwiderte siederb: »WennesderJungenicht ertragen kann, so nehmen Sie einebleichsüchtigeenglischeMamselloder einenaltenPfaffenalsErzieher, ichändere meine GewohnheitenumkeinesMenschenwillen!«....DieFrau Professor rauchte weiter,aberdieschönevornehmeMutter zogsichmehrundmehrinihre Zimmer zurück, besondersin dasletzteundkleinste,wonichtsalseinunbequemer Betschemelvoreinem großenweißenKreuze standundwohin ihr selbstdasgeliebteKindnicht folgen durfte.

Die FrauProfessor zuckteinihren bösenStunden ·«dieAchseln darüber,inihren guten Stunden sagte siemitleidsvoll und selbstbewußt:»Jeder tröstetsichnach seinerArt. Jch habe Philosophie studirt...

,,Gefällt mir,dieAlte«, warf Herbert wohlgefälliglachendein.

,,JnsolcherUmgebungwuchsder Knabeauf,undjeältererwurde, desto kramps- hafter,verzweifelterumklammerte ihn seine Mutter, siezogihnvonseinen Büchernfort, um ihnanihr Herzzureißen, ihmzuschwörenundzubetheuern, daßkeinWesen aus Erden ihnje so grenzenlosliebenwerdewiesie.Mitgerungenen Händenbatsieden Sohn,stetsdaran zudenken,ihr Leben, ihr Seelenheil hängeanseiner Liebe,unddas erschöpfteKindversprachundbetheuerte etwas,wasesnicht fassenkonnte.... Was sichbeidieser Erziehungerlernen ließ,daslernte der Knabevonderwiderhaarigen Frau Professor,sogar rauchenundfechten mußteermitihrganzrückwärtsin demdichtesten GebüschedesParkes,damitesniemand ausdemSchloße sah: ,,Einmalwirdsie Dich dochunter Männer bringen müssen,Deinearme Mutter, dannkannstDuDich doch wenigstenseinbischen anstellen«....meinte die alteFrau. »Undwarum sollte ich niemitKnaben zusammenkommen,warum empfängtmeineMutter nur Damen?«...

frugderSohn,zumerstenmal sicheigentlichganzbewußt,wiesorgfältigervonSeines- gleichen abgeschlossenwar. »WeilKnaben und Männer wenig taugen füreinenschwäch- lichen BurschenwieDu,«erwiderte die Alteunwirsch, »unddannweil Dunicht nöthig hast,DichanMann oderWeibanzuschließen,weilDuHausundHofundGoldin HülleundFülle hast, also auchNiemand liebhaben mußt,alsDeineMutter und Dich selber.DasKlügste ist,wenn Dueinstweilen nichtüberDichundüberunsnach- grübelst,baldwirstDu altgenugsein,um zuerfahren,obman RechtoderUnrecht hatte,aus DirzumachenwasDubist,dannwirstDudieWahl habenzu lebenwiees Dir gutdünkt.DeineMutter meint,sie habeAlleszu DeinemGlückegethanwassie that...undDeineMutter hateinschweresNervenübel,darum meinen Alle,diemit·

ihr reden, dasselbewassiemeint....sehenwir,wowirhinkommenmitdieser Meinung.«

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286

. Deut WonntslgektefürYirhtkunstundKritik

Herbert schütteltedenKopf,alsobersichnicht einverstanden erklärte,undschrieb manchmal hastig einigeWorte insein Taschenbuch;einegroßeFliege schwirrte surrend durchdasZimmer, kreisteum dieLampeundfielmitversengten Flügeln ausdenTisch.

»WaswürdenSiemitdemweibischverwöhntenJungen beginnen?«wandtesich derErzähler plötzlichandenSchriftsteller.

»Ich Weißesnoch nicht,«erwiderte dieser ehrlich.

,,VielleichtwürdenSie einenPlan mitihm haben,wenn Sieindiehalbwache Seele schauen könnten,odernur in dieneugierigen AugendesgroßenKindes,dasdie Weltnur ausdenBüchernkannte. WederdasGute, nochdasBöse,daserlas,machte einen großenEindruck aufihn;esstandeben in einemBuche, gehörtezu denGegen- ständen,diegelernt sein mußten.NurdiegroßenMännerderGeschichtewolltenihm zuweilen nichtaus demKopfe, seineMutter konntesie nichtaus denBüchernstreichen, unddieFrauProfessor mußtezuihremBedauern zugestehen, daßdieHeldenkeine Frauen waren ... Endlichaberkam dieStunde, woer,ohne sichvordenKrämpfen undThränen seinerMutter zufürchten,mitihrüberseinenVaterredendurfte.Bis nun war sie stets ohnmächtiggewordenoderwar inihr Betzimmer geflohen,wenn er dasWort»Vater«aussprach,undnun stand siegebeugtvorihm, verhüllteihr schönes, früh verblühtes Gesichtundsagte: ,,Bleibe,meinSohn, ich mußmit Dir....von Deinem ...oh....vonDeinemVater—sprechen!«Freudig bewegtwollte derJüngling ihre Hand erfassen,aberzumerstenmal wehrte sie ihnmit dem AusdruckdesEntsetzens abundsagtedannmitflehender demuthsvollerStimme: »DeinVater...hatbinnen dreiTagendasRecht,vonmir...seinergeschiedenenFrau, seinen Sohnzufordern... Dich!...Du hastindreiTagendieWahl,ob Dubei mirbleibenwillst,oderob Du inZukunftbeiDeinem Vater lebenwillst,beiihm,dernur wie eineGnade mirdas Recht gab, Dich fünfzehn Jahrelangzubesitzen.... Nur Du weißt,was Dumir bist!...Gott wird Deinen Sinn so leiten, daßmirdasletzteundeinzigeGlückauf Erden erhaltenbleibt«... »Undwarum, meineMutter,kannichnichtmitEuchBeiden leben,warum muß ich wählen?Warum sah ichmeinenVater nie,warum sindwirge- trennt vonihmfrugderSohninderselbenhastigen, zitternden Weisewie die Mutter.

Siekönneihmdas nicht erklären,ersolle sichandieFrau Professor,andenDoktor, andenPater wenden,nur mitihr solleerumallerHeiligenwillen Mitleid habenund sie jetzt verlassen, sagtemitverlöschenderStimme diezagende Frau«....

DerErzähler unterbrach sich;da dieLampe schwankte,so flogeswie einSchatten übersein ruhiges Haupt,eintiefer Seufzer hobdie breiteBrust, lässigfieldieHand aufdenTischundwievoneinerjähen Muthlosigkeit angefallen fruger:

,,Soll ichweitererzählen?«

»Gewiß, gewiß!« drängtedersSchriftsteller,eineRauchwolkevonsich blasend,

»ichbingespannt,was SiemitdemHeldenbeginnen, ich habe ihn jetztfest,«under klopfte auf seinTaschenbuch.

»DerJünglingeiltezuseinerErzieherin, siedünkteihmdieEinzige, welcheihm Alles klarunddeutlich sagenkonnte. DerschüchternePriesterundder inHöflichkeit zerfließendeArzt trugendasGeprägederalten Kammerfrauen, sie hatten dieselben ausdruckslosenZüge,dieeroftanstarrte,bisihmalle Gedanken erstarbenundernur

"noch wußte, daß diese Menschendaseien,um seinerMutter zugehorchen... Selbst diejüngeren Mägde glichen sich durch ihre gedämpfteRedeweise, durch ihre besorgte,

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EinXavellengtoT 287

hinhorchendeArt. Erflogvorbei andemzurückweichendenGesindeundrannte,mitsich selberredend,weinend, zitterndzu deraltenFrau. Mitfliegendem Athem richteteer alledieFragen ansie, welcheihmdie Mutter nichtbeantwortet hatte. Erst standdie Fraunachsinnend,dann ging siemitgroßen Schritteninder Stube aufundnieder, endlich stießsiedieFaust aufdenTischundsagtebitter...»So,daständenwirjetzt vorderverschlossenenThür,dieruckweisehätte geöffnetwerdensollen,undnun, woes denKopfzusammenhaltenheißt,nun kommtihrBeidemit Euren Nervenzuständenund Eurem aufgeregten Firlefanz. Jetzt halte Dich stramm, Junge, zeige, daß sieden Mann inDir nicht wirklichganz vernichtet haben. Da, zündeDireineEigarrean,meinet- wegensoll sie jetzt herüberkommenundessehen!....VorAllemmacheDirklar, daß Du jetzt endlicheinmal selber,mitDeinem eigenen HirnundDeinem eigenenHerzen etwas anfangen sollst...Höre michan. Esist dreißigJahre her, daßmirdasselbe geschehenist,was Deiner Mutter vorfünfzehnJahren geschah... UnsereMänner haben sichvon uns getrennt, sichscheidenlassen, verstehstDu? MeinMann hat sichum seinealtenGemmen undum meinejunge blitzdummeMündelmehr gekümmert,alsum seineunschönekluge Frau,ummich... Dein Vaterfand,als Duzwei Jahrealtwarst, einschönesWeib,dasihn leidenschaftlichliebte,unddasgefielihm mehralsdiepflicht- schuldigeNeigungDeinerstillen Mutter,dieamAltare »Ja« gesagt hatte,weilesseine Eltern undihreEltern wünschten,unddie einmal denganzen TaginderKirche auf den Knien lagundBuße that,weilDeinVater imJähzorneinstützigesPferdzu- fammenschoß.«

,,Einen Augenblick,einenAugenblickl«batHerbert, schriebhastiginseinem Taschen- bUchundfordertedenErzählermit einerGeberdeauf, fortzufahren.

»Ichbin damals nichtbisüber denKopfinJrrthümer hineingerannt,alsichsah, daßetwas schiefginginmeinemLeben,ich habePhilosophie studirt,meinJunge,bin Lehrerin,binProfessor geworden...undhabe michkeinenPfifferling mehrum die Männer gekümmert.« Dann strecktesiedie Armeweitvon sich, ließ sie achselzuckend niedersinkenundsagte gedehnt: »DeineMutter aberist katholischgeworden«...

»Es fchwenkt nocheinmalabvonmeinemPlan,«meinteHerbert überrascht.

»Meinarmer Heldzerquältesein langsamarbeitendes Gehirn,und seinganzes AngstgesühlfaßteerindieFrage zusammen:,,Wußte jeneandere Frau, daßmein Vater vermähltwar?.. ,,Freilich,«betonte dieentrüsteteDame, ,,meinMündel wußteesauch, daßderProfessormein Mann ist«.... EinFieberfrost schütteltedie Glieder desKnaben, vergeblichsuchteernacheinembezeichnendenWorte,endlichaber stießerinfast biblischerRedeweiseheraus:»Und sie geselltesichdochzu dem Manne?«...

Seine Gedanken schweiftenwirrdurcheinander,er konntesichdieEmpfindungenvon Mann undWeibnichtklarmachen. Das, was erausdenBüchernwußte, galt ihm nur alsdieAufzeichnungenvonEinzelnfällenjener längstvermoderten Menschen,die seinem Herzen so fern standen,dahörteeraber dieGeschichtejener Menschen,die eng mitfeinem Dasein verknüpftwar, daentwirrten sich Ereignissevor ihm,inwelche ereingreifen mußte,dastanderzwischenMenschen,dieumseinetwillen litten, fehlten undinihm unfaßbarenZuständenlebten. Wieeinjählingsaus demSchlafe Auf-, gerüttelter griffernachderverwitterten Gestaltvor ihm, die, beunruhigt durch seinen wirren,hülflosen Blick,nur verbittert klagend ausrief: »DieMänner sind Lumpe! Lumpe!«

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