• Nie Znaleziono Wyników

Neue Monatshefte für Dichtkunst und Kritik, 1877, Bd. 5, H. 4.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Share "Neue Monatshefte für Dichtkunst und Kritik, 1877, Bd. 5, H. 4."

Copied!
86
0
0

Pełen tekst

(1)

RIN TO

.

tI

i

für

«EichtkunstUnd Tät

yet-ausgegeben

Ograr Elumeuthai.

v Yqu Heft4

(2)

Kpril 187·7.

Inhalt

Seite

Schimman PhantasienvonHermann F.Grieben . . . , 273 DerMondvon Chantilly. HistorischeErzählungvonOtto Girudt 280 DirgnädigcErimvon Poren Dramolet vonErnst Wichert 294

LinnDrinne-StudknirnzkitVonAdolfStrodtmann 307

Literaturbrikfo VonJohannesScherr . . . . . 329

S.H. MusenthaLEineliterarische SkizzevonS.Heller. 334 Shakcspcarkin einemitalienischen Spiegel.VonF. Groß. 346

KriiischcRundlilirke . . . . . 5352

Einplatonischro Gespräch.VonEd.VonHartmann.

Die»Unm!Monatshkfte« erscheinenregelmäßigamEndejedesMonats imUmfangVonmindestens6Bogen Lex.eleg.geh.

TigerZieh-gnugbestehtans-2WändenZuje6Besteu.

PreisproBand 6Marti; pro Quartal 3Mark; proHeft1 Mark-

AlleBuchhandlungenundPostanstaltennehmen Bestellungenan-

(3)

Gadtentiinge. 273

Tadtcntänxe Phantasien

von Hermann F. Grieben.

AufderBrückestand ichundsah hinabindenStrom. Das Lebenreizte mich nicht mehr,darumreizte michderTod. Aberauch ich reizte ihn, denn,wieichso lebhaft anihn dachte, stand plötzlich,ungehörten Schrittes, ein Mann imMantel neben mir undschlugmirfreundschaftlich aufdieSchulter, daßesmichkaltdurchrieselte.

»Waswollen Sievonmir ?«fragte ich befremdet.

»Du kannst michDunennen; ichbinderTod!«antwortete er. »Die Menschen haben mich oft ihren bestenFreund genannt, seitdem istder Duzcomment zwischen uns eingeführt.«

,,KommstDu, michzuholen?« fragte ichso gleichgültigwiemöglich.

»Du magst mitkommen,wenn Duwillst. Doch ehewiruns trollen, muß ich noch ein paar Andreabholen,derenSanduhr abgelauer ist.Komm’ mit!«

Jch folgte ihm.WennichmicheinesSchaudersinseinerNähe auch nicht erwehren konnte,sowar mirdieneue Bekanntschaftimmerhin interessant;dieabgrundtiefen, melancholischdunklenAugendes Todes hatten für mich sogaretwas Anziehendes.Er tratzuerstin einpalastartiges Haus,vordessenFront aufderStraßedickStrohan- gehäuft lag,umdasRasselndervorüberrollenden Wagenzudämpfen. Jnnenwaren FlurundTreppemitweichenTeppichen belegt.

»Was hastDuhiervor?«fragteichmitflüsternderStimme.

»Ichwill eineKnospe brechen,«antwortete derTod undlächelteschwermüthig Dann verschwanderdroben ineinemmatterleuchtetenCorridor, undbalddarauf knarrte eineThür. Mehrere HerrenmitweisenMienen undverdrossenen Gesichtern kameneiligdieStufenherab;SiezucktendieAchseln,murmelten etwas von ,,nicht Mehr heler können« und,,zuspät«undentfernten sich geschäftig.Eswaren dievier berühmtestenAerztederStadt. Gleich hinterihnenkam lautlos derTodgeschritten.

ErtrugeinkleinesMädchenaufdemArm, dassichwieimSchlummerüberseine Schulter lehnte.Die blondenLockenhingenüber dasweiße Hemdchenherab; noch blühtendieWangenimPurpurdesFiebers. Unddroben gelltederSchreider Mutter undschnittmir insHerz.

»NimmihrdasKindnichtp-batich. ,,Tragesihr zurückt«

»Wennichnur dienehmen wollte,diemirgerngegebenwerdenoderdiefreiwillig kommen,würdeicheineschlechteErntemachen,undich solldochPlatz fürdieKommenden

V.4. 18

(4)

274 YearMormtglzektefürerhtkunntundKritik

schaffen!«antwortete derTod und schritt unerbittlichmitseiner rührenden Last weiter,dieerdannin dieTiefe versinken ließ.

»Aber soräumedoch erstdie AltenundKranken ausdemWege!«wandichein.

»MähedaswelkeGras unddieverblühtenBlumen! Esgibt so Viele,dicsich nach DirsehnenundDich stündlichrufen...

»Undwenn ich auf diesen Ruf erscheine,bitten siemich, sie nochzuschonen.Du glaubstesnicht?Sokomm, wir wollen dieProbemachen.«

Wir stiegenineinem baufälligen Hinterhäuscheneineknarrende Stiegeempor.

Hier wohnteeinealte,vergessene Großmutter.Siewar fasthundert Jahralt. Jhre Kinder undEnkelwaren vorihrinsGrab gesunkenundihreweiteren Verwandten kümmertensich nichtum sie. Nothdürftiglebtesievon einemgeringen Vermögen,und

»nur eineDienerin, die mitihr ergrautwar, hielt treulichbeiihraus,um dereinst das geringe Vermögenzuerben. DiealteGroßmutter saßineinemwurmftichigen Lehnstuhl,derfast soaltwar wiesieundwohlbeschlossenhatte,nur noch so langezu haltenalsdie alteGroßmutterlebte,umdannbefriedigtzusammenzukrachen.Diealte Dienerin lasmit lauter Stimme,wietäglichseit16Jahren,aus demBuche Hiobvor,

mehrzuihrer eignen Erbauung,alszurErbauungderHörerin,denndie alteGroß- mutterkonntenichtmehr recht hören,und,wassie hörte,konntesie nicht mehr recht fassen.

Siegab auch nicht Acht ausdasGelesene, sondernlenkteihrevolleAufmerksamkeitauf dieKasseetasseinihren zitternden Händen,damit siedendampfendenTrank nichtver- schütte. Abwechselndnippte sieandemKasfeeunddann stießsieeinenSeufzeraus,und zwarsagtesie,wiesie seit zwanzig Jahren gewohntwar:

»DulieberGott, bringbaldden müden Leib zurRuh’!«

»So stell’dieTasse fortundkomm!«antwortete der Tod.

,,Wie?«fragtediealteGroßmutterundthat,alsobsie nicht recht gehörthätte.

DerToderhob seine scharfeStimme so laut, daßsie ihn wohl hören mußte:»Es ist jetzt Zeit, Mütterchen,mitdemTodeabzugehenunddenmüden Leibszur Ruhezu bringen!«

»Sounvorbereitet?«sagtedieGroßmutterundverschüttetevorSchreckihren Kasse-e.

»Was,unvorbereitet?« lachtederTod. Seitzwanzig Jahren wartestDu auf mich, russt mich stündlich,undnun ich endlichkomme willstDunicht?«

»Ja, ja, ichwillschon...aber....Dukönntest mich wohl erstmeinen Kassee aus-trinken lassen

Die Bitte klang soschmeichlerisch so hattediealte Großmutter vielleichtvor 80Jahren ihrenEltern dasJawortabgeschmeichelt.DerTodwar gerührt.

»Nun denn, so langewillich warten,« sagteetUndsetzte sichaufdieOfenbank.

Undnun nippteundschlürftesieanihrem Kassee, so langsamwie eine alteGroßmutter irgendnur nippenkann.

»DulieberGott, bring’baldden müden Leib..begann sie,daesihrzusehr zurGewohnheit gewordenwar, doch unterbrach sie sichrechtzeitigundblicktevorAngst aufdenlauernden Tod. Dieser hatte wohl zehnmalungeduldignachderUhr gesehen, eheder braune TrankzurNeige ging endlich spültedieGroßmutterdenletztenSchluck hinunter. Daerhob sichderTod,umsie fortzuführen. Eheersich’saberversah, hatte siemitfastjugendlicher Geschwindigkeitaus derBunzlauer Kasseekanne,die nebenihr ansdemTische stand,dieTassewiedervollgeschenkt.

(5)

Ißodtrntiiner. 275

»Was heißtdas?«fragteder Tod.

»Ich hatte erst eine,«erwiderte dieGroßmutter.

Mitderunbestimmten Vorstellung, daßdieMenschensichbeiihrem Thun meistens aneinbestimmtesZahlensystemklammern,undimgewöhnlichenLebenvom Familien- Kaffeeimmerzwei Tassen trinken, entgegnete verdrossender Tod:

»Nun meinetwegen!Dusollstzuguter letztvon Deineralten Gewohnheitnicht abweichen!DaDuaberso langsam trinkst,willichinzwischendieZeit benutzenundin derNachbarschaftnoch Jemand abholen. Nachher sprecheichwieder vor.«—-

Jch folgte ihminein andres Gebäude. Esmußte ziemlichunbewohnt sein, so tiefeStille herrschte darin; auch unsreTritte wurden von denwolligenMatten des Flurs gedämpft. Weiße Marmorbüstenvon GelehrtenundPhilosophendesAlterthums schmücktendasTreppenhaus.

»Wer wohnt hier?« fragte ich feierlich gestimmt.

»Ein berühmterPhilosoph,einausgegohrnerPessimist,demdas Lebenschlechtund zwecklos erscheintunddermich daher stündlichmitseiner Feder citirt,«antwortete mein Begleiter.

Wirbetraten einVorzimmer. EinDiener inFilzschuhen,derhierpostirtwar, um jedenstörenden Besuch zurückzufcheuchen,damitdiekostbareZeitseinesgelehrten Herrn nicht bestohlenwürde,war aufdemStuhleingenickt.Unbemerkt schrittenwir hindurchin dasAllerheiligstedesWeisen.DieFensterdesZimmerswaren verhangen undverrammelt,damitkeinstörenderSonnenstrahl, kein Lautvonaußen hereindringe EineAmpelflammteüber demeckigen,kahlen SchädelundgeistreichenAntlitzdesGe- lehrten. Ersaßan seinem großenSchreibtischundschriebaneinem bereitsstarkan- geschwollenenManuscript,das denTiteltrug: »Die Todessehnsucht,vomphilosophischen Standpunkte gerechtfertigt«.Wir blickten überseine Schulterundlasen,wasdie tan- zende FedersoebenzuPapier brachte:

»Die bewußteIntelligenz istimStande,sichgegen denunseligenTriebzumLeben, durchden dasfragwürdigePhänomenderirdischen Jammerexistenz Bestand hat, auf- zulehnenunddasLebenalseinDanaergeschenkvonsichzuschleudern, kurz:den Tod zuwollen. DenWillenaufdiesObject richten, istdaseinzig Menschenwürdigeund Jeder,deresfertig bringt, fein eigener Erlöser, derarme, verirrte Idiot,dersichver- zweifeltin denAbgrund stürzt,wie dererleuchtetePhilosoph,dervonderZinne feines GeistesdenKopfsprunginsNichts wagt.DasLebenisteineGaleerezderWilleaber,

der dieFessel ist,dieuns darankettet,kannauchzurWaffe werden,dieunszumTode,

d.h.zurFreiheit verhilft.« ,

Hier legtederTod feineHandaufden ArmdesSchreibendenx

»So streif’dieFesselab undsei frei!Komm mit mir!«

Das blasseAntlitzdesWeltweisen röthetesichvorZorns « «

»WiekommenSieherein?Warum störenSie-mich?WersindSie?

»Ichbin der Tod.« » » »

Undnun hätteman sehen sollen,wieplötzlichderPhilosophdleBasisallerPhilo- sophie,diecontemplative RuheunddasGleichgewichtderKräfte Verlor-dennerbegann zuzitternundmachteeinengroßen Tintenklex.

»Deine Feder beschwormich unzähligeMalemiteigenenundfremden Ausdrücken, als»ein Ziel aufs Jnnigstezuwünschen«,als»den feraphlschenPföktlgrxvonNir-

(6)

276 Dru-YlanatshektefürYirlgtlumstnndYritjba vana«,als»denwahren HeilanddergequältenMenschheit«,als»deneinzigen Freund, welcherdenBegriff wahrer Freundschaft nicht illusorischmache«u. s.w.«fuhrder Todungerührt fort. »Hierkommtalsodergepriesene Freund, derHeiland,derDich vomjämmerlichen,vielgeschmähtenDaseinerlösen,DichmitSeraphsschwingeninser- träumteNichts tragenwill. Warum stellstDuDich nichtdesLangersehnten

»Ich wußtenicht, daßder Todironisch seinkann !«stammeltefassungslosderGelehrte.

,,Ironifch? BehütelDieIroniehastnur Duin die Situation gebracht! Kämst Dumirfreudig, freiwilligentgegen undhandeltestnachDeinen Worten, sowürdestDu Deinem System durchdieThatdie Kroneaussetzen!«

»Das darf ichaber erst,wenn ichmeinSystemganzdargelegt habe!«warfder Gelehrte,wieder Muth schöpfend,ein.

»Wozu?«fragtederTod.

,,Wozu?«wiederholte entrüstetderGelehrte. »UmdieGrenzen menschlichen Wissenszuerweitern,meinenweniger erleuchteten MenschenbrüderndieFackelderAuf- klärungzureichen.« «

»Das sindRedensarten!« fielderTodein. »Duweißtrechtgut,daß Alles,was Dugeschriebenhastodernoch schreibenwirst,bereits vorDirein Andrergedacht, gesagt undgeschrieben hat wozualsodasewige Nachplappern?Der größere Theilder Menschheitwill esnicht hörenundderandereweißesbereitsoder kannessichallein denken. Leg’ alsoDeineFeder fortund komm!«

»MeineFeder fortlegen?«jammertederWeise. »Ich soll michvondemtheuren Instrumenttrennen,dasmich groß gemacht?«

»Ia,dennDukannstesin meinemReich nicht brauchen

»Ohne Federkannichabernichtleben !«betheuertederPhilosoph.

»Das sollstDuja auch nicht!«lachte herbder Tod.

»Schone michflehtederPhilosoph. »Nur einJahr ichbitteDich ein paarMonate!«

»Sie hätten jakeinenZweck für Dich!«

»O doch!Einengroßen,erhabenen! Ichwürde diesManuscriptbeenden!«

»Daswird Dirjetztunmöglichsein!DeineAbneigung,mitmirzukommen, hat

—Dirsoebenbewiesen, daßDeinWerk einedickeLüge ist. »Die Todessehnfuchtvom philosophischenStandpunkt gerechtfertigt«wird eintraurigesFragment fürDeinen Papierkorbbleiben.«

»Nein,nein! WennDufort bist,arbeiteich michwiederhineinl«

»DannwürdeichDich sogleichwiederbeim Wort nehmen!«

DerGelehrte seufzte bedrängt.

»So laßmirwenigstens noch Zeit,dasLebeneinbischenzugenießen!«

»Dazuwirds wohlzuspät sein,da Du50Jahre Ungenossenverrinnen ließest.

Duweißt,genießenkannnur dieJugend!«

»O,esgibt auch noch fürsAlterso manche Freude!«

»MeinstDu ?«

»Zum BeispieldenNaturgenuß.«

»DuaberhaftdenSinn dafür verschlossen,wieDuDein Zimmer sogarden Sonnenstrahlen abfperrteft.«

DerGelehrte rißmithaftiger HanddieFenstervorhängevon einander undschlug

(7)

Tadteutiinse. 277

die Laden zurück.Einvoller Strom goldigen Abendlichtes drang durchdieScheiben.

DerPhilosoph öffnetedannauchdasFenster. Frische erquickendeLuft ergoßsichin die dumpfe Zelle. Erthat einige tiefe Athemzügeundblickteträumerisch,fast wehmüthig zumfernen Horizont.

»NunsagtederTodnacheinerWeileundtratzuihm. »HastDuDichbe- sonnen?«

DerAngeredetedeutetein die Ferne:

»Sieh dort,woderStrom sichim Waldeverliert,daistesschön,dahab’ich einst einenfrischenKnabentraum geträumt esist lange her; auch hatte icheslängstver- gessen jetzt fälltesmirlebhaftwieder ein und dieSehnsucht packtmich,unterden tiefherabhängendenZweigen nocheinmalzuliegenunddieWellennocheinmalvorüber- gleitenzusehen esmag recht thörichtsein, ich glaube,derSchreckhat michumden Verstand gebracht,aberichbitteDich dringend, laß mich nocheinmaldorteinen Sommer- tagverleben!«

»DerSchreck hatDirdenVerstandwieder gebracht,«verbessertederTodund setztedann milder hinzu;»DamitDu wenigstensnichtganzdiegute Meinungvon mirverlierst,die Duso oft ausgesprochen hast,erlaube ichDirzuleben,bisDuDich inWahrheitundnichtnur in derspeculativen Phrase nachmirsehnst!Lerneausunsrer Begegnung,wiemorschdie BrückenüberderKluft zwischenTheorieundPraxis sind undpredigeniemehrdieVerwerflichkeitdesLebensl«

»DenTodwerde ichaberdennochfortanalseinenFreundbetrachten,«setzteder GelehrtemiterheitertemGesichthinzu, ,,daerdemLebenWerthverleiht, durchdie ErinnerungandieEndlichkeit!«

,,Sophist!«lächelteder Tod imAbgehenunddrohtemit demFinger.

Eben trat lautlos der DienerinFilzschuhenmit demersten Stoß Eorrecturbogen der,,TodessehnsuchtvomphilosophischenStandpunktgerechtfertigt«ein.DerPhilosoph machteeineheftig abwehrendeHandbewegungzumPapierkorb hinundschaltdenDiener ärgerlich, daßerbeiTagedieLampe angezündethabe;dannschlug seine Stimmung plötzlichinWeichheitum;erumarmte denbestürztenDiener,deutete auf Correeturbogen undManuscriptundsagte:

»Alte,treueSeele,machDireinenvergnügten Tagdamit!«

,,Damit?«stotterte verlegendiealte,treueSeele.

»Ja, macheinFeuerundbraueDireinenPunsch darauf! Jch weiß,wiesehrDu

ihn liebst!« «

Mehr hörtenwirnicht.DerTod zogmichlächelndhinaus.Erwar so guter Laune, daßerimVor-übergehenderBüstedesHerakliteinenNasenstüberversetzte.

»Nun, habe ich nicht Recht gehabt?«fragteermich ausderStraße, »Daßdie michammeisten rufen, sichamheftigstengegenmich sträuben?WasmeinstDu ?«setzte

erhinzu. ,,WirddieGroßmutterjetztihren Kasseeaus haben?«

»Es läßt sicherwarten;wirsind fasteine Stunde fortgewesen-«antwortete ich- ,,So laß sieunsabholenlj«

Wirmußtenan einemeisernenGitter vorüber, welcheseinenGatten VVUder Straßetrennte. JnderäußerstenEckewar einedichte Laube;dieRosen glühtenund duftetendaran undvon innen klang zärtlichesGeflüster.DerTodmachtemirein Zeichenstillzustehenundzulauschen.

(8)

278 Reue Monat-kitzeltefürYirhtkurthundertjh ,,Adolf!«

,,Adolfine!«

»Hab ich Dichwieder ?«

»Du liebst mich noch?«

Durcheinen SpaltzwischenGitter und Rankenwerk konnte ich Adolsineund Adolf bequem sehen,wiesieinstürmischerUmarmungundsüßemGekosesichdortihres Wiedersehens freuten.

»DerTodwirddoch nichtdiesTurteltaubenpaar grausamtrennen wollen?«dachte icherschrecktundblicktebesorgt auf Adolf,derallerdingsetwas erhitztundapoplektisch aussah. Dieser Gedanke,in einerKußpauseangestellt,warddurcherneutes Geflüftek unterbrochen.

»Wieliebeich Dich, Adolfine!«

»Und ich Dich, Adolf!«

»Ach,jetzt soin Deinem Armzusterben!«

»Ach ja,imKuß dahinzuschwinden!«

»SolchTodmuß Seligkeit sein!«

»Wirwürdendann niewiedergetrennt!«

»Wirwären ewigvereint!«

»Ich steheganz zuEurer Verfügung!« sagtenun derTod,derplötzlichmitten inderLaube vor dementsetztenPaarestand. Mit einemnervösen Schrei sprang Adolfine aufundwollteentfliehen,dader TodihrjedochdenAusgang vertrat,sank sie wiederinAdolf’sArme.

»UmGottes Willen ....Adolfine,was istDir?«

»Ich weiß nicht....vielleichteineVision....esgehtvorüber!«

»Nein,esgeht nichtvorüber!«antwortete der Todundtrat wiedernäher.»Seht mirnur insAntlitz. IchbinderErwünschte,derEuchdieSeligkeitderewigenVer- einigungbereiten will! Benutztnun dieGelegenheit, EuchEuerBeisammenseinfür ewigzusichern.DasLebenmitseinen Hindernissen,dieGesellschaftmitihrenVor- urtheilenwerden Euchauseinander reißen nur ichvermag EuernBunddauernd zu erhalten!«

AdolfundAdolfinewechseltenscheueinenfragendenBlick.

,,EntschließtEuch!«drängteder Tod.

»Ich möchtewohl,aber...begann endlich Adolf.

»Aber?«

,,Laß michwenigstens erstmeinAssessor-Examenabsolviren.«

»Es ist einerlei, ob DualsAssessoroderReferendariusin meinReich eingehst.

UeberdieshastDubisherdasExamenalsunliebeZukunftsstationimmer wiederhinaus- geschoben!«

»In diesem ernstenMoment aberpacktmichderheißeWunsch,eszumachen.«

»UndAdolfine?«

»Ich ich—- möchtedochsehen,obAdolfdurchkommt!«

»Nun so lebt, thörichteMenschenkinder,dieIhrniewißt,wasIhrwollt! Künftig ruft michabernicht,wenns Euch nicht Ernst ist.«

MitdiesenWorten war der TodausderLaubeverschwundenundmit einemspöt-

tischenLächelnwiedernebenmir. «

(9)

Godtentiinse. 279

»Sie sindimLiebesrausche!Manmußesnicht sogenaumitihrenReden nehmen;

ich wußtedasimVoraus!«sagteer.

»Auchfind siejUngundhoffnungsvollundihre Lebensluft natürlich!«setzteichhinzu.

»DieAltenundHoffnungslosenhängen jedoch nichtminderamLeben. Ehewir zu der altenGroßmutterzurückkehren,trittmit mir in diesSpitalein!Sieh, Alle,die hier auf armseligemLagerinReihundGliedliegen, sindarm, alt,krank undhoffnungs- los, traurige Prädikate,umsie aufeinunglücklichesSubjectzuhäufen-Unddennoch hängt jedes dieser unglücklichenSubjecte zähamLebenundkehrtmirscheudenRücken, wenn ich erlösendanihrBetttretenwill!«

DerTod hatte wahr gesprochen.Keiner derSpittelleutemochtemitihm gehen;

allehatteneineAusrede, so nichtig diefe auch oftwar. EinalterMann hatteessich indenKopf gesetzt, erst seinen Bettnachbar heraustragenzusehen;derBettnachbar wollte erst seineneue Medicinflasche ausbrauchen;einealte, gelähmteFrau wollteerst nocheinmalihrenGeranium inBlüthe sehen,eineandresicherstnochbeimJnspector iiberdieschlechteAufwartung beschweren,eine drittegarerst ihrenStrickstrumpfzuspitzen.

»Du siehst,wieschlechteGeschäfteich mache,wenn ich nichtmitGewalt vorgehe, obwohlalledieseLeuteunaufhörlichnachmirrufen!«bemerktederTod,indemermich wiederhinausführte.Ersah nachderUhrundbeschleunigteseinen Schritt.

»DulieberGott, bringbald den müdenLeibzurRuh!« hörtenwirdiezitternde Stimme schonwiedervon innenmurmeln,alswiruns der Stube der altenGroßmutter näherten.DerTodriß hastigdieThür auf die alteGroßmuttertranknoch Kaffee!

»Nochnicht fertig?« schrieder Eintretende sie ungeduldigan.

»Nein,«erwidertedieGroßmutternaiv, »ichbin«erstbeiderfünften!«

»Undwie vielTassen trinkstDu denntäglich

,,Sieben,«erwidertemitfreundlicherZuversichtdie Alte.

»DumeineGüte! Das kannich nichtabwarten! DamußdiezähesteGeduldver- zweifeln. Auf Wiedersehendenn später!«

Jch fahnur noch,wiesich«einScheinderFreudeüberdierunzeligen Zügeder Greisinstahl ja wahrhaftig, sie freute sichnochdes Lebens!

»BistDunun nochderAnsicht, daß ichnur dieholensoll,die«sichnachmirsehnen undnachmirrufenfragte mich draußender Tod.

Jchkonntewederja nochneinsagen, sondernnur meineVerwunderungüber die wankelmüthigeMenschheitaussprechen.

»Und Duselbst!«fuhrmeinBegleiter fort. »AlsDuvorhinvonder Brücke in den Strom unter Dirschautest, gabstDudanicht auch soeine ArtungedruckterBro- schüreüber»die Todessehnsuchtvom philosophischenStandpunkt gerechtfertigt«heraus

wiedenkstDujetzt?« »

Jch mußte gestehen, daß michdieLebensluftderAndernangesteckthabe,unddaß ichdasLebensjochauchliebernocheinmalauf mich nehmenwolle.Erlächelteüberlegen undblicktemichmitseinem magnetischenBlicksodurchdringendan, daß ichdieAugen niederschlug;alsichden Blick aber wieder emporrichtete,war der Tod verschwunden undichstandalleinaufderBrücke.Obich geträumt hatte?Dann aber,wie einHase, mitoffenen Augen!Schlaf,Traum und Todsind ja Geschwister:sie mögen wohlzu- weilenaufUrlaub gehenundsichgegenseitigvertreten.

(10)

280 Reue ManntxlzektefürerhtkungtundFrjtiL

Der Mond von Chantiüy.

Historische Erzählung

Von OttoGirndt.

I.

DerJuli desJahres 1764 ergoßüber dengrößtenTheil Frankreichseineso brennende Sonne,wieesseit langer Zeitkeinerseiner Vorgänger gethan.Die Arbeit war währendderTagesstundendenMenschen fastunmöglich,und diebevorzugte Gesellschafts-Classe,diederHimmel ernährte, ohne daß siedieHände rührte, sah sich außer Stande, demVergnügen nachzujagen.Alleshielt sichunter Dachundschöpfte erst LuftimFreien,wenn die Sterne auftauchten.

An einemjenerAbendepromenirteimParkvonChantillh, seinem Sommersitz,der PrinzvonBourbon mitseinenCavalieren unddemjungen Grafen Roussillon,deram NachmittagausPariseingetroffenwar,umsichSeiner Hoheitalsglücklichheimgekehrter Reisender vorzustellen;erhatte seinedamals üblichegroßeTour durch Europa gemacht.

,,Wirklich,meineHerren,«bemerktederPrinz,vor einerLaubestehen bleibend,

»wir habenesunsremliebenGrafen hochanzurechnen,daß ihndiemaßloseHitze nicht abgehalten,uns seine Ergebenheitzubezeigen.Niemand hätte ihm zürnen können, wenn erdenBesuchbis zum Eintritt kühlererWitterung verschoben.«

»Solange,«entgegnete Roussillon, ,,wolltemeinHerzsich nicht gedulden. Man erwartete vomgestrigenVollmond mildernden Einfluß aufdieTemperatur,aberwieder vergeblich. SehenEuerHoheit,dortsteigtdieScheibeinförmlichhohnlachenderKlar- heitüber dieBaumwipfel herauf!«

DerPrinz folgte jedochderHinweisung nicht,wandte vielmehrdemglänzenden Gestirn beinahe heftigden Rücken undschlugeinen vonGebüschbeschattetenSeitenpfad ein. Schweigend,wieerselbst, schloßseine Umgebung sich ihman; nur der Ritter Macdonel,eingeborener Schotte,derseitvielenJahrenals Edelmannin Bourbon’s Suite diente undallgemein »derbraveSchotte«hieß,blieb bei dembetroffen stehenden Grafen zurückundgab ihm durch leisenDruck derHandzuerkennen, daßerihm ohne ZeugeneineMittheilungzumachen wünsche.DerjungeMannsah fragendden Alten an,dersogleichimFlüstertondasWortergriff:

»Siekonnten dasnicht wissen,wirAllenennen niemehrdenMond vordem Prinzen. Ermag’s nicht hören,esthut ihm weh.«

Cytaty

Powiązane dokumenty

ihnen entschlüpftist. Sie werden sich daher gewiß nicht wundern, daß ich so lange als möglich von dort fern bleibe und die Absicht habe, nicht vor dem Spätherbst

Jn den Brieer an seinen Freund Karl Mayer schreibt Lenau einmal: ,,Jn Amerika werden der Liebe leise die Adern geöffnet und sie ver- blutet ungesehen.« Und so wissen wir auch, wie

gedeihen, der all’ seine abgedanktenMaitressen in Wachs nachbilden läßt und in diesem ,,Museum«sein Leben verbringt und endet? Wo anders als im verkirchlichten Süd- spanien die

Was speciell den für uns wirklich letalen Ultramontanismus betrifft, so kann ja weder bei Mickiewicz, noch bei Slowacki von diesem die Rede sein, er war zu jener Zeit wenig expansiv

Bald sind es hundert Jahre, daß Voß mit seiner metrischen Uebersetzung der Odyssee hervortrat, und damit der Nation ein Werk von hohem Werthe bot. Mit dem Erstarken der

»aber zehn von Jhren Werken gingen ja schon über die Bretter: Zampa, Haidee, dle Hugenotten, Pre aux Clercs!« — ,,Schlechter Beweis: Wohl sind diese Operntexte aus meinen Romanen

er im Moment seiner diplomatischenReise wohl nicht in Paris zurücklassen dürfte. Die Poraussicht des geniereichen Natars wird verwirklicht. Chåteaufortkehrt freudig zurück, gibt

veraltet. Es sind übertriebene Leidenschaften, verzerrte Gefühle. Der Anflug von ritterlicher Höflichkeit und Courtoisie erscheint ihm jetzt so lächerlich, wie er früher