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Die Zukunft, 7. Februar, Bd. 42.

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Berlin, den 7.Februar 1905.

ff Js If

Die Frauender Obrenowitsch.

ÆswirddemLeser dieserZeilen vielleicht mehralseinmal vorkommen, alsob sanftePredigtenausderBiedermaierzeitodernaive Dramen aus Jgors Sagenkreifen erzählte. Dochwas ich hier berichte, sind Auf- zeichnungenaus derChronikeines Fürstenhauses,dessen Geschichtekaum hundert Jahre altist. DenInhalt Dessen,was ich hierzusagen habe, möchteichtinein kurzesWort zusammenfassen. Jn Europa giltesfür ausgemacht, daßdasPrivatlebenderFürstendasSchicksaldesStaates nicht mehrbeeinflußtEntweder sindwiraufderBalkanhalbinsel nochnicht soweitoderderSatzist überhauptfalsch;genug: beiuns inSerbien sind undwaren dasGlück wie dasVerhängnißdesStaates anGlück und Ver- hängnißimprivatenLebenunserer Fürstengeknüpft.

DerMann,derimAnfangdesneunzehntenJahrhundertsauseinem FünftelderserbifchenNation einenneuen nationalen Staat und eine nationale Dynastiegründete,war,wie bekannt, der BauerMiloschTheodorowitsch,der aber diesenNamennurtrug,folangeerdieOchsenseinesHalbbrnders,desWojwoden MilanObrenowitsch, aufden Markt inRagusatrieb. Später,alserselbst WojwodevonRudnik gewordenwar, änderteerseinenZunamenundnannte sichnach seinem StiefvaterundWohlthäterMilosch Obrenowitsch.Erwar einAnalphabet,dersein ganzesLebenlang nicht lesenundschreibenkonnte undallseineStaatsakten miteiner Stempelunterschrift versah.Unddoch war dieser Analphabeteiner dertalentvollsten,wenn nichtdergenialste Serbe desvorigen Jahrhunderts Jch habeineinerReihe gefchichtlicher Studien undineinerRede, dieichalsMinisterpräsidentbei derEnthüllung feinesDenkmales inPoäarewatzhielt, nachzuweisenversucht,was Allesdie NaturindiesemMannanFeuerzusammengehäufthatte.Erwar einaußer-

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ordentlichesTemperament,einaußerordentlicherSoldat undeinaußerordent- licherDiplomat. ImBesitzsolcherFähigkeitenmachteerzu einemsuzerainen Fürstenthum,was vorhereineverwüstetetürkischeProvinzgewesenwar;sein organisatorischesTalent aber,dasnichtminder großwar, erhob dieses Vasallensürstenthumzur Hoffnungderganzen Balkanhalbinsel.Undich wiederhole,wasichinjenerRedesagte:Wieunser mythischerNationalheld KraljewitschMarko imHeldenliedalsdieVerkörperungaller guten und schlechtenEigenschaftendesserbischenVolkes imMittelalter erscheint,gerade sowurde Fürst MiloschzurPersonifikation seinesVolkesimneunzehnten Jahrhundert.DieTürken, denenereine dergrößtenundschönstenProvinzen entriß,dieTürken,andenenerdieSerie derschrecklichenAmputationen begann, durchdiesie heuteinEuropanur noch aufMakedonien unddie Umgebungvon Konstantinopel zusammengeschrumpftsind, sie also, die ihn wiedenärgstenFeind hassen müßten, haben ihn »MiloschdenGroßen«

(Kodza-Milosch)genannt,— und zwarsiebenzigJahrevordemTage,da dieserTitelihmvom serbischenParlamentzugesprochenwurde.

Dieser MiloschObrenowitschhatte sich,alsernochselbstBauer war,

miteinerBäuerinverheirathet.NochbevorerdiedenHändendesersten Karagjorgje entfallenenational-revolutionäreFahne ergriffund demver- sammeltenVolk in Takowosein berühmtes»Hierbinich! Kriegden Türken!«

zuries, alsobevorernoch ahnenkonnte,daßesjeeinenserbischenFürsten gebenkönne unddaßer dieserFürstwerdenwürde,nahmerdie Bäuerin LjubitzaVukomanowitsch,übrigenseine BäuerinausrechtangesehenemHause, zurFrauundmachteausihrdann,nachdemeraufdemSchlachtfeldeden

neuen serbischenThron errichtet hatte,dieerste serbischeFürstin-

Jch habe erwähnt,daß ichvonErscheinungenzusprechenhabenwerde, die wieaneinheroischesZeitalter gemahnen;inihreReihe gehörtinaller- ersterLinieLjubitzaM.Obrenowitsch.DieBilder,die wirvonihr haben, zeigen, daß sieeineFrauvon großer Schönheit gewesensein muß.Sie waraber ebenso charaktervollundmuthigwieschönzundesist nichtAnekdote, sonderneinfacheWahrheit, daß siemitPistoleundHandschar sogutum-

zugehenwußtewiemit demKochlöffeluudSpinnrockenunddaß,alsMilosch einst nacheinerverlorenen Schlacht nachHausekam underklärte, Allessei verloren underkönnenur noch sterben, diesesWeibdieSchürze lösteund siedemMann undseinen WojwodenmitdenWorten zuwarf: »Hier,bindet EuchdieWeiberschürzeum;für Euch sindkeineWaffen.«

Diesounerwartete sürstlicheWürde, diegewöhnlichauchdiebesten unterdenParvenusausdemGleichgewichtbringtundzulächerlichenKarika- turen macht,war nichtimStande, deneisernenCharakter dieser Frauzu zerbrechenundihrengesunden Menschenverstandzu trüben. Siebliebauch

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ausdemThrondieSelbe, diesie gewesenwar: einetreue Gattin, eine sparsame Hausfrau,einegute, scharfäugigeMutter,dieihren Sohn,wenn essein mußte,ganzsobei denOhren nahm,wieesinihrem Heimathdorfe Vrusnitza üblichwar. Dereinzige Unterschiedbestanddarin,daß sie jetzt ganzSerbien alsdaseigeneHaus betrachtete, fürdassiemitunerschöpf- licherMutterliebe zusorgen hatte.Wenn jedervon Hoflakaien so oft mißbrauchteTitel »Landesmutter« mitvollem Rechteiner Fürstin zukam, so sicherlichihr;einganzes Buchkönnteman schreiben,—sowohlüber Das, wassieGutesgethan,alsauchdarüber,was sieanVösem verhütete,durch ihre Güte, ihre Thränen, ihr Flehen,mitdemsieihrem jähzornigenGatten oftgenugGrausamkeitenundUnrecht abkauste,zu denen der zum Autokraten GewordenejetztganzwieeinHarunalRaschid neigte. Sonst pflegtman KleinesmitGroßemzuvergleichen;binichzudemokratisch,wenn ichden auf Throncn geborenenundfürdieHerrscherpflichtenerzogenenFürstinnen unserer TagedasZeugnißausstelle, daßesunter ihnenEinigegiebt,die wirklichvielleichtaufderselbenmoralischenHöhestehen, ausderdieseschlichte Frauaus demVolkestand? VonEiner weiß ichesübrigenssganz be- stimmt,daß siein AllemdasEbenbild derFürstin Ljubitza ist,bisaufeine Eigenschaftfreilich,dieihrfehlt; dieser Mangel erhöhtabernur dasGefühl ihr schuldigerVerehrung.Wennman findet, daßich schwärme,somagman esverzeihen; auch sieist jaeineSerbinundichhabe,Gottsei Dank, noch nicht verlernt, tiefzufühlen,wenn ichvondenMännern undFrauenmeines Stammes rede. EsistdieFürstinMilena vonMontenegro. Jhre Weiblich- keitist nochwärmerer Bewunderung werthalsdieLjubitzaszdennsiehatge- zeigt, daßeinegekrönteFrau manchesHerzeleiddulden undverschweigenmuß, wenn siedamit demGlückihres Hausesund ihresLandes dient. Man merkt: ichmußmicheinemGegenstandenähern,der imeuropäischenWestenja schonzu dennicht mehr ernsthaftdiskutirten Geschäftengehört;beiuns im Ostenhängendaran abernochimmeroftBlutundThränen,selbstder Völker.

WirhabenimBalkaneinen anderenHof,woderFürstsünfundzwanzigLebens- jahre lang beständig,eoups deeanif dans le eontrat demariage« machte- AlserdesSpielens überdrüssigwurdeundzuseiner Fraumit der Bitteum

Verzeihungzurückkehrte,erwiderte sie: ,,Majestät,SiesindmeinHerrund Gebieter,SiesindderVatermeinerKinder: ich habe Jhnen nichtszuver- zeihen.«Meint man, daßnur durchdieHofmoralabgestumpfteSinne so sprechen?DasistTäuschung SolcheAkteweiblicherToleranz haben manch- maldenWerthvon Thaten,dieeinenThron festigenodergarerhalten,—

unddiese Toleranz fehlteebenderarmen LjubitzaSiewar eineprimitive, impulsive Natur, dienachdenGesetzenderReflexthätigkeithandelte.Die ineinempatriarchalischenBauernhauseGeborene hattevonderHeiligkeit

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derEhediehöchste,unmodernste Auffassung;undalssieeinesTageseine dervielenMaitressen ihresMannes inihrem eigenen Ehebettfand,nahm sie ruhigvon derWandeine dergeladenen Pistolen,die daimmerhingen, und erschoßdasFrauenzimmerwie eine tolleHündin. Dieser Pistolenschuß zerstörteihr FamilienglückundwurdezumSchicksalfürdiekaumgegründete Dynastie.DennzunächstwurdesiemitihrenKindernnachPoäarewatzver- bannt;natürlichmitallenEhren:man schufdortfür sieeineneigenenHof- halt. DasEhepaar versöhntesichdann undzogsogarwiederzusammen, so daßinBelgrad, wohin inzwischendieResidenz verlegtwordenwar, eine

.einheitlicheHofhaltung geführtwurde; alleinman weiß,wieesnach solchen LäsionendesGefühleszugehen pflegt: je mehrBeidezuvergessensichbe- mühten,desto schärfernagteinsgeheimdasaufgestachelteGefühlundwartete auf Ausbruch, bisderAugenblickkam.

Sind alldieseDingebeiIhneninDeutschlandbekannt? Jchweiß esnichtund willsie wenigstensraschnotiren. Auchim Staate hatte sich inzwischenManches geändert.EineIntelligenz hattenwirnoch nicht;wir mußten sievon denungarischenSerben her importirenundsie brachtendie BegriffederBureaukratie Metternichsmit. Dasempörte; und da zurselben Zeitaus demWestendasersteEcho konstitutionellenLebensherübethallte, gabesplötzlicheinetäglichsichverfchärfendeKritik derneuen Dynastieund ihrerAutokratie. DiesemGeisiderOppositionkam,merkwürdiggenug, noch stärkereHilfeaus Rußland.Denn dorthin hatte Milosch,da zuHause Schulen fehlten,die Kinder dervornehmstenFamilien des Landes zurAus- bildung geschickt,undsieAlle, die, mit demKnabenflaumauf derLippe,als seineBewunderer hinreisten,lernten dortdierussischeAristokratieinmitten ihresLebensauf-denreichenGütern kennen und kamen mit demBewußtsein zurück,daßdieObrenowitschja dochnur Bauern gewesenseienunddaß sie selbstmitdemselbenRechtwenigstensGrafenundBarone sein könnten,mit demdieObrenowitschzuFürsten gewordenwaren. Sosammelten sichdie bitteren StimmungenvonallenSeiten her,biseszuwispern,zuraunen und immerdeutlicherzusprechenbegann. MiloschderMann mit dereisernen Faust? Nunfreilich:erhatte jadasRegirenbeidenTürken gesehenund gelernt.Das türkischeJoch abgeschüttelt?Bravo: solchesWortklingtgut;

aber»oelane valait pas lapeine de changer degouvernement«, wenn derserbischeFürst geradewie eintürkischerPascha regirt.EinenAugen- blicklang hemmte Milosch nochdieFluth dadurch, daßer,demDrucke der sogenanntenVerfassungfreundenachgebend,Konzessionemmachteunddem LandedieVerfassungvon 1835 schenkte.Abereswar zuspät; schließlich verbanden sichallevierGruppenderUnzufriedenen,um denFürstenzu stürzenund seinen ältestenSohn aufdenThronzubringen.Undnun

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kam zu allemUnglücknochderZorn Rußlands.Milofch,derDiplomat, war einmal auchnaiv und hatte ohnedieErlaubnißdesKaisersvon der PfortedieAnerkennungderThronfolgeinseiner Familieerbetenunder-

halten; Milosch,derAutokrat, hatte ferner durchdieerwähnteVerleihung einerKonstitutionmit den»revolutionärenElementen«paktirt;undalsdann dieKlageandieNewagelangte, daßernichteinchristlicherHerrscher mehr, sonderneinztürkischerPascha sei,war erverloren. UndalsdieTragoedie desFürstensoweitgediehenwar, geselltesichauchdieTragoediedesMannes hinzu;denn dietötlich beleidigteBäuerin von Brusnitza,dieverrathene Gemahlin,dieverzweifelteMutter ließ sichvondenFeindenihresMannes überzeugen,daß siedenThron für ihre Söhnenur retten könne,wenn sie in dieEntthronung ihres Gemahls willige.Dawurdenun aus dergroßen Frau mit einem Male docheinschwachesWeib: sie setzte ihrenNamenan dieSpitzeeinerAnklagegegendenFürsten,die,von einemBruder Miloschs noch dazu mitunterzeichnet,imNamendes,,serbischenVolkes«demrussischen Kaiserunterbreitet wurde. Wasdarauffolgen mußte,istnur allzu klar;

von denUnzufriedenenangeseindet,von denStrebern verrathen,von der eigenenFamiliemitangeklagt,wurdeMilosch entthront,—— undso mußteder BefreierundBegründerdesneuen serbischenStaates indieVerbannungwandern.

UndLjubitzamitihrer Politik?JhrältesterSohn, FürstMilan, stieg aufdenThron, starbabernachMonatsfrist; nach ihmkamihr zweiterSohn, Michael: auch ihnverbannte man nachdreiJahrenunderklärte die ganze DynastiedesThrones verlustig.UnterdenAuspizienRußlandswurdedann AlexanderKarageorgewitsch,einSohndesFührersderersten serbischenRevo- lution,zumFürsten gewählt. LjubitzastarbimExilund wurdeimserbischen KlosterKruåedol inSyrmienbegraben. Sechzehn Jahre nachher,1858, wurde dieDynastieaufGrunddesLegitimitätprinzipsaufdemThron restaurirtz aberLjubitzaerlebtedenTag nicht mehr: sie sahnur dasElend ihresmit durch ihre Schuld gestürztenHauses.Mitschuldigwar sie,weilsienichtbe- griff, daßdie FrauaufdemThrondasRecht nicht hat,dasdochdemein- fachstenWeibaus demVolkzukommt, sondern daß sie ihr größtesund schwerstesMartyrium lächelndtragenmuß,weilihr privatesSchicksalfür dasSchicksaldesStaates entscheidendwerden kann.

DieRestaurationgab sichvonAnfangan alsdasBeste,was eine Restauration sein kann, nämlichoffenund unumwunden als eineGutmachung desUnrechtes,dasdie Nation ihrem Befreier zugefügthatte.Nicht Michael, derzweitverbannte Fürst, sondern seinVater, der alteMilosch selbstwurde zurückberufenund in seinem Gefolge kehrte Michaelnur alsThronfolger heim,um nach zwei Jahren,dieseinemVaternochzu lebenvergönntwar, selbstwiederdenThronzubesteigen. Aucherhattesein-Leid.Bemerken

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willich, daßereswar, derdieeherne Devise schuf: ,,Tempus etmeum

jus!«und- daraus läßt sicheigentlichdie ganze Art des Mannes erkennen.

Serben waren undsindwirAlle:erwar dererste großeeuropäischeSerbe.

ErhatteimExilvielgelernt,imVerkehrmitdenMonarchenundgroßen Staatsmännern EuropasdieverschiedenenpolitischenSystemeundFaktoren inderNähe gesehen. Bücher,Menschen, Dinge, Systeme:Alleswar für ihneinLebendiges,daserrastlosstudirte,undzwarmiteinemschierun-

trüglichenBlickfüralleWesenheit.UndAlles,was erwar, war erals Mann;derfeinVolkliebte,undnichtnur alsOpportunist,dersichaufdie Mittel verstand,wieman einenunsicherenThron haltbar macht.Wäre das Wortnicht schon durch unzähligegekrönteKarikaturen entwerthet, so möchte ich beinahe sagen:erwar derrichtige großeJdealist aufdemThronund derrichtige HerrscherfüreinVolk, dassichimUebcrgangsstadiumaus dem patriarchalischenindasmoderne Lebenbefand.Die konsultativeNational- verfammlung,dieerregelmäßigeinberief,»hörteerauch;ermachtedenfrüher allmächtigenoligarchischenStaatsrathwiederzuDem, was ersein sollte, zu einerKommission,dieGesetzevorzubereiten hat.JnderganzenVer- waltungwurde nun wirklich»dasGesetzderhöchsteWilleim Staat.« Auch entfernteerdie letztentürkifchenGarnisonenaus Serbien undbefetztealle ferbifchenFestungen endlichmit Soldaten, dieSerbiens Fahnetrugen; er wurde dieeinzigeHoffnungallerBalkanchristenunddaneben einLiebling allereuropäischenSouveraine.

WennEiner, so hätteerverdient,glücklichzufein. DochdasGlück verfagte sich ihm·NochimExil hatteersichmitderschönenGräsinJulie Hunyadi verheirathet,einerTochterdesalten undruhmvollenGeschlechtes, daseinstdemungarifchenThroneinenfeinergrößtenKönigegeschenkthatte, undeinerFrau,die in Allemaus feiner geistigenHöhestand.Abersieblieb kinderlos. Meintman, daßesfür michalsPolitiker nicht schicklichist, ernsthaftvon demUnglückderKinderlosigkeiteinerfürstlichenEhezureden?

Nein: esistwederkomischnoch unfchicklich;werbedenkt,welcheRolle diese FrageimheutigenSerbien spielt,wirdbegreifen,was ichmeine,wenn ich daranerinnere, wieJulie Hunyadi-Obrenowitschhandelte,alsdieJahrever- gingen, ohnedaßsie ihremGatteneinenThronerben gebar.DieDynastie stand aufdenzweiAugen ihres Mannes, densieliebteunddersieliebte, unddaopferte siesichundihr persönlichesGlück.

DasOpferwarvergebens; Michaelwurdeermordet, undfeinMär- tyrertod brachtedenSohneinesfeinerVettern alsMilan Obrenowitschden Vierten aufdenThron. Vorausschickenwillichnun, daß ichMilan liebte und«ihmalsMinisteraus allerKraftmeinerSeele diente; ichwillaber auch gleichsagen,warum. WährendfeinerzwanzigjährigenRegirung hat.

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dieserFürstdasvon seinenVorfahrenererbtekleineVasallenfürsienthum nichtnur um eingutesDrittel anGebiet undEinwohnerzahl vergrößert, sondernerhateszurUnabhängigkeitgeführt,zumKönigreicherhobenund esmitallenAttributen einesmodernen Staates ausgestattet. Jchglaube nicht,daßichblindbin; KönigMilan hatte wirklich,wie alle guten,soauchalle schlechtenEigenschaftendesBegründersderDynastiegeerbt;unddieschlechten wurdendurcheinezügelloseLeidenschaftlichkeitgesteigert,dieihmalsErb- theil seinerMutter Marie Obrenowitsch,gebotenen Catargi,imBlutsaß- Dennochwäreer,alsdergrößteHerrscherderBalkanstaaten gesegnetund von Europa geachtet,bisanseinLebensendeaufseinemThrone geblieben, wenn ernur dieFrau gefundenhätte,dieseinenundihren Beruf verstand.

Seinunddes Landes«Unglückwollteaber,daßerdaserste schöneMädchen, in dasersichverliebte, zurFürstinunddannzurerstenKöniginSerbiens erhob.AlsTrägereinerjungenund so wenig gesichertenDynastie mußte

erschon nach politisch wichtigerenVerwandtschaftenUmschau halten,alsdie war, dieihmdasFräuleinvonKeschkomitbrachte; verhängnißvollerals alles Andere wurdeaberderUmstand, daß dieses junge Mädchen,dasimbürger- lichenLebenvielleichtdieidealsteFrauundMutter gewordenwäre,sich auf demThron nichtzurechtzufindenvermochte. Heute,wosie selbstals Frau wie

«

als Mutter so unglücklichist, ziemtesmir nicht, diewahrhaftigeGeschichteder KöniginNataliezuschreiben, miramWenigsten,weilgeradeichalsMinister gezwungen war, dieScheidungMilans von seinerGattin zuermöglichen unddurchzuführenNur,wasichsagendarf,willichsagen. IhrSchicksal hing nichtganzvon ihrem freienWillenab;eswar vonderNatur schon in derWiege entschieden. KöniginNataliewar auffallend schön;undSchön- heit,dersichnicht ungewöhnlicheBildungundCharakterstärkegesellt, pflegt insich selbst allzuverliebtzusein,alsdaßsieaufrichtigerLiebe zu einem Anderen fähigwäre. OhneeinesolcheLiebeaberisteineglücklicheEhe, wenigstensinderZeitderstürmischenJugend,undenkbar. WenneinPyg- malion seineGötterschönheitmit leidenschaftlichenKüssenzum lebenden Weibeerwecken konnte:zurhingebendenGattinwäreauch sieniegeworden.

Undmußteerdann, trotz allerSchönheit,sichnicht unglücklichnennen?

Trotzdemdauertedie LiebeMilans zuseinerVenus viellänger,als diesesGefühlin denvon derLeidenschaftrasch geschlossenenEhen gewöhnlich dauert. Jch weiß nicht,obesbekanntist, daßesindieserEheeinmal eineFrühgeburtgab;einPrinzSergiuswurde damals geboren»Aerztliche Kunstkonntediese Frühgeburtnoch verhindern. DaswäresichereinGlück fürdieDynastie gewesen,dennheute stündesie nicht aufdenzweiAugen desKönigs Alexander. Also nochdamals warKönigMilan inseineFrau soverliebt,daßerdieAerztean ihrer Pflichterfüllunghinderte,weildie

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Königinlitt,wasdochunterMillionen Frauen jedeleidenmuß nnd leidet...

Jch höredenRuf: GeschichtenausderWochenstube,dieeinPolitikerin einerhistorischenStudie auskramtl DochwaskümmertsichdieNatur um

äußerekonventionelle Zimperlichkeiten?Wenn in derWochenbettzeitent- scheidendeCharakterzügesichtbarwerden, dannmußman sieebenbeachten;

oderman schreibtnicht Biographien, sondern falsches,albernes Zeug. Jn demMädchenpensionat,woNatalie von KeschkoinOdessaerzogenwurde, waren diejungenDamen nicht fürdiePflichteinerKöniginvorbereitet worden. Nuransichdachtesie,anihreeigenenBedürfnisse,anihre Schön- heit,diesie triumphiren sehen wollte;unddieFrauen,dieindieJntimität derjungen Fürstin zugelassenwurden,hattennun natürlichleichtes Spiel, alssie ihrbewiesen,daß sie,umihre Schönheitzubewahren,dasFrauen- martyriummeidenmüsse.Sie miedesdennauch,undalsihr einstein treuerFreund ihres Hauses vorahnenddieGefahr dieser gewolltenUnfrucht- barkeit klar zumachenversuchte,erwidertesie:Jenedispasnon. Dans dix ans: oui, maisjusquelä,jeveux vivre. »Vivre«: ganzeinfach,bür- gerlich,,vivre«. Eswar danach;einLuxuskamauf,wieerinSerbien nievorhergesehenworden war;unddaerüber die Mittel der»Hoffähigen«

weit hinausging,trugerviel zurKorrumpirungderbisdahinbescheiden lebendenBeamten bei. Jn einemBriefdesverstorbenen Regenten Jovan RistitschandieKöniginwurdederSchade,dendiesesLeben in derserbischen Gesellschaftanrichtete, deutlich geschildert,aberohneErfolg. Allestanzte, tanzte unermüdlich:mitdenkleinenAttaches,mitdengroßenDiplomaten,

·mitaltenGeneralen;undwenn man manchmalmitso einemaltenTänzer stürzte,dann lachtedieaufdemBoden liegendeMajestät, undMilan war unglücklich.Thut nichts:Lareine s’amuse. Durchdas ganzeHaus zogsingendundklingenddieLust;jung seinundleben:DaswardieReligion.

Dawar einjunger,vonKraft strotzenderMann, verliebtund mitnatürlichen Rechten,denman Könignannte, undermußteriskiren, imVorzimmer dasKichern seiner eigenenLakaienzuhören,wenn erdenZugangzuseinen bestenRechten einfach verschlossenfand.DazogerdennendlichdieKonse- quenz; unddarum behaupte ich, daßderRufdesDonJuans, derihn verfolgte,niebegründetwar. Jm Gegentheil:erwar sogar schüchtern;wo

erGnadefand,dablieberauch gleichmitseinerganzenSeele hängen;

underkonnteso fest hängen,daßseineMinisterundFreunde ihnimmernur mitGewaltvoneinem Weiberrocklosreißenkonnten.Sowareseinst schonmit seinerfrühestenLiebe;dawar erzurAbdankungbereit,umDie zuheirathen, die ihn zuerstliebengelehrthatte; sowaresspäter,alsman ihmdielegitime Liebeso thörichtversagte.Er stießauseineLevantinerin, die Fraueines hohenHofbeamten,diegleich begriff, welcheChance ihrdasElend desfürst-

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lick)enHauses bot;und er,jung, schönundFürst,ward zurBeuteder unschönenund kinderreiehenFrau. Dieaber,dieihnhinansgetriebenUnd zumdankbarenEmpfängerfremder AlmosenanLiebegemacht hatte, schrie, stattselbstverschuldetesLeidmitWürde zutragenundvon demargge- schädigtenPrestigedesHauseszuretten, was nochzuretten war, ihren Schmerzlautindie Welt hinaus. Und dabeganndas großeUnglück.

DiePressederganzenWelt bemächtigtesichdesleckerenBissensunddie belgradekHofwäschewurde vor AllerAugen gewaschen.EinMann, der glücklichgewesenwäre, wennseineFrauihmdieehrlicheTreue ermöglicht hätte,ein hochbegabterKönig,derfürsein LandundfürdieCivilisation aufderBalkanhalbinsel noch soVieles zuleisten vermochte,wurde als erbärmlicherLüstling hingestelltundzurständigenKarikatur gemacht.Alle Sympathienwandten sichderschönenUnglücklichenaufdemThronzuund keinemMenschenfielesein, zufragen,wieesdenngekommensei, daßeine UnschöneMatrone einer solchenjungenGöttin vorgezogen werden konnte.

DiePolitik mischte sichinsSpiel. Aufdem Berliner Kongreßhatten Fürst GortschakowundGraf Schuwalow unseremVertreter Jovan Ristitsch erklärt,Serbien könnenur bekommen,wasOesterreichJlngarn ihmge- währenwolle. DaschriebKönigMilan dendenkwürdigenBriefanAndrassy, indemersichaufrichtigdemHabsburgerreichanschloß.DieWirkungwar, daß Graf Andrassy,in vollemEinvernehmenmitseinem KaiserundKönig, Das,was Serbicn in zweiKriegenerrungen hatte,gegendierussischen VertreteraufdemBerlinerKongreß vertheidigte. DurchdenKaiserunddurch Andrassywurdealso wenigstensdergrößteTheil dieser Ertungenschastenfür Serbien gerettet. Dasverpflichtete. JnSan Stefanowollteman uns und unserer ZukunftdenTodesstoßgeben; durch Oesterreich:Ungarnwurde uns inBerlindochunserRecht.Undda,geradedaopponirtedie inFlorenz undvon nicht-russischenEltern geboreneKönigin,die desRusiischenso wenig mächtigwar, daß sie aus russischeAnredenimmer nur französischantwortete.

Siewar Russophilin! »Für jedes Heiligenbild, für jedes Kirchenbuchund Meßgewand,für jedenRubel, denRußlanddenSerben je geschenkthat, habenwir mitje zwei Menschenlebengedankt,mit Strömen serbischenBlutes, dasfürdasHeilige Rußland vergossenwurde.« Wasich hier sage, istein CitatausderSchrifteinesserbischenAkademikers, der dieEhre hatte,seine AnsichtderKöniginvortragen zudürfen.Sieantwortete: »Siehaben Recht.

TasAllesistwahr. SehenSiehierdiemitBrillanten besetzteTabak- dvse? SieistdieeinzigeBelohnung,dieFürst Milosch fürdennnschätz- barenDienst erhielt,denSerbien Rußland damalsleistete Unddennoch Undtrotz SanStefanowerdeichesimmerlieben.«»AuchwennEuerMnjesiät dieUeber-zeugtnggewinnen sollten,das; dasofsizielleRusslandgegenJhren GemahlnndJhren Sohnarbeitet?« »Auchdann.«

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Immerhin gehen auch bei ziemlich kollektivisirter Wirthschaftsührung die Vortheile nicht so weit, wie Frau Braun annimmt. Jch kann mir nicht vorstellen, wie eine Wirthschasterin

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305 die einzige Quelle der Erkenntnißhingewiesen; da er aber noch nicht weiß, daß alle Logik in den Gewohnheiten der Sprache steckt und daß selbst der fprachliche Ausdruck für

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