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Neue Monatshefte für Dichtkunst und Kritik, 1875, Bd. 1, H. 6.

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thlagtmnGen-gStilbe.»

M. speiset-sinkeu.

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——«—0s0 Juni«1875.Hos-

Ynlgnlt

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Seite cJsedrmrdZeiss-MkVonEdmund Ho efer . . . . . . . . . . 429 AusaltencClagen SkizzevonA daChriste n. 433 Aus derfranzösischenRevolution. DramatischeScenen von S.H.

Mosenthal. . . . . · . . · . .. . . .

Oedicljte.VonEliseTiedemann. MitgetheiltvonTheodor Storm . 456 Yie schöneZaelusine.Von Gottlieb Ritter . . . . . . . . . 458 Diearme Gråstw Scenen deutschenBadelebens. Von Hieronymus

Lorm...,460

»HierBrief Hlluköach’5.Aus dessen Nachlaß mitgetheiltvon Carl Stieler...496

AlexanderRost EinNachrufvonW.Marx- . . . . · . . . 501

cseritiscljeRundbliaie 504

EinneneøCasent. VonOscar Vlumenthal.

ZumAndenkenMöriiie"g·

Miacellem

site»Zum Wonqjgljefje«erscheinenregelmässignmEndejedes Wen-its imUmfangban5—6Zagen Tex. eleg. geh- Yer Jahrgangbestehtaus 2HändenZuje6Yesterr.

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YeuenVonatsheftefür YictitliunstundKritik

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GdukirdMärjbn 429

GduardMörilåe

Von Edmund Hoe fer.

Man braucht gradekein würdevoller LiterarhiftorikerundAesthetiker,keingräm- licherKritiker zusein,sondern mag sich immerhinalseinnachsichtigesodersogar wohlwollendes Menschenkinderweisen,und wird dennochüberunsereneuere schöne Literatur, seiesvollUnmuths, seiesmit Betrübniß, wohldenKopf schütteln müssen.Wer dasAugezumal ausdie moderne Poesie richtet, muß sichernstlich daran erinnern, daßderpoetischeKernunserer deutschenNatur einunverwüstlicher ist und, gleichviel nachwie langerRuheund nachwiehartem Zwange, immer wieder einmal schöneundduftvolle Blüthen treibt,um von derZukunft Bessereszu hoffen,alsdieGegenwart gewährtundzuverheißenscheint.

Niemand wird leugnen, daßanTalenten auch jetzt durchauskeinMangelist.

Allein nacheinemwirklich reichenundschönen,nacheinem ächt selbständigensehen wiruns unter denneueren fastvergeblichum. Wirfindenkaumeines,dasuns nicht zweifelnund unsereAnerkennung noch zurückhalten läßt,dasunsere Theil- nahmeund Liebe sozusagenmit einemSchlageund fürimmer gefangennimmt.

Undwirdürfen schon, seiesmitWehmuth, seiesmiteinem gewissen Neide,an jenewunderbare Zeitzurückdenken,wo trotzallerUngUnstund allerBeschränkung, fastjedes Jahr einen odereinpaar Dichter erscheinen ließ,denensolches gelang, welchedieZeitgenossen sichzueigen machten,dieauchuns,dieNachkommen,noch zuihren getreuenBewunderern zählenundinderGeschichteunserer Literatur stets aufdasrühmendstegenanntWerdenMüssen· Diese Zeiten sindfreilichschon ferne und ihre Dichter haben meistens schon längst nichtnur geistig, sondern auch leiblich vonuns Abschiedgenommen. Die ReihederLebendenwird immer kürzer,und

«nun istwieder einerausgetreten am4-JunistarbEduard Mörike nach langen

«körperlichenLeiden zuStuttgart UndWurde am 6.trauervoll vonuns zuseinem Grabe begleitet.

Eduard Mörike istallerdingskeinervon unserenDichterfürsten,allein er

behauptetsichinihrer NäheUnd obendarein in derwarmen Liebealler,dieihn kennen, UUfdasEhrenvollstesSein Talent war keinumfassendes,aberinseinen Schranken einesder reichstenund schönsten,dernaturwüchsigstenund srischesten,die man kennen gelernt hat, und keinDichterverdient esmehralser,inweiteren Kreisen und besser gekannt, gewürdigtUndgeliebtzuwerden,alsesihmundseinen Dich- tungen währendfeinesLebenszuTheil geworden ist.

Jchkann esnicht versuchenwollen,einauchnur annäherndvollständigesBild dieses MenschenUnddieses Dichtersizuentwerfen. Dasmuß ich Vemfenerenund Kundigeren überlassen. Jch selberbinihmniemals nahe gekommen,UndMörike

I.6. 28

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430 BeutMonats-heitrefiirYirlgtlmnstund Yritjk

war einervon jenen, welcheman, wenn überhaupt,nicht durch ErzählungenAnderer, sondernnur durchden eigenengenauen Verkehrmit ihnenund durchdieeigene liebevolle Beobachtungkennenzulernen vermag. Jch möchtenur dieAufmerksam- keit wieder aufdenschon halb Verschollenenlenkenund dieKundigen ausrufen, an dieHerstellung seines wirklichenBildes zugehen,bevor eszuspät ist. Vielesolcher Kundigen gibtesüberhauptnicht,denn Mörikelebte,wenn irgend einer, sein eigen- stesLebenganzundgarinseinem, Jedermannmehroderweniger verschlossenenJn- nern, und die Spuren einessostillenundengenDaseins, dieselbst währenddes Lebensnur von Wenigenbemerkt und beachtetworden sind, pflegen nachdemTode miterschreckenderSchnelligkeitvollends zuverschwinden.

Eduard Mörike wurde am 8. September1804 zuLudwigsburg geboren,wo seinVater alseinangesehenerundbeliebter Arztlebte. Zum Studium derTheo- logie bestimmt, folgtederSohndeminWürttemberg üblichenWege durchdas Seminar zuUrach führte derselbe ihnin’sTübinger Stift und, nach Beendigungdes Studiums, alsVicarzudiesemundjenem Pfarrer, biser endlich,30Jahrealt, selberzudiesemAmte gelangteund 1834 diePfarrei zuClevensulzbach erhielt.

DerkleineOrt,inderNähevon Weinsberg gelegen, hat dadurcheine gewisseBe- rühmtheit erlangt, daß aufseinemFriedhofe SchillersMutter begraben liegt, welche hierbei ihrer Tochter Louiseund ihrem Schwiegerfohn,dem damaligen Pfarrer Frankh,weilte. Die Stelle giltodergalt dochals eineArt von Ansangsdienstund bannt ihren Besitzerineinegroße Einsamkeit.DazukamfürMörike dasUnglück, daßerbaldnach seinerAnstellungvon einem schwerenRücken-oderNervenleiden befallenwurde,welches ihnzurVersehung seinesAmtesfast unfähig machteundihn zwang, einenVicar beisich aufzunehmen.

Mancher Andere,ja diemeisten,möchtenvon solchen Verhältnissenzerdrückt worden sein. BeiMörikewar dies,wenn freilich auchniemand sagenkann,was ohne dieselbenaus ihmundseinemTalent gewordenwäre,soweit ichdavon weiß, keineswegsderFall. Ja,ich möchtesagen: seineNatur und, wenn man sowill, auch seinTalent waren gewissermaßenauf dergleichen angelegtoderdoch schon dazu gestimmt.Bedürfniß-undanfpruchsloswieWenige,ließersichkeine äußereBe- schränkunganfechten, jaerhatte sichvon jeher sozusagen freiwilligindieengste Enge und Abgeschlossenheitzurückgezogen.Schon aufder Universität schließtersichin denkleinsten Kreis,flieht,wie David Straußeinmal von ihmineiner gelegent-

«

lichenaber meifterhaften Charakteristik (Schwengler’s JahrbücherderGegenwart, 1847,Heft6)sagt, jede fremdartige Berührung, errichteteineArt Freimaurerloge um sich her,aus welcheralleProfanen ausgeschlossensind ,,erverbaut sichgegen die Wirklichkeit«,er schafft sicheine eigene phantastischeWelt und »eine eigene SphärederPoesie«,indererträumt und schwärmtundlebt, und er nennt selber dieseZeit nochweitspäterdieschönsteseinesLebens (f.dieErklärungvor seinem ,,letzten Königvon Orplid«inderSammlung »Jris«).

Unddennoch—- unddasistebendas Räthselhafte,das aus Mörike überall hervorlauscht,«fobaldman ihnmitsehendem,festemAugezuerfassen sucht! und dennoch wurzelter auchwieder in dervollstenRealität und lebt, äußerlichdem Lebenabgewandt,imJnneren dasreichste, frischeste, sröhlichsteLeben. Das zeigt sichanihm selber,demTräumer,demHypochonder,demKranken,demdennochder

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Gdunrd Wörilke 431

ScherzunddieNeckerei,die Schalkhastigkeit nicht fremdwar, dessen »unvergleich- lichesTalent derhumoristischen Mimik«,wieman rühmen hört, selbstindenletzten Jahren noch zuweilendieFreunde entzückte.Das zeigtsich fernerinseinermerk- würdigen Verbindungmitseinem Jugend-und Studienfreunde Wilhelm Waib- linger, einem CharakterundTalent, die demseinen anscheinend so fremd,wie irgenddenkbar sind,unddessen Gedichte geradeertrotzdem herausgabund gewisser- maßenbearbeitete (1844). Daran schließtsichdie Vorliebedes Träumers undWelt- abgezogenen für jene »TriumvirnAmors« (Goethe’sRömischeElegienV),Catull,Ti- bull und Properz, von deren erstenbeiden er in seiner,,Elassischen Blumenlese«, 1840,Uebersetzungenliefert. Hieher gehörtweiter der nicht wenig bemerkenswerthe Umstand, daßer,imJnnern sovielseitig, äußerlich stetsim engsten Kreise sichzu haltenundbewegen vermochte, daßer,auchinseinen verhältnißmäßigguten Tagen, dieGrenzen seiner Heimathsogutwieniemals überschritt, daß ihnniemals nach einer äußeren Anregungzuverlangen schien,—- seies,weiler ihrergarnichtbe- durfte,seiesetwa,weiler,dann freilichwohl mehr instinktartigalsinweiserund klarer Selbstbeschränkung,vorjedem VersucheinerAusdehnungund Hingebungzu- rückwich.Werweiß,obnichtinsolchem Falle vielleicht Mächteinihm wachge- rufenwären, die imunbesieglichenWiderstreitmitdenirdischen Verhältnissen, für ihnundseineNatur hätten verderblichwerden mögen.

WieesmitihmunddieserNatur gestanden habenmag, daraus kann man, glaub’ ich, einigermaßenschonaus der, sicherlichnichtblos inseinemLeiden be- gründeten Ruhelosigkeit schließen,dieihn nirgendslange rasten, sondernimmer wieder eineneue Engeaussuchen ließ.Denn als er sich endlich1843 durch sein Leidengezwungen fand,dieimmer noch behauptete Pfarrstelle auszugeben,lebteer

sieben Jahre langbaldzuHall,baldinStuttgart, baldin«Mergentheim,indem er nur auf diesemletzterenPlatz länger weilte, ja hier auchindemFräuleinMar- garethevon Späth seineGattin fand. ImJahre1851 fandereineAnstellungals LehrerderLiteraturgeschichteam Katharinenstiftzu Stuttgart und widmete sich diesemAmt unter unausgesetztenLeiden bis 1866. Dann folgteein erneutes Umher- ziehen, nach Lorch, zurücknach Stuttgart, nach Nürtingenundzuletztwiedernach Stuttgart, wo erdenn jetzt seinGrab gefunden hat.

Amdeutlichsten offenbart sich jenes Räthselhafte,dieDoppelwelt,odersage ich, diesinsich nirgendsvermittelte eigene Doppelleben, selbstverständlichinseinen dichte- rischen Schöpfungen,vor allem inseinem Erstlingswerk, dem 1832 erschienenen

»Maler Nolten«,einem unerquicklichenWerk,von dem esmirsehr zweifelhaft ist, obesdievom DichterindenletztenJahrenunternommene vollständigeUmarbeitung zueinem wahrhaft künstlerischenzuerheben vermochthabenwird. Jnder schon genannten Sammlung »Jris« stehendasMärchen,derOperntext,dasSchattenspiel, die Novelle neben einander vor uns. SelbstdieimEinzelnen reizende »delle am Bodensee«leidet unter demMangel derEinheitinderEomposition,und sogarin seinen Gedichten, erste Auflage1838, dievierte, um das Doppelte vermehrte, 1867 —- finden sich hartnebendemPhantastischen, Nebelhaftenund Gespenstigen jene entzückendschönenLieder,volldereinfachsten NatürlichkeitundVolksthümlichkeit, volldertiefstenundinnigstenundzugleich gesundesten Empfindung, reichan glänzen- den Schilderungen, durchwebtmit denfeinstenund nicht selten genialsten Zügen,

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432 Feu- YxrouutshektkkiixYichtkmkstund Ruthe

ohne eigentliche Kraftzwar, dieman inMörikeüberhaupt nicht suchen muß,aber von einerpoetischen Zartheitund einerwunderbar dustigen Klarheit, dieinunserer poetischenLiteratur Jhresgleichen suchen.Jene Lieder undanderen Dichtungen, mein’ich,diedesDichters Ruhm begründethabenundihn trotzallerUngunstder Zeitenauchunter denNachkommen noch erhalten werden,die ,,Rosenzeit,wie schnell vorbei«, »Schön Rothtraut«, »Achwenn’snur derKönig auch wüßt«,,,Drei Tage Regen fortund sort«, »Früh morgens,wenn dieHähne krähn«,undwiediese Perlen unserer Lyrik sonst heißen mögen.

Magman an Mörikeis Talent mäkeln und zweifeln, dieseLiederallein schon zeigenihnuns alseinen Dichtervom ScheitelbiszurSohle. Sein Stern ist,ob auch nichteinerderglänzendsten,docheiner derschönstenanunserem.Dichterhimmel.

Das sollteindenweitesten Kreisenerkannt werdenundMörikesolltezudengelieb- testenund vertrautesten Dichtern unsererNation gehören.Wir haben auchgegen ihn, wiegegenmanchen Anderen, eineEhrenschuld abzutragenundihm sein Recht angedeihenzulassen,dasdemLebenden nur allzulangekalt und gleichgültigvor- enthaltenworden ist.

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gingalten Tagen. . 438

Aus altenTagen

Skizzevon Ada Christ e-n.

Es istein altes halbzerfallenesSchloß,das aufeinemsteilen hohen Felsen liegt. Jn Schneckenform zieht sichdiehohe Ringmauerrundum den.Berg; siemag wohlaufgebaut seinvon denSteinen,dieaus demFelsen gehauen sind,dennhinter dieserMauer läufteineStraße, auf welcher nichteinKörnlein Sand oder Erdezu sehen ist:Lauter FelsplattenbildendenWeg, zuweilen glattwieeinTisch, zuweilen rauhund geborsten.VomFußdesSchloßbergesan bis hinaufin den Schloß- hof ziehen sich zweibreite Räderfurchen,die tief in das spröde Gestein einge- fahren sind,und wenn esregnet,schießenzwei lustige Bächleindrinnen hinab.

Immer rund herum gehtes,wenn man dahinansteigt,immer enger wirdder Kreis,dendiehoheMauer einschließt,endlichaber hörtdieSteigung auf,man geht einStück Weges ausebenem Boden und steht plötzlichdrinnen indemBurghof, dernochimmer zwanzigmal so groß ist,alsderHofdesgrößtenHauses,dasunten imMarkte liegt.

Dachund Fachfehltan der altenBurg. Nur einlanggestreckterwürfelför- miger Thurm ist gut erhalten;kleineFenster sind hinein geschlagen eineschmale steinerne Treppe führtbis andieHälftederHöhe,wodurcheinenfinstern Gang getrennt, rechtsundlinks jeszwei Stübchen sind;dieandereHälftedesWürfelthurms hatvon keinemEnde einenZugang, —- esistals. wärefast Felsstück auf Felsstück geschichtet;keinDach,keinSöller ziertdenKlotz; seinoberes Endeist glatt, flach undgrau.

Ein armer Hausirjude bewohnteum einVilligesmitWeib undKindden

alten Thurm.

Daszerfallene Schloß selbst istderResteinesstattlichen Besitzes.Dieleeren Fenster glotzen hinabindasThal. ZwischendenRitzenderSteingesimse blühen schonimFrühlingsanfangBlumen. Aus einem Fenster wächst sogareindichter Hollanderbusch,indemdieVögel zwitfchern,undvondemsichdieBuben Pfeier schneiden,um mitdenVögelnum die Wettezulärmen.

JnUngarn steht diesealteBurg,undvon demSöller, dessenBrustwehr längst zerfallen ist, siehtman weithinausindasLand. Rechtsdehnt sich durchdieFelder einelangePappelalleebishinüberzueinemDorfe,dieStrohdächer schimmern gelb her; am EndedesDorfes beginntdiesteife DoppelreihederPappelnwieder und

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484 Reue Monats-heitrefürYirlgtliunstund Yrith

verliert sich erstbeidemgrüngrauenFlüßchen,wo dieWeiden stehen, dieleiseim Winde schwanken,undschierwiedasWasser selbst anzusehen sind,wenn eswettert oder dieDämmerung kommt. Ein Stück hinterden Weiden beginntderschmale

·Wald,derimmer breiter undimmerhöher wird, so daßdiealten Eichenwieeine hoheMauer dahinterstehenund in ihren Wipfeln dieWolken zuhängen scheinen.

Linkshinüberaberisteskahlundflach.WoderMarktfleckenendet deram Fuß desSchloßbergs beginnt— ist noch dürftige Weide,magerer Weizenundkrüppel- haftes Gesträuche. Nochweiter hinaus slimmertund flattert es aufder grauen Erde,·wieseine goldigschimmernde Federn. Das istdasHaidekraut; ,,Frauenhaar«

nennen esdie Bauern und schmückenihre Mützendamit am Sonntage, und die

Dirnen stellenes zwischenBlumen hinterdie niedern Hüttenfenster. Dochimmer dürftigerwird Gras und Gesträuchedadrüben,immerstillerund öder wird die Ebene diese weglose einsame Fläche,diesichimNebelverliert, istdiePußta... DieSonnefällt gleichsamdahintenin einNebelmeer; jetzt istesalsobsichein glührotherSchleierüberdieErde zöge dann kommtdasblasseverschwimmende Lila fahlerwird es,trüber, endlichaberfarblos undtodttraurig Mit einem Male wird esNacht amdunklen Himmel glimmeneinpaarSterne unddurch diefeuchte, würzige Luft zittern zirpendekurze Töne aufderErdeunten istes abersohell, daßderVogel,derdurchdieNacht fliegt,oderdereinsame Reiter,der heimkehrt, jedenStein ausdemWege sehenkann.

—.——-——--—.—.——-—---—-——--—-

Jchwar einjunges Ding,alsich ausdemSöller,dereigentlichnur mehrein indieLusthinausgestreckterStein war, lehnteund allesdassah. Nebenmir stand damals einjunges schlankes Mädchen, daß nach rechtsundlinkssahundsich auf denFußspitzenhob, so daßmirAngstundbange wurde,denn derWind blähte ihr dünnes Tuch aufals obsie Flügel bekäme,und ich zitterte,daß sie jetzt fort- getragenwürde von einem hinterlistigen Windstoß,der oftplötzlichumdie Ecke flog, ohne daßwirihn früher hörten.

Das schlanke Mädchenundich,wirwohntendamals beidemHausirjudenim Thurm. Wir waren mit einer reisenden Schauspielgesellschast angekommen. Mit denWohnungen sahesunten imMarkte übel aus,dawiesman uns also,diewir dieJüngstenunddieUnzertrennlichstenwaren, dahinaufzuderIudenfamilie.

»Diekönnennoch laufen,diesind jung,« hießes.

Es war Sommer und heller Sonnenschein, als wirathemloszumerstenmal oben ankamen. Diealte Judenfrau hattedieSchwindsucht, sie saßmitten ineiner leerenFensterhöhle,sonnte sichund hustete so laut, daßdieVögelin demHollunder- busch schwiegen.

Liese,meineGefährtin, sagte ihrwas wirvon ihr begehrten,undwährenddie Frauimmer ihrenwelkenLeibvorwärts und rückwärts schleuderteund diehageren Händeüber dasKniekreuzte, musterte sieuns vom ScheitelbiszurSohle.

»So? Komödianten sindda?«hustetesie,»undihr jungenKinder seidganz allein? OhneVater undMutter? Nun,ich nehme Euch aus«

DieFrau riefnacheinemschwarzlockigenkleinenMädchen,dasunweit ineinem verfallenenErker saß.Ein hochmüthigerAusdruck machtedasschmale Gesichtder Kleinen unkindlich, sie schauteuns mitgroßen ernsten Augenan.

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glas-ultenWagen. 435 ,,Führ’die Zweida in dieKammer vom Rase,« sagtedieFrau zudem Mädchen,uns aberbedeutete sie:»Das istmeiner todten TochterKind die Rahel, einklugesKind!« setztesiemit ihrer gebrochenenStimme flüsternd bei,

»und derRase,denGott langlebenlasse,meinSohn,er geht heute nachdenFeier- tagenwieder in dieFremde! Gott!was istdas füreingelehrter Mensch!Er geht lehrendenHerrnGrasen seinenSöhnenimnächstenComitat,denHerrn Grafen- söhnen gehter lehrendieMethamatak!«

Siebetonte dasletzteWort scharfund sprachesrecht falschaus, esmußteihr etwas ganzFremdessein,was siedasagte.

»DieGelehrsamkeit!«murmelte siebewundernd und ihr spitzes gelbes Gesicht wendete sich hastiguns zu, alsobsie fragenwollte, ob wir jemalsschon soetwas gehört.

Das Kindschritt,uns immer groß anstarrend,neben uns her, zuweilen hobes denmageren braunen Arm unddeutete uns nachdemWege,dannschlüpfteeswieder durchniedere Ruinen, immer mitdenernsten Augenherüberlugend,dannschrittes quer überdenHof knappvor uns her,sprangeinezerberstende Treppe hinan, schleuderteeinebraune schwere Thüre aufundliefan uns vorbei wieder dieTreppe hinab.

Wir standenanderoffenen Kammerthürund wagtennicht einzutreten, denn andemkleinen Fenster,den Rückenuns zugewendet, standeinhoher Mann, erhatte denKopfweit nachrückwärts gebeugt,seinelangen schwarzenHaarelocktensichüber denlichtenSommerrock bisandieSchultern.

Liese zerrtean ihrengoldblonden Flechten,zerrte undzerrte und wandte kein Augevon demMann ab, ihre Brust hobUndsenkte sich, endlichaberklopfte sie hastigandiegeöffneteThüre,derMann wandte sichum undimselben Augenblicke flogen sie aufeinanderzu...

,,Liese!«

,,Rafael!« ächztesieund wendetesichhastigzumGehen-

,,Bleibe, Liese,«baterundführte sieindieKammer, aberLieseerfaßtemich am Kleideundwolltemichmitsichhineinziehen.

»Liese, seitwann fürchtestDu,mitmiralleinzusein?« sagteertraurig, ihre Hand ließmeinKleidlos,sie folgte ihmundlehntedieThürenur an.

Jchsetzte mich draußen aufdieletzte StufederTreppeniederundschautein dieWeite. Etwas wieEifersucht regte sichinmir,denn ich ahnte,daßdiebeiden Menscheneinander gutkannten daß sie sich liebten,undsich vielleichtinjedem Winkel derWeltfrüherzufinden dachtenalsda obenaufdemzerfallenen Schlossein derKammer desHausirjuden. Jch trocknete meinekindischen Thränen,alsLiese langsamwieimTraum dieTreppe niederstieg.

»Der hatVater undMutter und dieMenge Menschen,dieerliebhatunddie ihnlieb haben warum nimmt er mir Dich mir, dieniemand mehr hat alsDich?«

»Sei still Du,«lächelte Liese ,,sei mäuschenstill niemand darf wissen, daßermichliebt. Dubistzujung,um zufühlen, daßAlles kommenmuß,wie eskommt. Wirbleiben hieroben.«

Rafael ging nocham selbenAbend fortundwirbezogen seinebeidenStübchen.

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436 BeutWonntslgeftcfürBjchtlmnstundYritjk

Wirverbrachten glückseligeStunden daoben, wirlerntenund träumten zusammen, unddurchdaskleineFensterflogen unsere schönstenGedankenindieblaue Lust.

Alsder Herbst kam,dastarbdieschwindsüchtigeFrau, und dasahenwirauch Rasaelzum erstenmalewieder,aberersprachwederzuLiese nochzumireinWort,

ersaßdrübenausderkaltenDiele, sieben Tageund sieben Nächte, seinVater saß bei ihmund die kleineRahelauch,wirknieten jedenAbendundbeteten sürdas Seelenheil seinerMutter, die wirsoliebgewonnen hattenunddieso gutgegenuns gewesenwar.

Nach acht Tagen verließuns Rafael wieder, erklopfteamMorgendesachten Tagesanunsere Thüreund alsLieseöffnete,reichteerdurchdenSpalt einenglatten silbernen Reisen hinein. SeineMutter hatte ihnbisan ihrLebensende getragen—-

erging, ohneeinWort zusprechen.

Eshatte sich durchdenTodderaltenFrauwenigverändert. Seitwir droben wohnten,besorgtenwir schon ihrkleines Hauswesen. Jakob, derVater Rasaels kamjede Wochevon seinenDorsgängen erst Freitag heimundging Sonntag wieder vom Hause fort. Die kleine Rahel mußteeinen Theil ihreslandstreicherischen Wesensablegenundmir zurHand sein, besondersseitLieseviel lernte,und zwar aus Büchern,diesievor mir verbarg. Ost auch ging sie halbeTageinden Wald; siestudiredort am bestenihre Rollen, sagte sie kurz. Manchmalerwachte ichdesNachtsundsah sie emsiglernend inihremBette sitzen, manchmal auch ging sie hinabindieSynagoge, und imMarktewunderte man sich,was dochdiejunge SchauspielerinoftnochAbends beidemalten, freilichsehr gelehrtenRabbi thue, dergleichneben demBethaus wohnteund ganz abscheulich sang.

DerWeihnachtsabendwar gekommen. Neugierig standdiekleineRahelbeimir, alsicheinTannenbäumchenmitFlittergoldund bunten Papierketten behängte,die wenigen Wachskerzleinanklebteund diePaar Kleinigkeiten,dieich Lieseschenken konnte,unterdemBaum zurechtlegte.

»WarumthustDudas?« srug mich Rahel plötzlichundschütteltedenBaum.

»Weil heute Christabend is

«

»WasistChristabendsrugdasKind gleichgültiger.

»Jesus Christuswurde heute Nachtvor tausendund sovielJahren geboren.«

»So!—- Der blutige Mensch,der an demgroßen Kreuz hängt,unten bei Deiner Schul’,der?«forschte-sie.

,,Ja!«

»Undwer hing ihndahinaus?« drängtedieKleine, mit widerwilliger Hast desunschönenBildes gedenkend.»WozudenhölzernenMann aneinKreuz schlagen und blutigmalen?«

»DerhölzerneMann istnur einBild des Lebendigen,dereinstgekreuzigt wurde!«

Erschreckt hastetendiegroßenAugendes Kindesan meinenLippen. ,

»Wann? Wo? Ein Lebendigermit Nägeln?! Ohwer hatdas thun können?!«

Und mich rührtedie AngstundderWehruf nicht, michüberkamjeneHärte

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Evelyn und Kingston gerufen. Jch wußte damals noch nicht, daß die Creatur schon in Chantilly von ihm bestochen, zu meiner Verführung erkauft war. Ein mehrtägiges Fieber folgte

bildet und in ,,Fernande« Alles glücklich löst, verwickelt in ,,Dora« ganz bedenklich die Sache. namentlich am Hochzeitsabend! Andre möchtebeinahe, als ihm seinejunge Frau in einem

ihnen entschlüpftist. Sie werden sich daher gewiß nicht wundern, daß ich so lange als möglich von dort fern bleibe und die Absicht habe, nicht vor dem Spätherbst

Jn den Brieer an seinen Freund Karl Mayer schreibt Lenau einmal: ,,Jn Amerika werden der Liebe leise die Adern geöffnet und sie ver- blutet ungesehen.« Und so wissen wir auch, wie

gedeihen, der all’ seine abgedanktenMaitressen in Wachs nachbilden läßt und in diesem ,,Museum«sein Leben verbringt und endet? Wo anders als im verkirchlichten Süd- spanien die

Was speciell den für uns wirklich letalen Ultramontanismus betrifft, so kann ja weder bei Mickiewicz, noch bei Slowacki von diesem die Rede sein, er war zu jener Zeit wenig expansiv

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