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Die Zukunft, 3. März, Bd. 30.

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Academic year: 2022

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Berlin, den Z.März1900.

f J vIv FAU-

prügelD

ÆlsosprachderpreußischeJustizministerimHausederAbgeordneten:

»Die Abneigunggegen diePrügelstrafeistbei vielen Leuten imSchwinden begriffen«Wenige Tage darauf sagtederKolonialdirektor imReichstag:

»Nichtdurch Prügel sinddieEingeborenenzur deutschenund christlichen Kulturzuerziehen. ZwarerklärensämmtlicheGouverneure sie jetzt noch für Unentbehrlich;abergänzlicheAbschaffungist auch fürdieKolonien daszu etstrebende Ziel. Frauen, Juder, Araber dürfen schon jetztinOstafrika s·)Jm Deutschen ReichundinPreußenarbeitetheutzutagederAutomat fürGesetzgebungsoflink, daßdieKritikalldieser Heil verheißendenExperimentein einerWochenschriftnichtimmer mitderwünschenswerthenSchnelligkeit geleistet Werden kann.KaumhattenwirdieGewißheiterlangt, daßder unterdemEkelnamen der Lex Heinze beriichtigteVersucheinerRebarbarisirungschmählicheWirklichkeit werden wird,da wurdeauch schonvonderWiedereinsührungderPrügelstrafegere- det-dieThorheiteineralsvollkommen wirkungloslängstbewährtenWaarenhauss steuerspukt«durch PresseundParlamentundallerleiandereebenso rühmlichewie gewissenhafteBemühungen,durch KonzessionenjeglicherArtdieguteFlottenlaune des Centrumszusteigern, drängenansLicht.Wennmanbedenkt, daßesaußerdem nochtecht nöthigwäre,beidenneuestenrhetorischenThatenderHerrenHohenlohe UndRheinbabenzu verweilenunddenhöchstmerkwürdigenZankzubetrachten,der über die

dochschonlangebeantwortete— Frageentbrannt ist,werdie Entlassung Vismarcksverschuldethabe, dann wirdman begreifen, daßesnicht möglichist, so vielenForderungenzugleichgerechtzuwerden«DerLeitereinerWochenschristkann sichaUfeinenWettlaufmitden RennernderTagespressenichteinlassen;ermußsichda-

mlitbelzm"1gen,dieDingeinlangsamerem Tempound derReihe nachzubetrachten.So felesgestattet,daßheuteeinmaleinKriminalist hierüber dieherrlichenPläne spreche, die imletztenJahredes neunzehnten SäkulumsdiePrügelstrafewiedererwecken sollen.

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nicht geprügeltwerden.« Man darftrotzdiesemmerkwürdigenZusammen- treffenvon Aeußerungenwohl noch hoffen, daß nichtzu gleicherZeitdie PrügelstrafegegenNeger abgeschafftundgegen weiße Deutsche eingeführt werdenwird. ZumGlückheißtesbei»Justizreform·en«nichtimmergleich:

.»WoeineWilleist,daist aucheinWeg.««Wielange schwebt schondie FragederBerufunggegenStraskammerurtheile!Gneist sagte: »Wieviele Kommissionenhabe ich schonzusammentretensehenin dereinhelligenUeber- zeugung: WirmüssendieBerufung haben, und wiederauseinandergehen ohne Resultat,weil derAusbau desRechtsmittels sichalsunmöglichergab!«

WoherkommtdassehnsüchtigeGeschrei nachderPrügelstrafe?Man liestbeimFrühstückvon irgendeinerBrutalität undsagt: »FürdenKerl wäreeineTracht PrügeldasBeste.«Viele sprechenesgedankenlosnach undsogarindenZeitungen findetman mitunter solcheAusrufe. Andere Strafenhelfen angeblichnicht;dieGefängnisseundZuchthäusersindzu luxuriös,dieLeutehabensdarin besseralsarme Arbeiter draußen.Die Verwildernng steigt,dieRoheitverbrechennehmenzu, namentlichbei den Jugendlichen. Solches Schelten kostetnichts;derTheildesPublikums,der essichleistet, ist nicht gewöhnt,weiterzu denken.Diese gutenLeute kommen ja auch nichtindieLage,gegen einIndividuum vonFleischund Bein, das sievor sich sehen,nun wirklichePrügelzuverhängen.Undausdeneinzelnen gedankenlosenGefühlsäußerungenwirdallmählicheinenur-a- popularis,die wohlgarnoch bestimmtepolitische ParteieninihreSegel nehmen.Das istderLaufderWelt. Aberdaß nacheinerWeileauchdieRegirung unsere,nicht parlamentarische,über denParteien stehendeoderstehen sollende Regirung mürb wird: Dasistdoch·traurig.Vielleichtin keinemRessort istdieNeigung so großwie inderJustiz, sich wieMittelstaedt so gut gesagt hat aufdierechteSeitezulegen,wenn man eineZeit lang auf derlinkengelegen hat, nur, um sichebenzuverändern. So gehts mitVoreidundNacheid, ParteibetriebundAmtsbetrieb, festerBesoldungund SportelnderGerichtsvollzieherundmanchenanderen Dingen.Daßeben AllesinderWeltNachtheileundVortheile hat, daßman in derErinnerung mehrdieVortheile siehtundvomBestehendenmehrdieSchattenseiten, daß diefrühereGesetzgebungBeides gegen einanderabgewogenhat: Daswird in einerverblüffenddilettantenhaftenWeise vergessen.OderauchdieKenntnisse undErfahrungenderfrüherenGeneration werdenstolzmißachtet;voreinigen Jahrenerklärte einjustizministeriellerGeheimrathganzoffen,alsgegen die 1879 geschaffeneStellungderAmtsrichtermobilgemachtwurde: »Wir sind jetztebenklügeralsindensiebenzigerJahren!«

Dieseit fünfzigund mehr Jahren abgeschafftePrügelstrafefreilich glaubtenwirdoch fürimmerbegraben.Als ichindensechzigerJahren

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Prügel. 371

Strafrechthörte,warseinAxiom, daßPrügeldieletztenFunkenvonMenschen- würdeersticken,denPrügelndenwiedenGeprägeltenerniedrigenundver- tohen. Das lehrtenLeute, dieesnochaus eigener Anschauung wußten.

Immermehr, ohnemerklichenWiderspruch,wurdedasGebietjenes Zucht- mittelseingeengt, selbstgegenZuchthäusler.Auchausder Armeeistes völligverschwunden.Gustav Freytag führt nochdenfriderizianischenMajor vor,dersichkeinHeer ohne Fuchteldenken kannunddieWeltuntergehen sieht,alsnachJenaneueAnschauungenüberSoldatenehre aufkommen.Jetzt

undschon seitJahrzehnten würdejeder Ofsizier aufderStelle weg- gejagt,dererklärte,erkönneohne PrügelnichtausungelenkenBauernburschen gewandte Tirailleurs machen,könneausseinenLeutennichtdasAeußerstean

DisziplinundAusdauer herausholen,wenn ersie nicht hauen lassen dürfe.

Und dabeisind inzwischenauchdieFreiheitstrafenimHeer stark gemildert worden,verhältnißmäßigwohl noch mehralsdiekörperlichen.

Vonwem,werimdwofürsollgeprügeltwerden? Dieerste dieser dreiFragenbietetnicht gerade unüberwindlicheSchwierigkeiten. Immerhin erhebliche;Büttel,diesichdurcheinenanständigenPegelvon Alkoholüber den Widerwillen hinweghelfen,wirdman doch nichtgernanstellen.Was aberdieObjektederPrügel betrifft, sokönntenatürlichvon gesetzlichen ExekutionennichtdieRedefein.DasbitteichdieBefürworterder»Reform«

zubeachten.Siedenkenvielleichtnur anschmierige,verkommeneStrolche undkönnensichgarnicht vorstellen,daßihre Kreise auch betroffenwürden.

Abereskönnte anders kommen. Denn undDas führt gleichzuder Frage,wofürman Prügel haben foll derGeschmackwirdindieserBe- ziehungrecht verschiedensein. HerrBebel wird,wenn einmal geprügelt werdensoll,vor AllemLeutewiePeters, Leistund denneuerdingsviel- genanntenPrinzen, Soldatenschinderund»Harmlofe«imAuge haben, Herr Rickert antisemitifcheExzedenten,HerrRoerendieFörderer der»nacktenKunst«

UndReligionspötter,Herrvon Stumm dieArbeiterverhetzer,HerrStoecker dieWuchererundeine ganzeReihe Konservativer »frechePreßjuden«.Man sagt wohl,dieStrafe solle auf besonders ,,rohe«Thaten beschränktbleiben- Aber damitistweniggewonnen.BeifastjedemTiteldesStrafgesetzbucheskann man sichsolcheThatbeständedenken: beiLandesverrath, Majestätbeleidigung, WiderstandgegendieStaatsgewalt,Meineid,falscherAnschuldigung,Gottes- lästerung,Vergehenwider dieSittlichkeit, Beleidigung, KörperverletzungEin- sperrungundNöthigung,Diebstahl,RaubundErpressung,Hehlerei,Betrug, Fälfchung,betrügerischemBankerott,Sachbeschädigung,Brandstiftung,Amts- vergehenu.s.w. Nichts ists leichter,alsfür jede dieser Gattungen Einzel- fällezukonstatiren,in denenderUebelthätereineganzbesondersniedrige, gemeine,dasWohl seinerMitmenschenroh mißachtendeGesinnunggezeigt

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hat. Alsobliebenur übrig,diePrügelstrafegenerellzuzulassen.Dasaber würdedoch wohlauchbeiihren wärmstenBefürworternBedenkenerregen.

Odernur nebenlängerenFreiheitstrafen,etwanur nebenZuchthaus?Aber daist sie jaam Wenigsten nöthig;vordem Zuchthaus hatman ohnehin Respekt.UndEsollüberhauptdasArbitrium desRichtersin weitemUmfange zugelassenwerden?Wirhabeneinendurchaus tüchtigen,ehrenwerthen,bona- fideurtheilendenRichterstandzaberhabenwirdie»vornehmüber denMenschen undDingenwaltenden«,vonKarriere:Rücksichten,vomParteigetriebegelösten Richtervon reifster Welterfahrungund Menschenkenntniß,denenman das entsetzlicheStrafmittelderPeitscheindieHand legen möchte?Hat sichdie SuperioritätderJuristenüber denRestderMenschenso gesteigert,daßman diesenanjene mehralsvorfünfzigJahrenzu diskretionäremErmessenaus- liefern möchte?DieFrage stellen,heißt,siebeantworten.

Für mich freilich liegtdieFrage nochvieleinfacher.Jahrzehnte lang habe ichinKlein-undGroßstadtmitderKriminalpraxis mich befaßtz ich glaubekeinWortvon derfortschreitendenVerrohungoderfonst wachsenden Kriminalität, kein Wort von derVerfchlimmerungderJugend. Wir sindempfindlicher odermeinetwegen:freifühliger geworden,wirhaben eineumfassenderePolizeiorganisation,wirerfahren durchdieriesig gesteigerte Publizität sofortalleUnthatenausjedem Erdenwinkel,wirentdeckenviel mehr Verbrecher,wirverfolgenvielmehr Handlungen, also müssenauch schließ- lich mehr Verurtheilungen herauskommen. Für jeden Kirchweihexzeß,jeden Rekruten-undRefervistenrausch,für Fensterer Probenächte,Geschenkhochzeiten, Haberfeldtreibenu.s.w.isteinGendarm,ein Amtsanwalt, einReporter, einlamentirender AbgeordneterzurHand;unddasollteesansichgruseln- denZeitunglesern fehlen?AbersinddasAllesneueDinge? Jst frühervon denBurschennichtgezecht,geliebeltodergekäinpftworden? Liegt nichtnur darin dieAenderung, daßwir eingeengtinsteten staatlichenSchutz,in festeSchrankenderKulturundOrdnung jedenSchritt,derausdemSchutz- gitter herausführt,vielstärkerfühlen? Diese Gefühlsverfeinerungist auch ganzgutundschön,jedenfallsunvermeidlich.Abersie beweistnichtdasAller- geringstefürdieNothwendigkeitdesRückschritteszur Prügelstrafe.

Jchglaube fernerkeinWort davon,daßdieFreiheitstrafen ihren Schreckenverlorenhaben. Jm Gegentheil:derKreisderstumper Gesellen engt sichimmer mehrein, diedickfelligdiekörperlichenundseelischenLeiden desGefängnissesundZuchthausesübersich ergehen lassen, ohneviel davon zuspüren.DasergiebtsichschonausderebenerwähntenGefühlsverfeinerung.

Jchglaube endlich absolut nichtandieQualifikation unsererjetzigen ParlamentezusoeinschneidendenstrafrechtlichenAenderungen.Obnichtdort aus anderen Berufsklassen jetzt tüchtigereMänner sitzenalsfrüher,willich

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Prügel. 373 hier nichterörtern. DaßaberdiewortführendenJuristen auf juristischem GebietsichmitdenendersechzigernndsiebenzigerJahre nicht entfernt messen können-,darüberherrschtwohl ziemlicheUebereinstimmung, trotz denrecht eigenartigenKomplimenten,dieRegirungundParlamentbei derBerathung desBürgerlichenGesetzbuchesundseiner Nebengesetzeeinandermachten.

MansprichtmitEntsetzenvonRoheitverbrechen.SeitBabylons Zeiten, itlRom,London,Paris, New-York,Berlin,Hamburg, Neapelnndvielen nichteinmal sogroßenStädten sind Fällewie der desZuhältersHeinze stets sehr häufig vorgekommen. Jeder halbwegs erfahrene großstädtische KriminalisthatAehnlichesfast allwöchentlichinBehandlung.Dabemächtigt sichderlebensfremdeDilettantismus solcher Dinge, erschrockeneHofdamen beiderleiGeschlechtesdrängenaqubhilfe,wederBeamte nochParlamentarier betonengenügend,daßdas AllesnichtsNeuesist,——.undeswirdJahre lang vonganzfalscherGrundlageausherumgedoktert,währendgegendenWunsch fortschreitenderEntwickelungzurSittlichkeit wenigzusagenwäre.

Dazudereant, derAlles ersäufende,immerhöherfluthendeeantl

»EinniederträchtigerSchurke,werzuseinem Dienstmädchen-indie Kammer geht!Muß eingesperrtwerden!«UndderWiderhallvon der anderen,ver- nünftigerenSeite: »Gegendas Einsperren habe ich dochBedenken. Aber damitbinichganz einverstanden, daß soeinMenscheinniederträchtiger, gemeinerSchurkeist!«Soll ervielleichtöffentlichgepeitschtwerden? Was sindwirdochAllefür herrlicheMenschen!Jchmeine: wirJuristen,hohen BeamtenundParlamentarier. Nurdenktman beiEinzelnen dieserjüngeren oderälterenGreise,mitdenenman zusammenjungwar, zuweilen an ThackerahsBemerkungübereinenLord: The noble lord used tocom- plainthat the devil was notsostreng inhim as thirtyyears ago.

JmVaterlande diesesLordsunddeseant hatman bekanntlich1863 fürgarroters undähnlicheBerbrecherdiePrügelstrafewiederzugelassen.

Praktischwirdaberdavonrechtwenig Gebrauch gemacht.UndbritischePro- venienzgilt ja auch sonst heuteimDeutschenReich nichtalsEmpfehlung.

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374 DieZukunft.

Währenddes Transvaalkriegesis

WennzweibetrunkeneMenschensichimWirthshausbeimKartenspiel prügeln,sowerdeichmichdurchaus nichtentschließenkönnen,den Einen von ihnenzuverurtheilen,mögendie EinwändeundErklärungendesAnde- ren noch so überzeugendsein. DieUrsachederunwürdigenundunanstän- digen HandlungendesEinenoderdes Anderen liegt durchaus nichtindem RechtedesEinenvonBeiden,sonderndarin,daßBeide,statt ruhigzuar- beitenodersichzuerholen,esfür nöthigfanden,Weinzu trinkenundim WirthshausKartenzuspielen.

Ebenso wenigkannich mich einverstandenerklären,wenn man mir sagt, daßanirgendeinemKrieg ausschließlichder eineTheil schuld sei.

Man kannwohl zugeben, daßdie einederParteienschlechterhandelt,aber dieUntersuchung,welchePartei schlechterhandelt,wirdnichteinmaldarüber Klarheitschaffen,warum einesofurchtbare,grausameundunmenschlicheEr- scheinung,wieesderKrieg ist,vor unser Augetretenmußte.

DieGründe, die zumKrieg führen, sind für jeden Menschen,der dieAugen offen haltenwill,durchaus offenbar,mag essichnun umden Transvaalkriegoderum einenanderen Kriegderletzten Zeit handeln. Es sinddreiUrsachen. Erstens:dieungleicheVertheilungdesBesitzes,Das heißt:dieVeraubungeinesMenschen durchdieanderen. Zweitens:die ExistenzeinesSoldatenstandes,Das heißt: solcherMenschen,diefürden Mord erzogenundbestimmtwerden. Drittens: diefalscheundmeistbewußt betrügerischereligiöseLehre,inderdieJugend zwangsweiseerzogenwird.

Unddeshalb glaubeich, daßesnichtnurnutzlos, sondern auchschädlich ist,dieUrsachendesKriegesim Wesen derEhamberlainsundihrer Genossen zusehenundsichdiewirklichenUrsachenzuverbergen,dievielnäher liegen undandenenwirselbst betheiligt sind. AusdieEhamberlainskönnen wir wohl böse seinundschimpfen,aberunsereWuthundunserSchimperwerden nur unserBlutverderben, nichtaberdenGangderDingeändern. Die Ehamberlains sindnur die blindenWerkzeugevonKräften,die weithinter ihnenliegen.DieganzeGeschichteisteineReihevonThatenderStaats-

’«·)Das folgende Fragment istmitErlaubnißdesGrafen Tolstoieinem Privatbriefentnommenworden,deneraneinenPublizisten schrieb.Andere Stellen,die einesehr heftige KritikderPolitikundPersondesDeutschenKai- sers enthalten, mußten fortgelassenwerden.

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WährenddesTransvaalkrieges 375 männer, wie derTransvaalkriegeineist. Unddaherwäre esvollständig nutzlos, anf diese Menschenbösezuseinundsie zuverurtheilen; ja,esist sogar unmöglich,wenn man diewahren Ursachenihrer Handlungen siehtund wenn man fühlt, daßman selbstdieSchuldandieseroderjenerArtihrer Thätigkeitmitträgt, an irgendeiner,jenachdemman sichzu dendrei Haupt-undGrundursachen verhält,dieicherwähnthabe.

So langewirimausschließlichenGenußdesReichthumes bleiben, währenddieMassendesVolkes durchdieArbeit erdrückt werden, wirdes immerKriegegeben,weil wirAbsatzgebiete,Goldminen u.s.w.brauchen, um unserenReichthumzu erhaltenund zumehren. Erstrechtaber werdendie Kriegeso lange unvermeidlich sein,wie wir an derAufrechterhaltungdes Militarismus theilnehmen,.seineExistenzduldenundnichtmit allenKräften gegenihn kämpfen.Wirselbst betheiligenuns entweder amMilitärdienst oderhalten ihn für nichtnur nothwendig, sondern auch löblich;undwenn einKrieg ausbricht,dannschiebenwir dieSchuld auf irgendeinenChamberlain.

VorAllemaberwirdes so lange Kriege geben,wiewirdie Ent- stellungdesEhristenthumes predigenoderauchnur ohne sittlicheEmpörung undWiderwillen duldenwerden, dieman daskirchlicheChristenthumnennt, eineEntstellung,die dieExistenzeineschristlichenHeeres,diechristlicheWeihe oderTaufevon Kanonen,dieBezeichnungdesKriegesalseinerchristlichen, gerechtenSache möglichmacht.Wir lehren unsereKinder dieseReligion, bekennensieselbstund sagendann, daß Chamberlainoder Krügerdaran schuldsei,wenn dieMenscheneinander totschlagen.

DenbrüderlichenAusgleichdesBesitzes fördern,imgeringstenUmfange dieVortheile,dieEinemzufallen,ausnützen,sichinkeinerWeise undauf keiner Seite an einemKriegsunternehmen betheiligenunddieHypnosezer- stören,mitderenHilfedieingedungeneMörderverwandelten Menschenin dem Glaubenerhaltenwerden, daßsieetwasGutesthun,wenn sieWaffen- dienst leisten;undvor AllemeinevernünftigechristlicheLehrebekennenund mitallenKräftendengrausamen,injenem falschen Christenthum liegenden Betrug zerstören,indemunsereJugend zwangsweiseerzogenwird —: in dieser dreifachenThätigkeit,scheintmir,bestehtdiePflichteinesjedenMenschen, der dem Guten dienenwillunddereinegerechteEntrüstungempsindetüber denschrecklichenKrieg,derauchSie empörthat-

Moskau,den16.X28. Dez·1899. Lew Nikolajewitsch Tolstoi.

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376 DieZukunft.

Ein österreichischerGenerallandtag

III-)

In theoretischerBegründung vomStandpunkt unserer Verhältnisse ergab sichmitzwingenderNothwendigkeit,daß durcheineberathende Vertretungnationaler Art eineidealeGemeinschaftgeschaffenwerden sollte, dieohneVerminderungdesKampfes dessenBitterkeit lindert undinder Erfüllung dringender wirthschaftlicherundgeistigerAufgabendenGesammt- staat unterstützt.Esbleibtnun nochübrig,einen freilich sicherderVer- besserungsähigenundhiernur indürftigstenAndeutungenzugehenden VorschlagzurthatsächlichenAusführungzumachenundendlich gleichsamdie GegenprobeandenallgemeinenAufgabendesStaates zuversuchen.

Der berathendeGenerallandtagwürdeaus etwa455 Landtagsab- geordnetenbestehen:dieVirilstimmen sind abgerechtet,Unbestimmtenicht gezählt.

Jnden reindeutschenLändernstellt Niederösterreich75Abgeordnete,Ober- österreich49,Salzburg25,Vorarlberg20. Dazukommen52Abgeordnete der Steiermark,45Tirols, 32aus Kärnten,11aus Krain,67ausBöh- men, 53aus Mähren,2aus derBukowina. DaßdieWahlzeitenderver- schiedenenKronländer nicht zusammenfallen,kannkeineSchwierigkeitbilden.

DerGenerallandtaghätte nacheinembestimmtenSchlüsselmit Berück- sichtigungderParteienundKronländer fünf Ausschüssezuwählen:

1.einenAusschußzurErhaltungdesnationalen BesitzstandesErwürde sichinUnterabtheilungengliedern:

a) für Besitzankauf (an Sprachgrenzen), b) für Bildungvon Genossenschaften,

c) fürnationale Arbeitvermittelung (Anregung für städtischeArbeit- ämteru.s. w.)

einenAusschußsür öffentlicheArbeitenaufdem Gebiete-dessStammes.

Dieser AusschußwürdemannichfachesArbeitmaterial derCentralregirung unddemReichsamt liefern;

einenAusschußfür deutscheSchulen;

einenAusschußfür WissenschaftundKunst;

5.einenSchiedsgerichtsausschuß,der dienöthigsten»völkerrechtlichen«oder eigentlich,,volksrechtlichen«BeziehungenimVolkselbst herzustellenhat und eineArtGenferKonventionfür politischeStreitigkeitendesdeutschen Stammes schaffenmuß.Er wirdauch aufdiePresseeinwirkenmüssen undjeneArtderVerdächtigungen,dieaus dempolitischenKampfe hervorgehen,abzuwendensuchen. Durch Verbindung zumBeispielmit ro

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dlc)S. »Zukunft«vom 25.Februar1900.

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EinösterreichischerGenerallandtag. 377

demczechischenund polnischen Schiedsgerichtsausschuß wirdeine Erweiterung dieser ThätigkeitaufdieBeziehungen zwischendenver- schiedenenVölkernstattsindenkönnen.

6.einenAusschußzurBeschaffungder Mittel.

Esseien hiernur einige Punkte herausgegriffen,die dieNützlichkeit undNothwendigkeitdieser AusschüssefürdasdeutscheVolkinOesterreich erweisen. JnmeinemfrüherenAufsatz habe ichnur diequalitative Leistung- fähigkeitbetrachtet,diebeiuns allmählichzurückgeht.Es mußaberbetont werden,daß auchinBezug auf quantitative Erhaltungdiejetzige,inerster LinieaufBekämpfungderRegirungengerichtetenationalePolitik nicht gün- stigeErgebnisseliefert. Trotzallem ,,ErwachendesStammesbewußtseins«,, Vondemsovielgesprochenwird,trotz derwachsendenAusbreitungderra- dikalendeutschenParteiin weiterenSchichten zeigt sichderHaushaltderna- tionalenSchutzvereineinkeinerWeisedenAnforderungen gewachsen. Hier mußWandel geschaffenwerden,wenn nicht auchderterritoriale Bestanddes deutschenStammes nochweiter zusammenschrumpfensoll: hier kannkeine Regirunghelfen,sondernnur dieeigene Kraft.AlleDeutschenohneUnter- schiedderParteiundohne UnterschiedderKronlandsangehörigkeitmüssenhier mitsorgen.UnddakeinRealpolititer aufdasAussterbender Lauen, der Gleichgiltigen,derFrivolen,derOberflächlichen,der»Vornehmen«hoffen darf, somußeineEinrichtung geschaffenwerden, dieDeutscheallerParteienund allerKronländerzusolcherSorge verpflichtet.WienothwendigDasgewor- denist, beweisendieBerichtederSchutzvereine,von denenhiernur der DeutscheSchulvereinunddie Südmark betrachtetwerdenmögen.

Der DeutscheSchulverein hatindenJahrenvon1880bis1889eine Summe von1808615Gulden 76für Schulzweckeausgegeben,also aufdas JahreinenDurchschnittvon180861Gulden.Lassenwir bei denJahren1890 bis1898 dieGehalte,Ruhegehaltsicherungenund Bauschutzunterstützungen Wegundrechnennur dieSchulunterstützungen,da.sieallein durchdie Rück- sichtauf.die Einnahmen bestimmtwerden. 1890: 208443 fl12. 1891:

192560 fl73. 1892: 190538 fl74. 1893: 192311 fl40. 1894:

203699 fl63. 1895: 192119 fl37. 1896: 187666 fl83. 1897:

131921 fl55. 1898: 125824 fl46. Diese Zahlen sprecheneinefürchter- liche Spracheymit AusnahmederdurchdiebesserenEinnahmendesJahres 1893mit284547 fl24hervorgebrachtenSteigerungimJahre1894 sah sichderSchulverein ständiggezwungen, seineSchulunterstützungenzuverringern.

DieUrsachen, die jazumTheilbekanntsind, mögen aufwelchemGebiete immerliegen:wirmüsseneinMittel, eineEinrichtung finden,diediesen Privaten Verein bald unter denSchutzdesgesammten deutsch-österreichi- schenVolkesstelltundihn unabhängigvonjeglichemMeinungzwiespaltmacht.

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378 DieZukunst.

»Undwirsollen mithelfen,einesolcheEinrichtungzuschaffen,die zum Theilgegenuns gerichtetist? Wienaiv!« So könnten dieEzechenein- wenden. Alleinihrenationale Skolska wirdja auch durch ihre Vereinigung gewinnen;diehöchsteAnspannung ist aufbeiden Seitendadurch möglich.

Wirwollen abernocheinenBlickaufeinewirthschastlicheVereinigung werfen.DieSüdmarkhat1890 denersten Abschlußvorgelegtundeinen Geldverkehrvon2381 fl.70aufgewiesen,dernun auf91024 fl65(bei einemVermögensstandvon 59670 fl. 97) gestiegenist (1891:6881fl·49,

1892: 3686 65, 1893: 7349 36, 1894: 12284 16, 1895:

27 799 55, 1896: 30225 53,1897: 28813 94). Es liegt

alsoeinerfreuliches Fortschreitenvor. Aber welcheAnforderungenwerden nur an einem einzigen Punkt gestellt:an der SüdgrenzeTirols, wo deutscheWeinbauern inerschreckenderMenge ihreGüter verkaufenundje einedeutscheFamilie mehreren italienischenFamilien Platz macht.Uman

diesem einzigen Punkt thatkräftigeund erfolgreiche Vertheidigungalten Sprachgebieteszuführen, dazuwürdendieEinnahmenderSüdmark ge- radeausreichen. Solche Güterkäufekönnten abererfolgreichvon eineridea- lenGesammtvertretungdesdeutsch-österreichischenStammes ausgeführtwerden.

DieZahlen haben erwiesen, daß auchvom StandpunktderBehaup- tung alten Gebietes,vom quantitativen Standpunkt,dieZeit nacheinem ZusammenschlußdesdeutschenVolkes inOesterreich schreit.Er ist.der Kernpunkt auchderReichsrathswirren: Selbsthilfe!Autonomie dervereinig- tenNation insolchemSinne, daßsiedenGesammtstaat entlastet, statt seine Verfassungzustören-

Undso seltsamesklingenmag: solchekonkreteAusschüssezur Er- haltungdesnationalen Vesitzstandeswerdeneinedauernde,günstigeLösung deran derSprachgrenzeschwebendenProbleme bringen.Diewirthschaftlichen Schwankungenentfesseln so ofteinen kaum zumStillstand gebrachtenKampf gar baldwiederaufsNeue. Es würdeendlichzueinerStärkungder beiderseitigenSprachgrenzen,geradedort zurSchasfung wirthschaftlichwider- standsfähigerExistenzenkommen, damit aberauchzu einerVerminderung derdurch wirthschaftlicheVerhältnisseveranlaßtenBevölkerungschwankung.

DieGesellschaftist»voncentrifugalenImpulsen«(Wundt) beherrscht.

SiebringtdieGliederung,dieTheilung,dieGegensätzehervor.DieZu- sammenfassungallergesellschaftlichenKräfte istdievornehmsteAufgabedes Staates. Mußman abernichtinOesterreichzueinerklarenErkenntniß derStaatswirksamkeit vordringenund einsehen, daß hierdieunmittelbare ZusammenfassungderverschiedenengesellschaftlichenSchichten nicht möglich ist, daß Platons königlicheKunst,alleSchichten»in einander zu weben«,nur durchdieMittlerrolle der Stämme verbürgtwird? Der Staat hat nochviel zu

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