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Die Zukunft, 10. März, Bd. 30.

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( Wie Zukunft ,

Berlin, den 10.März t900.

H -:v FA-

Englische krankheit

WilhelmderZweite, DeutscherKaiserundKönigvonPreußen,ließ,als ihmderSiegdesenglischenFeldmarschallsRoberts über den Buren- general Cronje gemeldetwordenwar,seinerGroßmutter,derKöniginund KaiserinVictoria,undseinemOnkel,demPrinzenvonWales,denAusdruck freudigerTheilnahmeandiesemErfolgderbritischenWaffenübermitteln., Ein paarTage vorherwar die Stadt Kimberley,womitdemHeerdesGe- neralsWhite auchderSchöpferderEhartered-Eompanyeingeschlossenwar,- entsetztworden;undeins dererstenTelegramme,die derbefreiteCecilRhodes absandte,war aneinen inLondon lebendenDeutschengerichtetundenthielt die Worte: »GroßistmeineFreudeüber diefreundlicheGesinnung,dieJhr Kaiserunsgezeigthat.« InderdeutschenPresse,wosonst jede belanglose PrivatäußerungdesMonarchen sorglichverzeichnetwird, find diesebeiden wichtigenThatsachengarnichterwähntoderinsFabelreich verwiesenworden.

Warum? WennessichumErfindungen handelte,wäreschnelleineamtliche Ableugnungerfolgt.DerMann,dendieEngländerdenCapnapoleonnennen, ift sehr klugundhat, selbstalsGefangener,dieMöglichkeit,vonpolitischen Vorgängenmehrzuerfahrenals derDurchschnittspolitiker.Erhatin zwang- lvscmBeifammenseinmitdemDeutschenKaisergeplaudert,kenntwahrschein- lichdenDelagoavertragundweißvielleichtauch«wasWilhelm derZweite beiseineninneuester Zeit häufigenBesuchendemenglischenBotschafter untervierAugen gesagthat;erwürde nichtoffenin einerkritischenStunde vonderfreundlichenGesinnungdesKaisers reden,wenn ersolcherGesinnung

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nichtsehrsicherwäre.UebrigensistandieserGesinnungnichtmehr zuzweifeln, seitderJnstigatordesJameson-Raidunter denbekannten Umständenim berlinerSchloß empfangen,derGlückwunschandie zumKampfgegen die BurenaufbrechendenRoyalDragoons veröffentlichtund unsspätererzählt wurde,derKaiser seiüber densichinDeutschland regenden Engländerhaß unangenehm erstaunt. Wozu jetztalsodasVertuschen? Mußdaspolitische HandelndesKaisers ängstlichdemAuge verborgenwerden?ErhatHerrn Rhodes gesagt,über denZug Jamesons seierfalsch unterrichtet worden;

und wirmüssenannehmen, daßersichheutenichtmehr,wie imJanuar1896, freuen würde,wenn esdemPräsidentenderSüdafrikanischenRepublikge- länge, »ohneandieHilfebefreundeterMächtezuappelliren,ineigenerThat- kraft gegenüberdenbewaffneten Schaaren, welchealsFriedensstörerin dasLandeingebrochensind,denFriedenwiederherzustellenunddie Un- abhängigkeitdesLandes gegenAngriffevonaußenzuwahren«.Wiejeder Mensch—undinsbesondere,nachBismarcksWort,jedersichnichtunfehlbar dünkelndePolitiker—,sohat aucheinKaiserundKönig natürlichdasRecht, seineAnsichtzu ändern.DieAnsichteinessohochGestellten ist inpolitischen Fragenimmerwichtigundsollteniegefälschtwerden ; abersie brauchtkeinen Anderenzu binden. DaßdemVertreter derLegitimitäteinoffiziellerklärter Krieganderserscheinenkann als einvonPrivatleutenvorbereiteter undausge- führterEinbruch bewaffneterBanden, ist begreiflich; undwennderKaiserden Wunsch hegt,indiesemKriegdasSchlachtenglückandieFahnenderihm nah verwandtenDynastie gekettetzusehen, so istgegensolchesGefühlnichtdas Geringste einzuwenden. Zu prüfenbliebe nur, wiediesesEmpfindenauf dieGeschäftsleitungeinesReiches wirkt,dessenSchicksalvondynastischen GefühlenundRücksichtenfüglichnicht abhängiggemachtwerdendarf.

Heute,wie imJanuar 1896,handeltessichfürdiesüdafrikanischen Holländerdarum,dieUnabhängigkeitihrerchublikenzuwahren und, wenn esmöglichist,inSüdafrikaeingroßesholländischesReichzugrün- den. DerAusgang dieses Kampfes hateinefürdiedeutschenInteressen wesentlicheBedeutung.DieDeutsche Kolonialgesellschaft,in derSachver- ständigesitzen, hatvorein paarJahrenineinerEingabeandenReichs- kanzler ausgesprochen,Deutschland müssedieBurenrepublikengegenEng- landunterstützenunddieDelagoabaiderbritischenMachtsphärefernhalten, weil einenglischerSieginSüdafrikadaskolonialeGleichgewichtunseres Reiches beeinträchtigenwürde. Seitdem istdem latenten deroffeneKriegs- zustand gefolgt.Mansagt,esseieinschamlosfrecherErobererkrieg.Dasist

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richtig.Aber kannman nichtmitdemselbenRechtdasSelbevonsehrvielen Kriegensagen»deren Glorie dennoch durchdieGeschichtbücherleuchtet?

Man braucht nichtan AlexanderundVonapartezudenken,sondern nurzufragen,ob derGroßeFritz nichtmit dem Erobererprogramm auf denThron stieg: Schlesien! JneinerRede,derauchdererbittertsteGegner einenZug genialischerGroßartigkeitnicht absprechendarf, hat Chamberlain mitbrutalster OffenheitdemParlamentdie Gründeenthüllt,dieEngland zumKriegetrieben.Esistnicht,wie wirfalschBerichteteneineWeileglaubten;

die GiernachdemGoldland; die Goldminen gehörenja nichtdenBarm- sonderneineminternationalen Kapitalistenhaufen, dessenMehrheit Eng- länder bilden.EsistdieNothwendigkeit als einesolcheerscheintsiedem ganzenVolk-, durchdiehöherebritischedierückständigeholländischeKul- turzuverdrängen,die Anomalie einesZustandeszubeseitigen,derden EngländerndenweitüberwiegendenTheilderSteuerlaft aufbürdet,ihnen aberallepolitischenRechteversagt,undsodenJmperialismusdesGreater Britain vorschwerenZukunftgefahrenzuschützen.DerJameson-Raid, der Streit um StimmrechtundDynamit sindnur Episodenindiesem Ringenzweier Kulturen, sind nichtdieUrsachen seines Beginnes.

WennJamesonundseine Freundenieihre Pferdezum Räuberritt ge- sattelthätten,würden dieDinge heute nichtanders stehen.Macht- kämpfewerden immer mitäußerster,gräßlichsterGrausamkeit geführt, in derNatur,impolitischenundimsozialenLeben.AlsdieBuren ins Vaalgebietdrangen, mußtensiemitFeuerundSchwertdieKassernver- treiben. Das gelang ihnen;unddain demvonihnen gewaltthätiger- oberten Landenun eineRiesenindustrie entstandenundein neues Element zurMacht ausgewachsenist, sehensie sich,wiefrüherdieKaffern,inihren erworbenen Rechtenbedroht.DemAnsprucheinerfeineren Sittlichkeitge- nügten siedamalsso wenigwieheutedieEngländer.Alle kolonialeundder größteTheilallereinheimischenMacht beruht auf Raub,—- wenn mans so unzärtlichnennen will undnichtvorzieht, mitPatriotenstolzvonglorreichen Waffenthatenzusprechen. Jst irgendein Staat »sittlichberechtigt«,Chi- nesen, Hindus, NiggerundSüdseeinsulanerausererbter Herrschaftzu drängen?DassittlicheRechtwirdausderKulturpflichthergeleitet,höhere CivilisationundreicherenWohlstandzuverbreiten;unddiesePflichtglauben auchdieEngländerjetztzuerfüllen.Sie-sagen:DieFreiheitdesIndivi- duumsistimbritischenJmperium bessergewahrtalsirgendwo sonftin der Welt;dasSelbe giltvon derwirthfchaftlichenFreiheit fremderVölker;

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unddaßGroßbritannienin weiteremUmfangealsbisher irgendein anderer Staat denWohlstandneuerschlossenerGebiete zumehrenvermag,lehrtdie Kolonialgeschichteauf jedemBlatt undist selbstvonBismarck mehrals einmalzugegebenworden. Das AlleshatmitGerechtigkeitundMoral sehrwenigzuthun.Wenn wirauchnureinenTag langgerechtsein wollten, sagtePitt,dannwäre es mitunserem Weltreich aus; undPreußens größter König hat sichnie desSatzes geschämt:S’i1S’agitdetromper, soyons fourbesl Deshalb sollteman diemoralinsäuerlichenGlossenüber den Ur- sprungdessüdafrikanischenKriegesliebersparen.HerrJoseph Chamber- lainistgewißkeinsittlichesVorbild; greifbare Unanständigkeitenabersind ihm nochnichtnachgewiesenworden,amWenigstenin denaufgebauschtenbel- gischenVeröffentlichungen,unddieThatsache,daßfürihn,ohnedazugezwun- gen oderauchnurprovozirtzu sein,derfleckenlosehrenhafteundgeistighoch über alleneuropäischenpsoliticiens stehendeArthur James Balfourbeijeder Gelegenheit sein ganzes Ansehen einsetzt,verdient dochwohlBeachtung.

Was würdenwirvon einemAusländer denken,dersein Urtheilüber Bismarck nur aus der»Reichsglocke«,aus LiebknechtsSchriftüber die Emser Depefche,aussozialdemokratischenundpolnischenRedenund aus denBrochurendesGrafenArnim unddesHerrnvonDiest-Daberschöpft?

Eheman HerrnChamberlain beurtheiltundverurtheilt, mußman doch wenigstens wissen,waserfrühergeleistethat;erist jakeinAbenteurer.,kein Mann von vorgestern, sondern hateinelange politische Laufbahn hinter sich,dieihn sehr häufigalsVertreter derSchwachengegenUebermächtige, derunpopulärengegen diepopuläreSache gezeigthat. Daßernichteinen Finger gerührthat,um die gegenRhodesundJameson eingeleiteteUnter- suchung abzukürzen,ist bewiesen; daßandieserAbkürzungderdemHerrn AlfredBeitverschuldeteErbe derenglischenKroneeinwesentlichesInteresse hatte, istin londoneraristokratischenKlubsstets behauptetworden, und die Behauptung klingtDemglaubwürdig,derbedenkt,was derPrinzvon WalesfürdenTürkenhirschthat,derihmMillionen gepumptundschließlichge- schenkthat... Was aberkümmertuns imGrunde diemoralische Be- schaffenheitbritischer Politiker? Thätenwirnichtbesser,vordereigenen Thürzukehren, stattunsgestern Frankreichundheute Englandalseine Verbrecherhöhleschildernzulassen?EsisteinesgroßenVolkesvonstolzem Nationalbewußtseinnicht würdig,allesAusländischein denschwärzesten Farbenzu malenundimschönstenSonnenscheinnur dieheimischenZu- ständezusehen.Solche Stimmung,dievoneiner derAugenblickslauneder

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Englische Krankheit. 413 KäuferdienendenPresse profitlich genährtwird, hatFrankreich nachSedan geführt.Undesist beschämend,daßersteinFranzosedasToben der Schimpfchöremit dem Wortunterbrechen mußte:WernichtdenMuthoder dieKraft habe,denSchwachenHilfezubringen, solle wenigstens so.vor- sichtigsein, sichvorroher KränkungdesStarkenzuhüten.

Monate langwurde unsnun freilich erzählt,stark seiendieBuren, schwachdieBriten. Schon sollteEnglands WeltreichimFundament zerstört, seineWehrkraft völlig gebrochensein.DasbritischeHeer,in demSöhne desreichftenHochadelsdienen,wurdeals einunbrauchbarer Söldnerhaufe, dieHeerführerwurden alsunfähige,eitle, prahlerischeLügner geschildert undOffiziere,diefürdieNothwendigkeitihrer Pensionirung nachträglich nochdenBeweiserbringen wollten,schriebentäglich,nachdenNiederlagen derersten Zeit sei für England überhauptnichts mehrzuhoffen. Dieses kindischeTreiben konntekeinen-VerständigenausderUeberzeugungdrängen, diehiervom erstenTageanausgesprochenwordenist: England mußüber kurzoderlang siegen,wenn nichteineeuropäischeGroßmachtsichderBuren erbarmt. Darüber ist heute wohlkeineTäuschungmehr möglich.Hütten unserePrivatstrategen die-Verhältnisseetwasgenauerstudirt, dannhättensie baldeingesehen,daßdieerfteKriegsepochedenEngländernzwarschwereOpfer aufbürden,fürdasEndresultataber garnichts beweisenkonnte. Dader GeneralWhitenun einmalzuspätkam,umdieStellungenimNatalgebiet besetzenzukönnen,in die dasBurenheer schon gerücktwar,ließsicheinst- weilenebennichtsmachen. DiesesGebiet-giebtdemVertheidigeralle Vor- .theile.Dashaben,wiejetztdieEngländer,früherdieBuren erfahren,als·

siein demselbenTerrain denWiderstandderKaffern nicht brechenkonnten, sondern thatloswartenmußten,bisder-HungerdieUnangreifbaren zumNach- gebenzwang. Ihr nächsiesZiel habendieEngländer erreicht: Kimberley undLadysmithsind frei, Cronje,vondemeshieß,erwerdenielebenddie Waffenstrecken,hat sichmitseinemganzenHeer,mitFrau, Adjutantenund Sekretärergebenund Natal istvondenBurengeräumt. Darau, daßKitche- nerdieSache auchweitergut besorgenwird,kann kaumnocheinZweifel entstehen.Wasalso habendieProphezeiungen,Legenden,Fälschungenden tapfer für ihr Daseinsrecht fechtendenBuren,wasdenDeutschen genützt?

DerKrieg wird,wennnichtalleZeichentrügen,einen dempolitischenund wirthschaftlichenInteressedesDeutsches Reiches schädlichenAusgang nehmen.DasgroßbritischeJmperium,dem diewichtigstenKolonienProben opferwilligerAnhänglichkeitgegeben haben,wirddanninsichfesterund

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mächtigerdastehenalsje vorher,eswirdAsrikavonKairobis zumCap völliganglisiren,und unswirdder magereTrost bleiben, daßwir,als esdenEngländernschlechtging, unseremaltenGroll kräftigLuft gemacht undinangeblichernstenundangeblichwitzigenBlätternalleBeschimpfungen dergreifen Königinundihrer MinistermitBehagen gelesenhaben-

Mußessokommen? UndhatdasReich, fürdasmehralsfür irgendein anderes vondemAusgang diesesKrieges abhängt,der warten- denWeltkeinbefseres, nützlicheresSchauspielzubieten,alsdenAnblick seinerinohnmächtigerWuth keifendenBürger?Dann: RuleBritanniai Dann wirdEnglandinSüdafrikaein neuesIndien finden,einDorado, dessenErträgebrilischeZähigkeitundIntelligenzüber allesheutigeHoffen oderFürchtenhinaus steigern wird,dannist ihmdieDelagoabaiund der herrlicheHafenvonLourenco-MarquezmitseinemriesigenKohlenreichthum sicher,sein Prestige aufder ganzenbewohntenErde,inBombayundPeking fo gutwie in KanadaundMelbourne,von helleremGlanz umleuchtetals je seitdemAbfallderVereinigtenStaaten. Dann abersollman uns,weil aufein paarinfularen LandfetzendiedeutscheFlagge gehißtwird, auch nicht einreden,denDeutschenbrecheeinWeltmachtmorgenvonungeahnterSchön- heitanundMichel sei fürimmerbestattet.Einschimpfender,in derTasche nur scheudiejFaustballenderMichel istkeineerfreulichereGestaltalsMichel deram AbhangdesHelikonssinnendeTräumer.

Esmuß nicht sokommen. Unddamit esanders komme, mußdie KomoediederIrrungeneinEndenehmen,in derenVerlaufbisjetztimmer Dergeprügeltwurde,der dieSchlägegarnicht verdiente,undderAndere, dereinetüchtigeTracht brauchen konnte,leerausging.DieBegeisterung fürdieBuren isteineschöneSache,eineschönerejedenfallsals diefürdas KleeblattDreyfus-Picquart-Loubet,in der dastugendsameAlbionalleWett- bewerberübertraf;unddieBewunderungeinesmuthigundgläubig für seineScholle fechtendenStammes kannjedesVolknur ehren.DenEng- ländern aberistesschließlichganzgleichgiltig,obwirChamberlain füreinen SchuftundKrüger füreinenin GottähnlichkeiterwachsenenCromwell halten,wennnurChamberlain siegtundKrügerausderMacht gejagtwird.

NachherwirdsichschonAllesfinden.DiewitzigenChansonniersderpariser Butte haben längstprophezeit,daßsichbeijedem Sieger,magerinWindsor oderPretoria wohnen,dieeuropäischenGroßmächtealsGratulanten einstellen werden. Und dieEngländerhatten daheimzuhäufigGelegenheit,diePsyche desbusiness-man, defsenGemüthsartdemWesenallermodernenIndustrie-

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Englische Krankheit 415 staatendieFarbegiebt,zuergründen,alsdaßsieglauben könnten,Europa werdemit deneinmal imBesitzrechtWohnenden nochlange schmollenund grollen. DerKrieg, sagtevorbaldhundertJahrenderbadischeNational- ökonomNebenius,istdieErntezeitderKapitalisten. Seitdem habendie Kriegsprofite nocheine ganz andereHöheerreicht, undglücklicheKapi- talisten pflegendenAnzettlernderFeldzüge,bei denensiealsMarodeure Beutemachen konnten,denMangelanHumanitätundRechtsgefühlnicht nachzutragen.Wenn imGoldland derUnionJack weht,wird dasin Minenwerthen angelegte deutscheKapital,dasheute ungefährachthundert MillionenMarkbetragen soll, sichschnellmindestens verdoppeln, England wirdauchsonstkeinenschädigendenAntipathien begegnenundseinennatio- nalenHochmuthweiterentwickelndürfen. DiesesVolkbeugtsichnur der MachtunddemMuth, nichtdemSchimpf.DerBriteweiß,daßeraufdem ganzen Kontinent gehaßtundinPariswieinPanvonjedemKellnerhinterdem Rückenverhöhntwird. Wasthutesihm?Erzahlt gutund wirdbesserbe- dient alsjederandereGast.DasZitternlerntererst,wennseinekapitalistische Uebermachtbedrohtwird.DaherdasEntsetzen,alsWilliams denLands- leutenzurief, ihre industrielle Vorherrschaftseinur nocheinholderTraum, sie seienzumdrittgrößtenHandelsvolkderErdehinabgesunken,denndie Yankees hätten sie überholtundaufallenMärkten, selbst aufdenengli- schen, triumphiredasWort: Made inGermanyl Das war dererste Streich,war einerderGründe,diedenJmperialismus Beaconsfields in den brutaleren Chamberlainsumwandeln mußten.Jetzt istdieZeit für denzweitenStreich gekommen;fällterjetztnicht,dannist,daindreißigJahren auch RußlandeineexportirendeJndustrieweltmacht sein wird,diegünstige Stundeversäumt.Dasfestzustellenunddanachzuhandeln, istdieAufgabe deutscherPolitiker. NichtdieEngländerschimpfensollman,nichtihnenEigen- schafteninsGewissenschieben,dieunterjedemHimmeleinelangeHändlerkultur zeitigenmuß,sondern ihre Tüchtigkeit,dieSicherheit ihres politischenInstink- tesund dieKraftihres-Handelnsanerkennen,sieals einensehrernstzunehmen- denGegner hoch einschätzen, und dann Allesaufbieten,umdiesemGegner endlichdenNacken zubeugen.Nievielleichtwar ineinemgeschichtlichen KampfderGegensatzzwischenmodernerGroßindustrieundpatriarchalischem Bauernthumsoklarverkörpertwiein BritenundBuren;diehellenunddie dunklen Seitenbeider Kulturarten sind deutlichsichtbar. Nichtaber darum handeltessichjetzt,nachsittlichemoderwirthschaftlichemGeschmackfüreine der beiden ArtenParteizu ergreifeanonderndarum,dengefährlichenGegner,

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soweit esirgend möglichist,zuschwächen,zurückzudrängen.DieserGegner bliebeEngland, auchwenn alleBriten lichteEngelundalleBuren pech- schwarzeHallunkenwären.

Für England hegt heuteinEuropakeineinzigesVolkSympathien.

DerDeutscheKaiserundderSultan habenihrer Freudeüber denErfolg der· englischenWaffenAusdruck gegeben.JnalleneuropäischenHaupt- städtenaber würde die KundevoneinerentscheidendenNiederlagedesBriten- heeresmit einerJllumination begrüßtwerden,andersichbeiuns vielleicht nur dieHoflieferantennicht betheiligenwürden.DieZeitungbesitzerkennen dieseStimmungundschmeichelnihr; abersiedrängendieKundschaftin eine falscheRichtung:siefütternsiemitkindischenMärchenundwidrigenSchimpfe- reien undverschweigenihnen, daßjederwacheDeutschejetztvondenRegiren- denfordern muß,siemögendieStunde nützen,umdasBritenjochzubrechen undinEuropadienatürliche-GruppirungderGroßmächtewiederherzustel- len.Diese natürlicheGruppirung ist nicht: hie Dreihund, hie Zweibund.

Der Dreibund wareinNothbehelf,denBismarcks Geniesichfürein Weil- chenerfandunddessenjetzigesScheinlebenindemAugenblickerlöschenwürde, woerzulebendigerAktionberufenwäre.WerheutenochimErnstglaubt,die habsburgischlothringischeDynastie werde,umdasDeutscheReichzustärken oderauchnur vorSchwächungzubewahren,einenKrieg führen,dasver- slavte Oesterreichwerde gegenRußland,dasverelendete Italiengegen Frankreicheinenwirksamen Schutzwallbilden können oder wollen: Derist einThorodereinzünftigerDiplomat.DienatürlicheGruppirung ist durch denKriegdesJahres1870 zerstörtworden, oderrichtiger: gehindert, dennsiewurdeerst durchdieGründungdesDeutschenReichesmöglich;als daserstrebenswertheZiel hatteBismarckjwieman inseinenBrieer an Gerlach lesen kann, sie schonin denfünfzigerJahrenerkannt. Sieist seit- demnur noch natürlicherundnothwendiger geworden.DasArbeitfeld politischer Bethätigunghat sich gewaltig erweitert,überallregensichex- pansive Wünsche,diejüngerenKolonialmächte,Deutschland, Frankreich, Rußland, suchen ihren Besitzzumehren, abzurunden, sichLuftlöcherins offeneMeerzuschaffenundstoßendabeiin allenWasserstraßenundErdtheilen aufEngland,dassichdiebesten Weideplätzefrüh gesicherthat. Wasist natürlicheralseinBündnißderaufstrebenden Mächtegegen diealteinge- sessene,hochfahrendeHerrinderMenschenwelt?WennjungeJndustriefirmen einem altenRiesenunternehmen,dasihnendieGeschäftswegesperrt,einzeln nichtbeikommenkönnen,dannvereinensiesichin einemTrust; jedesHaus

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Englische Krankheit. 417 behältin weitemUmfangedieFreiheitdesHandelns,dieChefs brauchen persönlichmiteinandergarnichtzuverkehren:nur da,woes gegen die Uebermachtgeht, haltendiesyndizirtenFirmen festzusammen.AlleGroß- mächtetreibenheutzutage Geschäftspolitik.DerEuropäerwillgewisseAr- beiten nichtlängerleisten,willsie auf transatlantischeHelotenabladen,die ihm zugleichseineminderwerthigenMassenprodukteablaufen sollen:-daher derKampfum dieInteressensphären,Machtgebiete,Märkte.Dieserindustrielle Kampfmußin demIndustrielebenentlehnten Formen geführtwerden.Wer aufdemFestlandwürde dieBildungeines antibritischen Trusts,einer KoalitiongegendieWortführerdesGreater Britain undderImperial Federation League, nichtmitJubel begrüßen?...Darüber hatunsdie Geschichtederenglisch-deutschenBeziehungenmit allerwünschenswerthen Deutlichkeitaufgeklärt:der klirt mitEnglandwird unsnie etwas Anderes eintragenals inEuropadasMißtrauenRußlands,in den anderen Welt- theilendenRangeinesgnädigvom britischenLeunProtegirten.Daswußte Bismarck,der deneinzelnenEngländersehr hochschätzte,dieenglische-Heuch- lergieralspolitisches Systemabermit der ganzenanrunst einesnord- deutschenBauern haßte.DieAngst seiner letzten Lebensjahrewares,daß persönlicheoderdynastischeBeziehungendasDeutscheReichdenBriten ins Netztreibenkönnten.JhmwareinwichtigerTheildesSchachbrettesfür sein Spiel.gesperrt:ermußtedamitrechnen, daßderRachedurstin den 1870 Besiegtenstärkerseinwürde alsjedesandereGefühlunddaßjeder Gegner DeutschlandsaufdieFranzosen zählendürfe.Sowunderbar aberwarseine Intuition,daßerschonzuFerrys Zeitdarandachte:nurein Kolonialkamps, nur dieNothwendigkeitgemeinsamerAbwehr englischenDruckes könne eines TagesdieEinigung bringen,dieEuropa so dringend braucht.

DerTag ist angebrochen.VorfünfzigJahren erschien,unterdemTitel Russje,AllemagneetFranee, ein kleinesBuch,in demgesagt wurde,es seifürdieFranzosen nicht gut,d’av0i1« constamment sous les yeux, pourl’7imiteI-sanscesse, unpeupledemarehan dSquin’a de culte que pour l’or et d’autre enthousiasme qu7unegoismeendelire; Frank- reichmüssesichdemfleißigenundgläubigendeutschenVolkverbünden,dem einegroßeZUkunftgewißsei. DerVerfasser ahntenicht,daßderWegindiese ZukunftdurchdiefranzösischenBajonnette führenwürde.DochAlles, auch derhitzigsteRachedurst, hat seineZeit. Frankreichistaufeinem Punkt verfei- nernderundschwächenderKultur angelangt,woes eineneuropäischenKrieg nichtmehrfiihrenkannMitseinersinkendenBevölkerungziffer,seinem läh-

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mendenParlamentarismus, seinerrückständigeandustrieundFinanzwirth- schaft,mit deranmuthigen Korruption,diesichin alle Winkeleines Welt- hotelsundWeltlupanars einfrißt,darfes voneinemSiegüber dasweniger fein kultivirte,aberschonnumerischunendlich überlegeneDeutschland nicht einmal mehrträumen. Der Traum ist auch wirklichvorbei.Mag manch- mal einapplaussüchtigerPolitiker ohneMacht undVerantwortungdie alte Saiteschwirrenlassen:werGrosclaudes BuchFrance,RuSsie,Allema-gne etlaguerreauTransvaal gelesen,dieVerwahrungendereifrigstenEhauvi- nisten,derMillevoyeundThiåbaud,gegenjedenGedankenanRevanchepläne gehörthatunderwägt, daßdergeniale GeschäftsmannRochefortGeld zu einemEhrendegen für Cronje sammelt, Derweiß,wievölligdieVolks- stimmungsichgewandelthat. FrankreichhatinEgypten,inTonkin undTunis, ausMadagaskarundzuletztvorFaschoda britischenUebcrmuthundbritische Ränke kennengelerntundeinenjedeandereRegung niederhaltendenGroll gegenEngland angesammelt,den derBurenkriegnun leidenschaftlichaus- brechenließ.Daman langezurSchau getragene Gefühlenichtgernöffent- lich ablegt,wäre esunklug,dieFranzosen heute schonzu einemBündniß mitDeutschlandzu laden.IneinenantibritischenTrust aber,derin Süd- afrika Ruhe geböte,dieEupholländerinsein Interesse zögeundderengli- schenMacht Schranken setzte,würdensiejauchzendeintreten und keine Re- girung,keineweheErinnerungwärestarkgenug,sie zurückzuhalten.Und zweifeltirgend Jemand, daßRußlandgern dieGelegenheitbenutzenwürde, um,ohneinfinanziellundmilitärischunfertiger Rüstungkämpfenzumüssen, dasFeuer des· asiatischenKonkurrenten einBischenzudämpfen?Selbst imZarenreich,dieTürkenkriegelehrenes, kann dieVolksstimmungeine Politik erzwingen,zu der dieMachthaber sich freiwillig nicht entschlossen hätten.KeinTröpfleinMenschenblutes brauchtezufließen;derfesteWille dermitteleuropäischenGroßmächtewürdegenügen,um dasvon Truppen entblößteJnselreichunterdasGebot zubeugen:Bishierher sollstDu gehen undnichtweiter! VonDeutschland aber,als demamNächsteninteressirten Staat,wird dasLosungworterwartet.

DieAufgabe deutscherPolitik liegtklarvordemnüchternwägenden Blick.SiegtEngland jetzt,dannhatesdenSiegund denungeheuren Zu- wachsanPrestigedemDeutschenReichzu danken. Dann aber wirdbald auchderTag kommen,woandie Leiter derReichsgeschästedieFrage heran- tritt,wassiehindern konnte,in derentscheidendenStunde mit einemun- blutigen SchlagedieZukunftderdeutschenMenschheitzusichern.

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DerKohlenarbeiterausstand. 419

Der Kohlenarbeiterausstand.

inenStrike von derBedeutungdesjetzigenKohlenarbeiterausstandes hatOesterreichnoch nichterlebt.DerBraun- undSteinkohlenbergbau inBöhmen, MährenundSchlesienbeschäftigt115 000Arbeiterundfördert alljährlich266Millionen Metercentner KohlezuTage. MehralsdieHälfte dieserArbeiter hatdenKampfum dieAchtstundenschichtaufgenommenund bisher schon zweiMonateaufdemBodenderbürgerlichenRuheundOrdnung durchgeführt.DieserwirthschaftlicheKriegwar auskeinerSeite vorbereitet.

Nicht ausderSeitederUnternehmer;dennseit Jahren machtderchronische WaggonmangeleinefürsorglicheBevorrathungmitHeizmaterial unmöglich«

AnhaltendeBetriebsstörungenderk. k.StaatsbahneninFolgevonElementar- ereignissenund derdrängendeBedarfdesagrarischen Herbstexporteshaben diesen Uebelstandverschärft.Mit großer HeftigkeitsetztederWinter unge- wöhnlichfrühein· Kluge Händler wußten ihre Schlüssedurch rechtzeitige Beschlagnahme,,sichtbarer«Mengenzuergänzenund durch »flotte«Preis- erhöhungenzuverwerthen.MitAusnahmedergalizischenStaatsbahnlinien soll eigentlichkeineeinzigedergroßenBahnverwaltungenauchnur dasvor-

schriftmäßigedreimonatige KohlenkapitalzurVerfügunggehabt haben.Es istdasVerdienstdesEisenbahnchefsdeskompetentenMilitärkommandos in Galizien,wenn indiesem stetsalsstrategischeBasiseinesZukunstkrieges behandelten Lande dasReglementeingehaltenwurde. Aus demmilitärischen Reservefondswerdennun dieLokomotiven desHerrnvon Wittekgeheizt.

AberauchdieArbeiter traf ihr eigener Angriffsstrikeunvorbereitet.

WirwissenvonBrentano herganzgenau,wie einrichtigerStrikeinszenirt, noch besserblosschiedlich-friedlichangedrohtundinseinerbedrohlichenMög- lichkeitzum einflußreichenFaktorbeiderBestimmungdesArbeitvertrages gemachtwerdensoll.DiesechzigtausendFeiernden sindkeineTrade-Unionisten undnur zumgeringsten TheilSozialisten.Sie bildeneineamorpheund weitversprengteMasse, sie besitzenkeineandereOrganisationalsdiefeld- mäßigenTelegraphenlinienundpassagerenBesestigungen,dievondenFührern derösterreichischensozialdemokratischenParteiin aller Eileangelegtwurden.

VictorAdlerundseineLeutesind sehrrealePolitiker,vielleichtmiteinem TröpfchenopportunistischenOeles gesalbtundsichderTragweitesolcherBe- Wegungenvielzubewußt,um in Hurrahstimmungzuantikapitalistischen Feldzügenauszurusen.

»Dassind jakeine Arbeiter, wie Sieglauben,«hörteicheinenan-

geblichenKennerderostrauer Verhältnissezu einem wienerPhilanthropen sagen.

»Dassind jazum größtenTheil eingewanderteWasserpolaken,Masuren, die demWerkmeisterdenFuß küssen,wenn ersieinArbeit nimmt.« Um

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