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Unser Bund: Älterenblatt des Bundes deutscher Jugendvereine, Jg. 20. Februar 1931, Nr 2.

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UNSER BUND

ÄLTERENBLATT DEs BUNDES DEUTSCHER lUGENDVEREINE

RAE

20.JÄI-IR FEBRUAR 1931 HORNUNG NR.Z

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(2)

Unser Bund

herausgegebenvom Bund DeutscherJugendvereinee.V.

Bundeoleiter: Prof.D.Dr.Wilhelm Stählin,Münsteri.Westf., Paul- straße35(sernruf26397).

Bundeokanzleiund Bandes-Geschäftsstelle:Göttingen,Weender land- straßes, 1(Postfach zo4), sernruf GöttingenUhr

Bundeowart AugustdeHaar-, BundesgefchäftofiihrerGeorg Brust,Göt- tingen, Postfachzo4.

PostscheckkontodesBundes: Berlin Nr.22236

Schriftleitung :

Jörg Erb, Hauptlehretz Gerobach,Amt Schopfheitn (Baden).

Bestellung-

BeiderPostoderbeiderKanzleidesBDJ., Göttingen, Postfachzo4.

Preis:

VierteljährlichHo RM.

Bezahlung-

BeiderPostoderbeimBund Deutscher Jugendvereine, Göttingen, Post- schecktonto:Berlin Nr. 332zo.

suhrermnemLehrgang

derLandesverbände Bayern und WiirttembergimBDJ. am 12.,13.

und14. April 1931 auf der

Comburg b.Schwäbifch-Hall

Näheres durch:Frau M.Sommerlatt, Stuttgart-Degerloch, Aufdem Haigst 46.

Inhalt diesesBester-:

Tischlied. VomSinn derGeselligkeit. »steier Gehorsam«. Vom Bausparenund von Baufparkassen.—- sreiwillige Volkodienstpflicht.

»Verbotene«Lieder. Buchund Bild. —- DieEcke.

InschriftenderMitarbeiter-

Ludwig Heitmanm Hamburgzo,Ludolfstraßeed. Wilhelm Stählin, Münsteri.Westf., Paulstraßegö. Otto Bahnson, Hamburg37, Lind- leystraße55. Helmut Kramer, Darmstadt, Weiterstädter Straßez. AugustdeHaar-, Göttingen,Weender Landstr.e. JörgErb,Gerobach.

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· LT .L ·- O un-serDa-ter,Her-reGott,gib

unsheutunsser täglichsBrot,ershaltuns un- ser

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SeelundLeib,daßbei-des fe-steanDir bleib.

So wollen wirstetsdankenDir, DeinGütverkündenfürundfür UndlebennachdemWillen Dein:

DeinWort laß,Her-, stetsbeiein-seit-.

Martin Polyrarpus (1606).

NachdemEssen,imgleichenTon:

GottVater,Sohnundheilger Geist, Von dem dieFüllder Gnaden fleugt, Wir lobenDich,wirdanken Dir FürDeineWohltatfürundfür.

(Entnonunen: »DasTischgebet«,Bärenreiterverlag,Kassel.)

Vom Sinn der Geselligkeit.

VonLudwig 15eitma n n-Hamburg.

Eshateinmal denAnscheingehabt,alsobdieGeneration derJugendbewe- gung diehohe BedeutungeinerNeugestaitungdesgeselligenLebenssürdie Sinngebung einerganzen Zeit wirklich erfaßt habe.Das isteineTäuschung gewesen.Alsman einsah, daßman mitdemSchillerlragen,demEigenkleid, demVollstanz die Welt nichtimSturmlauf erobern könne,hatman dieGe- selligleitsfragein diehinterste Etappe geschoben.Mitdenüberlebtensormen einerkurzen Protestzeitwar auchdieVerantwortung fürdiesganze Lebens- gebiet erloschen.Man überließ dieseSeite desLebensdemZufall,derLaune, derNeigungundBegabungundzuletztdemChaos.Esdrängten sich jaauch vielwichtigereund realere FragenindenVordergrund:dieWirtschaft, die Politik,dies-Sexualität,dieneue Sachlichteit. Man hatnur übersehen,daßes

damit-Xenieriilxsekxaupt keinLebensgebiet mehr gibt, aufdem ernsthaftum

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eineneue Sinngebung desLebensgerungen wird. EssindTeilfragendertäg- lichenNot,dieuns heute nochbeschäftigen.Daßesindiesen Auseinandersetzun- gen nochum denS innde sGa nz e ngeht,wer wird dasbehauptenwollen?

AuchandenSinn derKirchekommt man nicht heran,weil man dasVorfeld hatliegenlassen. DaßessichinderGestaltungderGeselligkeitum eineSache handle,die ganznaheanderreligiösen Sinngebung desLebensliegt, jaeinmal mitihridentisch gewesen ist,wer wird imAngesichtedesgeselligenRummels unsererTage solcheGedanken nochernst nehmen? Amüsementund Religion

was haben siemiteinander zutun? —-

Unddochmußesgewagt werden,noch einmal denganzen ErnstderVer- antwortung gegenüber dieser Lebensseite herauszustellen und esmit aller Schärfe auszusprechen:Weil wir keinesinnvolle Gestaltung desgeselligen Lebens, janicht einmal einenernsten Ansatzdazu mehrhaben, ist unserLeben alsGanzes sinnlos, istauchdas Ringenum einelebendigesorm kultischen und kirchlichenLebens zurHoffnungslosigkeit verurteilt. Ichwill versuchen, dieTragweitederhiervorliegendenZusammenhängeanzudeuten.

J.

Alltagsnot undGeselligkeit.

Wir bringenuns leidernur zuwenigzum Bewußtsein, daßalleschweren Kämpfedeswirtschaftlichen, des sozialen,despolitischenLebens ihre letzten geheimen Wurzeln in denAnsprücheneinerbestimmtenGeselligkeitsgestaltung haben. Warum legtderKaufmann, derUnternehmer, derkleineMittelstand soentscheidendenWert aufdie individualistischeWirtschaftsform, warum kämpfterbiszurErschöpfung füreinenbestimmten Lebensstandard?Weil er miteiner fast religiösen Leidenschaft hängtanbestimmten Geselligkeitsformen, diefürihn den Sinn desLebensbedeuten. sällt diese repräsentative Gestaltung seines häuslichen, seines familiären, seinesgeselligenLebensfort,dann hat das LebenfürihnseinenSinn verloren. Zu welchenTragödienund seelischen Katastrophen das inunsernTagen wirtschaftlicher und sozialer Umlagerung führt, dürftebekannt sein.Dieentscheidenden Impulse deswirtschaftlichen, dessozialenund despolitischenLebensliegen jenseits dieser äußerenLebens- gebietein derscheinbar harmlosenund spielenden SphäredesgeselligenLebens.

Das gilt füralleLebensschichtenbishineinindieSphäredes Proletariats.

DaßdieletztenMotive auchdesSozialismus reinbürgerlicherNatur sind, wird heuteeindeutig erwiesendurch dieGestaltungseiner geselligenSeite.

DieseBeobachtungen führenaber aufnochtiefereZusammenhänge. Daß wir nebeneinanderliegenddenAlltagunddenFeiertag,dieArbeitswoche und denSonntag, dasWerkstatt-unddasgeselligeLebenhaben,hatja letztemeta- physischcGründe. UeberallermenschlichenArbeit liegtdersluchderSinn- losigkeit (x. Mos. 3);derseierabendund der seiertagbedeuten das Sich- streckendesMenschenaus dieser SinnlosigkeitindenverlorengegangenenSinn.

In derGestaltungderGeselligkeit vollziehtsichdieSinn- gebung de sLebe nsü be rhaupt.Darum istalleGeselligkeitsgestaltung ursprünglichreligiöserNatur (.Kultus, Tanz, sestfeier, vgl.dieTeestundein

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Japan alsUebergangserscheinung). Diereligiöse Weihe des Patriotismus durch dieTrinksitten zeigtnochheute diesen Zusammenhang. Aus ihmallein erklärtsichdas leidenschaftlicheFesthaltenanüberlieferten Formendesgeselli- genLebens.

Z.

Die.ZersetzungderGeselligkeitalsAuflösungdesLebenssinnes.

DieseZusammenhängemachenesdeutlich, daßdiezunehmendeProfanisie- rung dergeselligen Formendas wichtigste Symptom einessich auflösenden Lebenssinnes ist.DaßdieEß-und Trinksitten,die familiären Feiern,die großen VolksfesteundFeiertage biszumWeihnachtsfesthinl fast jeden Zusammenhangmit einem religiösenSinn verloren haben, istdas sicherste Anzeichendafür, daßdas Leben als Ganzes seinen tieferenSinn ver- loren hat. Hierund dawird dieSchalederäußerenSitte zum Teilin gesetzlicher Strenge nochfestgehalten, aufs Ganzegesehen istheute alles geselligeLebenderMenscheneinvölliges Chaos. DieTrägerdergeselligen Form,dasältereBürgertum,das diehöfischeSitte früherer Jahrhunderte, zum Teilschoninlächerlich entstellter Form jede FamilieeinkleinerHof- staat! zukonservieren versuchte,dieständischen Schichtenetwa derKauf- leute, derAkademiker,derOffiziere,desAdelsundderBauern,sindheuteent- wurzelt. DiebizarrenRestbestände Geburtstags- undJubiläumsfe.iern,die wie einwildes Unkraut das Leben überwuchern,diegemeinsamen Abfütte- rungen, dieöffentlichen Kommerseund staatlichenRepräsentationsfeiern,die Bälleund Karnevalsorgien ragen alsbarbarische Trümmerhaufennoch in dieGegenwart hinein;derAlkohol undderJimmyhaben alles bereits ineinen von übelriechendem Schimmel überzogenenBreiverwandelt. AlsDokument dieserinFäulnis übergegangenenGeselligkeit istnoch imJahre xgzseinvom Dreimasken-Verlag herausgegebenes Buch, erschienenunter dem Titel»Er und Sie,einemoderne Gesellschaftsrevue«(empfohlen übrigensdurchAeußerungen von Frau Stresemann, Gerhart Hauptmann,Katharina von Kardorff-Oheimb, Kasimir Edschmidund anderen),in demdasWissenum das«richtige Parfüm und ähnliche Wichtigkeitenauch dieletzteAhnungvon einem Sinn desge- selligenLebens verdrängthat. Die Jugendbewegung hat wohl eine leise Ahnung davon verspürt, daßhiereinZerstörungsprozeßvon einigerTrag- weite sich vollziehe,aberschließlichist sieinderBekämpfungdesAlkohols, inderKleiderreformund ähnlichenAeußerlichkeitenstecken gebliebenund hat zuletztvollends darauf verzichtet,hiernocheinWort zusagen,das zum WesenderSachezurückführenkönnte.

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Einneuer Sinn desgeselligenLebens?

Indessenmuß dieFrage aufgeworfenwerden,obsolcherZerstörungsprozeß vielleichtdieBedeutung habe,einen alten abgestandenenLebenssinn aufzu- lösenundeinemneuen die Bahn zubereiten. .DieFrage ist merkwürdigerweise

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innerhalbderJugendbewegungniemals mitvoller Schärfe gestelltunddurch- dacht worden, weshalb man nichtohne Grund daran zweifelnmag, obes in derJugendbewegung überhauptum einenLebenssinngegangen ist.Wenn das derFall gewesen wäre,hättesie sichmitLeidenschaft auf dieses sinn- gebende Gebiet werfen müssen,das innerhalb derallgemeinen Zwangs- läufigkeitdes Lebens im Wirtschaftlichen und Politischen allein nochdieje- nigeFreiheit gewährte,innerhalb derenman noch hättegestaltenkönnen.Oder war derinnere Zwang des alten Lebenssinnesauch innerhalb der jüngeren Generation nochso mächtig,daßesschondeshalb hier gar nichtzueinem durchschlagendenneuen Ansatzkommen konnte?

Der Sinn dersich zersetzenden Geselligkeitsgestaltung lagund liegtdeut- lich genug vor Augen.Es istgar keinZweifeldaran möglich,daßsichin den sinnlos gewordenen Geselligkeitsformen das individualistis che ZeitalterselberzuGrabe trägt.JmGrunde sindalledieseGeburtstags-,Jubi- läums- und Volksfeiern, ja selbstdiereligiösen Feste (Weihnachten!) Uebe r- höhungs- und Bestrahlungsfeiern des menschlichen Jchge- worden. Derobjektive Anlaß führteinschattenhaftes DaseinimHintergrunde, derMenschaber ist großspurigandieFassadegetreten. Das gesamte gesellige Lebenkreistheuteum dieWichtigkeitsgefühlederMenschen. Jn demselben Maße,wiederEinzelmenschheute in dieBedeutungslosigkeit hinabsinktund zum Massenwesen degeneriert,werden auch seinegeselligen Lebensformen innerlichabgestanden,ungeistig, wesenlos,jeder tieferen Verbundenheit, auch derMenschen untereinander, entbehrend.

DementsprechendkönnteeineWendungzueinem neuen, wesentlichen Sinnl desgeselligenLebens nur eineWendungvom selbstbewußten Einzelmenschen zueinemsinnerfüllenden Objektiven sein.So einfachund selbst- verständlichdas klingt dieses sinnerfiillende Objektivesollnur dasein.

Daßwir esuns nichtirgendwie künstlichindieMitte stellen können, dürfte allenMenschenklargeworden sein,diedenVersuch gemacht haben,einFest alsoeinFestum,einFeststehendes wirklichernstzunehmenund sichund andere inseine lebendige Bedeutung hineinzustellen. Man merkt dann erst, inwelchemMaßewir allenochvon unserer »persönlichenEinstellung«,von ,,unscren Bedürfnissen«, ,,Grundsätzen«,,,Voraussetzungen«, ,,Stimmungen«

und»Verstimmungen«undähnlichen erfreulichen Dingen abhängig sind.Einen lauten ,,angeregten«Rummel zumachen, gelingtunter jungenundaltenMen- schenverhältnismäßig leicht,aber einefestlicheStunde gesammelter gemein- samerFreudeum einlebendiges Geheimnis, dasuns seineTore erschließen möchte,zufinden, isteinsehrseltenes Geschenk geworden,weil inuns selber dieWendung vom anspruchsvollen, aufeine sehr komplizierteSkala von persönlichenBedürfnissen eingestellten,innerlichaber unproduktiven Massen- menschenzuderHaltung des lauschenden, hör-enden, aufnahme- und darum auchdienstbereitenundlebendigweitergehenden Gemeinschaftsmenschenin keiner Weise vollzogen ist.Wir dürfenuns nichtderIllusion hingeben, daßeinGe- schlecht,an dem sichder Fluchder Loslösungvon allen lebendigen Innen- kräftendes Lebens geradeerst vollendet,morgen schonwieder wesentliche Feste feiernkönnte.Ersteinelange UebergangszeitdesVerzichtes,derEin-

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samkeitundderSammlung wirduns überhaupterstwieder,,gesellschaftsfähig«

machen. Esgibt Menschen,diemeinen,eskommenur daraufan,denrichtigen Drehzufinden,eineoriginelleJdee’auszudenken,eineneue Technikdes ge- selligenLebens zuersinnenund allerhand Programme und Vorschläge auf- zustellen,unddieSache sei gemacht.Das isteinesehr harmloseAuffassungder hiervorliegendenNot,etwa so,alsobman aus lauter verblasenen, verstimm- ten,zerbrochenenInstrumenten,zudenen wirvon derArbeit,derPolitik,der Wirtschaft, derTechnik,derWissenschaftundähnlichenRealitäten ausgemer- gelten Massenmenschen allmählichgeworden sind,morgen wieder eintadellos reinspielendes Orchester zusammenstellenwollte. Mit-»Anregungen« ist auf diesem verfahrenenund sinnlos zerstörtenGebietevorerst nichtszumachen, man müßtedenn das, was berufsmäßige ,,Künstler«indiesenKarnevals- zeitenan ,,originellen« Kabarettprogrammen zusammenschustermmitGesel- ligkeit verwechseln.Die Not liegt sehrviel tiefer und dieDinge sind sehr vielschwieriger,alsman gemeinhindenkt.

«

4.

Unsere Aufgabe.

Wenn wiruns überunsereschicksalsmäßigeUnfähigkeitzusinnvollerGe- selligkeitsgestaltungkeinenTäuschungenhingeben,dann kann unsereAufgabe heutenur diesein,uns einem aus dem schmerzlichenZerstörungsprozeszder Zeit aufuns zukommenden neuen Lebenssinn gehorsamund ehrfürchtig auf- zuschließenund uns inaller Selbstbefcheidungund ohnegroße Programm- forderungen aufdiepraktische HineinstellungindiesenSinn beidenuns ge- gebenen Gelegenheitenzubereiten. Vielleichtwerden uns dann in aller Stille gelegentlichStunden der Gemeinschaftgeschenkt,aus denen uns erlösender und erhebender Sinn entgegenleuchtet.Wenn uns im Bunde oder in der Gruppesteizeitenoder adventlicheStunden,Hochzeits-oder Tauffeiern ge- geben werden, so solltealleHingabeund Liebefür ihrerechteGestaltungbe- reit gehaltenwerden. Das istauchimmer wieder geschehen,und manche Gruppewird dankbar von solchenStunden und seiern,dieuns wieder eine Ahnungvon dersceudeunddem erlösendenSinn echterGeselligkeit gegeben haben, erzählenkönnen. Daß Jubiläums- und Geburtstagsfeiern uns hier nicht weiterbringen,sondern imbesten salleindieStille deskleinstensa- milienkreises gehören,brauchtnichtbetont zuwerden.

Wir werden uns auchimmer aufgeschlossenhaltenmüssen fürdieGe- staltungdergroßen seiern unsers Bundes,dersestwiesen, Bundestage, Früh- lingsfeiern usw. Aberdas eigentliche TiefenproblemderVorbereitungeines neuen Geselligkeitssinneskannhier nochnicht entscheidend angegriffen werden, weil essichdaimmer um Gestaltung desMassenlebens handelt,das dieein- zelnenoderdieeinzelnen Gruppenin ihrerIsolierung läßtunddiese höchstens überdeckt durchgemeinsame »Veranstaltungen«oder gemeinsame Grundstim- mungen undimbestensallezueinemKollektivbewußtsein,nicht aberzueiner objektiv begründetenlebendigenGemeinschaftshaltungführt.

DieEntscheidungüber eineneue Sinngebungwird allein indenklein en 29

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Kreis en fallen können, die,weilsiedeneinzelnen inseiner Ganzheitbean- spruchen,zueiner wirklichneuen Grundhaltung durchstoßenkönnen. Hier liegtdieeigentliche Aufgabe der Aeltestenschichten unsersBun- des,von dernun nocheinigeszusagen seinwird.

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Geselligkeitspflege imkleinen Kreise.

Es isteinGeschenk,wenn aus demBunde Familien hervorgehen, die derMittelpunkt einesgeselligen Kreiseswerden können. Denn zuechter Ge- sclligkeit,deren Urbild immer imfamiliärenLebenzusuchen sein wird,ge- hörenfeste Punkteunddauernde Beziehungen. Flüchtige Begegnungenkönnen nichtzugeselligemLebenführen.ZumalinunsernTagen,in denen einneuer Stil sich erstherausbilden soll, isteinstetiges Sichzusammenleben dieVor- bedingungfiireinen ernstenAnsatz geselligenLebens. JsteineFamilienicht gegeben, somuß doch immer einHeimdasein,das denruhenden Hinter- grundbildet. Man kannGeselligkeitnicht in Mietlokalen pflegen. Jeder äußere Hintergrund ist ja zugleichauch einseelischerHintergrund. Darum istauch derRaum, indemdiegeselligenStunden sich abspielen,von entscheidender Bedeutung. Man kann neue Geselligkeit nichtpflegenin altbiirgerlichen Räumen mitihrerUeberladenheit undUnruheundihrer aufdringlichenUeber- steigerungderpersönlichenBedeutung,diedenganzen Ungeistderhinter uns liegenden Epochevon sich ausstrahlen. DieRuhe, Schlichtheitundharmonische Farbgebungund Gliederung,dienirgendsdenBlickablenken und inAnspruch nehmen, sonderndieSeelesammelnund indenRaum einordnen, sind schon ganz wichtige Vorbedingungen. Es istdurchaus nichtgleichgültig,welche Blumen aufdemTisch stehen.Sieentscheiden schon darüber,obin demRaum dieEhrfurcht vor demGeheimnisund diestille sich schenkendeFreudewohnt oder derGeistderalten Geselligkeit,dienur fragte: »Siehstdumich P«

Es istklar, daßechteGeselligkeit sorgsamsteund liebevollsteVorberei- tung fordert. Wir betonen: liebevoll! Wenn nur irgendwo derUn- geistdes leistungsbeflissenen Jchmenschen herausschaut: »Nicht wahr, wir könnenes!«, ist schonalles verdorben. GastfreundschaftisteinGeschenkder Seele,diesichohne Vorbehalt und freudiggibt.Schon das istvom Uebel, wenn man gleichimAnfang merkt, daßdieHausfrau nocherhitzt istvon den VorbereitungenundimGrunde nochnichtfertig ist.Esmußallessoeinfach, klarund selbstverständlich sein, daß Stunden,jaTagevorheralles fertig ist.

Esist erste Pflicht derGastgeber, daß sieinderStunde,zuderdieFreunde geladen sind, ausgeruhtund voller innerer Freudeund Erwartung sind.Wir haben es unserer alten Großmutterimmer angemerkt, daß sie sich schon Stunden,jaTagevor unsermBesuchinnerlichmitjedem einzelnenbeschäftigt hatte,unddarum allesanihr inHochspannunginnerer Freude »Willkommen«

sagte.

Wenn wir von Vorbereitung sprechen, someinen wir wahrhaftig nur in allerletzterLiniedieVorbereitungenaufdas,was äußerlich gebotenwerden soll.Das muß so einfach, unaufdringlich, ja bescheidenwienur möglich sein.

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Wir solltendieTeestundeoderdas fröhliche Aepfel-UndKuchen-Schmausen oder eineandere schlichtesorm der äußeren Erquickungwieder zuEhren bringen. Nichtsorglichgenug aber kann man die innere Vorberei- tung aufdas,was dem Abend oder dem Sonntagnachmittag densinn- vollen Gehalt geben soll,nehmen. Beileibe keinProgramm, das abgewickelt wird,wohl aber eineinnere Ordnung,diesichentwickelt! Zu dieserinneren Ordnung gehörtals das Grundlegende, daßein Objektives im Mittelpunkt steht, das nichtwir habenund bieten, sonderndas uns hat,demunsereganze Liebegehört,das uns zumGeschenk geworden istund das wir nun weiter schenken.Nur keinzünftiger Vortrag (womöglichmit Lichtbildern,beidenendann noch derStrom versagt),nur keinesachsimpelei oder gar einganzes Konzertprogramm, nur keineganzeKunstausstellung sondern einHineinschauenlassenindiegute Stube unsererSeele. Es gibt einfeinesund tiefesWort Jesu,das erbeiWegelangeinmal gesagthat:

»Ein Schriftgelehrter, zumHimmelreich gelehrt, ist gleicheinem Hausvater, deraus seinem Schatz hervorträgtAltes und Neues.« Er rührt hieran das Geheimnis derorientalischenGastfreundschaft. Es lagund liegtnochheute darin, daßderorientalische Hausvater eineSchatzkammerhat—- für seine Gäste——,fürdieersein Lebenlangmitimmer neuer Aufmerksamkeitund Liebesammelt,und aus dererdann,wenn dieStunde derGästedaist,das Rechteherausholt und mitganzer sreude Vorzeigt. Zuechter und wesent- licherGastlichkeit gehörteinseelischesSchätzefammelnüberJahre undJahr- zehnte.DieStunde derGäste istdiePrüfungsstunde unseresLebens: »Was hastduan Edelsteinendes HerzensgesammeltEs kann dieStelle eines Buchessein,dieuns Entscheidendes für unserLebenschenkte,einBild,dasuns zurOffenbarung wurde,eineErinnerung,die inunserem Herzen leuchtet,eine Wahrheit, durchdiewir reiften,einLied,einMusikwerk,das unsereSeele zum Klingen brachte.Wer will das aufzählen,was einem Menschen auf seinemLebenswegean leuchtendenBlumen undEdelsteinen geschenktwerden kann? Wenn wir dasvorzeigen,dann gebenwir Uns selbstund dochnicht uns selbst, sondern das,was unsermLebenzum Geschenk,zur Quelle,zur unvergänglicherWahrheit gewordenist. Undwenn dasLicht,das hinter denDingen leuchtet,dieGäste grüßtund inihreSeele denStrahl derMit- freudewirft,auchsie beschenktundreichmacht,dann istdas Geheimnis in unserer Mitte, das Menschen wahrhaft zusammenschließenkann. Es ist klar, daßdazueininnerlichgesegnetesLebengehört,dassich nicht»vor- nimmt«,etwas Bestimmtes denGästen aufzudrängen, sonderndas aus der sülledas gebenkann,was derKreis unddieStunde erwartet.

Wo diesGeheimnis inderMitte ist,daschwindet jene Unart, diealler Geselligkeit unserer TagedenStempelderinneren Zerrissenheit ausprägt:das Du rcheinanderreden aller,dasschonbei8—xoGästenzueinemwahr- haftenGebrüll ausarten kann. IndemSichunterhaltenmüssen»einesjeglichen mitseinem Nächsten« spiegelt sichdie ganze Sinnlosigkeitderindividualistischen Epoche.Weil eskeinGeheimnisderMittemehrgab, gabesauch nicht mehr das Rundgespräch,indasganz von selberalleeinzelnen hineingezogenwur- den. JmOrient giltesnochheutealsderGipfelderUnhöflichkeit,wenn

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zweizugleicherZeit reden. Dasprichtimmer nur einer zurZeit,und immer zum Gastgeberunddamit zuallen gewendet. Ob wirzudieser für innerlich gebildeteMenschen selbstverständlichensormdes Gesprächsnochfähig sind, entscheidetüberden sinnvollen Gehalt unsererGeselligkeitund damit des ganzen Lebens(mit EinschlußderPolitik,derWirtschaft, dessozialen Lebens), dessen letzteNot darin liegt, daß diese sorm des Miteinanderlebens daraus verschwunden ist.Hierwird deutlich, daßdas»Spiel«des geselligenLebens entscheidend ist fürdengesamten »Ernst«derLebensnot draußen. s Spiel! Alle echteGeselligkeit ist Spiel,einLosgelöstseinvon der ver- lrampften Sinnlosigkeit des Alltags. Jndieseinnere Haltung zukommen, istheutedas Allerschwerste füruns. Darum istesvon großer Bedeutung, daßdieGastgeberaus tieferinnerer Sammlung, dieimmer diewesentlichste Vorbereitung ist,ihren Gästendas Willkommen zurufen und die Stunde gestalten.Aberesistauchwichtig, daßwir um diewahrhaft innerlichent- spannendensormendesSpieles wissenundinsie unsereGeselligteiteinbetten:

das gemeinsameSingen, das echtegeselligeSpiel-—·einwahrer »Schat3«

für jeden Gastgeber istder Spielkasten,deruns imletzten Jahre ausden Weihnachtstischgelegtwurde —, das,,Einander-den-Ball-zuwerfen«imfröh- lichenScherzdesRundgesprächs,derTanz,dasMiteinandergestaltenimRät- selratenund imScherzspielund wenn dieStunde esgibt—- dasMitein- anderschweigenin der Natur oderin derBetrachtungeineswesentlichenWerks.

UndMaßhalten inder Zeit! Jchhabeesalsjunger Mensch erlebt, daßman siebenStunden zuTische sitzenmußteundmitimmer neuen Gängen und TischredenundWitzen geelendetwurde. Jchmußtedann zweiStunden durch dieNachtlaufen,um wieder inFormzukommen. Das seiernbisin dieMorgenstunden hineinistdasKennzeicheneinerganzandieMassenhastig- keit unddieSinnengier verlorenen Generation. Damit mußendgültig Schluß gemachtwerden. ZweioderhöchstensdreiStunden desZusammenseins sollte dieRegel sein essei denn,daßessichum sreizeitenmitlangen Pausendes Schweigens handelt —, wenn sichhiernatürlichauchkeine festenRegeln aufstellen lassen.

Jst solcheGeselligteit,von dereineLebensformhier ineinigen Zügenange- deutet wurde echteGeselligkeit läßt sich janicht infeste Regeln spannen heutemöglich?

sehltuns dieZeit? sehlenuns dieMittel? Kaum. Wer nichtmitge- ringsten Mitteln an Zeitund äußeren DingenheuteGeselligleit gestalten kann, istüberhaupt nichtgesellschaftsfähig.IZsfehlt ihmdann dieinnere Kraft,derZeit gerechtzuwerden.

Aberfehltuns nichtüberhauptdieKraft? Vorallem dieseelische Kraft?

Jstesnichtso, daßinuns derWein desLebenssauer geworden ist, so daß

erauch imedelstenGlasein derBerührungmitdemandern nicht mehrklingt?

Ich fürchte,das wird weithin unser Zustand sein.Dann bleibt uns nichts, alsuns das ehrlich einzugestehenund indieStille zugehenund Gott zu bitten, daßer unsereSeele aus dem Verderben errette,und ihrdiegroße Wendung schenke,durch diesich unser Schicksal entscheidet:vom verdorrenden EigenlebenzuderMitte,derQuelle,derSonne.

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