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Aus der Heimath. Ein naturwissenschaftliches Volksblatt, 1861, No. 25.

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Ein naturwissenschaftlichenVolksblatt BerauggrgehenunuE. A.Roßmäszlen Wöchentlich1Bogen. DurchalleBuchhandlungenundPostämterfür vierteljährlich15Sgr.zubeziehen.

Inhalt: AufderWengernalp. —- DasSchlachtopfer derWissenschaft- (MitAbbildung.) DerFamlien-Stammbaum oder dasFamilien-Album. VonDr,Ravotb inBerlin. —- Kleinere Mittheilungen. FürHaus undWerkstatt —«·Einladungzum dritten Humboldt-Festeam

No. 25. 1861.

R —-

l4.September1861in LöbauinSachsen·

Auf derWengernalp.

Wesentlichummichzudemjenigen TheilederAufgabe, die ich mir in meinem Buche »dasWasser««·)gestellt hatte, vorzubereiten,war ichbereitsseiteinerWocheindem Berner Oberlande herumgestiegen·AufdemFaulhorn hatte ich,wieschonMillionen vormir, mitsprachlosem Staunen das ganzemitEisundewigem Schneebedeckte Alpengeländegesehen,wenn hier sehen, aufnur einen Sinn deutend, nicht einunpassendesWort ist. Werhiernur sieht,derist ja nicht würdigdortobenzustehen. Jmver- hüllendenSchneegestöberwar ichvonMeyringen heram Abendzuvorangekommenundwurde desto vollerundüber- schwänglicherbelohntdurchdendarauf folgenden sonnen- klarenMorgen. Esgehörtja auchdaszu denmehrwie anderwärts stimmendenund bestimmenden Mächtendes Alpenlandes,daß sich inihmderReisende bewußterals sonstunterdemEinflußderatmosphärischenZuständefühlt.

Währendmeine Reisegefährtenbeidem ergiebigen schweizerischenFrühstücksaßen,beendeteich einegestern AbendbegonneneSchilderungderFaulhornpartie,die viel- leichtvielemeinerLeserundLeserinnen seiner Zeitinihrer Gartenlaube inder«,,Gartenlaube«gelesenhaben,undfür welche,als ichsienachhermeinen Gefährtenvorlas,

'«)DasWasser.EineDarstellungfür ebildeteLeserund Leser-innenvon E.A.Roßmäßler. Mit9Zarbenlithographtm

Und47HolzschnittenLeipzigb.Fr.Brandstettei-.1858.2.verm.

Ausg.18l59·3Thit.

derzuhörendeWirthdurchZurückschiebenvon einPaar Frankenvon meinem Antheilandergemeinsamen Zeche

mireinHonorarfür dieihmmitRecht gespendete An- erkennung gebenwollte. O schweizerischeBerechnung!

Wiemagsichder Mann gefreuthaben,alserdiesenProfit umsonstgemachthatte!

Nachdemwirunter einhelligemjugendlichenJubel,zu welchemnur Einigevon UnsdurchihrAlter officiellbe- rechtigtwaren, nach Grindelwald hinabgestiegenwaren, trennten wirunsundamMorgen des29.August1856 stand ich mit meinem treuen FührerPeterRubiin anderer GesellschaftaufderWengernalp.

Werhier stand, währendAndere dasselbe,nur etwas andersgruppirteBildvon derEisenfluhodervonMürren aussahen,dermagalsdann mitdiesenumdenVorzug seinesStandpunktes streiten alle mit einanderaberent- gehensiedemLächelndessennicht,deraufderWengernalp, in Mürren undaufderEisenfluhdenjungfräulichenHof- staatmitseinerthronenden Herrscheringesehenhat· Es willsagen, daßder Streitdarüber, welchevondreigleich erblühtenRosenknospendieschöneresei, nichtzumAustrag

zubringenist. - «

DurchdieDampferleichterungdesReisens mehrt sich VVUJahrzUJahrinunserenkleinenwie in dengroßen StädtendieZahlderer, welchenbeigeselligenBerührungen auchdas einzusammenfuhrenderUnterhaltungsstosfist, auchin derSchweiz gewesenzusein.Hörtman dann

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solchenUnterhaltungenzu,sosehlt sicherdieWengernalp in keiner.

-VonNordost nachSüdwest erstrecktsichdermächtige Alpstock,in dem dasFinsteraarhorn wohlderhöchsteaber sicherdienur 300—400 Fuß niedrigere Jungfrau mit ihren nächstenNachbarnderschönsteunderhabenstePunkt ist. Sein südwestlichesDrittel ist durchdasLötschenthal tief gespalten,inwelchemUnterden vielendereinzige diese Richtung nehmende BachdesLötschengletschersnachdem Rhonethal stürzt.Dernordwärts diesesBachesliegende ArmderAlpengabelung ist nördlichdurch dietiefe Schlucht desTiümletenthalesbegrenztunddieses liegtalsunüber- schreitbarevon steilenWänden gebildete Scheidekluftzwi- schenderJungfrau-Gruppe unddenHöhen,zu denendie Wengernalp gehört.

Als ichübergrüneAlpenmatten,auf denen dieehr- würdigenBaumruinen ebenihre Früchte reisenderArven einzeln umherstanden,aufderWengernalpankam,lagdie Morgensonneim letzten entscheidenden Kampfemitden Wolkennebeln,welchemireinenTheildesAlpenbildesver- hüllten.DerMönch und dieJungfraustecktenmitsammen in einer blendenden Nebelkappeundich sagte scherzendzu einemstraßburgerArzt, so daßesabereinluzerner Priester mithören mußte:»dieJungfrau ist nochin derMorgen- beichte, indersichermehrvonderGrößeundHerrlichkeit derNatur die Redeseinwird, alsunsernfrommenBeich- tigernliebist.-·

«

Ringsumleuchtetederwolkenlose Himmelinreinerem Blau, nur drübenwogte immer noch,aberimmermehr zerfließendunter der zunehmendenWärme derSonnen- strahlen,derunfaßbare,wandelvolle BegriffderWolke.

Zuletzt schwebtennur nocheinige zarte Flockenum den ScheiteldesSilberhorns.Jetztwaren auchdiesezerronnen undinunaussprechlicher KlarheitundSchärfestand die mächtigeAlpengruppevor mir-,nicht blosvormir, denn entlangderBarriere vor dem Jungfrau-Hotel, welches einsam hierobenaufdiesem bevorzugten FleckchenErde liegt, standenundlehnten theils schweigendgenießendtheils begeistertund begeisternd sichundAndere ausrufenddie Reisenden,dieansolchenOrten schnellzuvorübergehender Annäherunggetriebenwerden, nur nichtdieEngländer, dasiezusowas keineZeitundkeinGemüth haben.Sie könnenjadabeinichtsprechen,dasienachsehen müssen ob Allesinihrem rothen Murrayrichtigbeschriebensei.

Linksbezeichnetdiebeinahesenkrechtabfallende Flanke desnadelspitzen12,240 F.hohen Eigervon hieraus ge- sehendiescheinbare OstgrenzedesGebirgsstockes, während sie in derThatnur diehinterderBiegungliegende östliche Fortsetzungverdeckt. Unerstiegenund unersteigbar kehrt

erderWengernalpeinebreitenordwestlichblickende Seite zu-fOdaßnur anderoberenfast schnurgeradegezogenen Kante dieStrahlenderSonne eineLichtliniemalten,wäh- rendÜbrigensseine Schneemassenineinfachem Blaugrau ruhten.Eine tiefeEinsattlungtrennt vom Eigerdennoch Um200FUß höherenabgestumpftenMönch,derdanndurch einefastgenauebensolcheEinsattlungvondemKernpunkte derganzenGruppeahftehtund dadurch einesehr regel- mäßigeGestalt erhalt—AllerGlanzderMorgensonne fällt aberauf diesenKeknptknkpandem dieam weitesten zurück- liegendeunddarumwtemBescheidenheitsichsuchenlassende Jungfrauundlinks nebenUnd vorihrdasSilberhorn,an ReinheitdesNamens und desGlanzesmit ihrwett- eifernd,in blendendem Weiß strahlen-

Man mußdasAuge ausdrücklichdas-Uanhalten,in diesem unaussprechlich schönenGesammtbilde, welches sich westlichnoch weiterfortsetzt,dieEinzelheitenderThal-und

388 Höhenbildungaufzusuchen;dennderGesammteindruckist so mächtig, daßman anZergliedern desselben anfangs ebensowenigdenkt, wie beim AnblickeinesBlumenstraußes.

Undauchwenn in unszuletztdasBedürfnißregewird, indenSchluchtenundThälernundKuppenundKämmen, welche dieOberflächederGebirgsmafsebedecken,Ordnung undZusammenhang aufzusuchen, so verfallenwirwieder einerTäuschung, welcheebennur hierobeninderreinen Alpenluftdenkbarist.denndiese-durchsichtigeKlarheitder Alpenluft istesselbst,was dieTäuschungbewirkt.

Je schärferwirhinüber sehenindie blendendenoder graubeschatteten Schneemassen,in destofeineresunddeut- ,licheres Detail lösensie sichauf, und wirglaubeneinzier-

liches Bergreliefzusehen,inwelchem,wenn wirhinüber könnten,unserem Fußezwarnicht sobequemwieunsern Blicken, aber einUmherschweisendoch möglichseinwürde.

DieKlarheitderLustrückt das nur durchdiegroßeEnt- fernungKleinesosehr inunsere Nähe, daßwireswirklich fürkleinhalten.Derjähe AbsturzdesunterderSchnee- grenzeliegenden Fußesvon diesemAlpengebäudeerscheint«

unssonaheund inVerbindungdamit dasTrümmleten- thaleinesoenge undschmaleSchlucht,daßwirwenn nicht miteinemPfeil so doch wenigstensmiteinerBüchsenkugel hinüberreichen zu könnenmeinen;undeskannunswider- fahren,daß unserFührerüber unsereTäuschunglächelt,

wenn wirsielaut werden lassen. Unsere Entfernung

biszudemzunächstundingleicher Höhemitunsgegen- überliegenden PunktederWand beträgtsicher über eine Wegstunde. Wiefern liegennun erst dietief zurücktreten- denTausendevonFußen höhergelegenenSchneeschluchten!

Esistdarum einsdersonderbarsten widerstreitendsten Gefühle,dasunsin derganzenSchweizammeistenauf derWengernalpüberkommt. Wir ärgernunsfast, daß unsdasGewaltige beinahe nicht gewaltigvorkommt,weil wiressoruhigin seineneinzelnen Schönheitenundsonahe voruns liegen sehen.

Das Augealleinistunfähig,uns ein,Urtheilzuvermitteln, wirmüssenihm einschärfen,daß essichunduns nichttäuschenmöge.

Dochineigener Weiseundaufanderem Wegekommt dasVerständniß.Derweniger weittragendeSinnsollhier dasweithin treffende Augeunterstützen.

ZwischendenblumenreichenAlpenmatten und dem großartigenProsceniumderAlpenwelt hinundhergezogen, war mirallmäligdieMittagsstunde herangekommenund mitihrderSonne wirksamereGewalt.

Einfernesabergewaltiges Donnergepolter unterbrach plötzlichdieheilige Ruheder Natur. DieFührer riefen eilig herbeiundalleWelt stürztevor an die Barriere.

DochAllenschiendas,wasgleichnachherdrübensichtbar wurde, kauminVerbindungmitdemGepolter stehenzu können. DieFührer fordertenuns auf,hier stehenzu bleiben,dajedenfalls sichdasSchauspielbaldwiederholen werde. Jeder wußte,daßessichumLauinenfall handele, aber denhatteman sichanders vorgestellt.Dieinzwischen von Lauterbrunnen undvon Grindelwald her vermehrte Gesellschaftblickteathemlos hinüber,um irgendwoeine Bewegungirr-denSchneemassenzu entdecken,diedochfrüher zusehenalszuhören seinmußte.vVergeblich;denn als nun einzweites Krachen, stärkeralsdaserstemal,herüber- donnerte, hatteNiemand ihmetwas Sichtbaresvorher- gehen sehen.Alleswar drüben-anscheinendinseineralten Ruhe geblieben·Dochsieh! Wohl Mehrere hundert Fuß tiefer quoll plötzlicheineblendendweißeMilchkaskadeaus derdüsternBergwandwievonMosesStabberührthervor, scheinbar ohneallenZusammenhangmitderRegiondes ewigenSchnees.Zwischendem DonnerunddemHervor-

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brechenderSchneemasse mochten wohl8——10 Sekunden vergangen seinundeswurdemirsofortklar,daßindieser Zeitdieletztere ohne Zweifeleinelange, steil abfallende Felsengasseinjähem Sturz herabkamund endlichdurch einenFelsenspalt, dessenRinneoffenbarvoneinerBiegung fürmeinenStandpunkt verdecktwar, sichtbarwurdeUnd nun inscheinbar ruhigemundsenkrechtemFall hernieder strömteundunten andemsichtbarenjenseitigenRandedes TrümmletenthalesaufeinenmächtigenSchuttkegel auffiel, dervonfrühern Lauinenfällenin allenSchattirnngenvon reinemWeißbiszuschmutzigemGrau, nachdemAlter undAbschmelzenderselben, gemalt schien-

Es gehörtenmancherleiErwägungendazu,um auch hierdieGrößedesSchauspiels nichtzuunterschätzemDa ausdemsicher weitüber eine Stunde entfernten Schnee- felde,vondemsichdie Lauine ablöste,dasPoltern einige Sekunden gebraucht hatte,eheesanmeinOhr drang,und diesesPoltern wahrscheinlichaucherstvon demAugenblicke anhob,wodieSchneemassedurcheinetiefere Thalengein heftige Reibunggerieth,ichaber bis8—10.Sekunden nachdemDonnern keineBewegunginjenen Schnee-und Eisgefilden gesehenhatte,v so hattemeine Einbildungskraft freienSpielraum, sichdieHöhedesLauinenfalls bisan

ihrenuntersten Austritt unddenBetragderMassevorzu- stellen, dievor wenigen AugenblickeninfriedlichsterRuhe aus der geöffnetenBergwandhervorgequollenwar, im buchstäblichstenSinne wie eineErscheinungausdemLande woMilchundHonig fließt.Aberwie ganz anders möchte diese Milchkaskadeunten seitlichimTrümmletenthaleaus- gesehenhaben. Vonhieraussah ich rechtwinklig aufdie Senkrechte desFallesunddieser smußtemirdaheralsein geradessenkrechtes scharfgezeichnetesBand erscheinen, währenderohne. Zweifelin einem weit ausgreifenden

«

Bogen hervorbrachund mir völlig unsichtbar gewesene Felsenblöckemitsich führteundmiteinerHülle zerstiebter Schneemassenumhülltwar.

Das herrliche Schauspielwiederholte sichnoch einige-

390 malundman kannhieranheißenSommertagenstetsmit Sicherheit darauf rechnen,es zusehen,bisnacheinigen Stunden alles dasanSchneemasse fortgeschafftist,was vorher durch langsames Zusammensinkenund Ablösen vonseiner Unterlagedemendlichen Sturz so nahegekom- menwar,daßesnur nocheineskleinenAnstoßesbedurfte umes vollends in rollendeBewegungzubringen.

DasTrümmletenthal,dessenNameoffenbarmit Trüm- merzusammenhängt,istdieRumpelkammer,woalle die auf dersNordseitederJungfrau sich ablösendenLauinen unschädlichaufgefangenwerden, undhier ist Tschudi’sAuf- fassungderLauine ganzgerechtfertigt,indemersieein Mittelnennt, große Massendesewigen Schnees dadurch zuvergänglichenzumachen,daßsie intiefer alsowärmer liegendeOrtezumZerstießenheruntertransportirt werden.

DerSchnee fließtdann hieralsklarerAlpbachhinausin dieweißeLütschinealskleinerBeitrag fürdenRhein, währendderFelsenschutt zurückbleibtundvielleicht nach JahrhundertendasTrümmletenthalabdämmt.

Nur ganzallmäligwar mirsodasBewußtseinvon demwahren Größenverhältnißdesvor mirinmajestäti- scher Ruhe daliegenden Alpenkolosses gekommen.Mein botanischerSinn ahntedasVorhandenseinvonblumigen Alpenmatten, welchedort drüben inunnahbarer ewiger Einsamkeitan denFelsenstufen liegen mögen,undderen VorhandenseinmirdieStreiflichterderhöher gestiegenen Sonne durcheinensanften grünenSchimmer verriethen.

Wahrscheinlichewig ungekanntundunberührtvonder hierendlichdoch zurückbleibendenWissenschaft,dienur dem Unbesiegbaren weicht, sind jene unzugänglichenAlpenmat- ten,die auchderWildheuernicht erklettert, kleineHeilig- thümer· Floras.

MitdiesemGedanken undmitvielen ,,letzten Blicken-C dennich hatteimmer nocheinenhinüberzusenden,trennte ich michvon derWengernalpundstieg hinunterin das malerischeLauterbrunnenthal,woderreizendeStaubbach vonder900Fuß hohen Felsenwand herniederstattert.

Das HchlachtopserderWissenschaft «

An einem sonnigen Junimorgen gingvor einigen Jahren inderunmittelbaren Nachbarschaft Leipzigseine Dachpappenfabriksammt allenTheervorrätheninFlam-

men auf. Das hüpfendeVölkchenderFrösche, welches geradedort aufeiner sumpsigenWiesesein harmloses Morgenconcert beendethatte, sah plötzlicheinenbrennenden Höllenpfuhlzischendundbrodelnd sichüberdas wasser- reiche Grasland stürzen.Mitgewaltigen Sätzenundaus- greifenden Schenkelstößensuchtensiedem seindlichen Elemente, dassichmitdemfriedlichen mischte,zu entrin- nen. Aber diesist wenigstensdemjenerUnglücklichennicht gelungen,denuns undderNachweltThiemeundAarland imumstehendenBildeaufbehaltenhaben.Wunderbar ist

dasSchicksalinseinenLaunen, diewir KurzsichtigenZufall

nennen: esließdenarmen Frosch1m·Todesmomenteeine

Stellung annehmen,als wollteerdarinallenSchmerzund allenJammerausdrücken, welchen dlegVOUsOMeWissen- schaftübersein gemartertes Geschlechtgebrachthat«·Pnd istesnichtebenfallseineSchicksalslaune,daßvor einigen Wochenes einemmirpersönlichunbekanntenZeugen jener gomorrhischenKatastrophe eingefallen ist,dieFroschmumie

inmeineHände legenzulassen?Vielleichthatteerdabei keinebestimmte Absicht.SieliegtaberaufplatterHand, dennkeinebessereJllustrationließesichdenkensur diesen Artikel,derdenFroschalsdasSchlochtopferderWissen- schaft schildern,neinihmein Denkmalstiften»soll.

DerGute isteine Mumie imbuchstablichstenSinne«

Sindesauchnicht kostbareSpecereienundtyrischeLein- wand,sonderngemeinerTheer,womit erbalsamirtist imEffektistesgleich-etÜbekdauertsicherlichlange Reihen vonDescendentenseinesGeschlechts,welches seitHomer inAnsehen steht,aberdieEpocheseiner schmerzlichenBe- rühmtheiterst1789vollständigantrat, alsLudwigGar-.

VaninBolognainFroschschenkelnjenewunderbareNatur- ktaftentdeckte-Welche seitdemdieundankbare Welt in Erregunggebrachtharundankbar weirsiedabeidesFrosches seltenoderNicht gedenkt. Werweiß,ob wirohneden FroschVonderträgen Briefbeförderung wichtigerNach- richtenerlöstwären. Jmmer undimmer wiedermußein Froschherhalten,um anseinen geschundenenSchenkeln mit unmangelhafterGeschichtsgründlichkeitden Studirenden

·allerUniversitätenundpolytechnischenSchulenaller Länder

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jene berühmtenZuckungenvon 1789 zuzeigen, welche folgenreicherwaren alsjene,dieindemselbenJahrevon Paris aus diehalbeWelt inAufruhr brachten.

Aberwas wollen diese alljährlich einmaligenCol- legien-Frosch-ExperimentederHerrenPhysiker sagen,wenn man, derAlten,nicht zugedenken,an diePhysiologen derNeuzeitdenkt,andie E.H.Weber, Pflüger,Stannius, Moleschott, Funke, J.Müller, Volkmann, Valentin,Schiff, R.Wagner, Schrödervan derKoll, Kölliker, Ludwig, Bidder,Arnold,Frerichs,Bierordt, Birchow, Gerlach,Du Bois-Reymond, K. Vogtund ebensoviele-Ande.re?

Wahrhaftig,diewelche sichaufdem GebietederPhysio- logie Forschernennen, könnten undsollten ebensogutFro- scher heißen. KaninchenundHunde, Katzen,Tauben und andereLeidensgefährtenderFröschekostenGeld,während

man Fröscheüberallumsonst- habenkann. EinFrosch müßtedasWappenthier de.r.Physiologen sein.Als ich einstbeieinem der Genannten übernachtete,gaukeltemir, mitten in derStadt-seinvollstimmigesFroschkoneerteine thauige mondbeschieneneWiesevor. Eskamausdeman- stoßendenLaboratorium meines Freundes, woingroßen KübelnhundertederberühmtenDulder der,,Entleberung«

entgegensahen. Gewiß fürdiemeistenmeiner Leserein neuesWort. Aberso machtesdieWissenschaft, fürden geschaffenen Begriff schafftsie das Wort, währendbei ge- wissenandern Leuten, die sichauchGelehrtenennen, statt desmangelndenBegriffesdas Wort mitstolzer Begnüg- samkeithingenonimenwird.

«

WasSpallanzani, um- denGlauben an eineaura semjnalis zuwiderlegen,mit denFroschmännerngemacht hat, läßt sichhier ohneAergernißzugebengarnichtwieder- erzählen,wie überhauptdiearmen Fröscheim Diensteder erotischenPhysiologie vielfältigumihre intimsten Geheim- nisse gebrachtworden sind. Allediese Manipulationen undExperimenteverletztenjedochnurEureSchamhaftigkeit, Jhr Frösche,dieohnehinnicht ebensehrmusterhaftist.

AberwasJhrimDiensteanderer GebietederWissenschaft undnamentlich derNervenphysiologieleidenmußtetund nochleiden müßt, ist haarsträubend.Man mußes den Gelehrten glauben, daßdasGefühlsvermögenEurerganzen Klasse,Jhr Lurche, überhauptnicht sehr feinunddaßes darumeinegeringe Grausamkeit ist, Euchzuquälen,wenn essichdabeinamentlich umso hochwichtigeFragen handelt, wie dieLehrevomLebeneineist.

Werwürdeesdenken,daß Jhr sogarüberdenSitz derBeseelungzuRathegezogenworden, welchesZurathe- ziehen freilichnichts Geringeresals eine Tortur derheili- genHermandadist,so daßdie Eucherpreßten Aussagen vielleicht nicht mehr Glaubhaftigkeit habenalsdiein den Folterkammernderanuisition gestöhnten.Gutfürdie Physiologem daßmeineGedanken jetztdiesen Gang ge-·

nommenthabemSie könnenfürihrean Euch Fröschen verubtenGrausamkeiteneineJndemnitätsbillvon dem Menschengeschlechtefordern,welchesdie Tortur geschehen ließ-dIezwariUihrer«blutigen Gestalt jetzt nicht mehr besteht,aberdestomehrblühtinJahrzehntedauernder KerkerhaftzurBestrafungabweichenderpolitischerAnsichten·

JndemdiePhysiologemwelchedadurchzugleicherZeit einbischenPsychologenwaren,die ebenangedeutete Frage

anEuch zurErledigungbringenwollten, wollten sievor allenDingen auch feststellen,obdas Rückenmarkunab- « hängigvon demHirnderSitz bewußterEmpfindungund willkürlicherBewegung sei, Wofür Mancherleizusprechen schien,oderob diesblosmitdemHirnderFallsei. Zur Untersuchungdieser Fragewurdet Ihr Fröscheersehen-als diewohlfeilsten SchlachtopferderWissenschaft. Tausende

392 sindzudiesemwiezuandern wissenschaftlichenZwecken geopfertworden. DieFröschewaren zudieserBenutzung

umsomehrgeeignet,alssie,zu den niederenWirbelthieren gehörend,einimVerhältnißzumHirnnochsehrvormal- tendes Rückenmarkbesitzen,währendje höherdieThierein derRangordnungderOrganisation stehen,destomehrdas HirndasRückenmarküberwiegt.

Man enthauptetedieFröschemitmöglichsterSchonung sonstiger-Lebenserfordernisse—- wenn danochvonSchonung die Redeseinkann—, und nun gingesaneinphysiolo- gisches anuiriren. Dabei nahmman entweder dasver- längerteMark,gewissermaßenein dasRückenmarkandas Hirn anknüpfendesGlied, mithinwegodernicht. Die Resultatewaren hervorragender,wenn man dasverlängerte Marknicht entfernte.

Wasthatnun einFrosch, nachdemman ihmdenKopf genommen hatte?

Kurz nach dieser Maaßregel scheintes,alsseisieihm ebenso maaßgebendwie einemSchinderhiannesoderKäse- bier. Erliegt einigeMinuten regungslosundalleVier von sichstreckend da. Allein worüber deruneingeweihte ZuschauereinnamenlosesStaunen empfinden muß—- baldtritteineErscheinungein, welchezusagen scheint,der Enthauptete habe sich’sanders überlegt,unddenke ohne Kopf! nun, esmußjakeinKopf sein;errichtet sichaufundsetzt sichinderbekanntenPositurvor unshin, indieerimmer wieder zurückkehrt,wenn man ihmetwa einesseinerlangenHinterbeineunter demLeibevorgezogen hat. Esist nicht zuleugnen, daßdieseingefühlvoller Zuschauernichtohne einiges Grausen ansieht,undersoll esauchgarnicht anders ansehen;undwenn wirhier diese ErscheinungenimscherzendenTonebesprachen,so sindwir inGefahr,dermoralischenTheilnahmederThierquälerei schuldigbefundenzuwerden, derenichmeinerseits mich

·

nimmer schuldigmachenmöchte. Allein esist eingewaltiger Unterschied,einThiermit zweckloserGrausamkeitzuquä- len und durchunbedingt unvermeidlichesQuälen eines Thieresallein dieMöglichkeitzugewinnen,einiges Licht, wenigstenseinige Streiflichterin die dunkelnJrrgängedes Lebensfallenzulassen.Obesaberüberhauptein Quä- lensei,anenthaupteten Fröschenzuexperimentiren,das istmindestensfraglich.Und ohnedasErbarmen mitden SchlachtopfernderWissenschaftimallermindestenbemä- keln zu wollen,so schleudereichdoch allendenendie Nicht- berechtigung dazuinsAngesicht,welche dieTodesstrafe aufrecht erhalten wissenwollen, oderwohlgarZuschauer einerHinrichtung seinkönnen.»Esistwahrlichdieherbste Seite desphysiologischenBerufes, Vioisektionen (Lebendig- zergliederungen)vorzunehmen,undnie werdeichdieschmerz- licheMiene eines unserer feinfühlendsten,sittlichhoch- stehendenPhysiologen vergessen,alsich ihm sehrgegen meinenGeschmackbeieinerVivisektioneinesKaninchens beistehen mußte.Etwas völligAnderes istesbei einem kaltblütigengefühlsträgenFroschnachEntfernung seines Gefühlscentrums,desGehirns. Freilichwollte man ja ebendurchdiegleichzuerzählendenanderweiten Experi- mentezuerforschen suchen,obdenThieren,unddannwohl auchunsMenschen, nichteben im Rückenmark einzweites Gefühlscentrumzukomme. Im voraus sei gesagt, daß dieseFrage noch heuteeineunentschiedeneist, daß beinahe ebensoviel dagegenwiedafürspricht-

Wirkehrenzu unsermEnthaupteten,nachmenschlichem MaaßstabetodtzuNennenden zurück.

Haterdas verlängerte Mark behalten, sotretendie auffallendsten Erscheinungen auf.Errichtet sichnichtblos inderangegebenen Weiseauf, sondernerhüpft fort,wen-

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detsichwiederaufdieBeine,wenn man ihnaufden Rücken gelegt hat. Reiztman denRumpfoderdieGliedmaaßen durchStechenoderdergleichenodermitSäuren, sotreten Bewegungenein,welchefeistalle dasMerkmal derZweck- mäßigkeitzeigen. Kneiptman dieHauteinesFußes, so ziehtderFrosch denselbenzurückoderstemmt ihngegen das Zängelchenoderhüpft fort. Betupftman eineHautstelle mitEssigsäure,soreibtersiemitderdazuambequemsten liegendenPfote. War vorherdieseentferntworden,so wendetdazuderFroschdie minderbequem gelegenean.

Mit Rücksichtauf dieseundanderenoch überraschen-

Physiobutnwth

dereErscheinungen sagtOtto Funkeinseinem ausgezeich- netenLehrbuchderPhysiologieam Schlusseeinerlangen und vorurtheilsfreienErwägungdes Fürund Wider:

,,NachallendiesenThatsachen stehenwirnichtan,bestimmt zubehaupten, daßdieEnthauptungoderEnthirnungals sicheresMittel, EmpfindungUndWillenseinflußzube- seitigen, durchausnichterwiesen ist. Diephysiologischen Thatsachen berechtigenunsweder, dasVorkommen frei- williger BewegungenbeiEnthaupteten abzuleugnen,noch alle auffensibleReizeeintretendenBewegungen Enthaupkeker unbedingtalsReflexbewegungenzubetrachten·WennWir diesemangelnde BerechtigungsattsaminVorstehendemer-

s—x—-EJc5«—-—

394 wiesen glauben, so fragt sich andererseits, ist mitgleicher BestimmtheitdasGegentheilzubehaupten,daß gewisse Bewegungen Enthaupteter freiwilligeoder willkürliche Reaktionenauf bewußte Empfindungen sind,daßmit- hinauch dasRückenmarksensorischeEmpfindungen hat?

Unseres Erachtenskannvom reinphysiologischenStand- punkteauskaum eineandere Antwort alseinebejahende gegebenwerden« (II.Thl.S.409.)

Dieses Bekenntniß,welchesjedoch immerhin wohl noch nichteinaufganzfester Basisruhendesist,verkehrtnun freilich unser Lächeln,mitdemmeineLeserundLeserinnen

denPhysiobatrachosangesehenhaben werden,in eine ernste Miene;undindemichbishierher gekommenbin, könnte ichjetzt fast zweifelhaftwerden,obichden TondesEingangs Nicht zU bereuen habe-Aber dasKomische hat feine zwingendeGewalt,undunserErbarmenmitdenSchlacht- opfernderWissenschaft,vondemsichdasMitgefühlfür dieGefühlsqualendesPhysiologen ja nichttrennen mag, verliert nichts an seiner Jnnigkeit, wenn wirunsdes Komischenbewußtwerden,was indenerzähltenThat- fachen auch liegt.Sindwirja doch einmalnicht souveräne Herren unserer Gefühle!

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