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Philosophie und Leben. Jg. 3, H. 10 (1927)

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(1)

^tiofcjp^te unb Heben

3. JAH RGAN G + 10. HEFT + OKTOBER 1927

„Im ©tenfite öer IDolkscinfettt trftrebt unfcre 5cttfdjrift ttnc fac^ = ltd)e 21!u6fp ra$ r ötr üerfdjtcönitn ajcltanfdjaultdjc» Eichu n g en .“

Dieses H e ft ist den Problemen der modernen Philosophie gewidmet

3um 75. ©ebttrf sf age ©djopfers bcr „‘’Pfjüc-

Jo p ^ ic S i t e ® b “

^Jon 91t a f ‘K u b o l p I )

21m 25. (September feierte ein Senior 5er heutigen ^tlofopljen, f> a n s 23 a 11) i n g e r , in £>alle ben 75. ©eburtstag.

Sein monumentales, bie 33ibel an Umfang übertreffenbes f>aupttt>erl ift: „5) i e I) i l o f o p ^ i e b e s 2115 = O b. Spftem ber ttjeoret., praft.

u. relig. gütionen ber 9Renfd)l)eit auf ©runb eines ibealift. ^ofitimsmus.

JKit einem 2lnl). üb. Äant u. 9liet3fd)e" (9. u. 10. 2IufI. 1927), bas aud) im 21uslanb 21uffeljen erregte, in einer 23oIfsausgabe unb in englifd)er liberfefeung erfd)ien.

23aii)inger, beeinflußt burd) Slant, Schopenhauer, Sarw in, §. 2t.

Sange, Sliefefdje, erflärt alte 23egriffe t>on ©egenftänben, bie nict>t burd) Sinnesempfinbungen repräfentiert werben, für beroufetfalfcbe 2Innab=

men, für giftionen. So fiebt er unfre ganje 2Belt= unb 2ebensanfd)au=

ung (©enfen, Seele, Uraft, Stoff, Urfacbe, 3tt>ed, 3^it, 9laum, Statur, 25ot{sgemeinfd)aft, 2Mlensfreibeit, gute Sitte,frommen ©lauten) als ein giftionengebilbe an, »oll logifcher 2ßiberfprücf)e. gafet S? a n t bie 3been

©ott, greiheit, Unfterblid)feit als 2tnfprüd)e auf überfinnlicbe 2öabr=

beiten, fo nennt 23atbtnger fie nötige, bod) logifd) unhaltbare ^t)antafie=

gebitbe: „2lls=C>b=23etracl)tungen". SJJan fagt nid)t: Ss ift fo, bod) be=

tracbtet’s fo unb banbelt fo, a ls o b’s fo toäre! Übrigens [ud)t 23ai=

binger bei Äant neben ber gemäßigten 2lnfid)t eine rabifale Hnterftrö=

mung, eine fiftioe 2luffaffung Don ßtf)it unb Religion naebsutoeifen; bie SReufantianer ftimmten ibm bistjer noct> nicht bei. 2Bir fagen: „Äants Sebre ift eine 9teligionspbilofopbie bes 2lls=Ob, infofern fie als £r=

fenntnis unfrer Pflichten als göttlicher ©ebote oerftanben mirb unb in=

fofern fie als ein Verhalten ber 2lrt ausgelegt werben fann, als ob’s ein I)öd)ftes 2Befen gäbe." 23ei 23aif)tngers „Obealift. ^ofitim'smus" xoub

„tbealiftifcb" in etf)ifch=äftbetifd)em Sinn genommen: ©te 2Ils=C>b=2Belf ber ett)if<f)=äftl)etifd)en Werturteile fei jene Sßelt, um berentroilfen allein

<Pbilofopbic unb Ceben. III . 20

(2)

282 3um 75. ©eburtstage bes S<f)öpfets bet „^büolopbie bes 2Ils Ob"

man an bem wunberlidjen (Empfinbungs= unb ^Sewufetfeinsfomplej bes 2ebens ficf) überhaupt beteiligen möge.

3n feiner 3TE>corie Don ben giftionen bes w i f f e n f d ) a f t l i d ) e n

®enfens geigt 33aibinger, wie man a l l g e m e i n gugibt (»gl. bie (Ehrenpromotionen): 2luch abfi(^>tlid> begangene geiler im ®enfen fön=

nen ,2Baf)rl)eiten erzeugen. s33efonbers in biefer juerft oon ihm flar er=

fafeten (£infid)t liegt ber f>obc wiffenfd)aftlid)e 3Bert feiner 2lls=Ob- 2ebrc. Ob aber 2kif)inger feiner (Erfenntnis aud) ©eltung auf ben p r a ! t i f d) e n ©ebieten ber Äunft, 6ittlid)feit, Religion jufchrciben barf, — bas wirb nie! u m ft r i 11 e n. 53gl. bie „Slnnalen ber 'Pbil^

fophie mit bef. 5tüdf. auf b. Probleme b. 21ts=Ob=53etrad)tung" (1919 f.);

bie 12 „ “Saufteine gu e. ^l)i^fop£)ie bes 2lls=0b" (1922 f.); gliefj, (Ein=

führung i. b. ‘^ i k ’fopbie bes 2Ils=Db (1922) unb (fritifch): 9iitfchl, ®ie hoppelte ‘Jßabrbeit i. b. ^bilcfophic bes '2tls=Ob (1925). 3kif)inger ir>ill ber Religion nach Slusrottung ihrer überfinnlichen SBurjeln noch Ptaf=

tifd)e 53ebeutung fid)crn. ?Bcr feinen R e l i g i o n s b e g r i f f : „9leli=

gion ift bie 33eftimmtbeit bes menfchlichen fmnbelns burch bie ©ottes=

fiftion" ablehnt, fagt: „Religion ift ein ibeelles Verhalten ber 2lrt, als ob man wiiföte: ©ott ejiftiert, währenb fein ®afein tatfäd)lid) nur in ©lau=

bensurteilen erfafet »erben fann."

2Iuch gegen 33aihingers a l l g e m e i n e pf)üofophifche5lnftchfengibtes (E i n w ü r f c. «Sein „6 f e p t i j i s m u s" mache bas Zweifeln 3um

©runbfaft. — Sod) alle s2ßiffenfd;aften wenben bewujjtfalfche begriffe an. 6ie finb oerfchieben oon Ijppotbefen, b. h- Einnahmen, beren 2öahr=

heit womögltd) burd) weitere Erfahrungen erwiefen werben fann; gif=

tionen aber finb Einnahmen, bie man als falfch erfennt, bod) als braud)=

bar anwenbet. (Eher fann bie mit ber 9lelatioitätslehre oerwanbte 2lls=

Ob=2ehre „91 e l a t i o i s m u s" Ijcifeen. — ferner befdjränfe ‘öaibin=

gers „21 g n o ft i s i s m u s" bas (Erfennen auf gu enge ©renjen.— $)och bas ®enfen bient urfprünglich nur bem ‘ffiillen jurn Sehen, als SOttttel 3um 3^ccf. ®ann mad)t’s fid) jum ßelbftswed, ftellt unlösbare Sragen nad) 2Belturfprung, ©toffentftehung, ‘Bewegungsanfang, ‘ffieltfinn, 2e=

bensswed. — (Enblich fei ^aihingers „3ß i r 11 i d) f e i t s b e g r i f f"

nicht einheitlich: Sitte 2öir!lid)fcit werbe teils auf (Empfinbungen, teils (naturwiffenfchaftlich) auf Bewegung oon SKaffen äurüdgeführt. — 3)ocb fein pbtlofophifches 6pftem bringt biefe jwei Sphären in reifes 35er=

hältnis. (Eben weil ber fcheinbare 5öiberfpruch jwifchen SSewegung unb

^3ewufetfein burch unfer Söefen geht, fann ber 33erftanb jene ©runb=

frage nicht löfen. 3n ber ‘Slnfchauung jeboch unb im (Erleben oerfchwinbet ber ©egenfaö; wir begreifen bie 2öelt burch Arbeiten, nicht burd) ©rü=

beln! — (seine 2ebrc ffi^iert 23aihinger in 15 2 h e f e n in ber <3d)rift:

„2ßie bie ^fnlofophie bes 2lls=Ob entftanb" (1921). —

(3)

©raf fiepferlings etbifcbe ©runbgebanfen 283

S u f a m m e n f a f f e n b meinen tr>tr: 33aif)ingers gütionenlebre bringt einen ©runbftein pm Neubau einer mobernen 2 o g i f. f>ier rotrb ber ©ebanfe: „ £jßiffcnfd)aft unb 2eben fönnen oielfacf) nur mit £>ilfe abftrafter g i 11 i o n en arbeiten, ringen unb über ben (Stoff ber ge=

gebenen 3öclt fiegen", erftmals f pf t c ma t i f r f ) burd^gefübrt unb burd) 5at)lreid)e 33 e i } p i e I e aus £l)Corie unb ‘’Prajis erläutert. 2öcr bie

„ (’Pl)ilofopf)te bes 2lls=0b" burd)bad)te, ber übertoanb ben ®ogmatis=

mus, roeilt ganj im greten!6ef)r bebeutfam erfd)eint jur 3^it eine 't^ilo- foplne ber gütionen betreffs ber (Einfteinfcfyen Relativitätstheorie, ber 2ltomtl)corie unb ber ntd)teufltbt}d)en ©eometrie. SOlit ‘Cai^ingers 2Belt=

anfid)t tourbe ber ^tjilofop^ie ein g e l s b l o c f in ben 2öcg gemäht, an bem fie nid)t füt>l »orbetgefren !ann: 6ie mujj tl)r f>aus auf iljn grünben — ober t>erfud)en, ihn fortauräumen!

®raf ©run&gefranfen’)

•-Bon 91 u g u ft QTt c f f c r

Sepferlings ^bilofopbieren ift ein lebcnbtgcs, organifd) fid> entfalten- bes, mit ftärffter lenbenj, ins £eben ber Umwelt anregenb einjugreifen.

gugleid) bilbet aud) bas 2eben ben §>auptgegenftanb feines %ilo=

fophierens.

SJber roäf)renb unter bem (Einflujj bes nod) immer mächtigen Naturalis­

mus für oiele unferer mobernen „Sebensphilofophen" bas 2eben ber SDlen- fcfyen nur ein Raturprojefe ift,blof$e „Vitalität",nid)t »efenhaft oerfd)ieben oon bem ber Stere unb ^Pflanjen, erblidt Hepferling im 9Jtenfd)enleben bie (Entfaltung unb <5elbftoertt>irflid)ung eines 6innhaft=©eiftigen. (Es ift ber 6tnn, ber bas unferer Beobachtung ©egebene ((Empirifche) oon innen f)er belebt, ©er ilrgrunb bes Sebens ift geiftiger, ift fd)öpferifd>er (Sinn. 2Iber barum ift bod) bas Sehen nicht burd)aus mit bem 35erftanb begreiflid), alfo rational. Sßielmehr ift bas Seben „toefentlich ©egenfa£=

fütjrung, notmenbiges Sufammenmrfen oon Rationalem unb Orratio»

nalem, ©eftalt unb (Ehaos, Rotmenbigteit unb greiheit, 6innoollem unb auf feiner (Ebene (Stnmotbrigem, Siffonanj unb Harmonie-), toeldje gaftoren als folche ilnäurüdführbarfeiten bebeuten". „6inn" ift eben jenfetfs oon rational unb irrational. (Sinn aber ift nichts empirifcf) ©e=

*) 3m "älnfdjluf; an (ein ‘Zöert? „ cZßiebergebutf" (Sarmffabf, ‘JJeicbl 1927.) 2) QJgl. ben 'Sluffafj oon 2)riefcb, Seft 1 biefeS 3af)rgang3. — ®ie Stoge ertjebf fid) l)ier, ob ber 6inn (©eiff) = „£nfelecf)ie‘‘ ift unb bemnad) allen Ceberoefen, nid)f bloß bem 9Kenfd>en 3ufeommf. Sam it tourbe nidjf ffimmen ber in ber Solgc bar- 3ulegenbe Sag, baß n u r ber 9Renfd) au£ bem ©eiffe beraub lebf. (cH5ir faffen babei ,,C£nfclcd>ie" im 6inne oon SlriffofeleS unb Sriefd) al£ ba£ allcä Organijdje bet)errfd)enbe ‘Pri^ ip .)

(4)

284 ©raf Slcpferlings c11)ifcf>e ©runbgebanfen

gebenes, in 5er (Erfahrung unmittelbar ‘Wahrnehmbares unb 2luftoeis=

bares. Sofern alfo ber Sötenfd) 33ertüirflid)er non Sinn, Zentrum eines Sinnaufammenhangs ift, gehört er nicht gum ©egenftanb ber (Erfahrung unb (£rfahrungsioiffenfd;>afl ber Statur.

2öobi ift er aud), empirifd) betrachtet, Staturrocfen, eingefpannt in ben Slaufaläufammenhang ber (Erfcheinungen, bebingt unb bebingenb, in 5lc*

aftion unb SIttion fich auswirfenb. 2Iber ba er augletch Organismus ift, erfeböpft fxd> fein ‘iffiefen nicht in bem, was er mit anberen 9taturöingen gemein bat (wenn aud) bic cmpirifchcn (Elemente ba unb bort biefelben finb), fonbern ein 23efonberes, auf anberer (Ebene, nämlich jenfeits ber (Erfahrung ©elegenes — eben bas, was ®riefch Snteledjie nennt — briidt fich im 9Renfd)en aus. tiefes hat feinen Seinsgrunb im SEReta-

^hPfifdjen (jenfeits ber Statur Siegenben).

2llles ßebenbige ift originell, einäigartig, metl ein einziger unb emsig»

artiger «Sinn bas empirifch ©egebene con innen her belebt (benn im Sinn wurzelt altes Sd)öpferifd)e), aber jeber SDtenfc^» in feiner 33e=

fonberheit gehört boch zugleich einem uniperfellen 3ufammenhang,.einem realen SDtcnfchbcitsfosmos an, ber fid) in jeber SlRcnfchcnfeelc fpiegelt.

60 finb mir SDtenfd)en (um mit &ant 3U reben:) SSürger stoeier 3Belten:

ber Statur unb bes ©eiftestosmos. ©lieber biefes Kosmos finb aber nicht nur bie (Einzelnen als folche, fonbern auch bie 53öl!er. Seren (£igen=

art ift nicht burd) ben SRaturbegriff ber „5iaffe" ju erfaffen. „60 finb bie 33ölfer mirflid) nid)t in erfter ßinie nicht 33luts= unb 5taffen=, fon­

bern (Einftellungsfragen (b. h- befonbere Stellungnahmen jum Sinn);

fie oerförpern einfeitige Slfpefte bes einen 9Renfd)heitsfosmos." (Ent=

fprechenbes gilt aud) für bie oerfchiebenen Slonfeffionen bes einen (Ehri=

ftentums. ®arum finb aud) tote bie 3nbioibuen, fo bie 33ö fer unb Slon=

feffionen prinäipicli gleichberechtigt, fofern fie Sollen bes 'ffieltbramas 3u fpielen haben. “Sei aller 5tetatioität ber Sonbererfcheinungen fprid)t boch aus jeber btefer Srfcheinungen äugleid) bas ©anje unb ber tieffte Sinn. So mirb es auch oerftänblid), wie bie einjelnen (Onbioibuen ober

©emeinfehaften) unberechtigterroeife fo leicht baju fommen, Sllfeingeltung ober beoorjugte ©eltung ju beanfprudjen1).

„Onitiatorifch", b. i>. Anfänge feftenb, fd^öpferifcf) ift bas Sehen über- all. Sd)on ben nieberften Organismen eignet ja fpejififche ©eftaltung, fpejififdje Organfchöpfung, 9leaftion unb Degeneration. ®as alles ftellt fich, Pon außen betrachtet, bat als „Selbftbeftimmung". 2lber g r c i - h e i t follte man bas nicht nennen. ®er 9Iame „Freiheit" bebeutet nur bie Selbftbeftimmung bes SRenfchen, fofern er allein aus bem © e i ft c

97gl. meine SiSkuffion mii 9KOJ 'SBunbf übet „9?ßlkifd)c ‘Zöelfan[d)auung" in geff 4 unb 5/6 biefeä 3abrgangs>.

(5)

©rof Sepfettings ctf>ifd)c ©runbgebanfen 285

beraus pcrfönltc^e (£ntfd)eibungen fällt, unb jtüar in bisfontinuierlidjen (un3ufammenf)ängenben) 2lften, toäbrenb bas untermenfd)lid)e 2eben, bic Vitalität, ftetig batjinflicfet.

Vermöge ber greifet! allein gibt cs © e f d) i cf) t e als ettoas oom 9Jaturprc>3ej3 wefenbaft ‘33erfd)iebenes. “Sie ©efcf)id)te »erläuft oberhalb ber pt)pfiologxfc4>=bxologtfcf)en 9teif)e. 3n ber ©efd>td)tc bringt bas 3Ber=

ben unb Vergeben, bte Urform alles 2ebens „einen a n b e r e n (Sinnes1)- äufammenbang" jur ©arftellung. 53eroufeter ©eift, freies Slulturroollen ftrebt in ber ©efd)id)te jum 2lusbrud unb bamit jur 6elbftüerroirt=

liebung. „® ies füfjrt gur €>cf)öpfung als etoig gebad)ter, nur eroig ju benfenber ®erte, bie auf ber (Ebene ber ?tatur nidjt ejiftieren, auf ber=

ientgen ber ©efd)id)te jebod) bas leßflic^e 5ßir!Iid)e finb2)" (142).

3Bas im SDZenfcben » o n 91 a t u r a u s ba ift, bie Anlagen, finb nid)t bas £ntfd)eibenbe in if)tn. 3Melmebr !ommt alles barauf an, toas er aus biefen Anlagen mad)t. „® er SRenfd) ift leßtlicf) bas, wofür er fid) entfefjeibet." Die 9Zatur, bie äußere toie bie innere, bietet ibm nur bas Material für bte (Entfärbungen. 'Der SRenfd) „felbft" ift nur bas in greitjeit finngebenbe Zentrum bes ganzen 3ufammenl)angs. 6d)led>tbin all fein ‘ffiert bängt baoon ab, baß er „für bas ’Sefte" fiel) entfd)eibet

„3n ber g r e i b e i t liegt in ber la t ber Slngelpuntt alles geift- bewußten 2ebens, unbefebabet ber Übermacht ber fosmifeben giigung unb ber Sftaturnottüenbigfeit."

greilid), fotocit ber SOtcnfd) aus feinem ©cift= unb ‘Jöcrtbcroußtfein heraus fid) betätigt, ift fein 2cbcn notroenbig t r a g i f cf). 3cbcs Sieben pcrläuft auf Äoften anbercr 2ebcn. 3ebes Äinb muß fid), um feine 33e- ftimmung ju erfüllen, »on feinen (Eltern loslofcn unb babei, tote immer es fid) ftellc, fid) unbanfbar ertoeifen. 33ct ben ©etmffcnscntfdjeibungcn ergeben fid) unlösbare Stonflifte 3toifd)en ben Slnforbcrungen oerfebiebener

‘ffierte; cs ift unmöglich, obne 6d)ulb auf fid) ju laben, „fort^ufdjreiten".

2lus all biefen ©rünben ift 2eben roefentlid) — 2eibcn, genau toie ber

‘Subbba lehrte, ©iefer Ijättc aueb recht mit feiner Mahnung, ben 2cbens- trieb abfterben 3u laffen unb bamit bie 2eibensmöglid)!eit 3U jerffören, roenn feine 2ebre ber Totalität ber ?öirllid)feit gered)t würbe. äber bas tut fie nid)t. ‘Bubbba fiebt nur ben empirifd) gegebenen 9taturpro3eß, bas 2eben als Vitalität. (Er fiebt nicht bie SBelt bes 6innes unb beren

*) 21lfo rotitbe bod) a 11 e 3 fiebert — „6inn" oerroirhlidjen.

-) §ier btangf fid) bte Stage auf: roenn (ene SKSerte „eroig" finb, roie hann non itjrer „Schöpfung" gerebef roerben? fe rn e r roaä bebeufet: fie finb in ber <Sefd)id)fe

„baS lefcflidje ‘2Z3irklid)e". Seifet „roirhlid)" l)ier — roie oft, befonbetS in bet 2t)eologenfprad)e — roertooll? W en n abet nid)f: roerben biefe ‘JBetfe erft in ber

©efd)icf>fe „t)erroithlid)f" (aber fie follen ja eroig fein!) ober finb fie fdjott non Gtoigheif ber „roirhlid)"? ‘SBoju aber bann nod) it)re <Cerroirklid)ung in bet ©e- fd)id)te?!

(6)

286 ©raf SSetjfcrlings c11>ifct>c ©runbgebanfen

Vorrang (Primat), er bemerft barum aud) nicht ben toefenhaffen Unter*

fcbieb 3tr>ifd)cn bem blofe biologifchen unb bem gcfd)td)tli<i>en 33ereid).

©as (£i)riftentum bagcgcn bat ben Sugang 3u bem 9tcid) bes©innes unb

©elftes unb eben bamit gu bem tiefften fd)öpfcrifd)en Sebcnsgrunb er- fd)loffen; es [teilt ben 3Renfd)cn in geiftige Sufammcnbänge hinein, bie es als „Gleich ber ©nabe" faßt. 3n übereinftimmung mit bem C£^>rxften=

tum Toll Scpfcrlings ,,©d)itle ber SBeishcit" — freilich ohne alle ton- feffionellen unb bogmatifd)cn ‘Binbungen — „ben 2ßcg ber 6 i n n erfaf*

Jung unb =t>crtr>trfltd)ung" toeifen; fie foll bartun, bafo es einen „aus tieferem ^öcrfteljen beroorgebenben 'Jßeg ber Aufhebung bes Scibens, als ben t>on 'Bubbha getoiefenen, gibt: 2eiben unb Xob ju » o l l e n , als SRittel t)öl>erer ©inncsoerarirtlicbung." 3nfofcrn ift bie ,,©d)ule ber Sßeisbeit" bei alter ©chätjung ‘33ubbbas „bes ‘öubbbismus ©egenpol''.

3ßenn es nun ©ache ber greibeit ift, bem Seben ©inn ju geben unb es bamit über bie ©tufc ber blofeen Vitalität 3U erbeben, fo liegt eben in bem jeweiligen ©inn für bie greibeit bas 9itd)tunggebenbe, bas 9lormiercnbe. „2ßas immer cs mit ber greibeit für eine 55eroanbtnis baben möge — greibeit im ©egenfatj jur 9torm gibt es ganj ficber nicht. Ober gäbe es fie an fid), fo fönnten mir fie bod) genau nur info- toeit begreifen, als fie fid) ibrerfeits normengemäft austoirft." greibeit bebeutet alfo n!d>t ©efcftlofigfeit; es gibt leine „abfolute" grei^eit. 2lber ber begriff ber „©efefemäßigfeit" befagt noch nichts über bie SJlotroeri' bigfeit ober greibeit bes ©efebehens. ®cshalb fann bas gefel3mä&ige

©efd)ebcn aus greitjeit tool)l ocrfdjiebcn fein oon ber 9lottoenbig!eit bes Staturgefcbcbens!

grcilid), greit)cit ift nur ba, too bas ‘Setoufjtfein im ©eift fein 3en=

trum l)at, roo es für ©eiftig=©innbaftcs fid) entfd?cibet unb bamit fid) felbft beftimmt. ©as empirifebe ‘33ett>u{5tfetns=3d) ift nod) nicht bas

„metapbpfifebe ©elbft". ®ie ,,©d)ule ber ’jßcisbeit" lebrt freie ,,©elbft=

oerroirflicbung, b. b- Scntricrung bes ^Setoufttfeins in einer tieferen 5öefensfd)id)t als ber bes empirifd)en 3d), roelcbes babureb 3um bloßen Slusbrudsmittl erflärt wirb". ,,“33ci biefem ,©elbft‘ banbelt es fid) um feine Slonftruttion unb Omagination, fonbern um bie m c t a p b 9 f i f d) e 3B i r f l i d) f e i t bes SÜRenfdicn1)" (327).

Unrichtig ift es, bie greibeit bes StRenfd)cn als „30 i 11 c n s freiheit"

gu beftimmen. Denn ber ‘Jöille als folcher ift nicht fd)öpfcrifch; er ift lebiglid) §emmungsmechanismus. 9tun ift aber bie greiheit wcfcntlid)

*) S ie t öiirftc bas> 97Jefapl)i)fifcbe (ba<> „Selbff") al3 ein bem Smpirifcben („3cb") 3ugrunbe liegenbeS „SQ3ithIic^cä" gebacbf fein, ftreilicb roirb man einmenben: Sie- fe3 „6elbff" (oll fid) ja etff „Detri>irhlid)en". 2lber e<> roäre tootjl anfangs als ein

„beimbaffeS" „UnenfroicbelfeS" 3U benhen; feine „6ntroicklung" unb „ ‘Cetroirh- lid)ung" mürbe atlerbingS in bie 3 e i t fallen!

(7)

©raf Kepferlings etbifcbe ©runbgebanfen 287

fd)öpferifd). 25as <Scl)öpferifd)e im 2Renfd)en aber ift bte ^antafte.

„® as 6cböpferifd)c quillt überall aus einer 9tegion jenfeits bes 3d) beroor, too bes 5ßillens Urgrunb eben in biefer liegt; was vulgo id>öpfc=

rtfeber 3Billc genannt mirb, ift in 3öabrf)eit Sinbilbungstraft."

Willens l)er betrautet, nur e i n e finngemäfee Einteilung geben: bte

„3u biefem fd)öpferifcf)en Urgrunb fann es, Dom 3cb, bem ^ in^ip bes ber Eingabe, alfo bes “"Pathos. SEJlan mufe fid) nid)t galten, fonbern löfen, toill man burd) ben Sinfalt begnabet roerben1)."

S ie greibeit gehört 3u ben unjurücffübrbaren, irrationalen ©egeben=

beiten bes Slftenfcbcmücfens. 2s banbelt fiel) bei ibr um eine befonbere 2Irt ber bei allem ßebenbigen oorliegenben (selbftbeftimmung. ®ie 6elbftbeftimmung beifeen wir nur bann „frei", roenn bas (Subjeft fid) betnufet ift, für ben 2auf bes Söerbens perfönlid? au oerantroorten;

roenn jmeitens bte ©an<$beit £>es 3ftenfd)en bie tatfäd)lid)e Verantwor­

tung trägt; wenn brittens bas jeweilige Sun unb 2affen einen burdjaus perfönltctjen 6tnn l)at unb nur auf bas gegebene einzige ©ubjeft bin foroie oon biefem aus su oerfteljen ift; wenn wertens bte Slustuabl unter

^leijen unb SDtotioen nid)t automatifd), fonbern burd) betoufete Ent=

fd)etbung unter mehreren 9Röglid)fetten erfolgt. Set biefer (£ntfd)eibung folgt ber SQZenfcb leßtlid) „bem, toas er f e l b e r im Siefften toill, unb bas beifet man eben greifein. £ r f e l b ft ift als 6ubjeft ber Urbeber ber ©efetje, bte ibn btnben, fofern er fie anerfennt"2) (213).

„S s fann nie betoiefen toerben, bafe bas lefete ©cbopferifdje im €>ub- jeft auf ber (Ebene btefes (empirifdjen 6ubjefts) liegt; es mag ebenfo=

rool)l in einem Oenfeits feiner in ber ©imenfion bes Sransfubjeftinen, in einem liber=Dd), in ©ott liegen" (213). ©ar mand)e gragen brängen fict) l)ter auf: öft bas „lefete <Sd)öpfertfd)e", alfo bas, toas oben als

*) SKJasS matt mit „ ‘Zöille" be3eid)nef, iff 6ad)e pfprfjologtfdjcr Äonoenfion (bie übrigens gut tun roirb, fid) möglicbff an ben ponDiffenfcbafflicben Sprachgebrauch an3u(d)lic6cn). 3d) tjalfc es! (äbnlicb roie ftepferling) für sroeckmäfjig, bie ^äbiaheif, 3u aufffeigenben 3mpulfen aller 21rf CJtafurfrieben ober Wert- unb Sollen3- erlebniffen mit „3 a" ober „9Tein" fid) 3U entfdjeiben, alfo fid) ben ©aben be£ fd)öp- ferifd)en Unbetoufjfen gegenüber 3U „halten" ober 3U „löfen" — *20 i 1 1 e n 3U nennen.

Sann ift ber SiBille, als foldjer allcrbingö unfcböpfetifcb, aber er iff nidjt blof)

„SemniungSmechaniSmusS", ba er nicht nur „'•Kein", fonbern auch „3a" fagen hann.

93eibe3 aber iff für bie Selbffbeffimmung oon gröftler SBicbfigheif. 63 l;af alfo einen guten ©runb, roenn man oon jejjer oon ^ D ' i l l e n ä f r e i p e i f rebefe. Slud) fübif man fid) aud) nicbf für bie unroillfuirlicben 3mpulfe unb für „©nabengaben"

oeranftoorfiicl), tool)l aber für bie Stellungnahme bes! <2Dollen3 3U alle bem, roaS „oon felbff" hommf.

2) Sam it febeinf mir ber Safbeffanb nid)f richtig tpiebergegeben. ‘JB ir erleben un3 nicbf als! „Urheber" ber „©efefje", b. b- beS Sollen:!, bas! unS au3 SSBerfibeen, roie ©üfe, Sapferkeif, fichfbeif enlgegenfönf, fonbern mir erleben biefe ‘Ißerfe unb bie baraus! fid) ergebenden fo rm en („©efetje") alä unabhängig 00m Subjekt aelfenb unb über ihm ffebenb. ‘itu r bie Slnerhennung ber ©efefje unb bie Seibff- Binbung an fie iff oom ‘JBillen abhängig.

(8)

288 ©raf Sepfetlings etbifcbe ©runbgebanfeti

„ “’Phantafie" ober „(Einbilbungsfraft" bc3eid)net würbe, nicht oerwechfelt mit ber gähigfeit bes 3BolIens „ja " ober „nein" 3U bem aus bem

„Jransfubjettioen" Slufquellenben 3U jagen? gerner wenn jener meta=

phi)fifd)c Slern bes 9Kenfd)en feinerfetts in einem Über=3d), einem (Sott

„liegt", alfo burd) biefen wohl beftimmt ift, wie fteht es bann mit ber

<5 e l b ft beffimmung unb 6elbftoerantwortlid){eit bes S5tenfd)en?

2Iber allen fold)en — tbeoretifchen — gragen !ann Slepferling (toie bas fd)on &ant tat) bie (Erflärung entgegenftellen: „S ie greiheit ift ein rein praftifches, fein theoretifches Problem; eben beshalbtann es auf bie gläd)e abftralter ST^coric projisiert nicht allein nicht gelöft, fonbern nicht einmal oerftanben werben" (253).

SRan muß alfo an greiheit g l a u b e n , ©uref) ben ©tauben an grei=

heit oerwirflicht man fie; burd) ben Dichtglauben oern;d)tet man fie.1)

„2ßer nid)t an feine greiheit glaubt, oerfällt tatfächlich in Ohnmacht unb Slnechtfchaft" (263).

60 hält alfo ^lepferling trofe aller theoretifchen 6d)wierigteiten bie greiheit im (Sinne ber Autonomie feft — in Übereinftimmung mit 5?ant unb ber ibealiftifd)en beutfehen ^Philofophie.

SOlan tann tn ber greiheitsfrage bas eine große Problem ber (Ethif fehen; bas anbere, ihm an 33ebeutung minbeftens ebenbürtige ift bie

grage: m a s ift b a s © u t e unb 33 ö f e ?

betrachten mir noch in Hür3e bie Slntwort Äepferlings auf biefe grage. Sie lautet (in äbereinftimmung mit ber mobernen S2ßcrtetl)if):

„3iel aller (Ethif ift, 3ur Sßertoermirtlichung ansuleiten" (493), moraus fid) ergiht: bas gute f>anbeln ift 2BcrtocrwirtIicf)ung. „Unb fo befteht bas abfolut ©ute, bas alle (Ethifen unb alle Religionen meinen, unb bas jeber oon Äinb auf als lebten <3mperatio erlebt, auf biefer (Erbe nie in anberem als ber jeweiligen guten (Entfcheibung" (474). — 3d) mürbe, um bie 3irfelbefinition 3U oermeiben, bie bas „abfolut ©ute" burd) bie „gute" (Entfd)eibung beftimmt, lieber fagen: ©as ©ute befteht (nach feiner fubjeltioen Seite) in ber (Entfcheibung für bas relatio SBertoolIfte, bas mir glauben in ber gegebenen Sage oerwirflichen 3U fönnen. ©iefe Sage unb bas in ihr realifierbare 5öert»ollfte ift aber ftets inbiotbuell.

önfofern hat Hepferling recht mit feinem Satje: „® as ethifche Problem ift jebesmal ein rein unb a u s f d) l i e f ol i c h inbioibuelles."

33ebenfen bagegen haben mir gegen feine Sluffaffung, baß „bas ethifefje Problem empirifch unlösbar", bafj es „immerbar unmöglich fei/ 5U

*) Siefe Sluffaffung roar aud) für micl) ba3 (SnbergebniS einer langen <23efd)äf- figung mit bem greibeiiSproblem. 3cf) babe fie am Schluß meinet in 1. ‘Jlttfl. 1919 erfdjienenen 93ud>eä „©iauben unb SKiffen" (97tünd)en, Sleinljarbf) fo auäge- brückf: ,,‘IDiffen com <2öirhlid)en unb ©laube an 'ZDerfe unb unfere gteibeif — ba£ iff meine Stnfmorf auf bie 3rage nacb bem ‘JJerbälfniS oon t2Dif[en unb

©lauben".

(9)

©raf Äepfcrlings etbifd>e ©runbgebanfen 289

leben, ohne <5d)ulb auf fid) 3U nehmen" unb bafe e5 „rabifal unmöglid) fei, ein gutes ©ewiffen ju gewinnen"1) (475).

2öas Kepferling mit biefen Behauptungen fagen will, ift im ©runbe bas, was Kant ausbrüden wollte, inbem er bas ©ute nur „formal"

beftimmte. ®te beftehenben SOIoralgebote finb „materiale", b. h- fie for=

bem eine inhaltlidh beftimmte ‘23erhaltungsweife, etwa bie SEÖahrheit 3U fagen, höflich, gütig, geredet 3U fein, ober oerbieten anbere, 3. B . ju lügen, falfch 3U fchwören, 3U töten. (Eben burd) fold)e Normen foll bie 53erwir!lid)ung gewiffer hoher SBerte geboten unb bie Don Unwerten oerhinbert werben. 2lber tiefere Sebensfenntnis seigt, bajj feinem biefer („materialen") SDIoralgefefee fchlechthin ausnahmslofe ©cltung juge=

fprochen werben fann. (Es tann immer wieber inbioibuelle gebenslagen geben, in benen ihre Befolgung gröjjeren Unwert herbeiführen ober bie ißerwirflichung eines höheren Sßertes oerl)inbern würbe.

Snfofern ift es ganä im 6inne ber f o r m a l e n (Ethif Kants, wenn Kepferling erflärt: „(Es gibt feine allgemeingültige ©efchlechtsmoral. (Es gibt aud) feinen ein für allemal beftimmbaren Söahrhaftigfeitsfanon.

"Jßer nicht unter befonberen Umftänben felbftoerftänblicf) einen SReineib fd)WÜre, ift ein 6d)urfe" (488). 2lber er gleitet oon bem ©tanbpunft ber formalen (Ethif tatfächlid) herab, wenn er fortfährt: „Seitlich mufe jeber für fid) allein beffimmen, wieoiel 6d)ulb er bejahen mujj, um bas höchfte

©ute, beffen er fähig ift, in biefem Seben 3U manifeftieren." gormal be=

trachtet ift eben auch her 2Reineib ober anberes burd) bie „SOloral"

Verpönte nicht f d) l e d) t h i n Böfes, feine 53erwirflid)ung nid)t a u s = n a i) m s 1 056cf)ulb".

©en 6tanbpunft ber f o r m a l e n (Ethif, bem Kepferling fonft 3u=

ftrebt, oerfehlt er auch, wenn er 3. B . ben 60(3 ausfpricht: „löten ift beim Richter unb genfer an fid) genau fo böfe wie beim SRörber"

(470 f.). (Er fommt hier aud) nicht los »on ber 2Inerfcnnung gewiffer (materialer) (Säfee ber empirifchen SDIoral, als a u s n a h m s l o s gel=

tenber. (Er frage fid) bod): ift Söten aud) bei unbewujjter gahrläffigfeit, ober in ber 6elbftoerteibigung gegen ungerechten Eingriff, ober beim (Ehirurgen (ber etwa bie grucht tötet, um bie 2Ruttcr 3U retten) „genau fo böfe wie beim SKorber?"

(Eben biefes Meben an ben empirifchen SDioralgeboten führt ihn auf ben ©ebanfen, bafe man nicht leben fönne, ohne Böfes 3U tun unb bafe

!) (Sr betuff fiel) t)ier auf 9tlberf ScbroeitserS 6at): „2>a3 gute ©eroiffen ift eine grfinbung be3 2eufel3" (Sulfur unb 9J?ünd)en, “Beck. 6. 249) unb er erkennt auch beffen <2Befen3beffimmung beS Cjfbifcben als „£f)rfurd)t cor bem Ceben" an. <£Z bat micb gefreut, 3U lefen, ba& fiepferling, Schweizer ben „fiefffen iebenben" Etbiker nennt. <2?ie febr id) ibn fcbäfce, babe icb bureb meinen <2Iuffa^

über ibn (3abrg. I, Se ff 3) bargetan. S o rf babe icb freilich aueb meine 23eben- hen gegen feine <£tl>ik nicbf oerfebroiegen.

(10)

290 ©raf Kepferlings etf)ifd)e ©tunbgebanfen

„jebe (!) (£ntfd)eibung, tote immer fie ausfatle, in irgenbeiner §>inficht 6d)ulb (!) fdjaffe" (470). — Unwert c>iellcid?t, aber — 6d)ulb?!

2ßer eben in jeber Sage „bas Ijöd)ftc ©ute" (richtiger: SBertoolle), beffen er fähig ift, gu nerwirflidjen fud)t, ber t>anbett fdjulblos unb ber fann aud) ein „gutes ©ewiffen" haben, ©as barf ihn freilich nicht ab=

halten, nad) immer tlarerer unb tieferer 3Berteinfid)t gu ftreben unb mit jtietjfche anguerfennen: „2Bas gut unb böfe ift, rceiß memanb"— näm- lieh in fchled)thin irrtumsfreier, erfchßpfenber unb abfchließenber 2Bert=

erfenntnis. (Sbenfo fann man aud) Sließfches Stritif ber „©uten unb ©e- rechten" guftimmen, bas heißt: berer, bie jenes Streben nicht fennen unb meinen, in ben inhaltlich beftimmten SDtoralregeln ihres ‘Öolfes unb ihrer 3eit fchon bie abfolut Dollfommene Sßerterfenntnis gu befißen. 2lber wenn Äepferling 9ftiel3fd)es ©ebanfen fo micbergibt: „ber ©erechte glaubt nämlich an ein objeftioes, oom jeweiligen Subjefte unabhängiges

©ute, bas es nur gu befolgen gilt, wo es n u r aftuelle gute 2lfte gibt"

(474), fo muß ich hier wteber (Sinfprud) erheben. Slepferling felbft gibt ja mehrfad) ju, baß es „abfolut 3Bertoolles unb abfoiute 5ßerte gibt"

(398, t>gl. 548 „fis gibt eine objeftio gültige 6fala Don ‘Jßcfenswerten").

(Solche SBerte bilben eben „bas Dom jeweiligen ©ubjeft unabhängige

©ute". 9iid)t baß ber „©erechte" baran glaubt, Derfchulbet feine innere Trägheit unb ßrftarrung, fonbern baß er meint, jenes ©ute fchon ab=

fchließenb erfaßt gu haben unb es in ben emptrtfehen SRoralgeboten gu befifeen, bie er bann mechanifch anwenbet, ohne ber inbtDtbuellen 6i- tuation geregt gu werben. Oebe foldje Sage forbert wieber perfönliche Sntfcheibung barüber, welche ber objeftioen 3Berte unb in welchem 2lus=

maß gerabe „jeßt unb hier" Derwirflid)t werben follen. Unb bie Sntfchei»

bung hierüber unb ber 35erfud), bas für richtig ßrfannte ju Derwirf=

liehen, ftnb allerbings „aftuelle gute 2l!te". 2lber bamit, baß man biefe unb ihre 33ebeutung anerfennt, braucht man ein „objeftioes, Dom je­

weiligen ©ubjeft unabhängiges ©utes" nicht gu leugnen, ja, man barf es nicht; benn nur burd) bas fjinftreben auf jenes „objeftio ©ute", auf bas jeweils „9tid)ttge"1) gewinnen bie „aftuellen Slfte" ben Sharafter ber fittlichen ©üte.

Söenn es nun aber nt? erregbares 3iel bleibt, bas ©ute gu erfennen:

gibt es nid)t einen 3ßertmaßftab, woran wir erfennen, baß wir jenem Siele wenigftens näher fommen? Sepferling erfennt einen fold)en an, unb gwar nur einen eingigen: bie (Echtheit, bas heißt: Söert unb <öe=

beutung eines 9Renfd)en bemeffen fid> für ihn „ e i n z i g banad), inwie=

weit 6tnn unb 2lusbrud, Sein, Vorhaben, 53orftellung »on fich unb —

®arftellung fich beden" (156).

’) 9}gl. Äcpfcrlingä 6a§: „3eber barf fid> nur ben ‘Kidjfigen f)ingebcn" (398).

(11)

©raf fiepferfings ett>ifd)e ©runbgebanfen 291

£s Icud)fct wohl jebem ein, bafc „(Echtheit" in biefem 6inne ein SBert ift, ber mannigfacher ©rabe ber 33ermirfltd)ung fähig ift unb ber info=

fern auch als SSJtafeftab bienen fann. 2lber ob er ber einzige ober auch nur ber wid)tigfte fein barf?

2ftan bebenfe, bafe „Echtheit" rein formal ift; man fann ebenfowohl ein „echter Vornehmer" ober „fteiliqer" wie ein „echter Sump" fein.

6ollte nun ein gleicher ©rab oon (Echtheit ben ‘Jöert folgen gletd)=

machen? (Es fommt bod) nicht allein barauf an, mit weld)em ©rab oon Echtheit ber einzelne bas, was an ‘JBertfühlen unb =ftrcben in ihm ftedt, 3ur ‘Darftellung bringt, fonbern auch wie reich unb hoch fein fubjef=

tioer Anteil an ber Söertewelt ift. 2luch bas erfennt Hepferling an, wenn er 3. 53. 6. 548 fagt: „6s gibt eine objeftio gültige Sfala oon 5öefens=

werten, unb wer ju ben oornehmften oon biefen gar feine SSejiehung hat, ift freilich inferior." ©amit ift ein ganj anberer ‘JBertmafeftab, ber oon bem ber (Echtheit ganj oerfd)ieben (eben barum mit biefem fom=

binierbar ift) unb ber uns mehliger fcheint als ber ber (Echtheit1).

2lucf) über bas “ffiefen bes ö f c n hat fid) Slepferling ausgefprochen.

(Es ift nur in feiner 23e3iehung 3um ©uten beftimmbar. ©ut unb böfe Derbalten fich sueinanber toie Oa unb 31ein, toie 6d)öpfung unb 3er=

ftörung, wie SIftioität unb Trägheit, wie Sehen unb Job . 2ßir fönnten aus bem ©eift ber 2Bertethif hin3ufügen: fie ©erhalten fi«i) wie pofitioer 3Bert 3um Unwert ober toie höherer SBert 3um nieberen.

3Benn aber ^epferltng, rote oben gc3eigt, im (Einflang mit biefet (Ethif anerfennt, bafj es „a b f 0 l u t e ‘Sk rte" gibt unb eine „ o b j e f t i o gül=

tige 6fala oon ‘Jßefenswerten," fo wirb er biefem ‘’Pri^tp untreu unb oerfällt in ©ubjeftioismus unb 9tetatioismus, roenn er bie grage: to a r - um wir nun bas ©ute bejahen, fo beantwortet: „2Btr fönnen als Se=

benbe nur bas Sehen bejahen unb nicht ben Job. ©0 toiffen wir benn primär oom abfolut ©uten unb oom abfolut 'Söfen, weil roir gutiefft leben roollen unb uns oor bem (Sterben graut" (464). ‘JSärc Sebens=

hunger unb Jobesfurdit leftter Quell unferes ,3öerterlebens, fo loäre unfere fubjeftioe ‘SSefchaffenheit mafjgebenb für bas, toas 2Bert unb Un=

wert toäre, unb biefer Unterfdneb gälte nur in ‘SSesiehung (alfo „relatio") 3u unferem Sebensbrang.

3n benfelben ©ubjeftioismus gerät S?epferling, toenn er weiter aus­

führt: ®as abfolut ©ute unb 33öfe 3U beftimmen fei fchon beshalb aus=

gefdjloffen, „toeil bas ©ute Sehen bebeutet unb Sehen bie Sbrausfefeung aller 23eftimmungen ift" (464).

3ft biefer (Saft feinem ‘JBortlaut nach 3U nehmen, fo ift er falfd); benn es gibt unsählige '33cftimmungcn, bet benen Sehen nicht bie ‘23oraus=

!) 5 ür biefeä roie anbere ‘Probleme ber 'Zöertelfjih oerroeife id) auf m e i n e ,6tbih". 2. säufl., Üelp3ig, Quelle & 9Keper.

(12)

292 ©raf Stcpferlings etbifcbe ©vunbgebartf en

feftung bilbet. 60 taffen fiel) 3. 33. alle ©egenftänbe ber 2ogif, ber SEftatljematif, ber ‘’Pfcpfif unb Chemie beftimmen, ofme bafe mir babei ben begriff 2eben oorausfetjen ober irgenbmie oermenben.

Vielleicht roenbet jemanb ein: aber cs muffen bod) l e b e n b i g c

©ubjefte ba fein, bie jene ©egenftänbe beftimmen.

®as märe aber ein offener ^pfpdjotogismus. 3)amit folche '33eftim- mungen m i r f I i d) werben, muffen Sebenbe ba fein; aber im 3nhalt, im (Sinn jener 33eftimmungen ift ber ‘Begriff „2eben" nicht ooraus=

gefegt. S a r a u f aber fommt es an.

3Reint aber S?epferling nidjt a l l e ,,‘33eftimmungen" fd)Iec^>t^xn, fon*

bern nur bie bes (Sittlichen, fo mürben alte fittlidjen Sßerte nur in 23e- 3iet;ung (alfo r e l a 111>) auf bas 2eben 3U beftimmen fein; ihr SBert*

djarafter mürbe alfo mof)t lebiglich baoon abhängig gemacht, ob unb tn=

mieroeit fie bas 2eben förbern ober hemmen. ©amit mürbe e i n e 2öert=

flaffe, bie 23 11 a l merte, bie nad) bem Zeugnis unferes fittlidjen 33e- mufttfeins burdjaus nicht ben oberften Slang in ber 2ßertffata einnimmt, an bie t)öd)fte ©teile gerüdt.

3u biefer Slonfcqucn3 fann aud) ber 60(3 führen, bafe „ber ©inn altes C£tI>os unb aller (Ethif eben in ber (Erhaltung unb ©teigerung bes SERen- fchentums liegt" (493); befonbers toenn man bie 23egrünbung beachtet:

„SBo ein (Ethos ober eine (Ethif fid) Dom ©tanbpunft bes 9)let)r= ober

<23efferlebens nid)t bemähren, bort finb fic 00m 2eben miberlegt". (Es fommt f)ier eben gans barauf an, mas man unter „5DIehr= ober 33effer- leben" oerfteht. Oft etwa einfad) bie q u a n t i t a t i o e ©teigerung ber

»italen Energie gemeint?

®as märe moht nicht im ©tnne Äepfertings, ber ja gelegentlich) er- fennt (327), bafj biefelbc Urfraft ©Utes ober 23öfes mirfen fönne, je nach bem ©inn, ber in it)re 2lusmirfung gelegt mirb. 2lIfo niefjt bas Quantum ber Straft macht ben fitttichen Unterfchieb aus, fonbern bie Qualität bes ©innes (2öertes) ber ^raftausroirfung1)!

Oft bas aber richtig, fo fann nur oon ber (Erfenntnis ber abfotuten 2Berte unb ihrer objeftioen 2Bertffala her, beftimmt merben, mas

„23 e f f e r l e b e n" unb mas „ © t e i g e r u n g bes 2Renfd)cntums" ift.

Äepferting ftrebt fichttich bahin, bas (Ethifche als etmas ü b e r ber 23itatität ftetjenbes unb oon ihr 2öefensoerfd)iebenes 3U beftimmen; ja man fann barin eine ©runbtenbens feiner (Ethif fehen, aber metl ber 23egriff „2eben" fo mächtig fein phitofophifd)es ©enfen bef)errfd)t, fo fdjeint mir biefe ©runbtenbens nicht allenthalben fiegreid) fid) burd)=

gefegt 3U haben. ©ie hat ihn gletchfam bis an bie ©d)melte ber mobernen

*) unfeten Sluffaft „'Jtiefsicbeä fiefffer Selbftnnöetfprud)" im ©epfember- tjeff 1927.

(13)

® ie Probleme ber mobernen ^^tlofopfjie 293

3Bertetf)if geführt. Sßirb fie ihn ba3u bringen, biefe <Scf)tocIIc aud) ju überfchreiten, fo roürbe ihn bas roohl 3unäd)ft baju führen, in bie 33e=

griffe „6 in n " unb „SBert"1). bie Don ihm als oberfte oorläufig noch gleid)=

fam naio oertoenbet roerben, fid) ju oertiefen. 2)as aber roürbe nicht nur ber Vkiterentroidlung feiner £ In t fonbern — vielleicht noch in höherem SRafje — ber feiner 9teligionsphilofopbic bienen.

£)ie ‘'Probleme frer mo&ernen *Pf)Üo[opf)ie

9?on £ u b n> i g o o n 93 e r f a l a n f f 9.

I. $ ie VMebergeburt ber SKetaphpfif

gür ben, ber oerfud)t, bie philofophifchen Strömungen ber ©egenroart 3U charafterifieren, entrollt fid) ein 33ilb, bas d)aotifd)er nicht gebad)t roerben fann. SBenn feit jeher bie ^hilofophie ber Summelplat? fid) be=

fämpfenber Meinungen getoefen ift, beren jebe mit bem SInfpruch auf alleinige ©ültigfeit auftrat, fo hat feine (Epoche fo oiele loiberftrebenbe Dichtungen gejeitigt roie bie unfrige. ©a finb oor allem bie brei grojjen neufantianifchen 6d)ulen: erftens ber logifche <3bealismus ber SERarbur- ger um Sohen, meiner ein betoufotfeinsjenfeifiges „®ing an fid)" gang unb gar oerroirft unb bie roiffenfchaftliche ‘ffielt als ^robuft nicht bes inbioibuellen, toohl aber eines „53etoufetfeins überhaupt" p erflären fucht; 3toeitens bie 23abifd)e 6djule um ‘äötnbelbanb, roelche bie ^ b tl»

fophte ganj in Slultur= unb Söertlehre auflöfen möchte; brittens bie ^hä»

nomenologen, roelche mit £>ilfe einer intuitioen „5ßefensfd)au" bie 9teali=

tat 3U erfaffen behaupten. Sieben biefen Schulen ftet>t bie ^Phttofophie bes Sehens, tr>eld>e in “Sergfon ihren grofoten Vertreter hat unb ber Hepferling, Regler u. a. angehören. ® a finb roeiter bie fritifd>en 9tea=

liften aus ber «Schule M lpes in ©eutfchlanb, ‘SSrentanos in Öfterreid): fie oerfuchen, oon ben toiffenfchaftlichen STatfachen aus in inbuftioer Vkife 3ur Realität 3u gelangen. ® a gibt es ferner bte ftberrefte eines heute freilich fehon überlebten SÜRaterialismus unb (Energetismus, roie fjäcfel unb Oftroalb ihn oor 20 öahren 3u allgemeinfter, populärer ©eltung gebracht haben. Ohnen gegenüber fteht ber neue 53italismus in ber 33io=

logie, roie er oon 35ergfon energifch oertreten roirb unb in ©riefch unb 25ed)er feine bebeutenbften beutfehen Anhänger hat. S a gibt es roeiter bie grojjen gefchid)tsphtlofophifd)en ^onftruftionen, beren geroaltigfte bas 2Berf Spenglers ift. Unb enblich ringt fid) in genauer 2lnfithefe 3U bem populären naturroiffenfchaftlichen ^Materialismus oor 5toei 3af)r=

*) ‘Sgl. baju imfere <2lu3fül)rung im 6epfembert>eff 1927.

(14)

294 ® ie 'Probleme bet mobernen ‘■pbilofoptjie

3ehnten heute ein neuer SKpftisismus empor, ber alle 5lusfid)t hat, bie 2lllenr>eltsmeinung 3U roerben. Scheler auf fatholifcher Seite, Butter, Schweißer unb 3oh- Sdüller auf proteftantifcher, bie oerroorrene 2ln=

thropofophie Steiners1), enblich bie philofophifche ©ogmatif ber mobernen Muffen finb beffen roirfungsoollftc unb tiefgrünbigfte Vertreter.

Nehmen roir hinsu, baß alle biefe Richtungen nicht parallel laufen, fonbern fid) in mannigfadjer SBeife berühren unb burchfreusen, nehmen mir ferner hinsu, baß mit bem neuerroachten philofophifchen Ontereffe unferer Sage bie literarifche ^robuftion fich ins Unüherfehbare gefteigert hat, fo fcheint es gan3 unmöglich, gemeinfame Senbensen in ber mober- nen ^htfofophie auffinben 3U wollen. 5)ennod) gibt es folche Jenben3en.

So ocrfchieben bie Slusbrudsformen finb, fo fchr ift im ©runbe bas philofophifd)e Söollen unferer Seit gleichgerichtet. Söir ftellen uns 3ur 2lufgabe, nicht bas Srennenbe unb bie inbioibuellen Meinungen in ber heutigen ^Philofophie loiebersugeben, fonbern einige ber großen Richt­

linien, bie allen mobernen ®enfern gemeinfam finb, heraus3uarbeiten.

®as erfte unb auffälligfte SOterfmal ber mobernen ^hitofophie ift bte 3Bicbergeburt ber SDtetapbpfif, bie in ihr erfolgt. Rach bem (Erlöfdjcn ber !Iaffifd)en beutfehen Spcfulation, nach gid)te, Schclling unb |jegel feßte eine große antimetaphpfifche Söelle ein. S ie geinbfehaft gegen alte SÖtetaphpfif mar bas einigenbe ‘öanb, bas alle ^hilofaphie oon geftern oerfnüpfte, mochten im übrigen ihre 2lnfchauungen auch noch fo »crfchie- ben unb entgegengefeßt fein. Ob fid) ber ^ofitioismus eines SIKach ganj auf 5ßorftellungen unb beren 53ertnüpfung befchränfte unb bie grage nach bem ©runbe ber (Erfcheinungen oerroarf; ob ber SDtaterialismus eines f)ädel an bie Stelle ber philofophifchen Spcfulation bie natur- miffenfchaftliche (Ein3eIforfd)ung feßte; ob ber Sfeptisismus Rießfches, ber Pragmatismus2) unb bie ‘’Philofaphie bes 2lls=ob alle (Erfenntnis als ausfchließlich im ®ienfte bes Sehens ftehenb betrachtete unb fo eine all- gemein-gültige Sßahrheit überhaupt ausfehloß; ob ber hiftorifche Rela=

tioismus ®iltheps bie 3Bahrheit als nach ben »erfchiebenen geiftigen Sppen oariabcl betrachtete; ob enblid» ber Reufantianismus bas ®ing an fid), bie beroußtfeinsjenfcitigc Realität, als Selbftroiberfprud) oer- roarf; — in ber SIbneigung gegen alle SRetaphpfif, b. h- gegen ben 33er- fud) einer (Erfenntnis ber ben (Erfcheinungen 3ugrunbe liegenben Re­

alität waren fie alle einig. 33erein3elte “Serfuche einer Rletaphpfif, roie bie eines f)artmann ober SBunbt beftätigten nur bie Regel, inbem fie

') [c23emethung be3 Sg.l. ©ine oerffcitiMidje Sarffellung aller ber gen. 9?icbfungen babe id) in meiner „ ‘Pbilofopbie ber ©egenroart“ , 6. Slufl. 1927 (Sammlung Quelle

& 92teper, £eip3ig) gegeben.

2) 9Jon ber grieebifeben c23orfmursel präg, bie banbeln bebeufef. ‘PragmafiSmuS bebeufet (o eine pbilofopbifcbe 'Sicfefung, bie bas> für „roafjr" erhlärf, roaS ba5 Sanöeln förberf unb fid> barin betoäfcirf. (5). §3-)

(15)

©ie 'Probleme ber mobernen 'Pb'Iofopbie 295

gegenüber ber allgemeinen Senbenj eine breitere SBirfung nicht ausau=

üben oermochten.

3e mehr freilid) alle btefe Strömungen gegen eine offene SUtetaphpfil Stellung nahmen, befto mehr waren fie erfüllt oon einer heimlichen unb oerborgenen. Rädels 2Rontsmus war eine naioe materialiftif«±)e 2fteta=

pt)pfif, eine förmliche SRpthologie ber SRaterie, bie »eit über bas natur=

wiffenfchaftlid) Beweisbare f)tnausging. ©ie oberften Kategorien1) ber Raturwiffenfd)aft, Rtatcrie, (Energie, Raum, Kaufalität, oon bcnen es burd)aus aWeifelhaft ift, ob fie mehr finb als biofee 6pmbole unb ©e=

banfenbinge, welche wir unferen Berechnungen sugrunbe legen, wur=

ben in nainer 2ßeife 3U bewujjtfeinsjenfeitigen, an fid) beftehenben Reali­

täten gemacht. B e i Riet$fd)e unb ©ilthep toieber ftet>t im |jintergrunbe eine SEftetaphpfif bes Sehens, bas als 2lbfolutes angefehen toirb. ®te Reufantianer oerwarfen bas ®ing an fid) als eine bewufjtfeinsjenfeitige Realität; aber fie fonnten bie ©leichförmigfeit bes Raturlaufes (ba bocf) bie ganje Ratur nach ihrer 2lnfdjauung bloßes ^robutt bes ©entens ift) nur oerftänblicf) machen burd) bie metaphpfifche Einnahme eines über=

inbicibuellen „Bewujjtfeins überhaupt", beffen 2lusfluj3 bas inbioibuelle Bewußtfein mit feinem ©ewahrwerben bes ntd)t fubjeftioen, fonbern burd) bas Bewufttfein überhaupt gefegten Raturlaufes ift. ©ie 9Keta=

phpfif alfo, bie man feierlich oerbannt f>atte, fam allenthalben burd) ein Hintertürchen wieber herein.

demgegenüber ift neuerbtngs bas Beftreben erwacht, bie fonfrete SBiffenfchaft burch eine ehrliche Rtetaphpfif 3« ergäben. ®urd) bie 2lus=

toüchfe bes beutfdjen Obealismus2) roar bie ^hilofophie bisfrebitiert worben. 60 ift bie antimetaphpfifche ® elle ber ^weiten f>älfte bes 19. 3ahrhunberts 3U oerftehen, mit ber anbererfeits ber ungeheuere 2luf=

fchtoung ber mobernen SBiffenfchaft parallel lief. Heute liegt bie Sache umgefehrt. SBir haben eingefehen, baß ber menfchliche ©etft notwenbig nach einem ©runbe ber Srfd)einungen fragen muß, baß er nach Rteta- phpfif Perlangt, unb baß biefe, wenn man fie nicht offen anerfennt, bennod) fid) heimlich in unfer wiffenfchaftliches ©enfen einfchleicht. ©a3U fommt noch, baß wir ber bloß ejtenfioen reinen Raturwiffenfchaft mübe geworben finb, baß wir ben ©lauben an einen ftetigen gortfehritt ber SRenfchheit burd) Raturwiffenfchaft unb Sechnif eingebüßt haben (ber SBeltfrieg war bie ungeheuerliche SBiberlegung biefes ©laubens an bie alleinfeligmachenbe Kraft techmfcher 2öerte) unb baß wir oon einer

€>ehnjucht nad) geiftigen ‘Jöerfen befeelt finb wie noch nie. 2lus biefen beiben ^ßur^eln: aus ber Rotwenbigfett ber fpefulatioen (Ergänjung ber

') 9Illgemetnffen ^Begriffe. (S . §9-)

3) 3n ber etffen ßälffe 6e$ 19. 3abtbunberfä (S . 5g.)

(16)

296 35te Probleme ber mobernen ‘•Pbilofopbte

(Erfahrungswiffenfdjaft unb aus bem moralifchen “Sebürfniffe ift bie Sffiiebergeburt ber SQtetapijpfif gu perftehen.

3wei SBege finb es oor allem, auf welchen man p biefet Söiffenfchaft ber eigentlichen Realität, bie hinter ben Srfdjeinungcn ftedt, p gelangen fud)t. Ser erftc SBeg ift ber einer inbuftioen Süftetaphpfif. Sie oerfucht, oon ben (Srfdjeinungen auf ben ©runb ber (Erfcheinungen p fchließen.

3n biefer Richtung bewegen fich bie metaphpfifchen Theorien eines §>art=

mann, welcher Raum, (Energie unb Kaufalität als bcwußtfeinsjenfeitige Realitäten auffaßt, weiter ber tritifche Realismus Külpes, ber bas Recht unfcrcs 33erftanbcs betont, Realitäten 31t fetjcn1), unb in biefem Sinn Verfechter eines mobernen Realismus ift, weiter bie 9Jtetapbpfif oon Sriefd), ber in inbuftioer ‘Sßeife oon bem erfcheinenben Raum auf ein reales R=Spftem als beffen ©runb, oon ber Seit ehenfo auf ein Z=

Spftem, oon ber SDtateric auf ein M=Spftem fchließen möchte.

3Bährcnb alfo ber naioe Realismus ber oorwiffenfchaftlichen 2ln=

fchauung bie Söelt um uns, fo wie wir fie wahrnehmen, als real bc=

trachtet, unb babei bie Subjeftioität, bie unferer Vorftellung anhaftet, nicht p flären oermag, bcbcutet für ben fritifchen Realismus bas natur=

wiffenfd)aftliche 2Beltbi.b ober ein noch hinter biefem gebach es Slbftrciftum bas wahre Sein, beffen fubjeftioes ©ewahrwe.ben unfere Vorfteilung ift.

Slber es erfcheint fehr fraglich, ob bie SRöglichfeit befteht, auf inbuf=

tioem ®ege p einem an fich 53eftehenben oorbringen p fönnen. Senn ber Realismus feßt alle Kategorien fd)on ooraus unb betrad)tet fie als abfolute Realitäten, bie wir feit Kants Kritif allen ©runb haben, als bloße Orbnungsformen anpfehen, burch welche unfer 53erftanb bas (Ehaos ber (Empfinbungen oerfnüpft. Ser Realismus nimmt ein fub=

ftan3tales Sein, nimmt Kaufalität als abfolute Realität an. 2lber all bas ift uns boch nur in ber (Erfahrung, ausfd)ließlich in ihr gegeben. Ob bie Kaufalität, weld)e bie Slbfolge ber (Erlernungen beherrfcht, auef) für bas Verhältnis pon 2ln=fich unb (Erfcheinung ©eltung habe, bas ift eine grage, beren Beantwortung prinzipiell unmöglich ift, weil bie Realität laut Vorausfeßung „an fich" beftehen, b. h- niemals ©egenftanb unferer (Erfahrung werben foll. Siefe 2lnnal)mc feßt alfo bas oon einigen aus=

brüdlich, oon anberen oerfchwiegen gemachte ^oftulat poraus, baß bie Kategorien bes Senfens unb bes Seins ibentifch feien. Sas ift aber ein

©runbfatj, ber felber inbuftio auf feine 2lrt p beweifen ift; bie inbuf=

tioe SRetaphpfif beginnt alfo mit einem ^oftulate, bas felber feineswegs inbuftio ift, unb hebt fid) fo felber auf2).

*) Sas! beißf: als» ejriffierenb anjuerkennen. (3). Sg.)

2) 5)aä fagf 3a Diel; richtig if{ aber, baß fie auf einem ,,‘PoffuIat", einem

„©lauben" tubf. Siefer hann fid) aber barauf berufen, bajj unfer S e n h e n ja im S e i n trmräelf. (S . ög.)

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