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Die Zukunft, 26. August, Bd. 28.

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Berlin, den 26. August 1899.

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Sturm im Kaval.

Rechtvft wird, besonders häufigimHerbstundimWinter,demZeitung- leser gemeldet,dieenglischePost sei aufdem Kontinent nichtoderdoch mit demAnschlußhindernder Verspätung eingetroffen; ,,Grund:Sturm imKanal.«DenBinueulaudek überläuftbeisolcherBotschaft leichtein Beben.Wiefurchtbar gefährlich,denkt er,mußdieLagederSchiffsinsassen gewesen sein, währendderSturm heulteunddasschwankeFahrzeugin seinenFugen krachenließ;undangstvoll,aberaucheinBischen lüsternnach eineraufrüttelndenSensation, greifteramnächstenMorgenwiedernach seinerZeitungunddurchspähtdenDepeschentheil.Nichts;keinSchiffbruch, keinFutterfürdielangendenNerven. DerSturm hat ausgetobt,dasein WeilchenderbgeschüttelteSchiff hatdenHafen,dieenglischePostdieOrte ihrerBestimmungerreicht.Wer dieAermelkanalfahrt kennt, weiß,daßda- beiUichtderSturm, sondernder Nebel zufürchtenist.DenSturm über- steht jedes tüchtige,vorsichtiggelenkteFahrzeug;ermindert höchstensdie ZahlderstündlichzurückgelegtenMeilen, mehrtdieZifferderSeekranken Undrciist,wasnichtganz niet- undnagelfestist,vonBord.JmNebelaber, wenndasWasser flau,dieLuftdickist,wennvonallenSeitendie warnenden Sirenenseufzen,dieMaschinemitViertelkraftarbeitetundinkurzenAb- ständenganzgestopptwerdenmuß,währenddieSchnelldampfer,dieihren Recordhalten wollen,inrasenderEile das Dunkeldurchschießen:dawird, in dem engenFahrwasser,dieSache gefährlich.DannweichtderKapitän nichtvonderKommandobrücke,dieAusguckwachewirdverdoppeltund die Passagierekriechenerschrecktaus denKabinen,wodasSirenengeheulund

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dieUnstetheitdesMaschinengestampfessie nicht schlafenläßt. Zerstörende Zusammenstößesinddannleicht möglich;undwereinenVerwandten, einen liebenFreund aufderFahrtvon England nachdemKanalweiß,Dermag bangdieNachtstunden zählen,wenn erabendsunter denTelegrammendie Nachricht fand: »Nebelim Kanal«.

Solangeüber dem Mittelländkanalund seinen Theilstreckendichter Nebellag,war diein derPresse widerhallendeUnruheder p. t.öffentlichen Meinung allenfalls noch erklärlich.Zwar handelteessichnichtum eine dringendeLebensfrage fürdenpreußischenStaat odergarfürdasdeutsche Volk;zwar konnteesAllen,dienichtimRuhrkohlenrevier wohnen, gleich- giltig sein,ob dieEntscheidungüber eineWasserstraße,derenBaulange JahreinAnspruch nehmen wird,ein paar Monate früheroderspäterfallen würde. Immerhinaberkonnteman derAntwort aufeinewirthschaftlich wichtigeFragemiteiniger Spannung entgegensehenzundMancher mochte wohl meinen, dieseAntwortwerdeeine überdeneinzelnen Fall hinaus- reichendeprinzipielleTragweitehabenWirdaufdemWegederIndustria- lisirung rastlos fortgeschritten,gelangtdasgroßeundintelligenteUnter- nehmerthumdesWestens völligzurOberherrschaft,dannmußdasaltePreu- ßen,dasnach Ostengravitirte,in den Grundmauern wankenundeinem neuen Staatskörper mußein modernes Piedestal geschaffenwerden«Das würde bedeuten: EinschränkungderLandwirthschaft, Zurückdrängung deraltpreußischenAdelsfamilien,die demHeerunddemBeamtenstand bisjetztfast ausschließlichdie·Führer lieferten, und,alsunvermeidliche Folge,eineradikaleVerschiebungderpolitischenMachtverhältnisse,auf dieseit Jahrhunderten dieköniglicheGewalt gegründetwar. KeinVer- ständigerkonntezweifeln, daßdie indenkonservativen Parteien poli- tisch organisirtenVertreter derbisher privilegirtenundnun bedrohten Schichten sichgegendieihreKlassenvorrechtegefährdendeEntwickelungkräf- tigzurWehr setzenwürden. Ganz spurlos istdieagrarische Bewegung ja über dieOstfluren Preußens nicht hingegangen; sie hat—- wer nichtganz blindsein will, saheslängst—- denGeistderLandbevölkerungdemokratisirt und zueigenerSorge für ihren Interessenkreis aufgestachelt.Dervon den Städtern »Junker«gescholteneGutsbesitzer ist nicht mehrderunum- schränkte,unkritisirteHerr seiner Leute,dersichdieBefriedigung jederLaune gestatten, jedemTriebeinesTaschenformatneros folgen darf.Die»Junker«

wärenvonihren Wählern geschmähtundalsVerrätheranderagrarischen Sache gesteinigtworden,wennsie fürdasDreihundertmillionenprojektdes

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Sturm imsKanaL 355 Mittellandkanals gestimmt hätten,von dessenAusführungderostelbische Bauer ungünstigeWirkungen befürchtet:dieErleichterungderbilligenEin- fUhkfremden Getreides,diedurch großeAusgabenunddurchdie Erniedri- gUUg derFrachttarife bedingte Steigerungder direktenSteuerlastunddie ZunahmederLandfluchtnachdembegünstigtenWesten.DerKanalbau, so glaubtderLandmann,würdedieLeuteherbeilockenund denMangelan brauchbarenLandarbeitern imOsten noch fühlbarer machen; auch seies besser,derGesundheitdesStaatsorganismus vortheilhafter,diefürMelios rationenverfügbarenMillionenfondsden armen, national undwirthschaft- lichgefährdetenOstprovinzen zuzuwendenals einemdenrasch bereicherten Westenabermals förderndenGeschäfte,dessenRentabilität dochmindestens zweifelhaftsei. Diese Anschauungmagbeschränkt,maggeradezu falschge- nannt werden; daßder zurMitwirkungan denStaatsgeschäftenberufene BükgiksiehegenundmitlegitimenMitteln vertreten darf,kann imErnst Keinerleugnen.Undes warschoneinschönesSchauspiel,alsLeute,diesich Uochimmerliberalzunennen wagen,diehochwohllöblicheRegirunganwin- felten, sie möge durch harte BedrohungderAbgeordnetendieStimmung derWählerfälschen;dieMinister, so hießes,brauchennurdie in den Land- tag geschicktenVerwaltungbeamten anzuweisen,gegenihre Ueberzeugung zUstimmen,sie brauchennur zudrohen,die demKanalplan widerstrebenden Konservativenwürdenunerbittlichaus denAemterngejagt, wirthschaftlich geschädigtund gesellschaftlichboykottirtwerden, dann seidas gewal- tige Kulturwerk gesichertund dieschnödenAgrarier müßtenzuKreuze kriecl)en.Also sprachenWochenlanganjedemMorgenundAbenddieMan- nen, diefürWahrheit,Freiheit, GerechtigkeitundAlfredDreyfus kämpfen.

Essollte nochbesserkommen. DaspreußischeAbgeordnetenhaushat mitgroßerMehrheitalleKanalplänederRegirungabgelehnt; beträchtliche Theiledes Centrums haben sichdenkonservativen FraktionenzudieserAb- lehnungverbunden, dienur durcheinen schmählichenJnteressenverrath, durcheinefast unerhörteGesinnunglosigkeitderGrundbesitzerparteienzu vermeidengewesenwäre.DieMinisterhaben,umdemihrem Königlieben Kanaldas Bett zugraben,keinlegitimesMittel gespart; sogardiedeutsche WehrhaftigkeithabensieinsTreffen geführt,fürdiedochderReichstag, nichtPreußensRumpfparlament,dienöthigenGelderzubewilligen hätte.

Undwenn eswahrist, daßderFürstzuHohenlohe,denman vonderPflicht zUöffentlichenRedennachgeradeentbürdensollte,denAgrariern unzwei- deutig gedroht hat, siewürdenfür ihrenWiderstandgegen den Kanalmit

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Handelsverträgengestraft werden,dieihre Interessen noch mehr preis- gäben,dannhätteman sichnicht aufdiebisheralslegitim betrachtetenMittel beschränktundesbliebenurzubedauern, daßkeinGesetzdieMöglichkeitbietet, einenSolches aussprechendenMinisterzurVerantwortungvoreinemStaats- gerichtshofzuzwingen.Einerlei: dieKonservativenbliebenfest,weilsie fest bleibenmußten,weilsienicht selbstihre Machtundihr Ansehenbisaufden letzten Rest vernichtenkonnten...SeitsoderNebelvom Kanalgewichen ist, mußderruhige LeserliberalerZeitungen glauben, dieseBlätter würden vonJrren für Jrre geschrieben. Ungeheures ist geschehen,Ungeheureres wirdsicherlichfolgen. KonservativePolitikerhaben sicherfrecht,einemWunsch desMonarchendieErfüllungzuweigern; sie haben ihrerUeberzeugungge- horcht, trotzdemderKaiserundKönigebenersteine andereUeberzeugung bekannthat. Unaussprechbar Fürchterlichessteht ihnenbevor. »Sie zittern demZorn ihres Königs entgegen.« »Ein Jmperatorenblitzwirdnieder- fahrenunddieUndankbaren zerschmettern.«Dassindein paarStilproben, dieleichtverhundertfachtwerdenkönnten. Den Grundton giebtimmerund überall einvon mindestens dreihundert Posaunenbläsernin dieLüftege- dröhntes»Wehe!«Und mit denKonservativenwird dieRegirung zermalmt werden,derenUngeschicklichkeitund—- mitdeutlichemHinweisauf Herrn vonMiquel UnwahrhaftigkeitdieSacheverdorben habe.DieMinister werdenwieSchuljungen geschildert,die mitschlotterndenKnienerwarten, wasdergestrengeHerr LehrermitdenFaulpelzen,denTagedieben,den SchwänzernundLügnernnun wohl machenwerde.Uebermorgen, vielleicht schonmorgen, kommtderKaiservon derReise zurück.Dann! Eswird schrecklichtagen.Miquel siehtschonganzgebrochenaus,HammersteinsSpru- delrede,derenehrlicheWäcmewahrscheinlichnur derFreiherrvonWangen- heim, seinalterBekannterausvorexellenterZeit, richtigzuschätzenvermag, klingt beinahe elegisch,Reckestreicheltmitzitterndem FingerdenMannes- bart undHohenloheswelkesHaupt hängt,wie einüberreiferKürbiß auf dasverbrannte Spalier, aufdaskurze, morsche Körpergeftellherab.Nur HerrThielen,derEisenbahnboykottminister,findet,weilseinHerzbrüderlich demRuhrkohlenrevierundsein mächtigerGeist fchwägerlichdemgroßen rheinisch westfälischenInteressenkreis gehört,Gnade vordensonst düster drohendenAugen. Doch aucher,der denschonargstrapazirten Großen Kurfürstenwieder einmalaus derGruftbefchwor,aucher,hörenwir, wittert, daßseines MinisterlebensStunden gezähltsind.MitdenUngerechtenmuß infurchtbaren KrisenebenauchderGerechteleiden.Undesisteinesurchtbare

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SturmsimKanal. 357 Krisis DasganzeVerhältnißderKonservativenzumKönig,demsiefrech denFehdehandschuhhingeworfen haben,wirdsichändern.Schon färbtdas Morgenrothderliberalen AeradasHimmelszeltEheesabertagt, wird derJmperatorenblitzniederfahrenunddie-Häupterder Sündervonsündigen Rümpsentrennen. Keinekonservativen Oberpräsidenten,Regirungprä- sidenten,LandrätheundDomherren mehr.KeinKanalgegnerbeiHosbällen undGaladiners. KeinesKanalgegners Sohn, Neffe,Enkel oderTochter- mann bringts fürdernoch zumStabsosfizier.Das liberale Bürgerthum ziehtindieBotschaften,dieProvinzbehörden,dieArmeekommandostellenein.

Wassonst noch?Manweißesnicht recht;abereswird fürdiegräßliche

»Fronde«etwas unahnbarGrauenhastes sein. Schneebleichsteckendiever- ängstetenBürgerdieKöpfezusammen,wievordemGewitter,Undwispern dieFrage nach: »Waswirdgeschehen?«

Ja,was? Werden Strafanträgegegen die Leutegestelltwerden,die UUVPreußischeMinisteralsjedesVertrauens unwürdige, treulose,wort-

brüChigeWichteschildernundvondemMonarchen behaupten,erkönne gegen einePartei,diesichseiner Ansichtnicht beuge, Rachebrüten, könneihrund ihren Mandanten dieLebensmöglichkeitschmälernundseine politischen Emschlüssevon Grollgefühlen,nichtvon sachlichen,nationalen Erwä- gungen-abhängigmachen?Hoffentlichnicht, obwohlschon aus sehr VielschwächerenGrundlagen Prozesse wegen BeleidigungdesKaisers UndderMinisterangesträngtwordensind. Wasalso?...Aberviel- leicht istesbesser,zunächsteinmal dieFragezustellen,was denneigent- lich geschehenist. EinGesetzentwursderRegirung istvom Parlament abgelehntworden. Das istschon manchmal vorgekommen, sogarzu einerZeit,woeinMinistervonunbestrittenerGenialität undSachkennt- UsßsolcheEntwürfeeinbrachteundvertrat. DieRegirung hat erklärt,ihr Entwurfgelteeinem Werkvonäußerster,dringlichsterWichtigkeit.Daser- klärenRegirungendenParlamenten sastimmer. FürdenPlan hatder MonarchsichpersönlichmitstärkstemNachdruck eingesetzt.AuchDasistim DeutschenReichkeineneueErscheinung: für etlicheUmsturzgesetzehatder Kaiser sichebenso entschieden engagirtund sie sind trotzdem abgelehnt worden;die daraus abzuleitendeLehrekannnur lauten,esseifürdasAn- sehendermonarchischenInstitutionen nützlicher,überschwebendepolitische FragendiepersönlicheAnsichtdesregirendenHerrn nichtbekanntwerden zulassenundsodenSchein selbstzumeiden,alskönne dem-unverantwort- lichenTrägerder KronevonParlament oderPresse jemals,wieman jetzt

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sagt, eine »Niederlage«bereitet werden. Neuist also nichtsalsdie in libe- ralenBlätterngedruckteruchloseVerleumdung,derKaiser werde,weil eine ihm werthvollscheinendeVorlage abgelehntwordenist dieübrigensnicht etwanur von pechschwarzenAgrariern, sondern auchvon denHandels- emporienderaltenHansaheftig bekämpftwurde—, andempreußischen Landadelgrimmige Rache nehmen.DerKaiser hatalsKönigvonPreußen eineziemlichweitreichendeGewalt;erkannnach freier WahlneueMinister berufen denalten wird keinVernünftigereineThränenachweinen—,kann, wennerdieUnterschrift dieserneuenRathgeber dafürgewinnt, denBestanddes Beamtenpersonalsändernund,wennerdieStimmungderWählerdurchdie Abgeordneten nicht richtiginterpretirtglaubt,die zurWahl Berechtigtenden Gangandie Urnenantreten lassen.Daskann er;dochauchseineKönigsmacht ist seitfünfzigJahren begrenzt.Undwennin derVossischenZeitung sechsmal mindestensinjeder Wochegefragt wird,werinPreußen regire,derKönig oderdie»Junker«,so istdenRedakteuren derköniglichprivilegirten Zeitung vonStaats- undgelehrten Sachen daraufzuerwidern,daßsogar Preußen nicht »einemWillengehorcht«,sondern daßderWilledesKönigs auch hier dieBeschlüssederVolksvertretung nicht umstoßenkann.Dasmag im Sinn dersichheuteliberal nennenden Herren,derenGeschäftederAbsolutismus vielleichtbesserbesorgenwürde,bedauerlichsein; so langewiruns aber den kostspieligenLuxus derParlamentegännen,wirdman ihren Mehrheitenauch gütiggestattenmüssen,derernstgeprüftenUeberzeugungzufolgenundMil- lionenprojekteabzulehnen,derenPreis siezuhoch,derenNutzen siezugering dünkt. Als derjungeLiberalismusdieMittelzurReorganisationdes preu- ßischenHeeresverweigerte, fürdieBismarck fochtundderenDurchfüh- rungderalteWilhelmzurBedingung seines Verharrens aufdemThron machte,dafieleskeinem verständigenKonservativen ein,über Landes- verrathundantimonarchischen Treubruchzuzetern.Und damals handelte essichum einepolitische,diedeutsche Zukunft entscheidendeLebensfrage, währendjetzteingeschäftlicherKalkul reinkaufmännischnüchtern nachzu- rechnenwar undstarke Interessentenschichtenruhig gesagthaben: Nein,das Geschäftscheintuns nicht lohnend, deshalb lassenwiruns nicht daraufein.

SinddieseSchichten starkgenug,dannwerdensieimRahmenderVerfassung ihrenWillendurchsetzenzsind sieschwächlich,dannwerdenStärkeresiegenund die altenPrivilegienwerdenaufdieSprößlingedernouvelles couehes über- gehen.Sollte esbeiunsaberSittewerden, daßdieWiderspenstigkeitderAbge- ordnetenmitderSperredesBrotkorbes,diepolitischeAbstimmungmitwirth-

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Sturm imKanal 359

schaftlicherAechtungbestraftwird,dannwürden wir unsdemZustandeder Simonie nähernund könntendieritterlichen Söhne Arpadgunddiefrüheren UnterthanenMilansbaldumdieReinlichkeitihres staatlichenLebensbeneiden-

Bismarck würdesich,wenn ernoch aufrechtwäre, des Ermannens seineraltenParteifreunde freuenUnddemMonarchengratuliren, dessen Mahnung:»Wenn unserVolksich dochermannte!« aufso gutenBoden fiel.AuchderLiberale,dersozialistischeDemokratmüßtefroh sein,zusehen- daßeseinestarkeundtapfere konservative Partei giebt,gegen die es zu kämperlohntunddienichtvorjedemWindhauchausderHöheinhündi- scherDemutherstirbt.EsistimmereinGlück,wenn dieNebel,die den BlickunddieHand lähmen,endlich zerflattern.Mit Sturmwarnungen mag dieruppige Gesellschaft,dievonPurpurstufengern einProfitchenleckt, in derKinderstubedieKleinen,dienochderSchwarzeMann schreckt,in AUSstUUfällescheuchenErwachseneMenschenwissen,daßeintüchtiges,vor-

sichtiggelenktesFahrzeugdemschlimmstenUnwettertrotztunddaßsienicht, schwankemBinsenrohregleich,zu erbebenbrauchen,weil in derZeitung steht: »SturmimKanal«.

»O P

Goethe.

DerTag,derihn hat einstderWelt geboren- Er giltdem Erdenrunde für geweiht, Doch,schätztihn jedesVolk auchalSerkoren, Derein Verkünder reiner Allenschlichkeit Jn liebender Bewunderung verloren- Schaunwir denGenien dort ihn angereiht, Und, lauschend seinen ewigen Akkorden, Enipfindenwir,was wir durchIhn geworden.

Fügenam Hiller. Zikartin Greif.

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E-

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360 - DieZukunft.

Der Schnitter.

Im Schweigen geht ESwogendieFluren,

ErdurchdieWelt, DieWiese dampft Er sicheltund mäht, z Jn Seinen Spuren Was Jhm gefällt. F JstUlleS zerstampft.

DieBlumen, dieblauen, Er schreitetinLicht,

DaSGras so grün: Jn Tagespracht

Er runzeltdieBrauen ; Doch nach Ihm bricht

Dawelken sie hin. HereindieNacht.

Um Heckenrand Er hörtkeinFlehen-

DieRose glüht; i Sein Ohristtaub

Er hebtdieHand Nur HerbsteSwehen-, Und sie verblüht. l Nur raschelndeSTaub.

Und süßund jung l Er sieht nichtzurSeite,

DieLiliesteht; Er schaut sich nichtum;

Ein Sensenschwung l Sein Blickstarrtins Weite, Sieist gemäht. l Sein Mund iststumm...

Soschreitetin Schweigen DurchdaSFeld, Dem Alles zueigen:

DerHerrderWelt.

Hamburg. Theodor Suse.

W

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MalerischeErfindung. 361

Malerische Erfindung.

« oreinemJahrewaren inBerlinHermann Prells nordischeKompositionen

,fürdenPalazzo Easfarelliin Romausgestellt.SiesindimAuftrag desKaisers gearbeitetundschmückendasdeutscheGesandtschafthausin der EwigenStadt. EinevondenKompositionenbetiteltsich: »Schwanenjung- stauen fordernBaldur, dervonSkirnir begleitetist, auf,diegefesselteGerda zubefreien.«Das BildträgtdenNamen »Frühling«;und imKatalog erfährtman, dieBefreiungdergefesseltenGerdadurchBaldur bedeutedas FrühlingserwachenderErdeaus demBanne desWinters. Im Bildeselbst waren dieseBetitelungenlediglichdadurch ausgemalt, daßman jenseitseines Weihersdrei nackteMädchensitzenundstehen sah,die Einemitder Geberde Jemandes,derlautüber dasWasserherüberspricht.EineAndere netzt denFußimWeiherundblickthinein; siesitztauf ihren abgelegtenSchwanen- flügeln,diedieanderen Mädchenmiteinem leinenen Bande überdie Brust festgebundentragen. Walter Crane hat aufeinem Bilde solcher Schwanenjungfrauenihnen wenigstensrichtige Hemdenaus Schwanensedern angezogen,eine Art Schwanenpelz,beidemdieamArmesestgebundenen Flügeldie Aermelvorstellen.Dasist fürdasAugezwarabsurd, entspricht aberdoch wenigstensderMärchenvorstellungvondenSchwanenhemden.Bei Ptell sindesnur EngelsflügelvonSchwan,dieman vorn unter derBrust Uvchmiteinembesonderen Bändchenfestgemachthat. KeinWunder, daß jedem BeschauerunwillkürlichdieFrage nachdemDamenschneiderkommt, dersolcheToiletten fertigt. Aufder anderen Seite desWeihers,im Vordergrund,siehtman dieprofilirte GestalteinesnacktenJünglings,den

«hinterseinem Kopfeeinegoldene Scheibe begleitet.EinweißesRoß,auf dessenRückenerseinenArm legt, hält KopfundNasewitternd überdie OberflächedesWeihers. HinterdemJünglingmitdergoldenenScheibe siehtman aufbraunemRoßeinenanderenJüngling sitzen,dersichseitlings einWenigherabbeugt,alsbeobachteerirgendEtwasimWasser.JmUebrigen erkenntman anjunggrünendenBirken undeinemblühendenPsirsichzweig, daßdieHandlungimFrühlingvor sichgeht.

Als ichvor das Bild trat, sahich zunächstnichtindenKatalog, sondern suchteausDem,wasderMaler gegebenhat,zuerkennen,wasdie ganzeSache vorstellte. Wozukonntedie eineSchwanenjungfrau ihre Flügel abgelegt habenund ihren FußinsWasser setzen, zumal sienackt war?

Augenscheinlich,umzu baden. Jch dachtesogleichandasBadderSchwanen- jungfrauen.DaseineMädchenabermachteine Geberdemitaufgehobener

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362 DieZukunft.

Handundscheintlautzurufen. Der Jünglingmitseinem Roßstehtam

Weiher.Das Pferd hat schondieNüsterndarüber. Augenscheinlichwill aucherbaden. FordernihndieMädchennun auf, daßermitihnenbaden soll,oderwollensie ihnvor demMitbaden warnen? Jch entschiedmichfür dieWarnung.DasPferdwittert augenscheinlich,abereswillnicht saufen.

Esscheintauchzuprüfen,obesrathsam sei,insWasserzugehen.Man hat dieseGeberde aufdemBilde oftan Pferden gesehen,dieman in dieSchwemmetreibt. Weil ichabernachdenGeberden derMädchendoch nichtgenausagenkonnte, obsiezum Badeneinladenoder davorwarnen, schaute ich endlichindenKatalog,damirkeinMythos,keinMärchen einfallen wollte,woAehnlichesvorkommt. WelcheEnttäuschung,welcheUeberraschung!

Meine Phantasiewar völlig aufdemJrrwege. Die Mädchenladenden Jünglingein, »diegefesselteGerda«zubefreien.

Natürlich suchte ichnun dieGerda. Vielleichtdrunten imWeiher?

Nein. Endlichentdeckteich, völlig unbeachtetvon allenFigurenimBilde, rechts hinteninderHöhleeineweißbläuliche,verhüllteFrauengestalt, mehr eineStatue alseinemalerischeFigur.Das sollte alsodieGerdasein,die befreit werdensoll.Abersie istwedergefesseltnoch sonstirgendwiegekenn- zeichnet.DasBild selbst, seineGeberden, seineSituation, erzählenkein WortvonihrerBefreiung. Ja, sie erzählensogareine ganz andereGeschichte.

DasBildPrellsist nichtdaseinzigedieser ArtamAusgangedes neunzehntenJahrhunderts WirdürfensalleKünstlerganzbescheidentlichdaran erinnern,daßeinBildnichtnur gemalt, sondern auch erfunden seinwill. Und zwar guterfunden.Soerfunden, daßman entwederausseinenGegenständen, FigurenundGeberdenerkennt,was esist,oderdaßman doch wenigstens Dasdarinfindet,wasdieErklärungbesagt. Prell giebtunsKeinsvonBeiden.

Es handelt sich hiernichtdarum, Prells unsireitigemalerischeVer- dienstezuschmälern.Es sollnur an einemBeispiel gezeigtwerden,wie sehr unseren Künstlernder Sinn fürdas Wesentlicheder Darstellung schwindet. DaßeinKünstler Figuren hinstellt,dielediglichvon Etwas sprechen,daswirgar nicht hören,geschweigesehenkönnen,istjedenfalls deräußersteGipfel gelehrter Allegorie.Undwar esdenn unmöglich,die Szene so darzustellen, daß sieaus sich selbst verständlichwurde? Oderdaß auchDersogar,dernichtsvon nordischerMythologie weiß, mindestenszu demAllgemeinschlußgeführtwird, esmüsse sichaufdemBildeum irgend einenMythos,einMärchen,einenVorgang handeln,indem dasFrühlings- erwachenderMutter Erde geschildertist?Konnte man z. B. nichtdie GestaltderGerda so geben,daßsieimGrundedesBildes gefesseltliegt, ineiner plastischenVerkürzung?Konnte sie nicht zwischendürrenHecken, vomSchneebedeckt,ruhen, sehnsüchtigihre Erlösungerwartend? Undwenn

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Malerische Erfindung. 363 aufder anderen Seitedes BildesBaldur,derFrühlingsgott,erschien:konnte einphantasievollerMaler nichtdielandschaftlichenMotive so vertheilen, daß l)interdemGott,inseiner Umgebung,Bäume undSträucherjungenKnospen- aUsUtzzeigten, daßunter demHufedesRosses,derdenletztenSchneerest detritt-Frühlingsblumenaus derErde keimen? Undnun dieSchwanen- jungfrauenamWeiher,derhalb aufgethaut ist,anderSeitedesFrühlings- gottes, konntensienicht, mußtensie nichthinunterzurgefesseltenGöttin deuten, dieetwaineinemGletfcherschrundeodersonstigenAbgrund ruhenkonnte?

Dann würde Jederaus denPantomimenderSchwanenmädchengeschlossen haben,daß sie wirklichvon derGefesselten,vom Winterschnee Umgebenen sprechen. SubjektundObjektderRedewären veranfchaulichtgewesen;wir hättenvom Sichtbaren auf Unsichtbaresgeschlossen.Wirhätten soforter-

kaUnt,derJüngling,um denAllesblüht,unter dessen FüßenBlumen in veklchiedenenStadien aufsprießen,müssederFrühling sein.Oberaußer- demden Namen Baldur trägt:Das hättedann garnichts mehr ausge- machtSicherwäre eseinFrühlingsgottausirgendeinemMärchen,um dendiePrimelnund anderefürdenFrühling charakteristischeBlumen er- dlÜhMUndwer konntediegefesselte,halbvon SchneeundGletfchereis UmdrängteGestalt sein? Es wärewahrhaftigkeinKunststück,dieMutter Erdeselbstoder die Naturso märchenhaftzupersonifiziren,daßsie nochlange keine

nllegorischeGestaltwie dieAbundantia fein müßte, sondernein MärchenwefemwieDornröschenselbst,dasderPrinzmitseinemKußweckt.

Jedenfallshättenwirdann einBild desHereinbrechensdesFühlings,das

m VerständlichenMenschengestaltendurchdielebendigeDurchgestaltungdes Märchengedankensdurchdeninneren BezugderFigurenzueinander ge- sprochenhätte.Wiedrücken wirdenGedanken mimischaus: Baldur soll GerdavonderFessel befreien?Nun, dawir übergenügendvieleSchwanen- jungftauen verfügen:warum kannnichtEineunten beiGerdaimFroste weilenunddie Ketteerheben, vielleichtmiteinerGeberde, dieihr Mitgefühl desZwangesausdrückt? Und die Kette, dienichtallegorisch,sondern märchen- haft sinnlichden Winter bedeuten soll:könntesie nichtausEiskristallenge- schmiedetsein? StehtaberunteneineJungfrau,die bittend aufdieKette zeigt-UndweistimVordergrundeeineandere Junnfrau einladend darauf hin- nun, dann ist auch jene TelegraphiederGeberde unddesWechsel- dergesgewonnen, dieuns mitNothwendigkeitzwingt,zuschließen,der jungeFrühlingsgottwerde aufgefordert, dieseKettezulösen.EinFehl- schlußistdannfowenig möglichwieauf irgendeinemGenrebildeDefreggers, wo einKindam Tische sitzt,denLöffelvollSuppe halbwegsvor dem Munde. Wirschließenmitunbedingter Sicherheit, daßesdiesen Löffel nicht aufdie Dieleausgießen,sondernin den Mund schiebenwird.

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