Hamburgifche
-Dramaturgie
Sieben und dreyßigstesStücke
Den 4ten Septetnber,«1767.
. chVasechfngtjV Boltairens « '
J des-eworden. H--Aber veranlasser, sagt wohl»Es-Insek-zu wenig:dennjene-ist«gjanzausdxeserentstanden;
FabelundPlanundSittengehörendemMassei; PoltairewürdeOhneIhngarkeine-oderdoch sicherlicheineganzandereMerope«gescheieben haben. -
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, Also,umdieCoptkdesFranzosenrichtigzu beurtheilen,müssenWirzUVdeekstDnsOriginal
desItalienerskennen lernen; undumdaspoeti- scheVerdienstdesletzewgkhksngzuschätzen, müssenwirvor allenDingenUnfnBlickaufdie historischenFacta werfen-anPIeIVfeineFaß-ei gegründethat. «
.- MasseiselbstfassetdekaFette-—in derZueig- nungsschrift seinesSknfkes-folgenderGestalt zusammen.
«»Daß-MuseZeitnachder Erobe-
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290 vi,
«rnng-VonTroja,alsdieHernkliden,d. i. die NachkommendesHerkuleAsichinPeloponnæi suswiederseistgesestzct,demKresphomdasMes- senischeGebietedurchdas Looszugefallen; daß dieGemahlinn dieses Kresphonts Mekopege- heissenz daßKresphont, weilerIdemVolke sich allzu günstigerwiesen,vondenMächtigerndes Staats, mitsammtseinenSöhnen umgebracht worden, s-denjüngstenausgenommen-s welcher answärts beyeinemAnverwandten seinerMut- ter erzogenward; daßdieserjüngsteSohn,Na- mens Aepytus,-salsererwachsen, durch Hülfe derArkader undDotier«sichdesVaterlichen Reicheswieder bemächtigenund denTodseines Vaters andessenMörderngerachethabe:dieses erzehlet Fpausanias Daß,nachdemKresphont mit seinen zwey Söhnenumgebrachtworden, Polyphont,- welcher gleichfalls-aus dem- Ge- schlechtederHeraklidenwar, dieRegierungan sich gerissen; daßdieserdieMerope gezwungen,- seine Gemahlinn zu-werden; daßder dritte Sohn- dendieMutter inSicherheit bringen lassen,denTyrannennachher umgebrachtund dasReichwieder erobert habe: dieses berichtet Apollodorus. ,DaßMeropeselbstdengestrich- teten Sohnunbekannter Weisetödten wollen;
Daßsie abernochindemAugenblickeVoneinein altevDiener daran verhindert worden; welcher-· ihrentdeckt,daß d,er,densiesürden
Mdöder
-«’« i res -
Leg-s s 291 ihres Sohneshalte-,ihr Sohn selbstsey; daß
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dernun erkannte Sohn bey«.eiUemOpferGele- genheit gefunden,denPolyphont hinzurichtent diesesmeldetHyginue,beydemAepytusaber den NamenTelephontes führet.,,
Eswäre zu Verwunderu, wenn einesolche Geschichte,diesobesondereGlückswechselund Erkennt-tagenhat-«nichtschonvondein altenTra- fgicirzwäregenutztworden. Undwas solltesie nicht?.Arist-oteles,inseinerDicht-kunst,gedenkt eines-Kresphionteyinwelchem Merope ihren- Sohn erkenne,eendasieimBegriffe-sep,ihn alsden,vermeintenMördeeihresSohnesumzu- bringen;nnd Plastarch,inseinerzweyten Ab- handlnngVomFleischessem.ziele"tohne Zweifel auf-»ehen»diesetfGretel-,(’«’)wenn ersichaufdie Bewegung bernst,mkwelcherdassganzeTheater- gerathe,indem MervpedjeAxtgegen ihren- Sohn«erl)ebet,nnd«andieFurcht,die jeden Zuschauerbefalle,daßderStreich geschehenv werde,eheder alteDienerdazukommenkönne.
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Oct.2 «"Aristo- W DiesesVor-ausgesetzt,Ovie ntanes dennwohl sicherVermesse-senka»nn,noerlesbeyden alten Dichternrucl)t«gebranchltch,nndauch nicht erlaubtwar,einandersolche eigene Situatio- nen abzustehlen,)wurdesichander angezoge- nen Stelledes-MARTHEeinFragmentdes .-.Enripides sindenzwelchesJosuaBarnes nicht
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mitgenommen hätte,undein neuerHeraus- geberdesDichters nutzen könnte.
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Aristoteles erwähnet diesesKreßohiontszwar ohneNamen des-Verfassers;Da wiraber- bet) demCicero»undmehrern Alten-—einen Kresphonst desEuripidesangezogensipdem sowirderwohl«- kein anderes, als dasWerkdieses Dichtersge-
meinerhaben. s —
Der Pater Tour-nemine sagt-in»demohger dachten Brief« ,,Arispstoteles, dieserweise Ge-
«setzgeberdes Theaters, hatdieFabelderMe- ,,rope indieerste Klassedertragischen Fabeln ,,gesetztjamis ce fujctau premier fang ,,desfujers rragjques.) Euripides hatte sie ,,behandelt, nnd-Aristotelesmeldet, daß, so oft
»der KresphontsdesEuripides aus-dem Theater ,,deswitzigen Athens vorgestelletworden, die- ,,sesan tragische Meisterstückeso gewöhnte
»Volkganz ausserordentlichseybetrossen,’ge-
»rührtundentzücktworden:,,—.·Hübsche.-Phra- fes,abernichtvielWahrheit! DerPaterirret sichinbeidenPunkten. Ben.dem letzternhat
erdenArisiotelesmitdemPlutarch Vermengt, nndber)demsersterndenAristoteles nicht recht- verstanden. Jenesisteine-»Kleinigkeit,aber überdiesesverlohnetesderMühe,einPaar sWorte zusagen,weilmehreredenAristoteles
eben.sounrecht Verstand-enhaben.
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DieSache Verhält»sich,,.wie folget.- Ari-
stptelesuntersucht, indemvierzehntenKapitel- sslnerDichtkunsstzdurchwas eigentlichfürBe-
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geben-
M 293 gebenheitenSchreckennndMitleid erreget wer- de. AlleBegebenheiten,sagter, müssenent- weder .unte.r Freunden, oder unter·Feinden, oder unter gleichgültigenPersonen Vor-gehen.
.WenneinFeind seinen Feind tödtet,so erweckt weder derAnschlagnochdieAusführngder That sonstweiter einigesMitleid, alsdasall- gemeine,welchesmitdemAnblickedesSchmerz- lschenundVerderblichenüberhaupt,verbunden ist. Undso ist.es auch bey gleichgüitigenPer- sonen. FolglichmüssendietragischenBegeben- heitensichsunterFreunden eräugsnenzeinBru- -- dermußden.Bruder, .e-in-«SohndenVateN eine Mutter denSohn,»einSohn dieMutter tödten,odertödtenwollen,oder sonst aufeine - empsindlicheWeiseniißhandelmodermißhan- delnwollen. Diesesaberkannentweder-mit, oder ohne Wissen»und Vorbedacht geschehen;.·«
und dadieThatentweder vollführtodernicht vollführtwerdenmuß: so entstehendaran-svier Klassenvon Begebenheiten, welchedenAbsich- ten»desTrauerspielsmehroderwenigerentspre-·« che—n.Die erstesWenn Vie,That«wissentlich, mitvölligerKenntnißder Person,gegenwelche- sie Vollzogenwerdensoll,HUnternommewaber nichtkvollzogenswird. Die zweyte:wenn-sie wissewikchunternommen, undwirklichvollzogen wird. «Diedritte: wenndieThatunwissend, . ohne KenntnißdesGegenstandes,unternom-
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men nndVollzogenwird, und derThäterdie Person«.an derersie.vollzogen,zuspät kennen lernetx Dievierte: wenn dieunwissendunter-
nommene That nichtzurVollziehunggelangt-
indem diedareinverwickeltenPersoneneinander nochzur rechtenZeiterkennen. Von diesenVier- Klassen giebt AristotelesderletzterndenVor- zug;nnd daerdie HandlungderMerope,in
»demKresphont,davon-zum Beyspiele anführett so haben Tonrnemine, undandere, dieses so angenommen, alsoberdadurchdieFabel dieses TrauerspielsüberhauptVonderVollkommensten GattungtragischerFabelnzuseynerkläre.
, Jndeß sagt dochAristoteles kurzzuvor, daß einegutetragische Fabel sich nicht glücklich,son- dernunglücklichendenmüsse.·Wie kanndieses beidesbeyeinander bestehen?Sie sollsiehun- glücklichenden,undgleichWOhlläuftdieBege- benheit, welcheer nachjener-Klassisicationallen- andernEtragischenBegebenheitenVorziehet-,«glück- lichab. Widersprichtsich nicht alsodergroße Kunstrichter offenbar?
Victorins, sagtDacier,seydereinzige-welcher diese Schwierigkeit gesehen;aberdaernichtver- standen-,wasAristoteles eigentlichins dem ganzen·
Wer-zehntenKapitel -gewollt:·so habe.ek«·auch nicht etninaldengeringsten Versuch gewagt-Ue zuheben.
AkistdtelesmeinerDarin-,rede dortgarnicht Von desFabel nberhanpt, sondern ivollenurlehren, auf WUMMchmeoArtder Dichter- tragische
Begeben-
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Mk "295
seiten-behandelnkönne, ohnedasWesentliche-Was dieGeschichtedavon meidet, sit-verändern-und welcheVondiesenArtendiebestefevz«Wenn z. E.
dieErmordungderKlytemnestra durch»denOrest-Ver Inhalt desStückesseynsourc,sozerge«iich-»3mch
demAkistokeies,eiuvierfacher Plan- diesenOtoss zubearbeiten, nehmlichentweder alseineBegeben- heitdererstern,oderderzwehten,oderderdritten;
oderder. vierten Klasse;derDichter imissenun aber- tegen,swelcherzshierderschicklichstenndbeste sey.
Diese ErmordungalseineBegebenheitdererstern KlasseFubehandeln,-sindedarum nichtStatt: weil sieImchzdersHtstoriewirklich-geschehenmüsse,nnd durchdensOrejsiFgeschehen Nachder weh- ten, darum mehr-:weil sie-Ingräßlichsey".’32ach
derVierten,darum »nichtIst-weilKlyfemnestrn dadurch abermals gerettet würde, dies-doch durchaus nicht gerettet werdensolle.Folglich-bleibe-ihmnichts·,als - die dritteKlasse iibrig. - , ’
Die drittel Aber-Aristotel«esgiebt"jadervierten den Vorzug;nndnichtbxvsMveinzelnFällen,nach Maasgebung derUmstande, sondern überhaupt.
DerehrlicheDaeiermachtes"öftrerfo:Ariiloteles behältbei) ihm Recht-lechtIpelletRechthat-lson- dernweilerAristoteles ist.Inderneraufder einen Seiteeine BlößeVonihnizudeckenglaubt,macht erihm aufeineranderneineehenzsoschlimme."Wenn nun derGegnerdieBesonnenheithat,anstattnach jenes-,iudiese zii steilen-. so tsiesIadochumdie UntrüglichkeitseinesAlten geschehen,anderihm, imGrunde, nochmehrals anderWahrheitselbst zusiegen scheinet.»WennsoVielaufdieUebereini
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stimmng derGeschichteankömmt,wennder«Dich-
terallgemeinbekannteDingeansihr,zwarlindern,,.
aber« niegänzlichveranderndarf:wirdes nnter die-
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sen nichtauch solch-:-geben,diedurchausnachdem erstenoder zwehten Plane behandeltwerden müs- sen? DieErmordung derKlytemnestramüßteei-« gentlich nachdemzweyteu Vorgestelletwerden; denn Orest-es hat sie wissentlichnndvorsetzlichvollzogen:
derDichteraber kanndendritten wählen,weitdie- ser tragischer ist,nndderGeschichte doch--nichtge- rader widerspricht. Gut, essey.so:aberz. E.
Medea, dieihreKinder ermordet? Welchen Piku kannhierderDichteranders einschlagen,alsden zwehteii?««Dennsie innßsie nmbringen,undsiemuß se wissentlich umbringen; beides istans derGe- .schici)te«gleichallgemeinbekannt. Was füreine Rangordnnng kann also unter diesen Planen Statt finden?Derin einem Falledervorzüglichsteist, kommtin einemandern garnichtinBetrachtung.
Oder um denDariernoch mehr einzutreibem so macheman dieAnwendung, nicht auf historische, sondern aufbloserdichtete Begebenheiten. Gesetzt- dieErmordung derKlytemnestrawäre Von dieser letzternArt,nnd eshätte-»denDichtersfreygestank den, sie Vollziehenoder nichtvollziehenJn«lassen-—
stemit oderohne völligeKenntnißVollziehenzzilas- sen. WelchenPlanhätteerdann wählen mnssen,— um einesovielals möglichvollkommene Tragödie daraus zumachen?Daeiersagtselbst:denvierten;
denn-wenn erihmdendritten vorziehe,sogeschähe esblos ans Achtunggegen dieGeschichte. Den vierten also?Den also, welchersichglücklichschließt? Aber diebesten Tragödien, sagtebender Aristote- les,«der diesemvierten Plane denVorzugvor allenertheilet,sind ja die, welche steh unglücklich schliessen?Und dasist«aebenderWiderspruch,den
Daxtsxhebnwollte.·. aterihndennalsogehoben?
Bestehenaterihn vielmehr.
Ham-s