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Die Zukunft, 19. März, Bd. 46.

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Academic year: 2022

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Berlin, den U. März lM.

R vgv f f

Waldersee.

Henkealfeldmarschall

GrafvonWaldersee,derallverehrte,rühmlichst

,,- -,bekannte OberbefehlshaberderverbündetenTruppeninOsiasien ausdenJahren1900 und1901,hatseinenLebenslaufvollendet. Mittiefer BewegungwerdendieseTrauerkunde OesterreicherundItaliener, Russen undEngländer,JapanerundAmerikaner, Franzosenundganzbesonders allediejenigenDeutschen vernehmen,die injener denkwiirdigenZeit begeistert seiner Führung folgten. Nochbisvorwenigen TagenimBollbesitzbenei- denswerther körperlicherundgeistiger Frische,starberschmerzlosnachkur- zemKrankenlageramfünftenMärzzuHannoverimfastvollendetenzwei- undsiebenzigstenLebensjahr.DerStolzunddieHoffnungderArmee, gleich bewährtimKriegwie imFrieden, inRathundThat,einganzerMannund überzeugterChristim Leben wie imSterben, hatereinglückliches,anEr- folgen überreichesLebengeführtundnun inErfüllungseinesWunsches, in den Sielen zusterben aucheinschnelle-Z,harmonischesEndegehabt.

Jnunsaber wirderfortlebenals das Vorbild eineskönigtreuen,echtenSol- daten,einesgroßenHeersiihrers,einesedlenVorgesetztenundeinestreuen, allezeitmenschlichsühlendenKameraden«.Diesen Nekrologschrieb,,,imNa- men derOsfiziereundBeamten desehemaligenArmeeoberkommandos inY« Ostasien«,derGeneralmajor FreiherrvonGahl,der inPetschiliWaldersees Stabscheswar. EinpersönlichverpflichteterMann;dankbaresErinnern an empfangeneGunst färbtdemBlickleichtdieWirklichkeit. Fast jedesWort des NachrufeswirdvonunbestreitbarenThatsachen-widerlegt.AlfredGrafvon

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Walderseewar nicht ,,allverehrt«,waralsOberbefehlshaberder gegenChina vereintenKontingentenicht»rühmlichstbekannt«,sonderndasZielunzähliger Witze.ErdurftedieTruppennichtinsTreffen führen,alsokonntensieihmauch nichtbegeistertfolgen.SeitderHeimkehrlränkelte er, denschonJahrzehnte lang einBenenleidenplagte,undhättedieStrapazeneinesFeldzuges nicht mehr ertragen.Stolz mochte auf ihnin der ArmeeMancher sein; fürKeinenaber warernocheineHoffnung.Niemals fanderGelegenheit, sichimKriegzu

»bewähren«.SeinLebenwar anErfolgen,dieerernsthaft erstrebte, nicht überreich,sondernbettelarm. KeinwichtigerLebenswunschwardihm erfüllt;

auchdernicht, sichderNation als»großenHeerführer«zuzeigen.Erwar keinGlücklicher,sonderneinEnttäuschter,Verärgerter,dersichselbstinsei- nenhellstenStunden mit demScheinderMacht begnügenmußte.Under istnichtin denSielengestorben,sondern aufeinemRuheposten, dessenHöhe meistnurPrinzenertlettern. Dennoch hatten fastalleGrabsprüche,dieihm nachgesandtwurden,dieselbeTonfarbewieder,denHerrvonGahlinseriren ließ.Sogarin Demokratenblätternkonnteman lesen,demGrafenWall-er- seesei »inderGeschichtedesdeutschenHeeres füralleZeiteneinEhrenplatz gesichert.«UndderKaiser schrieb,dieArmeehabe ,,mitunbedingtemBer- trauenzuihmals zu demberufenen Führerinernst kriegerischerZeit auf- geblickt«.Merkwürdig.AlsWaldersee, nachnichteinmaldreijährigerThä- tigkeit,dieLeitungdesGroßenGeneralstabes abgeben mußteundzum Kom- mandirenden Generaldes neunten Corpsernannt wurde,schrieb derKaiser, erhabe ihn fürdenKriegsfallzumFührereiner Armeeausersehen;einer Armee,nichtdesgesammtendeutschenHeeres.Der damalsAchtundfünfzig- jährigeempfanddieVersetzungalscapitis diminutjozerwollte nichtin Altona stillanderKettedeshohenzollernschenHausordens liegen,erbat seinen Abschiedundkonnte,als derBefehldesKriegsherrn ihnzwang,im Dienstzubleiben,denGrollsowenigverbergen,daßervondenGeneralstabs- offizierenmitdenWortenschied:»SeineMajestäthatmichaneine andeteStelle gesetzt;esziemtdemSoldatennicht,nachden Gründen zuforschen.«Warum, darfmanheutefragen,mußteder»berufeneFührer,ausdendie Armeemittin- bedingtemVertrauen blickte«,vonderSpitzederEhrenleiterheruntersteigen?

Warumbliebernichtnochzethahre,nichtbisanseines LebensEnde General- stabschef?Für diesenPosten solltederbesteManndochgerade gutgenugsein.

Wirmüssenannehmen, daß Waldetsees Strategentalent1891 nichtganz so hochgeschätztwurdewie 1904. Goethe hatdenTod einensehrmittel- mäßigenPortraitmaler genannt;erliebte dieAusstellung geputzter Leichen,

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Waldersee. 437 die»Paradenim Tode«nichtund würdelächeln,wenn ersähe,daßdie ge- heiligtenLeichenbretterbeiseinenLandsleuten wieder in die Modegekommen sind.Solange,inheidnischerZeit,derLeichnaminTücheroderinTotenkähne ausBaumrinde geborgenundohnefestes Gehäusein denSchoßderfrucht- baren, dieeigeneFrucht gefräßigverzehrendenMutterErde zurletztenRuhe gebettet wurde, schütztedasRechbrettden kalten Leibvordenfallenden,be- schmutzendenSchellen.Und als derChristenglaubemit anderenorientalischen Sitten auchdenBrauchausdemOsten brachte,demleblosen Körper nach demMusterderaltenSarkophageeinhölzernesHauszuzimmern,bequem- tendieaneineZeitwende gestellten Germanenstämmesich,wieaufman- chemGebiet,in einKompromiß:dasRechbrett,ausdemderTotezuerst gelegen hatte,blieb auchferner geheiligt,wurde nun aber,daesnichtmehr alsSchutzwehrgegendieSchollenzu dienenhatte,mitMalereien undJn- schristenverziertundaufbelebten WegenzurSchau gestellt,damitesden Wanderer andieToten gemahneunddieGottheitdenentflattertenSeelen günstigstimme. Jn manchemGauhatsichdie Sitteerhalten;imdeutschen SüdenundineinzelnenKantonen derSchweiz siehtman noch jetztMar- terln,Laden und Trudenbretter. IhreBestimmungistnichtmehr,dem Seelen- heilderEntschwundenendie Gnade derGötter zugewinnen,denenderChristen- sinn sichverschließt,sondern,dieThaten theurerTotenspätenGeschlechtern zu künden. Dagehtsdennoftwie in denLeichenredenderJmperatorenzeit, dieweilandHerrnCicerodenRuf entrissen:Multa eisscripta sum-,quae facta non sunt. Undseit,imWechselderMode,diePresse,mit anderen PflichtenderaltenKlerisei. auchdasAmt desLeichenrednersauf sichgenom- menhat,istvondersprödenWürdeernst gemeinterundernstempfundener Trauer kaumnochEtwas zuspüren.WieeinsthölzerneBretter denLeib,soll Holzpapiernun dasgeistigeBilddes TotenvorbeschmutzendenSchollen schützen.Dochdie ErdesickertnachundzerlöchertdenHolzschliff,denCellulose- ruhm.Jsts erst so weit,dannwirdnicht mehr nachdemNekrolog,nur nach derLeistungnochgefragt.WalderseeeingroßerFeldherrP Mag sein;nur wardihm nicht beschieden,seinGenie zuerweisen.Und esistbeinahekomisch, immervoneinemMann,der nie einenKleiderstoffzugeschnittenhat, sagen zuhören,ermacheunterallenLebendenbekanntlichdenbestenFrack.

Alfred Walderseehat emsig für seinen Ruhm gesorgt;zuemsig. Daß erdenEhebundmit der WitweeinesPrinzenvonHolstein,einesAugusten- bngekQschloß,warklug.ErmehrtedamitseineHausmacht,wurdefinan- ziell unabhängigunderlebte dasGlück,eineKaiserinalsNichte seinerFrau

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begrüßenzudürfen.Derzweite Erfolgseiner Lebenstaktikwar,daßderal- terndeMarschallMoltke,derseltenEinendichtansichkommenlicß,ihngern sahund zumGeneralquartiermeister,zumThronsolger wählte.Waldersees Verhängnißwaraber undblieb:daßernichtwarten konnte undimmerwieder versuchte,seineknospendenWünscheamLampenlichtzuwärmen,umsieschnel- ler zureifer Erfüllung zubringen.Erhat manche steileHöheerklommen, sich oben abernichtzuhalten vermocht.Mansolltevonihm reden, auf ihnnur blickenzunderselbstachtetenichtdesjakobischenRathes, dieZunge zuzäumen.

Leichtzuverstehenwar,daßdemfähigenSoldaten dieschlaffeFriedenszeit langwurde, daß.derimFeldunerprobteNachfolgerMoltkes sichnacheinem Krieg sehnte,in demerbeweisen könne,daßdiegroßeErbschaftkeinem Un- würdigenzugefallen sei. DochderSchlaue mußte sichdasrichtigeAugenmaß bewahrenunddurfte nichtwähnen,einsorscherLanzenritt werde,wider Bis- marcksWillen,dieKriegschanceerzwingen.DerEhrgeizblendeteihn.Die alteZeit ging stillzu Ende.Jederneue Morgenkonnte die KundevomTode desKaisers bringen;derKronprinzwar unheilbar krank; nach Menschen- ermessenmußtePrinzWilhelm,derGatte einerAugustenburgerin,baldden Thron besteigen.DerKampfumdieGunstdesneuen Kaisers begann, eheder Handdes altennochdasSzepter entsank.Schade,daßausderGeheimgeschichte dieser unruhvollen TagenochnichtAllesdemöffentlichenUrtheilunter- breitet werden kann. DiewichtigsteAusgabe schien,denkünftigenKaiser vondemerstenKanzler zutrennen; und imfrühstenStadium dieses Feldzuges hatGraf Waldersee sichalsgutenStrategen bewährt.Prinz Wilhelm galt alseifriger Soldat,alseinjungerHerr,dernicht lange zögernwürde,keck nachdemSiegerkranzezugreifen,mit dem dieVolkshymnedenHerrscher geschmücktsehenwill;danebenalsstrenggläubigstrammer Lutheranerund VerehrerdesHofpredigersStoecker, dessensittlicheundgeistigeGrößeerso- garvorTöchternAbrahams enthusiastischpries. Walderscewollteaus beiden Feuern kochen.SchonalsGeneralquartiermeisterwarer,wardiefrömmere Gattin eineStützederBerliner Stadtmission Stoeckers, für die,inGegen- wart desPrinzenund derPrinzessin Wilhelm,inseinemHaus Propaganda gemachtwurde. AlserdannGeneralstabschefwar, amersten Ziel feiner Wünsche,ließersichhinterdemRückendesKanzlersausParisundPeters- burg diplomatischeBerichteschicken;wieBismarck oft behauptethat:umdie ruhige PolitikdesFürstenbeimKaiserzu diskrediriren. DasSpielwar ge- -sährlich,dochderPreissohoch,daßmaneswagenmußteDer»Scheiterhaufen- brief«,denHerrStoeckerandenFreiherrn WilhelmvonHammerstein,den

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Waldersee. 439 Autokraten derKreuzzeitung,schrieb,hatunserkennengelehrt,wiefeinda- malsgearbeitetwurde. DerHofpredigerfühlte,daßWilhelmderZweite nochandemKanzler hingundoffenerKampfmiteinerNiederlageder An- greiferendenmüsse;deshalb schrieber: »MetktderKaiser,daßman zwischen ihmundBismarckZwietracht säenwill, so stößtman ihn zurück. Nährt man inDingen,woerinstinktiv auf unsererSeitesteht, seineUnzufrieden- heit, so stärktman ihn prinzipiell, ohne persönlichzureizen.Erhat kürzlich gesagt: ,SechsMonate willichden Alten(Bismarck)verschnaufenlassen;

dannregire ich selbsttBismarck selbst hat gemeint, daßerdenKaisernicht in derHandbehält.Wirmüssenalso, ohneunsEtwas zuvergeben, doch vorsichtig sein.« Wir:Das war dieTriasformationWaldersee-Stoecke7- Hammerstein.Derpolitischallein Ueberlebende magheuteseufzen:Wirwaren

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nicht vorsichtiggenug. Wenn nachdemRezeptausderPastoralmedizin verfahrenworden wäre,hättederDreibund länger dauernde-Wirkunger- zielt. Walderseekonnte dieRuhmsucht, HammersteindieParteiwuth nicht zähmen.DieganzeMeute wardlosgekoppeltund umbelltedenlästigen Riesen.Bismarck isteinschwächlicherRitschlianer,ein lauerLaodicäer und äugeltmitdenliberalen FeindendesrechtenGlaubens Erbehandeltdie Sozialdemokratie falsch,dienur mitchristlichemSozialismuszubesiegen ist.Erist müde,scheutdieAnstrengungundVerantwortlichkeiteinesKrieges

und versäumtdie demunvermeidlichenFeldnggegenRußlandgünstigste

Stunde. InderinnerenPolitikist seinAllheilmitteldasKartell,dessenForI bestanddasChristenthum,diemonarchischenundkonservativenInteressen gefährdet.AlsDiplomat überschätzterdenWerth unserer Bündnisseund vergißt,daßDeutschlandalleinstarkgenugist,um jederKoalition dieStirn zu bieten· Soungefährlasmanstäglich Zugleicherfuhrman, daßderKaiser

.denGrasenWalderseejeden Tag sehe,mitihmimThiergarten spazireund ihn, nichteinen Vertreter desAuswärtigenAmtes, aufdieReise nachdem Nordkapmitnehmenwolle. DieKunstdesSchweigens hattederGeneral- stabschefvon Moltkenicht geerbt.Erwar derHerold seiner Thatenund plaudertejedenkleinenErfolg mitunbedächtigerSchnelleaus. Als derKaiser ihn abholteundmitihmin dieWilhelmstraßefuhr,umdemKanzlerzum Geburtstagzugratuliren,war esihmund baldnatürlichauchseinenFreun- dengewiß,daßerfürdieNachfolgeBismarcks ausersehen sei.

Daßerssagte,warunklug.DerGeneralstabscheshatte allzu frühseine Batterienenthüllt. Zwar leugneteer,jemals Politik getriebenzuhaben:

»IchdieneSeiner Majestätals Soldatundbinnicht Parteimann.« Doch

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alsJnspiratorder imMilitärwochenblattundin derKreuzzeitungerschiene- nenantirussischenArtikel und alsProtektorStoeckers war erbekannt.Und nun holtederMannimSachsenwaldzumvernichtendenStreichaus« Er ließüber»politisch-militärischeUnterströmungen«klagen,die demehrlichen MaklerdesFriedens sein Geschäfterschwerten,voneiner demKaiserüber- reichten Denkschriftmunkeln,dieeinenPräventivkrieggegenRußlandern- psehle,unter Berufung auf Clausewitzens ,,TheoriedesKrieges«dieAnsicht vertreten, daßderStrategenur dermilitärtechnischgeschulteHelferdes dem Volk und demKönig verantwortlichenStaatsmannes seindürfe,demdieletzte EntscheidungüberLebensfragenderNation stets vorbehaltenbleibenmüsse, undso deutlich,wie dieUmständeesgeftatteten,auf Walderseeals den Stürm- sried weisen.DieWirkungdesSchlageswar nicht sofort sichtbar.Als der AbgeordneteRichterimReichstag fragte,ob derGeneralstabschefdiePolitik desKanzlerszudurchkreuzenversuche,sprangHerrvonVerdy,derKriegs- minister denBismarckfür seinen Feind hielt—,hastigaufunderklärte jede VerdächtigungdieserArtfür frivol. »Es ist beleidigendfürdieArmee, wenn man ihrüberhauptzumuthet, daßunter unseinGeist bestehenkönnte, der inirgendwelcheOppositionzu derRegirungSeiner Majeftätzutreten vermöchte«.DieWorte waren behutsam gewählt;schondamals gabesLeute, diemeinten,Bismarck»verschnaufe«nurnochundgehörenichtmehrzur»Re- girungSeinerMajestät«.DieftilistischeFeinheitdesZornrufeslernteman freilicherstspäterschätzen.Längstwissenwirja,däßWalderseedamalswirklich eine deroffiziellenfeindlichePolitiktrieb undseineLeute in derStillegegen Bis- marckmobilmachte;wenner nichtsweiterseinwollte alsdes-Königsgehorsam- ster Soldat, brauchteerdem verbummelten RedakteurHammersteinnichtä- fonds per-du hunderttausendMarkzuleihen,demvielseitigenJournalisten Normann-Schumann nicht beträchtlicheSummen zuschenken.JmNovem- ber1889konnte derStaatssekretärGrasHerbertBismarcknur »ausvollem Herzen«derErklärungdesKriegsministerszustimmen.Dasklang nach Cha- made;und derjüngereBismarckfuhr stracksnach Berlin, schütteltedenhellen Kopfundsagte: »Wenn JhrdenMannnichtunterkriegenkönnt,wärsbesser gewesen,ihn ungeschorenzulassen.«Der Vaterhatte dennochweitergesehenals derSohn.Seine Streiche haben Waldersees Hoffnungen geköpft.Derals Frömmler,als Antreiber zumZweifrontenkriegBerdächtigtekonntenicht Kanzlerwerden.Der UlanhatdieWuchtdieserHiebeempfunden;imOktober 1894 schrieber:»Es paßteschondemFürstenBismarckgut,michalsMucker, Stoeckerianer, schwarzenReaktionär,Kriegstreiberu.s.w.darzustellen, so

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Waldersee. 441 daßderDurchschnittsphilifterGänsehaut bekam,wenn von mirdie Rede war.HerrvonCaprivi gefiel sichdarin,in dasselbeHornzustoßen,undist meinRufunter ihm nicht bessergeworden.«Sospracherfünf Tage nach derErnennungdes drittenKanzlers. Daßernoch einmalinsaltePalais Radziwill einziehenwerde, glaubteerselbstwohl nicht mehr. Nach Straß- burgwollte er,Statthalterwerden;und»espaßteihm gut«, sichfüreinen nationalliberalen MannundüberzeugtenExportpolitikerauszugeben.Vor- urtheilekannteernie.1888 setzteeraufStoeckersKarteundwarHyperkon- servativervonderschwarzenTalarfärbungz1904 saßermit demTheater- direktorLindauamEßtischdesGeheimraths Goldberger,vondemerEmpfehl- ungenanamerikanischeGroßkapitalistenerbat.1889 sagteer: »EuerMa- jestätglorreicher AbnherrwäreseinemVolk nieFriedrichderGroßegewor- den,wenn ernebensichdieAllmachteinesMinisters geduldethätte«;1891 stöhnteerinFriedrichsruhüber daspersönlicheRegiment,das einem Staats- mann von starkemVerantwortlichkeitgefühlkeinen Raum gewähre. Jm August1900 nannte ersichin einerDepescheeinen,,Oberbefehlshaberin partibus infideljum«, verglich sichalso selbstdenTitularbischöfen,die in akatholischenLändernkeinenSitzundkeineDiözesanthätigkeitfinden;bald danachzog er,aufdemWege nach China,alsTriumphator durchs deutsche Land undthat,alshingeHeiloderUnheildesReichesvonseinemWirken ab.

Er konnte dieZungenichtimZaum halten.Konnte es,trotz höfischer Gewöhnung,auchnicht,alserinSchlesiendieManövetleistungdesKaisers zukritisiren hatte. Jn seinenNervenzitterte nochderGroll darüber, daß Caprivi,denerspöttischdengenialen Feldwebelzunennen pflegte,ihmvor- gezogen worden war;derfrommeUlanvergaß,daß seinKaiser aufgehört hatte, seinSchülerzusein,undeskamvorversammeltem Kriegsvolkzu einer peinlichenSzene.DerGeneralstabschesfandseineAutoritätvorjungen Osfizieren geschmälert,wolltegehen,wurdeabervoneinemironisch lächeln- denMundzum Bleibenbestimmt. Nicht lange danach saßerinAltona,wo erimpraktischenTruppendienstneueErfahrungen sammeln sollte.Mitihm schied sein Adjutant, Major Jahn,undseinVertrauensmann,MajorLiebert, ausdemGroßen Generalstab. »PersonalwechselimInteressedesDienstes«

Allzu oftwar gerauntworden, der Mann der verwitweten Prinzessinvon HolsteinseidereinzigeMensch,derausdenKaiser Einfluß habe.Zäumt, Jhr Frommen,dieZunge, mahnt Jakobus. Waldersee, Verdy,Stoecker:

Allefielen.Undes wareinkarger Trost,daßvorihnenBismarckgefallenwar.

DessenNachbarwurdeGrafAlfred nun; Nachbar undWächter.Der

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General vonLeszczynskihattedemEntlassenenzuhoheEhre erwiesenundsich dadurch, trotz seinenMeriten,mißliebiggemacht.DerneueKommandirende war vorsichtiger.Er kam zwarmanchmalin denSachsenwald,ließabervon derSchweizausdurchseinjournalistisches Gesindeverkünden,erhabekeine persönlichenBeziehungenzumFürstenBismarck,undhielt sichstrengandie berlinerOrdre. Daswurde ihm leicht;dennderFürstliebte Ihnnicht, schätzte ihn nichteinmalalsIntelligenz besonders hochein undhatwahrscheinlich nie einintimesWort mitihm gewechselt.»Ich habebeiseinen Besuchen immerdasGefühl,erwolle—- odersolle nachsehen,obesschonZeitsei, einenschicklichenKranzzu bestellen.Jnmeiner amtlichenThätigkeitwarich gewöhnt,beiTisch,wenn esseinmußte«Jagd-undBallgeschichtender infi- pidestenArtzuerzählen; außerdemsorgten Armeefragenundgemeinsame hamburgerBekanntedafür, daßderStoffniemals ausging«Beidewaren GegnerderzweijährigenDienstzeitundBeideverkehrten ungefährmitden selbenhanseatischenPatriziernWalderseepaßtesichraschdemneuen Milieuan.

KeineSpurmehroonaltpreußischerOrthodoxie:einmodernerMensch,derdem Großhandelwohlwollendes Verständniß entgegenbringtundHerrnBallin mitKomplimenten bewirthet. AuchkeineSpur mehrvonAnimositätgegen Bismarck. »So langederFürst lebt«,pflegteerzusagen,»wirdesimtrer zwei Kanzler geben;undderzweiteist nichtzu beneiden.«Eroperirtesehr geschickt,stießnirgendsan,war bei denSenatoren ebensobeliebtwie in seinemCorps, sprachnurauchdortnoehzu viel. Alle paarMonatewurdemir berichtet,wasderGeneral wiederausgeplaudert habe;diesekretestenDinge.

Auch anonhmeBriefe kamen,inSpiegelschrist,mit. demPoststempelAltona;

kleine undgroßeBosheitengegenCaprivi,Hohenlohe,Bronsartund... Ob derKürassiermitdem Ulanen wohl auchüber die beideninteressantenMän- ner gesprochenhat,denensieaufihremLebenswegbegegnetwaren, über den GrafenGuidoHenckelundHerrnvonHolstein? Waldersee hatteBeide als jungerS tabsosfizierinPariskennengelernt.DerklugeGrasHenckel,dem

-

Madame Paioa,—dieFreundin Gambettas,alleThürenöffnete,konntedem mit allerleidelikatenAufträgenbepacktenOberstlieutenantin denTagender

OklupationwichtigeDienste leisten.DerDankblieb.nicht aus; daßheute

-FürstGuidovonDonnersmatk, derso lange,derärgsten Jntriguenver- dächtigt,imSchatten stehenmußteund überdessenHausdieHofachtverhängt war,inhöchsterGunst sitzt,war zumgrößtenTheilWalderseesWerk.Nicht so ungetrübtblieb dasBerhältnißzumHerrnvonHolstein. Walderseehat politischlangemitihm zusammen gearbeitet; unterirdisch.Als derGeheim-

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Waldersee. 443 th insorgsam gefeilten BriefenBill Bismarek alsHelfergegendie an- geblicheRufsophiliedesKanzlersunddesStaatssekretärszu werbenver- suchte,spielteerzugleich Waldersees Partie. AlsderGeneralstabschefaus ParisUndPetersburgdiplomatischeBerichte wünschte,in denen die Vor- gänge sichanders als in denamtlichenNotenspiegelnsollten, hat ihmHerr

vonHvlftein,derGeheimkontroleur aller deutschen Gesandtschaften,wahr- scheinlichdenWegzu denreinlichstenQuellen gezeigt.Dannaberkameszum BruchderSozietät;unddertrefflicheMinirer traute demfrüherenKampf- genosfennun gleichdasSchlimmstezu.-Fast soSchlimmeswie demGrafen Henckel,dener irrend fürdenJnstigatordesimKladderadatschgegen denAusternfreundbegonnenenFeldzugeshielt.HerrvonHolfteinwarseiner Sache so gewiß,daß erdenGeneralvon BissingalsKartellträgerzumGrafen Guidosandte. Zum Greisenduellkamesnicht;Walderseegriffals Sekundant Henckelsein.Dasalte Band warzerrissen.Undesgiebt Leute,diebehaup- ten,HerrvonHolsteinhabe denkurzsichtigenFreiherrnvonMarschallin dieProzesse Lützow-Tauschgetrieben,weilerhoffte, hinterDonNormann- SchumanndenfrommenUlanenzufinden. Hartdran wars;es,,brannte«

schon,wieman imKinderspiel sagt.AberHerrvonTauschwardankbarund verschwiegenundSchumannblieb weitvomSchuß. Dochaneinenneuen Pakt zwischenGriinbart,demDachs,undOheimReinekewarfortan nicht wiederzudenken.DerDachs sitztnochimmerinseinem Bau,befährt,als..-

mißtrauischerEinsiedler,nachtsnochimmerdieRöhren,fängt sichReptilien undnimmtNesteraus. Reinekeaber,derpfiffigeMeister, isttot.

Ichhabe michwieder JndieGunstdesKönigs gehoben, ichwerde,wievormals, WiederimRathemichfindenundunsermganzenGeschlechte WirdeszurEhregedeihn.Erhat michzumKanzlerdes Reiches LautvorAllenernannt undmirdasSiegel befohlen....

So weithatesAlfred Waldersee,dereinprachtvollesFuchsgesichthatte, trotzallemMühennicht gcbrachtzdochauch nichtdasschmählicheEndegefun- den,dasderWolfmitseinenVerwandten ihm wünschte.»Ueberund über gesalbt«,schlichersachtsichinallerhöchsteGunstzurück·ZwölfterGesang:

,,Reineke neigte sichtiefvordemKönige, neigte besondersvorderKönigin fichund kammitmuthigen Sprüngennun in denKreis.«Schwarzer Adler, Generaloberst,Generalfeldmarfchall,Pourlemårite,Generalinspekteur.

DerMann,der nie einHeerzuernstemKampf geführtbat, istnun wie der ruhmreichsteFeldherr bestattetworden. Lorber undHolzcellulose...

Hochgeehrtist Reinekenun. ZurWeisheitbekehre Bald sichJederundmeide dasBöse, verehredieTugendl

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Aus ärztlicher Praxis-.

« .emJahresberichtüber dasmeinerLeitung unterstellte Kreiskrankenhaus Großlichterfelde ererscheintwieder beiRohdeundich empfehlenament- lichdieKasuistikmeinenunbefangenurtheilenden KollegenzuruhigerPrüfung habe ich auchdiesmal einige allgemeiner giltige Sätze angesügt,vondenen ich, aufHardens Wunsch, hiereinpaaraufsGerathewohl herausgegriffene BruchstückeeinemgrößerenPublikum zugänglichmachenwill.

EinenGrundsehlerderheute üblichenArtvonKrankenbehandlungglaube ichindemUmstandzusehen, daß sichderArztvonvorn herein durcheine verallgemeinerndeschematischeForderung: Diagnose, Prognose, Therapie,die Händebindenläßt,sichdamitderFreiheit seines Handelns begiebt; deshalb haben wirinunserem KrankenhausaufdieErfüllung dieser Bedingung verzichtet unduns vorbehalten,vonFallzuFalldavonnur sovielanzunehmen,wie uns nöthigoderwünschenswertherscheint.WirverzichtenaufdieStellung einerbloßenWort-Diagnoseundauf eineihrsklavischangepaßte»Therapie«, nämlichaufdieAbsicht,je nachdenindergestelltenDiagnose gegebenen Grundsätzeneine,,Krankheitzuheilen«.Wirhaben ferner fürdie Verwen- dungderAnamneseeinestrenge Sichtungder landläufigenDaten vorge-

nommen. WirsuchenausderErzählungdesKranken über dieBorgeschichte

seiner BeschwerdenzurErgänzungunserer VorstellungenvomWesen dervor- liegenden»Störung«nur dieEinzelheitenheranzuziehen,dieunsirgendeinen RückschlußaufSicherheitundthatsächlichenodermöglichenZusammenhangmit deraugenblicklichenSachlage gestatten.JnderüberwiegendenMehrzahlder FällesinddievomKrankenvorgebrachten anamnestischenDaten,soweitsie sichnichtunmittelbar aufdieEntstehungsgeschichtederebenvorliegenden Störung etwa derenBeginn,die Art undWeisedesAuftretensund begleitender Nebenumstände beziehen, füreineanspruchvollereKritik so gut wiewerthlos. JnBezug auf GlaubwürdigkeitundBedeutungkommt ihnenetwa derumlaufenden GerüchtenbeizumessendeWerthzu; manchmal einKörnchenWahrheit,immereinHauseEinbildung Jndemanamnestischen TheilderKrankengeschichtensindvorAllem enthalten:Angabenüber Er- krankungenund vermeintlicheTodesursachenvon Angehörigen,übervorauf- gegangene ErkrankungendesPatienten selbst, Behandlungen,denenersich unterzogen,AussprüchevonAerzten,dieerimGedächtnißbehalten, sonstige Beobachtungen,dieeransich anstellenzu könnengeglaubt hat. Wollteman

selbstalldieseAngabenalssubjektiv richtigeannehmenundvoraussehen,daß AuskünftefrüherbehandelnderAerztediebeobachtetenThatsachenzutreffenddar- stellen, sonützensie dochzurErmittlunguns beschäftigenderSachlagen oft sehr wenig.ObeinMensch thatsächlichoderangeblichsogenannteKinderkrank-

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