• Nie Znaleziono Wyników

Die Zukunft, 5. November, Bd. 25.

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Die Zukunft, 5. November, Bd. 25."

Copied!
40
0
0

Pełen tekst

(1)

euks

Berlin, den 5.November 1898.

ff szs As

Braunschweig.

WasHerzogthumBraunschweighat seit einigen Jahrendenzweifelhaften Vorzug,zuden,,interessantenLändern« gezähltzuwerden. Man beschäftigtsichmitihm mehr,alsseiner eigenenpolitischenBedeutungent- spricht,weil inihm Verhältnissesich abspielenundFragenzurErörterung gelangen,die weitüberseine Grenzen hinausvon Bedeutungsind.Wenn deöhalbdieAufforderunganmich herantritt,überdieseDinge michzuäußern, spfinde ichDas ganz begreiflich; glauben doch naturgemäßdieferner Stehendenbei denNächstbetheiligtendiebestenAufschlüsseerhaltenzu können.

Unddochistdiese Hoffnung trügerisch.Denn worübersolltendie Landes-

FiUWOhnerbesser unterrichtet seinalsandereLeute? Ueber dieStimmung ImLandeunddieWünschederBevölkerung, ja,darüberhabensie ein Urtheil,aberleidersindDasFaktoren, diefürdieFrage,wasgeschehenwird, kauminBetrachtkommen. Vielleichtwirdman esinspäterenJahrhunderten Wunderbarfinden,daß nichtüber dieGestaltung seines Schicksalsinerster Linie das Landselbstzuentscheidenhat;aberheute stehenwirnochaufder Entwickelungstufe,daßdas Landnur alsObjektvon widerstreitendenRechts- anPtüchenundInteresseninBetrachtkommt. Das,worüberich Auskunft geben kann, ist also nichtdieZukunft, sonderndieGegenwart.Aberumsie zUVerstehen,mußman auchdienächsteVergangenheitinBetracht ziehen;

Und da derenEreignissedenNächstbetheiligtenbesserinErinnerungzusein pflegenalsdemgroßen Publikum, so glaube ich, hierinderThateinen VorzugzubesitzenundinderLagezusein,dieKenntnißderLeser dieses Blatteszubereichern.

WerdieZeit seit1870 als urtheilsfähigerMenschmiterlebthat, mußsichwirklichganzseltsamberührtfühlen,wenn erdieheutigen politischen Verhältnissein meinem liebenHeimathlandemitdenvor etwadreißigJahren

16

(2)

234 DieZukunft.

bestehendenvergleicht.Damals galtendieBegriffenationalliberal undpolitisch urtheilsfähig,ja fast auch bürgerlich-ehrbar,so ziemlichalsgleichbedeutend.

Daßineinemder dreiReichstagswahlkreiseeinanderer alsein national- liberalerKandidat gewähltwerden könnte,schien sovöllig ausgeschlossen,daß- dieGesammtkofteneinerReichstagswahlfür alle dreiKreise sich aufdieAus- lagenfür einJnseratim»Tageblatt«beschränkten,in demdasWahlkomitee die Namen deraufgestelltenKandidaten bekanntgab. Freilich verfügtein derHauptstadtdieSozialdemokratieübereinigeTausendStimmen, aber gegenüberdergeschlossenauftretendenBürgerschaftkonntesieaneinenEr- folg nicht denken;und in den anderenbeiden Kreisen erfolgtedieWahl meistens annäherndeinstimmig.Den ersten Stoßerlitt diese unbedingte Herrschaft dernationalliberalen Partei durchdieSpaltungimJahre1881;und1884 war bereits dieErbitterungunter denfeindlichenBrüdern so groß geworden, daß imersten Kreisebei derStichwahleinTheilderSezesfionistenfürden Sozialdemokratenstimmteund ihmzum Siege verhalf.Seitdem ist durch dasAuskommenderagrarischenundderwelfischenBewegungdiepolitischeLage immerverworrener geworden;undbei derletztenWahlwurdennichtalleinzwei Sozialdemokraten gewählt,sondernderdritteAbgeordneteisteinKompromiß- kandidat, derfreilich auchvonnationallibiraler Seiteunterstütztwurde und erklärthat,derFraktionalsHospitantbeitretenzu wollen, deraberzugleich eingefchriebenesMitglieddesBundes derLandwirtheundderWelfenpartei ist. Dasnationalliberale Programm ist ja elastischgenug, umsolchepolitische Monstrofitätenzugestatten.

Wennichvon »der«Welfenpartei sprach, so istDasetwas ungenau, dennesgiebtnichteineParteidieser Art,sondern zwei solche.Beidestanden einandersogarbisvorKurzem nichts wenigeralsfreundlich gegenüber,wie schondaraus hervorgeht, daßbei derletztenWahldemschließlichgewählten welfisch-nationalliberal-bündlerischeneinechtwelfifcherKandidat entgegen- gestelltwurde. DiesebeidenRichtungen auseinanderzuhalten, ist durchaus nöthig,wenn man diehiesigenVerhältnisserichtig würdigenwill.

»Die erstederbeidenGruppen hat sichum dievon ihr herausge- gebeneWochenschrift»Brunonia« gesammeltundwirddeshalbinErmangelung einesanderen anerkannten Namens regelmäßignach ihrgenannt. JhreAn- hängerstehen durchaus aufdemBoden derEreignissevon1866 undwollen eingeeinigtes starkes Deutschlandunter Preußens Führung.Sie feierndie Geburtstage sowohldesKaisersals desHerzogsvonCumberland undbeim TodeBismarcks brachte ihrBlatt einenArtikel,indemdasVerdienstdes Verstorbenenum die nationale Wiedergeburt Deutschlands gepriesenwurde.

Jhre einzige welfischeForderung istdieRückkehrdesHerzogsvon Cumber- land aufdenThron unddieBeseitigungder ihm bisher entgegengesetzten

(3)

Braunschweig 235

·

Hindernisse;alsWeg dazu betrachten sieeineVerständigungzwischendem KaisetunddemHerzog. Wesentlichanders istdieStellungder»Landes- reckttspartei«.Auch sie freilichwilldasDeutscheReich erhalten sehen,aber nichtinderjetzigenForm, sondern ihr JdealisteinföderalistischesGroß- deUtfchland,möglichstunterEinschlußOesterreichs,ja, ihrmaßgebendergeistiger ührererklärte mirnoch neulich,daß der alteBundestagvor derjetzigen VerfassungDeutschlandsweitaus denVorzugverdiene. Allerdings hat auch dieseRichtungnichtdieRückgangigmachungderEreignissevon 1866 un- mittelbarinihr Programm ausgenommenundihr Vorstand hat michvor länEies-erZeit,alsich behauptet hatte, daß siedieWiederherstellungdesKönig- reichesHannover verfolge, öffentlichdahin berichtigt, daßdie Parteifreilich mitdenhnnnovekschenWeisen sympathisike,sichabernichtmitihnendecke, vielmehrihre Wirksamkeit aufdasHerzogthumBraunschweigbeschränke.Man wird mirzugeben, daß dieser Unterschiedzufeinist,um inweiterenKreisen Verständnißzufinden.

Man solltedenken,daßbeieinem so scharfen Gegensatzbeider Richtungenvon einergemeinsamenWirksamkeitkaumdieRedesein könne;

Undin derThat hatte sichdieFeindschaftvor einemhalben Jahr sozu- gespitzt, daß maßgebendeBrunonen ernsthafteinen offenen Bruchmit derLandesrechtsparteiund deren BekämpfungbeidenWahleninsAuge faßtenDaistdennalsRetterin inderNothdieRegirung eingetreten, indemsieFwieman wohl annehmen darf, auf preußischenEinfluß hin alleStaats-,Gemeinde- undKirchenbeamtenohne UnterschiedzumAustritt ausden»vaterländischenVereinen« zwang unddadurchdieKraftdererwähnten Nationalen Strömung lähmte,denn naturgemäßfand diese geradeinden Beamtenkreisenihren Stützpunkt.SeitihrerFernhaltung sind deshalbdie Brunonenimmer mehrin dieradikalere Richtung hineingetriebenworden und inneuester Zeitwerden ernsthafte Versuchegemacht,dieVerschmelzung beiderParteienherbeizuführen.

Uebrigensmußzugestandenwerden,daß,auchabgesehenvondiesemErfolg derRegirungskunst,beideRichtungenin einergemeinsamenOperationbasiseinen nicht UnwesentlichenBerührungpunkthaben. Jhr nächstespraktischesZiel ist-Wieschonbemerkt, derRegirungantrittdesHerzogsvon Eumberland.

Beide erkennen dieformelle BerechtigungderjetzigenRegentschaftvorbehalt- losan,dasie zugeben, daßdieVoraussetzungdesRegentschastgesetzes,näm- lichdiezeitweiligeVerhinderungdes zurThronfolgeBerechtigtenanderRegirung- übernahme,durchdenWiderspruch Preußensund dendiesemRechnung tmgendenBundesrathsbeschlußvom zweitenJuli 1885 gegeben sei; sie«

haltenaberdiese Behinderungfür ungerechtfertigt,daderHerzogvomCumber- landinfeinem Patentvom achtzehntenOktober 1884 ausdrücklichsichver-

16·

(4)

236 DieZukunft-

pslichtet habe,dieRegirung nach MaßgabederReichsverfassungzuführen, alsodenBestand Preußens nicht anzutasten. Jhre Forderung geht deshalb vor Allemauf AufhebungdesBundesrathsbeschlusses.Wenn die Brunonen mehrdieFormeinesWunschesund desAusdruckes desVertrauens auf dieGerechtigkeitdesKaisers,dieAnhängerderRechtspartei mehr diejenige einerForderung wählen,so istDas wohldasErgebnißderebenbezeichneten VerschiedenheitderGrundauffassung

DieäußereEntwickelungderwelfischenBewegungistdie einesmeteor- artigen Ausflammens. Noch1887, alsobei derersten nachdemTodedes Herzogs Wilhelm erfolgten Reichstagswahl, erhieltderwelfischeKandidat im erstenundzweiten Kreise je600 Stimmen, währendman imdritten einen Kandidaten garnicht aufgestellthatte.BeidenfolgendenWahlenein- schließlich1893 hieltman sichsogarganzzurück.Eswardeshalbeingeradezu wunderbares Ergebniß,daßamfünfzehntenJuni 1898 imersten Wahlkreise derwelfischeKandidat mit5423Stimmen fastzurStichwahl gelangte.Jtn zweiten Kreise betragen, obgleichdieBrunonen sichdemKompromißange- schlossenhatten,diewelsischenStimmen 3059;undnur imdritten Kreise hatteman esnichtüber1534 gebracht. Offenbarwollten dieWählereine Antwort aufdieUnterdrückungpolitikderRegirung geben.Aber damitallein istdieThatsacheeinessolchenUmschwungesnoch nichterklärt. Undichbe- trachteesalsdenwesentlichstenTheilder mirgestelltenAusgabe,dieFrage zubeantworten, welcheUmständedabeimitgewirkt habenundwelcheweitere Entwickelungman hiernachzuerwarten hat.

Jchwillnun wirklichnichtdenhöchsterAchtung werthenNaturen zu nahetreten,diesich durchreinideales Legitimitätgefühloderdurch persön- liche SympathiemiteineminsUnglückgerathenen Herrscherhausebestimmen lassen, sichzuwelfischenFührernauszuwerfen.Ebenso giebteszweifellos Andere,diefreilich durch dieseMotive nicht getriebenwerden, dievielmehr, wenn essichlediglichumihre persönlicheNeigunghandelte, nicht auf welfischer Seitestehenwürden, die aber über denRechtspunktnicht wegkommenkönnen, dieThronbesteigungdesHerzogsvon Eumberland als dieeinzigemitdem einmal bestehendenRechtvereinbare Lösung ansehenunddeshalbdie Auf- werfungderFrage,obman sie wünschenodernicht wünschensolle,garnicht zulassen.AberbeideGruppen zählennaturgemäßihreVertreter überwiegend in denhöhergebildetenKreisen.DiegroßeMasse läßtsichstets durch ihr eigenes Interesse bestimmen;undso beruht auchdie StärkederwelfischenBewegung meines Erachtens nicht aufdenbezeichnetenGrundlagen, sondern siestützt sichganzüberwiegendaufdieUnzusriedenheitmitdengegenwärtigenVer- hältnissen.Esliegteinmalmenschlichnahe, daßman eineBesserungunbe- friedigender staatlicher ZuständeinersterLinievon einerAenderungander

(5)

Brannschweig. 237 Spitzedes Staates erwartet;solcheStimmung ist deshalbstetsderempfäng- lichsieBodenfür legitimistischeRegungen,die denGedankendesRechtes halb pewußdhalbunbewußtalsAushängeschildbenutzen. Die Mehrheitder IiiUgstabgegebenenwelfischenStimmen rührtvonLeutenher,dieunterallen UmständenfüreineoppositionellePartei stimmenwolltenundindieserLage demwelfischenvor demsozialdemokratischenKandidaten denVorzug gaben.

DaherkamauchdergleichzeitigeRückgangdersozialdemokratischenPartei.

SchoninHannover spiegelt sichZufriedenheitund Unzufriedenheitmitder aiIgemeinenpolitischenLageimSinkenundAnschwellenderwelsischenStimmen.

Wie vielmehr giltDasfür Braunschweig! Besondere Sympathien fürdas hannoverscheKönigshaushaben hierniemalsbestanden;undEreignisse,wie derVerfassungbruchunddieVertreibungderGöttingerSieben,konntenun-

möglichdazu beitragen,sie ins Leben zurufen. Man hattesichseit Jahr- zehntenanden Gedankengewöhnt,daßdasLanddemnächstmitHannover vereinigtwerde, und hatte sichindieses Schicksal gefunden;aberso wenig man 1866denSturzdesKönigshausesbedauerte,so wenigwürde1884 dieBevölkerunginihrer großenMehrheit besonderes Widerstrebenanden Taggelegt haben,wenn essichdarumgehandelt hätte,eineandere alsdie welsischeDynastiezubegründen.DasEinzige, worausman Gewicht legte, war dieErhaltungderstaatlichenSelbständigkeit;undman machtekeinHehl daraus,daßdiepreußischenSteuern unddiepreußischeBureaukratie zwei Dingeseien,denenman um AllesinderWeltfernzu bleibenwünsche- Wurde deshalbeineAnnexionan Preußen entschiedenabgelehnt,soist auch der danebenwohl aufgeworfeneGedanke einerStellungalsReichslandniemals aus dem NebeltheoretischerErörterungherausgetreten.

. Jst,wieich sagte,derNährbodenderwelfischenBewegung überwiegend dieUnzufriedenheitmitdenvorhandenen Zuständen, so entstehtdieweitere FragenachdemGrunde dieser Unzufriedenheit.Nunbrauchtman inun-

sererheutigenZeitinDeutschland eigentlich nicht nach solchenGründenzu suchen,dennsie liegenleidermehralsgenügendinunserer allgemeineninneren

Politik.AberesgiebtinBraunschweigdoch noch besondere Umstände,die m diesemSinne wirken(Man hatjaoftPreußendieFähigkeitabge- spkochelhmoralischeEroberungenzumachen;undinderThat,wenn eseines Beweiseshierfürbedürfte,sowäreerinBraunschweiggeliefert. Gleichder

ersteAkt,mitdemdaspreußischeRegiment nachdem TodedesHerzogssich emsiihrte,war eingeradezuunerhörtesBenehmen.JnderNachtvomsieben- zehiiiellzumachtzehntenOktober 1884 war derHerzog ferninSibyllenort gestorbenund schonim ersten Morgengrauen,bevor dieNachrichtbekannt geworden war, wurdeeineProklamationdesGeneralmajorsvonHilgersan- geschlagen,diesichinnichtsvon einersolchenunterschied,indereinemer-

(6)

238 DieZukunft.

oberten Landemitgetheiltwird, daßvon jetztabsein Schicksal durchdie EntscheidungdesSiegers bestimmtwerde. Fühlte doch sogardersofort zusammengetreteneRegentschaftrathsichveranlaßt,hiergegenProtest einzulegen, indemerzumAusdruckbrachte, daßeseinessolchen Auftretens nichtbe- durft habe,um diegesetzlicheErledigungderThronfolgefragezusichern.

Zweifellos hatteman inmilitärischenKreisen geglaubt, auf welfischeUnruhen gefaßtseinzumüssen,unddeshalb für nöthiggehalten, jedem solchenVer- suchevon vorn herein durch äußersteSchneidigkeitentgegenzutreten.Aber welcheLeutemögenesgewesensein,diesolcheBerichte nachBerlin erstatten konnten! Wäre damals schonderAnsatzzu einerwelsischenPartei·vor- handen gewesen, so hätte siedendenkbargünstigstenBoden gefunden.Aber nichtallein war Das nichtderFall,sondernderHerzog selbst hattedas Seinige gethan, daßdieMißstimmungsich nichtindieseBahn ergießen konnte, daer,entgegen denvonberufensterSeite abgegebenenErklärungen, derHerzog habederStadt BraunschweigeinenTheil seinesVermögensver- macht,wederihr nochdemLandedasAllergeringstezugewandt hatte.Ob- gleichdieRegirungdasTestamentbiszurErledigungderReichstagswahl geheimzuhalten suchte,war dochdieEnttäuschungderBevölkerungdurch denletztenWillen desHerzogseinwesentlicherGrund fürdieEroberung deserstenWahlkreises durchdieSozialdemokratie

Seitdem habendiemilitärischenBehörden diesenFadenweiterge- sponnen. Wenn man 1893Reserveoffiziereernsthaftverwarnte, weilsie als Mitgliederdesnationalliberalen Parteivorstandesnicht blindlings fürdie Militärvorlageeintraten, sonderndenAntrag Bennigsen unterstützten,wenn einpreußischerRegimentskommandeursichübereinenBeamten beschwerte, weilerihmdieUnzulässigkeitdesReitens aufdenPromenadenwegenin höflichsterFormvorgehalten hatte,wenn einalsReservisteingezogenerPoli- zeibeamtergeschuhriegeltwurde, weileraußerhalbseiner militärischenStellung dieOfsizierenicht gegrüßthatte, sowaren Dasnur einzelne typischeFälle, indenensichdieNeigungzumPrätorianerregimentkundgab,dieaberselbst einerso loyalenBevölkerung,wie derbraunschweigischen,allmählichdasBlut erhitzte.Aber denmilitärischenBehördenhat sichdiepreußischeEisenbahn- verwaltung würdigangeschlossen.WarfrühereineArtBoykottirungsystem geübt,um denVerkaufderEisenbahnenanPreußenzuerzwingen,sohatte

man nun inBraunschweig gehofft,mitdiesem Opfer wenigstensdieBe- handlung auf gleichemFußmitdenpreußischenLandestheilenzuerkaufen.

Aberdiese Hoffnungwurde enttäuschtzundnichtallein dieHandelskammer, sondernauchderLandtag hatder allgemeinen Unzufriedenheitmiteiner SchärfeAusdruck gegeben,wieman siebeidiesen zahmenundfriedlichen Körperschaftennichterwarten sollte.Ja, man beschränktsich nicht darauf,

(7)

Braunschweig. 239 dieInteressenderBevölkerungmit»Füßenzu treten,sondernman scheutin UeUestctZeit selbstvor BeleidigungenderBehördennicht zurück. Daßdie CisevbahnverwaltunginihrenzahlreichenProzessen bisher recht seltender iiegreicheTheil gewesenist,wirdvon unbefangenerSeite alsBeweis dafür angesehenwerden,daß sie nicht selten ungerechteundunbillige Ansprüchemit Hartnäckigkeitverfolgt hat. WenndieEisenbahnbehördeumgekehrtdarineine UngerechtigkeitderGerichte sieht,so magman ihr dieseAnschauung lassen, so lange sie sie stillimSchrein ihres Herzens verbirgt;aberwenn sieoffen dieRichter,die einihr ungünstigesUrtheil gefällt haben,derParteilichkeit befchuldigt,wenn siealleMitgliedereinesSenates desOberlandesgerichtes aus dem Grunde alsbefangen ablehnt,weilsie ineineranderen gegensie entschiedenenSache mitgewirkt haben, so istDas einVerfahren,dasman einem rabiaten Prozeßquerulantennachsieht,dasaber,von einer Staats- behördeangewandt, geradezu unerhörtist.

Jch glaubte,denLesern einigeAngaben thatsächlicherArtzuschulden, Ummeinvorhin ausgesprochenesUrtheil nichtganzohneBeweiszulassen;

zUnäheremEingeheninsolche Dinge ist hier nichtderOrt.

Aberbildetauch dieseallgemeine UnzufriedenheitdenNährboden,wie ichesnannte, fürdiewelfischenBestrebungen, so müßten dochauchPflanzen VOrhandensein,die indiesemBoden wachsen,undDaskönnennur Umstände sein,die zu derFragederHerrschaftformundderPersonderHerrschers eine unmittelbarere Beziehung haben. Nun ist wohl zweifellosjedes Pro- visorium,jeder Zustand,von demman weiß,daßernur einUebergangsein soll,etwasUnerfreuliches;undjelängererdauert,desto mehrwirdsich,zu- mxlwennschonansichStoff für Unzufriedenheitvorhanden ist,dieNeigung entwickeln,denprovisorischen CharakterdesZustandesals solchen fürdie empfundenen Mängelverantwortlichzumachen.Dastrifft auchinBraunschweig zu- Wennman dieLeutefragt,was fürUebelständedenn eigentlichdurch dasProvisorischederjetzigenVerhältnisseherbeigeführtwürden, soerhältman

Wohlniemals eineklareAntwort,nndeswäreinderThat schwer, siezu geben. Aberesliegtnun einmalindermenschlichenNatur, daßman eine endgiltigeOrdnung herbeisehnt,undinderThatbedeutetjaeindauernder Uebergangszustandeineninneren Widerspruch.

·

Im Zusammenhanghiermitkommtdannendlich auchdiePersönlich- keit desRegentenselbstin Betracht. Gegen ihnwerden eigentlicheVorwürfe vonkeiner Seiteerhoben, ja geradedieWelerhaben sogar stetsmitNach-

dkuckbetont,daß Prinz AlbrechtseinerStellung durchaus gerechtgeworden»

sel,underkennen einbesonderesVerdienstdarin,daßerniemalsdenVersuch gemachthabe,denCharakterseinerRegirungalseinerbloßenVertretungdes eigentlichBerechtigtenzu verdunkeln. Und doch steckthiereinerheblicher

(8)

240 DieZukunft.

fürdenWunschweiterKreise,dieRegentschaftdurcheine dauernde Ordnungersetztzusehen, ja,wenn man genaunachdenkt, so handeltes sichum einMoment vonstark tragischerBedeutung,daswohlverdient,nach- drücklichhervorgehobenzu werden.

Wenn nämlichdieWelfendieZurückhaltungdesRegentenloben,so darfman nicht verkennen, daßvonanderer Seitegeradeausihreingewisser Vorwurf hergeleitetwird;man beschuldigtdenPrinzen, daßerkeinInteresse

and»emLandenehme, ihm innerlich fremd gebliebensei,undfindetdarin mitRücksichtdarauf, daßdieEinwohnerschaftihminganzbesonders freu- diger Weise ihre Sympathien entgegengebrachthabe sogareinegewisseUn- dankbarkeit, dienun wieder eineAbkühlungjener SympathiezurFolgege- habt habe.Schondaserste AuftretendesPrinzen gab Anlaßzusolchen Gefühlen.Wennerbeiseinem feierlichenEmpfange aufdieihm gewidmeten warmen Begrüßungworteentgegnete: »Ich stehe hierimAuftrageSeiner MajestätdesKaisers«, sowirdman ohne Mühe verstehen,daßman zwischen dieserAeußerungundeinemkaltenWasserstrahleinegewisseVerwandtschaft entdeckte:warinihr doch deutlichgenuggesagt, daß eigeneNeigung fürden übernommenen Berufden Bestimmungsgrund nicht gebildet habe.Dem Anfang entsprachderFortgang·Alsbei derForderungeinerErhöhungder Civilliste dieser Anspruchdamitbegründetwurde,daßderPrinz streng zwischen seiner privatenundfeiner Regentenstellungunterscheide,daßerdieCivillisie durchausnur für Ausgabender zweitenArt verwende,aber nichtge- neigt fei,darüberhinausauseigenenMitteln Opferzubringen, mußteman

sowohldieGerechtigkeitdieses Standpunkteswie dieRichtigkeitderbeigebrach- tenRechnunganerkennen, undtrotzdem fandman indieserkaufmännischen BehandlungderFrageetwas Ernüchterndes,Kühles, Fremdes. Aehnlich liegtesbei derdenweitaus größtenTheildesJahresdauernden Abwesen- heitdesRegenten;man kannnicht behaupten, daß siezu einerBeeinträch- tigungder RegirungthätigkeitAnlaß gebe, siehtaberdochin ihreinen Beweis dafür, daßderPrinzan demErgehendesLandes,indemerso seltenweile, keinenbesonderen Antheil nehme.

Sind diese Vorwürfebegründet? Jch sprachvon einemtragischen Moment undfindeesandieserStelle. Tragifchnennen wireinSchicksal, wenn derHeldEtwas thut,daswirbedauern und das einebefriedigende Lösungverhindert,wenn eraberdochnichtanders handelnkann,ohneandere, gleichwerthigePflichtenzu verletzen.Das liegt hiervor. Jchbinüberzeugt, Prinz AlbrechtwirddasBedauern derBevölkerungüber seineZurückhaltung völlig verstehen, unddoch siehtergeradeinihrdieernste Pflichterfüllung Nichts hätte für seinZartgefühlverletzenderseinkönnen,als wenn inwelfischen KreisenderArgwohnBoden gefaßthätte,erbeabsichtige,inBraunschweig

(9)

Braunschweig. 241 für sichUndseineFamilie einwarmes Nestzu bereiten,nachdemerdenge- setzlichberechtigtenThronerben verdrängthabe. Deshalbabermußtefür ihn VVUAnfangandieErwägunginersterLiniestehen, geradeeinemsolchen ArgWOhnkeineUnterlagezu bieten, unddiesenZweckkonnteernur erreichen durcheinAuftreten,dasdennicht welsischenElementen derBevölkerungals Unfreundlicherscheinenmußte.

Esist überhaupteine wenngleichinweitenKreisenverbreitete,so doch irrige Auffassung,daßbei derUnterstützungderRegentschaftdes PtinzenAlbrechtdurchdiemaßgebendenpreußischenFaktoren dieAbsichtvor- gelegenhätte,inBraunschweigeineneue Dynastiezugründen. Jch leugne nicht-daß ich selbstDasfrüher geglaubt habe,undinderThat schienenge- wichllgeGründedafürzusprechen.Wollte man dieWelfenherrschaftbe- seitigen,sokonnteman Das, fallsman von einerAnnexionanPreußen Und derSchaffungeinesReichslandes absah,nur durchEinsetzungeines anderenHerrscherhanses.Demstanden offenbardieallergrößestenrechtlichen UndPolitischenSchwierigkeitenentgegen,aberwenn man überhauptdenVer- sUchmachenwollte,siezuüberwinden,sokonntedereinzigeWegnur der sein, daßman Thatsachen schuf,dieschließlichstarkund zwingendgenug wurden,um dieFesselndesformalen RechteszusprengenundpolitischeBe- denkenzubesiegen.EineThatsache dieserArtwar vorAllemnebeneiner gewissenDauer deszunächstalsUebergang betrachteten Verhältnissesder eigeneWunschderBevölkerung.Jch sagte vorhin, daßman siealsquantitå Uåsligeable betrachte;aberDasgiltnur so lange,wieesdemInteresse dermaßgebendenPersonen entspricht.WollendiesePersonenEtwaserreichen, se giebteseinenvorzüglichenStützpunkt,wenn man sich aufdasdringende Verlangendes Landesselbst berufenkann. Wollte man diesenFeldzugsplan Verfolgen,so mußte offenbarderzuseiner DurchführungauserseheneNegent suchen,sichdieSympathienderBevölkerungindemMaßzu erwerben, daß schließlichnach zehnoderzwanzig JahreneinmöglichsteinstimmigerBeschluß desLandtagesdieUeberführungdesprovisorischenin einendefinitivenZustand forderte Jch habe schonvor mehreren JahrenGelegenheitgehabt,von be- rufenerStelle zuhören, daßeinsolcher Planniemals vorgelegenhat.Jst Das aberrichtig, sokannich, sofernman trotzdemdieBeseitigungdes Welfellhauseswollte,inderEinsetzungderRegentschaftbeimbestenWillen keinevorausschauendePolitikentdecken, dennwennman einenBaum erzielen will- so thutman nichtgut,erst Schößlingezu pflanzen,dieman später wiederauszureißenbeabsichtigt,"sondernman muß gleichvonAnfangandas richtigeReisnehmenundsichfestwurzelnlassen:dannwirdman nach fünf- zehn Jahren schondeinen werthvollenStamm besitzen.

Was wirdjetztwerden? Diese Fragewird inneuester Zeitwieder

(10)

242 DieZukrmft.

mitbesonderem Eifererörtert,zumal, nachdem fürdenPrinzenderkürzlich erfolgteTodseiner GemahlineinenmenschlichverständlichenGrund geschaffen hat, seine Stellung aufzugeben.VondenverschiedenstenSeiten hörtman, daßererklärthabe, nicht nach Vraunschweigzurückkehrenzuwollen,und mehrfachwirdindemPrinzen Adolfvon Schanmburg,demSchwagerdes Kaisers,derMann gesehen,derberufensei,zunächstalsRegentundspäter vielleichtalsHerzog einzutreten.EineUnterstützungfür diese Vermuthung siehtman darin,daß seitdemBeginndesWinterhalbjahresdieNeffendes Prinzen,dieSöhnedesFürstenvonSchaumburg-Lippe, hier wohnenund dieSchule besuchen;vor einigenMonaten ging sogardasGerücht,dieGe- mahlindesPrinzen Adolf sei hier gewesenund habe tief verschleiertdas Schloß besichtigt,—- alsob dieEntscheidungvon derFrage abhinge,ob diekünftigenWohnräumedenHerrschaftengefielenlEsistnichtzuleugnen, daß verschiedeneUmständeeinebaldige Entscheidung wahrscheinlich machen.

Man willwissen, daßderHerzogvon Cumberland seinemVater auf dem Totenbett versprochen habe,niemals aus Hannoverzuverzichten. Jster durcheinsolches Versprechen verhindert,eineErklärung dieserArt abzu- geben,dievon Preußen nicht entbehrtwerdenkann,wenn esseinenWider- spruchgegendieThronbesteigungaufgebenwill,soliegtesnahe,an den Auswegzudenken,daßderHerzogzuGunsten seines Sohnesaufsein Thronrecht verzichtet; dieser ist durchkeinVersprechen gehindert,dievon Preußen geforderteErklärungabzugeben,undsteht auchdenEreignisfenvon 1866 freier gegenüberalsseinVater. Aberauch fürdieStellung Preußens istDas von Bedeutung. Betrachtetman denVerzicht auf Hannoverals Vorbedingung fürdieThronfolgeinBraunschweig,so ist, strenggenommen, eineendgiltige AusschließungdesWelfenhausesniemals möglich,denndie Verweigerung jener ErklärungbildeteinHindernißnur fürdiejeweiligzur Regirung berufene Person, läßtaberdieMöglichkeitoffen,daßspätere Generationenihren FriedenmitPreußen machen. Dagegenkannman nicht einenZustand,derbegrifflichnur alsUebergangSinn undBedeutung hat, Jahrhunderte hindurch bestehenlassen.Esliegt deshalb nahe,denAbschluß inderzweitenGeneration zufordern,d.h. sich aufdenStandpunktzu stellen,daß freilich außerdem unmittelbar Verechtigten auch noch dessen SohnedieEntscheidungoffengehaltenwerde,daß aber,wennauchersie nicht treffenwill,einDauerzustand geschaffenwerden müsse.VonbeidenGe- sichtspunktenaus ist deshalbeinwichtigerZeitpunktdieVolljährigkeitdes Prinzen Georg,desältestenSohnesdesHerzogsvonEumberland. Unddieser istamachtundzwanzigstenOktober eingetreten.

Auch nocheinanderer Umstand scheinteiner baldigen Erledigung günstig.Man hat mancherlei Anhaltspunkte fürdieAnnahme, daßder

Cytaty

Powiązane dokumenty

»Wir müssen durch das neuzuerbauende Walzwerk einen erhöhten Ausgleich finden für den Ausfall, den wir bei den Aufträgen für Schienen, Schwellen und sonstiges Oberbaumaterial dadurch

Zeiten, wo sie selbst eine großeKrinoline getragen hatte und auf der Friedrich- straße allmählig größereHäuser entstanden und die alten großen Gärten dort immer mehr zugebaut und

In einem Nothstandsjahr hat ein ostpreußisches Gutsbesitzerpaar, dem es noch leidlich ging, zwei fremde Kinder ins Haus genommen. Der Knabe ist der Sohn eines dem

sind. Und dann werden die erprobten Patrioten, die seit zehn Jahren alle schlimmenFehler mitgemacht und meist mit Jubelgesängenbegleitethaben, sich in schöner Wallung um die

Viel wäre bei Moreau über das rein Technische zu sagen, besonders über seine Behandlung der Farben. Moreau war von Anfang an sarbiger als die meisten seiner Zeitgenossen. Doch in

Er ist —- anderthalb Jahrzehnte später — noch immer Junggeselle und wohnt ärmlich genug in einer möblirten Stube. Er ist eben Susanne Dam- bacher, der Frau des reichenSportsman,

Als historisch gebildeter Mann glaube ich, ein Urtheil über die allgemeinen Lebens- bedingungen der Völker und Staaten zu haben, aber als Laie in Marinesacheu kann ich unmöglich

Vorherrschaft gewann, die geborene Herrscherin. Die Jahrhunderte gingen dahin und noch bespült die Aare den Fels, darauf die mächtigeBurg der Zähringer er- stand; von drei