Ein naturwissenschaftlichenVolksblatt BeranrgegrliennnnE.I. Noßmäszlrn
Wöchentlich1Bogen.DurchalleBuchhandlungenundPostämter für vierteljährlich15Sgr.zubeziehen.
Jsd.42. 1859.
YieJahreszeitenim Innern Aftilia’5.
VonDr.A. E.Brehm.
SchonimsüdlichenEuropakannman nichtvon vier Jahreszeiten sprechen:dennesgiebtdortkeinescharer Grenzenmehr zwischenWinter undFrühling,Sommer undHerbst. JmNorden Afrika’s istes nichtanders.
Egypten z. B. hat wohlzseinenSommer undseinen Winter noch,nichtaberHerbstundFrühling. Daher sprichtder Araber zwarvondemSommer,»demFreunde«
undvondemWinter, »dem FeindedesMenschen«-Nicht abervonunseren schönstenJahresvierteln: weildaseine, derFrühling, ohne Frühlingslichtund Frühlingsglanz, ohne DuftundKlang beginnt,wenn sichdie über dieUfer gefluthetenGewässerdes Niles verlaufenhabenundder MenschdemzuSchlamm umgewandeltenBodendasKorn zu KeimenundSprossenanvertrauen kann,undweil das andereViertel, dersruchtspendendeHerbst,mitseinemSegen durchdasganzeJahrgeht.
Bisgegen denGleicher hinändernsichmitden Län- dern,welcheman bei einemVordringen nachSüdendurch- wandert,auchdieJahreszeiten.DieLänderzwischendem 160und240dernördlichenBreite möchteichLänderdes ewigenSommers nennen; dennhier unterscheiden sichdie verschiedenenM»onatedesJahres fast einzigundallein durchdieherrschendenWinde, welchevon denringsan- grenzendenLand- undWasserstreckenKundebringen, daß hieroderdaSommer oderWinter gekommen. Jn den Monaten Oktober bis März weißderstetigwehende Nordwind vom eisigenWinterseiner Geburtsstättezuer- zählenundwird,gleichsamentrüstetwegen desallgemeinen Unglaubensan seine Berichte,zuweilen so ungestüm,so
-
schneidendkalt,daßder BewohnerdesSonnenlandes Nubien ebenso entsetztalsgrollend sichvorihmin das Innere seiner leichtenwürfelgestaltigenStrohhütte zurück- ziehtundderverwöhnteEuropäer sichinseine Reisepelze hüllt,magauchderWärmemesservon 10undmehrGra- den reden: —- ichwillmichdaran erinnern, daß ichbei -s—140R.die WärmedesFeuershöchstbehaglich gefun- denhabe. NacheinemWechselkampfederLuftströmungen ausallenRichtungenderWindrose, gelangtim Aprilauch hierderSüdwind zurHerrschaftundbehauptet dieselbebis EndeJuni, seinen afrikanifchenUrsprungundsein tropi- schesGeprägeoftgenuginfurchtbaremWüthenkundgebend.
VonJulianbis zum Oktoberwechselndie Winde vielfach ab:dieseMonate sinddieZeitderOrkane,wie dievorher genanntendie derSandstürme sind.
Außer diesen hereinrauschendenBoten derFerne,er- kenntman ingedachtenLänderndenWechselderJahres- zeitnur etwanochandemReisenderDatteln undanderer nur einmalimJahre sichentwickelnden Früchte:im Uebri- genistkeinUnterschiedwahrzunehmen zwischenWinterund Frühling,Sommer undHerbst.
Anders istesin denTheilenderTropenAfrika’s,in welchenzeitweiligUnter demfürchterlichstenAufruhrder Natur dasbefruchtendeWasserausregenschwerenWolken stürzt,undzu anderen Zeiteneswiederum dieeinzigeAuf- gabeallerthätigenNaturkräftezufein scheint,dasdurch dieRegengüssezumLebenGerufenezuvernichten. Hier sind zwei Jahreszeiten scharf ausgeprägt:einFrühling undein Winter, inwelchemanstattder Kältedesunsrigen
657
dieGluth erstarren macht; zwischenbeidenliegtaberein Herbst, reichanschönen,anmuthigen Tagenundlieblichen Nächten,reichernochanGaben: dennerist diejenige Zeit desJahres,inwelcherdieHimmelssaat,derRegen, Früchte bringt. Jnallenzwischendem12.0und16·o nördl. Br.
liegendenLändernistindenMonaten NovemberbisFe- bruar dasüppigeLebendesFrühlingsderversengenden Hitzedes Winters nochnichtunterlegenzund wederdie TückedersieberschwangerenRegenzeit,noch dieallesLe- bende,auchdenMenschen niederbeugendeGluthderZeit derDürre hindertdasWohlseinUndGedeihenderPflan- zen undThiere. So können wirhiermitvollsterSicher- heitdreiJahreszeiten unterscheiden:
1)dieRegknzeit,.mit unseren Verhältnissenver- glichen,denFrühling,
2) dieeBritderallgemeinenErnteoderdenHerbst- und
3)dieZeitderDürre, hinsichtlichderGluth Unse-
remSommer nur entfernt,hinsichtlichderWirkungUn- seremWinter durchaus ähnelnd.
Wirwollendiese Zeit zunächstbetrachtenundmitder entsprechendenunsererGegenden vergleichen.
I.UnserWinter und derWinter derTropenländer Ufkikcks
Ein Novembersturm heult seine Schlasgesänge durch das Land. EssindeigenthümlicheWiegenlieder, welche
ersingt:siehabenkeinenmilden Liebesklang,wiedas SchlummerliedderMutter, sonderneinentrotzig befehlen- denTon, wie einGewaltherrscher ihn brauchen muß,wenn
erGeisteslebenertödtenwill. AllesLebendigezittertvor solchem Wüthen.Diestarren,gewaltigen Eichen stellen sichmuthigzurGegenwehr,knarren undächzenaberden- nochimGeheuledes Sturmes; dieFichtenbeugen sich wiegendhinundher,alswollten siesichschmeichelnddem Wütherichfügen,welcherandienoch laubtragendenWipsel dieletzteHandderZerstörung legtundmitverdorrten und noch grünendenBlättern einenWirbeltanz aufsührt.Die Thieredenkenbereits andenWinterschlummer— oder entrinnen. Noch decktderHalmenwalddas Feld, noch.
grünen WieseundRain, nochsiehtman einBlühenund Reisenüberall: dabricht schonderMauersegler (Cy- pselus apus)zurReise,zurFluchtvordemWinter aus;
der,,Nachtigallensang verklingtmitderNachtigall«, dieSchwalbe rüstet sichzurWanderung. Nur wenige derflugbegabten Reisendenwarten überhauptsolchDrohen ab, wie der Winter imNovember es-voraussendet,sondern ziehenschonimSeptemberund Oktober davon: undwenn derersteHerbststurm durchdasLandbraust,dawandern sicherlichauchdieletzten nach.Die dann noch zurückblei- benden Vögel sind gewillt, auchden Winter hierzuerwar- tenundrüsten sichausseine Ankunft,indemsiesichinstär- kereFlüge zusammenschlagen, gleichsamzuSchutzund Trutzgegen dengestrengen Herrn. Andere abersuchen sich, wie uns(in Nr. 7) einwarmer FreundundKundiger derNatur mitgewandter Feder belehrte, solchen Schutz lieberinwarmen undverborgenen Verstecken, schlummern hiereinund erwarten, gleichsamdemwachenLeben ent- rückt, dieWachrusedesFrühlings.UndwiederAndere schlummern hinüberinewigen Schlaf, nachdemsievorher KeimezufrischemLeben,Vermächtnissefür spätere Tage- in den treuenMutterfchooßderErdeniedergelegtundihr zurtreuenObhut empfohlen haben.Alleswirdstillerund stiller, regungsloserundtrauriger.
658
Der nun heranziehende gestrenge Herr istbei aller scheinbaren Härtevielmilder,alsseine Gesandten.Zwar bannt ermitseinemkaltenHauchevieltausendLeben und Keime,daßsieschlummermüdinihrenZauberschlafsinken:
aberdafürbreitet erauchdieweiße,warme Decke über die Schlafendenundbirgtundschütztsieunter derselben.Und diefröhlicheSchaarderseinerKälteTrotzenden läßt sich nichtbeirren VonKälteundFrost. DasWildsitztunter demWinde,mitdemGesichtdemkaltenNordhauchent- gegen,inseinemkaltenBette garbehaglich;derMeisen (Parus)munteres Volk, dieseuerköpsigenGoldhähnchen (Regu1us)undBaumläuser (Certhia) schweifenunter FührungdesBuntspechtes (Picus«major)ansonnigen Berggehängenumher;dieklugenRaben flüchtensichzu demMenschen,Goldamm ern (Emberiza citrinella)er-
scheinenmitFinkenmännchen,— denndiezarterenWeib-
«
chenreis’tenindieFremde— Feldsperlingen (Passer montanus) undHaubenlerchen (Alaudacrjstata) ander nahrungsreichen Scheuer; Stieglitzchen (Fkingillacar- dueljs)undHänsling(Fr. cannabina) besuchendiedistel- tragendenRaine und Leeden; Zeisig (Fr. spinus)und Leinsink (Fk- linariey klauben dieErlenzapsenaus; zu demgemüthreichenundzutraulichen Gimpel (LoxjaPyr- rhulas)gesellt ssichderfremde- dummdreistindieWelt schauendeSeidenschwanz (Bombycjllagarru1a),zudem Grünling (L0xiuchloris) derdickschnäbligeKernbeißer (Fr. coccothraustes); Wasser-undSchneekönig(Cin- clusaquaticus undTroglodytesdomesticus) singen ihre Winterlieder, unddieernstenKreuzschnäbel(cruciro- stra)sogarLiebeslieder ihren Weibchenvor· Kurzdaist überallnoch regesLeben. UndauchdiePflanzen sind ja noch nichtalleeingeschlummert;denn deraufmerksame BlicksindetanFelsenund Baumstämmendas schlichte VölkchenderMoose undFlechten, Flora’s Abgesandte amHoslagerdesWinters.
Esist zwar stillund einsamimwinterlichen Walde, nicht abertodtund öde. DerNadelwald scheint erstim Winter rechtzuerleben, währendderLaubwald gerade zu dieser Zeitgartraurig geworden ist.
Jnihmverdorrte derSchmuckdesBodens wieder Wipselund starb dahin; unheimlich rascheltderSchritt im dürren Laube,welches nichteinmaldieweißeDeckever- hüllenkann;dieAestebleibenkahlundöde, auchwenn der Reis einmalseinenglänzendenJuwelenschmuckihnenan-
legenwill. Soistder ganze WaldnichtdesSchlummers, sonderndes TodesBild;undnur Epheu, derhingeben- den, nie verwelkendenLiebe,undJmmergrün, dergerade inderTrübsalamsreudigsten erblühendenHoffnungSinn- bilder sagenzudemübrigenLebenden: ,,Gedenkedes Frühlings.«
Wenden wir von diesem heimischenBilde denBlick nach Afrika·
DieFeldersindabgeerntet,unddieErnte ist einge- heimst:derMenschhat ausgesorgtsürseineNahrungund Nothdurst,abernochlange nicht sürAlles, was ersein Eigennennt. Denn sowiedie Sonne sich scheinbarwieder demNordenzuwendet,umdortFruchtundKernzureisen, beginntin denLändern, inwelchenzurMittagszeit ihre Strahlen nachSüdenhin fallen,dienun stetig fortschrei- tendeZerstörungoderwenigstensEinschläferungdesLeben- digen.NichtmitderzunehmendenKälte, sondernmitder sich mehrenden GluthrücktderWinter heran. Heulende Stürmeverkündenihn auch hier:abersiekommen vom Mittag herundnichtvom eisigenNordpol. Jnallen RegenströmenfließtschonseitMonaten keinTropfenmehr;
dasWasserderRegenseen ist Verdunstet. Diegefiederten
659
Bewohnerder WäldersindzumgrößtenTheilebereits ent- flohen.Allenordischen Wintergäste flogen ihrer frisch- grünen Heimathzu; aber auchunter denimLandehei- mischen Vögeln begannmitdemEintritt der Dürre ein Wandern undReisen:und soverließenmitdemkleinen schwarzen Storch(CiconjaAbdimii), welchermitglei- chem Vertrauen alsunser weißerStorch(C. alba) zudem Menschenkommtund auf dessen Wohnungdieseinigeer- richtet,undvielenandern, hiergarnichtzunennenden, auchderNimmersatt (Tantalus lbis) undderheilige Jbis (Ibisreligiosa)dasLand,umnachSüdenzuwan- dern,derletztere scheinbarinderAbsicht, noch heute seinen uralten Berufzu üben,aus demtiefsten, märchenhaften Innern sichKunde zuholen,ob denn derheiligeStrom sein göttlichesRecht,zuschaffenundzu erzeugen,nichtwie- dergeltend machenwolle. Aberauchdieser geht,wie alles Flüssige, seiner Armuth, seiner Gefangenschaft entgegen.
Zwar nichtmitkrystallenenBanden schlägtihnder Winter inFesseln:aberernimmtihm gleichwohlseineFülle, sein Leben;die Erdeunddie Lufttheilen sichinseineGewässer.
DerNothderArmuthzuentgehen, graben sich jetztdie merkwürdigenLurchfische (Protopterus aethiopicusund Clarotes Heuglinii) tief indenfeuchtenLetten ein,um
hierwie dieechtenLurcheeinHalblebenzuführen; ihrem Beispiele folgen FröscheundKröten, Schildkröten und, wenn ihmderVerbindungswegzutiefen Flußstellen durchdasAustrocknen desFlusses abgeschnittenist,auch dasKrokodil (Crooodjlus niloticus), welches zuweilen sechs Fußunter derOberflächeeinesausgetrocknetenFluß- bettes gefundenwird. Bäume und Kerbthiere ver- trauen ihreSamen undEierdererhaltendenMutter Erde an: sieselbsterstarrenundsterben.
Die ganze Natur legt nunmehrihr winterliches, farben- armesKleidan. LängstschonhabenBäumeundBlumen ausgeblühtundausgeduftet;nur wenige leuchten noch saf- tigundgrünausdem verdorrten Blättermeere deranderen hervor.EsistkeinAbsterbenundVerwelken, wie beiuns- keinErblüheninRothundGelbvor demAbfallen,wie bei uns zuLande imHerbste, sonderndasFallender Blätter beginnt plötzlichundist raschbeendet. WennIm FebruarundMärzdiegluthhauchendenWinde daher- brausen, welcheindenWüstenzumSamüm (oder Sa- muhm),inEgyptenzumEhamasinwerden—— dieselben, welche unter demitalienischenNamen ,,Sirocco«,dem spanischen ,,Solano« unddemdeutschen »Föhn«und Thauwind auchinEuropawohlbekanntsind— schrumpfen
-zuBoten desFrühlingswerden.
660
die Blätter zusammen,wiegemähtesGras imStrahlder Sonne, dörreikvollständigausundfallen theilweisenoch grünzur Erde,oderwerdenvom Sturme anden Bäumen selbstwiezuPulverzerrieben.ErstimAprilundMai siehtman einzelneStreckendesWaldes imHerbstgewande.
Jedochkannman auchdannnoch nichtvoneinemgleich- mäßigenWelkenundAbfallen sprechen,wie wires zusehen gewohntsind;dennwährendeinige, namentlichdiemeisten Mimosen (Mimosa. nilotjca. M.mellifera undandere) schongänzlichihresLaubes entkleidet sind,stehenandere, wie die Tamarinde (Tamarindus"indica),derNabakh- strauch (Zizyphus spjnaChristi) undvieleSchling- pflanzen, zumal Cissus quadrangularis, nochimschön- stengrünen Schmuckund wissendieGluth durch ihre Frischezubesiegen. Ja, geradewenn dieHitzeamgrößten unddieZerstörungbereits allgemein geworden ist,gerade dannhülltsicheineMimose, welchebisdahin kahl dastand, in einfrischgrünesFrühlingskleid:esistdie,,Harahsi«, zudeutsch »die sich— durch ihreDornen — Schützende«;
ihren wissenschaftlichenNamen kenneichleidernicht.Mir ist dieserBaum immerwie einProphet erschienen.Wenn alleübrigenBäumedasvollsteLebenentfalten, isterdes kommendenTodesBild;wenn aberderstarre Todesschlaf, denerverkündete,sichwirklichherabsenktaufjene,wirder allein zumKünderundBürgendes wiedererwachenden Lebens, scheinterallein,dernun in dertraurigstenZeit desJahres prangende,denniedergebeugtenMenschenund ThierenwiederHoffnung gebenund dasWortzurauschen
zuwollen: »EsmußdochFrühling werden!« Denn
dieimmergrünen Bäume können nie undnimmermehr Das habe ichinAfrika undneuerlich wieder inSpanien lebhaftgefühlt·Dort behalten außerdengenannten auch noch einigelorbeer- artigeBäume,hier mehrere Eichenarten unddie Oran- genihren Blätterschmuckjahraus, jahreinundkönnen uns wohl für Augenblickean denFrühlingerinnern: wenn dieseraber denihreBlätter wechselndenBäumen schmei- chelt,bissiemitfrischemGrünihn predigenwollen, dann merkenwirerst,wiedüster,wie todtjeneunserscheinen.
Unddeshalbnenne ichdieHarahsi denFrühlingsbaum desInnernAfrika’s: wohlverstanden denjenigen, welcher ihn langeim Voraus kündet. Denn nochliegen mehrere böseMonate zwischendemErleben derHarahsiund dem ersten Regengusse,desgfrikanischenFrühlingsErwecker.
(FortsetzungindernächstenNummer.)
-W
WieentstehendieYeriteinerungen7
(Schluß.)
WirhabeninvorigerNummer erfahren, daßAbdrücke, AbgüsseundSteinkerne unsbaldmehr,baldwenigervoll- ständigdas BildvorweltlicherGeschöpfeaufbewahrt haben, ohne daßwirjedochdabeieigentlicheVersteinerungenvor unshatten;undwirkonnten diesenNamenstrenggenom- mennursolchenvorweltlichenResten thierischerundpflanz- licher Wesen zugestehen,bei denennichtblos dieäußere Gestalt, sondern mehroderweniger auchderinnereBau erhaltenwar.
BegreiflicherWeise istdiesbeiPflanzen häusigerder
Fall,weil dieweichen, chemischenZersetzungen so leicht unterworfenen, TheiledesThierleibes sich fürdie Um-.
wandlunginSteinmasseweniger eignen,alsdieholzigen Gebilde derPflanzen.Wir finden dahervon Thieren alsechte Versteinerungenfastnur diekalkigenoderkiese- ligenGebilde derThierkörper:Zähne,Knochen,Gehäuse, SchuppenundSchilder,Korallenu.s.w.
DieAufbewahrunglebendigerGebilde fürkommende Jahrtausende,und diedamit verbundene Umänderung ihrer MasseundErhaltung ihresGewebes sindetinden
661
verschiedenstenGraden statt. Wirwollen dieser Stufen- folge gemäßvorschreitenundzunächstEtwas davonaus- nehmen,was man gewöhnlichmitUnrechtzudenVerstei- nerungen rechnet.Dies sinddiebekannten »versteinerten Krebse, Vögel, selbst Blumensträußchenvon-Karlsbad«, welchekeinKurgastdenSeinigenals,,souvenjr deCaris- bad«mitheimzubringen unterläßt,undzweitensdie »ver- steinerten Vogelnester-«aus denGradirhäusernderSalz- werke· Beidessind blosUeberrindungen, Inkrusta- tionen,«d. h. EinhüllungeninSteinstoffe, welche sichaus demSprudel-unddemSoolwasseraus denKörpernnieder- geschlagenhaben, ohne daßdieMassedieser selbst wesentlich verändert würde. In denmeisten dieser
anvielenOrten vorkommenden Fälle istesinWasserge- lösterKalkoderKieselsäure(Quarz), welchedieUeberrin- dung bewirken;inderDornenwand derGradirhäuserIst es der inderSoole enthaltene aufgelösteGypsund Kalk- welchesichinstrahlenförmiggeordneten Krystallenanden Dornen unddenindenselben zufälligvorhandenen Vogel- nestern absetzenmüssen,weilausderdurchsickerndenSovle dieKohlensäureentweicht, welche jeneinderselbenin Lö- sung erhielt.NebendiesenalleinaufchemischemVorgange beruhenden Inkrustationen kommen seltner auchsandige Ueberrindungenvor,indemz.B.beiKilrotpointinIrland
anderMeeresküsteSchachtelhalmegefundenwerden,welche mit« einer Sandkrusteüberzogen sind,diedurcheineisen- schüssigesBindemittel zusammengehaltenwird.
Indem wirnun dieechten Versteinerungen be- trachten, habenwiralsallgemeinen Erklärungsgrundder- selbenzubezeichnen, daßdieorganischenKörpervoneiner LösungeinesMineralstoffes(kohlensaurenKalkes, Kiesel-- säure,Schwefeleisenoderdrgl.) innig durchdrungenwerden, welche alsdann wiederfeste Formannimmt unddabei die Stoffedes zuversteinernden Körperstheils verdrängt, theilsmitihnenVerbindungen eingeht.
Diejenigen thierischenKörper,welcheinderHaupt- sacheauseinemMineralstoff(Kalk)bestehen,wieKnochen, Korallen undWeichthiergehäuse,werden dabeiinvielen, wenn nichtinallenFällen zunächstdurchdenEinflußder atmosphärischenoder Bodenseuchtigkeitoder durchdas tropfbare Wasser ihres thierischenLeimesberaubt. Da- durchwerdendieselbeninderRegel leichterundbrüchiger, mehroderweniger entfärbt.BiszudiesemZustandenennt
man dieseKörperverwittert, ausgelaugt odercalci- nirt. Bekanntlich sindetman indiesemZustande sowohl in der AckererdealsimBodensatzundimUferkiesderGe- wässerKnochenundMuschel-undSchneckenschalen,welche oftinwenigenJahrenindiesen Zustand übergehen,wo- beiauchLichtundLufteinenEinflußausüben.
Diesecalcinirten Knochenund dergl. sindgewisser- maaßendieerste StufederVersteinerungund gehören natürlich noch nichtin das Gebiet derPaläontologie (Vorwesenkunde),weilsie aus dererdgeschichtlichenGegen- wartstammen. MansindetaberauchinGesteinenälterer Schichten Versteinerungen, welchevondiesemZustandeder Auslaugungsichnicht wesentlich.entsernen. Meist ist je- dochindiesenderkalkigeGrundbestandtheilin einemande- renVerhältnißvorhanden,inversteinerten Knochenz. B.
·
nebendemphosphorsaurenderkohlensaureKalk in einem überwiegenderenVerhältnissealsinfrischenKnochen,und außerdemeinGehaltanThon-undKieselerdeundvon Fluorcalcium.
DieAuslaUgUUggeht zuweilen sehr langsamvonstat- ten,undunter Umständen scheinen KnochenundZähne Jahrhunderte- VielleichtJahrtausende lang tiefimErd- bodenliegenzu können,ohneeineVeränderungzu erleiden.
662 Dies beweisen besondersdiezahllosen nochganzfrischen Elephantenzähne,welcheman in Sibirien gräbt,wo der Elephant längst nicht mehrlebt. Beiweitemdasmeiste verarbeitete Elfenbein stammtvon solchengegrabenenZäh- nen,diedurch ihrebräunliche,etwas rissige Oberfläche,die beginnende Auslaugung,vonfrischen sichunterscheiden.
Nachder Artdesversteinernden Stoffes unterscheidet
man Verkalkung, Verkieselung undVererzung, je nachdemeineLösungvonKalk, oderKieselsäure,odereinem Metall, meist Eisenoxydhydrat(Rost),oderSchwefeleisen (Eisenkies, Schwefelkies)dabeiwirksamwar· Sehr selten kommenandereMineralstoffealsVersteinerungsmittelvor.
Kalk undKieselsäure (Quarz)treten amhäusigsten alssolches auf,undzwarbeiKörpernausbeidenorgani- schenReichen. Echte Versteinerungenim vollkommensten Grade, d.h.mitvollständigerErhaltungdesinneren Ge- webes,kommenbei denPflanzenvielhäusigeralsbei den Thierenvor, beiwelchenletzterensiesogarsehr selten sind.
DieUmwandlunginSteinmasse scheint, nachdemein- malderThier-oderPflanzenkörpervonderversteinernden Lösungvollständigdurchtränktwar, wasebenfalls oft sehr schnell geschehenseinmuß, sehr schnell stattgefundenzu haben;denn man findetoftsehrzarte,leicht zerstörbare GebildeindenhärtestenSteinumgewandelt, namentlichin Feuerstein (Kieselsäure). Invielen,besondersdengelb- lichen, wolkigenundfleckigenFeuersteinensindetman mit demMikroskopziemlichhäufigInfusionsthierchenunddie zartesten Korallengebilde.DieKieselmasseist vielleichtin vielen Fällen kieselsauresKali oderkieselsauresNatron (beidealsWasserglas bekannt) gewesen.
Einige versteinernde, meist zugleichheiße,Quellen be- weisendieSchnelligkeitderVersteinerungindenhärtesten Versteinerungsstoff,denKiesel.In dembrasilianischen DistrikteSt.Paul fließteinBach,dersoreichanaufge- lösterKieselerde ist, daßalleinihn fallende Pflanzentheile insehrkurzer Zeitmit einerKrustevonKieselerdeüber- zogenunddann imInnern ganzverkieseltwerden. Da- gegenzeigen sichdiein derDonau beiBelgrad noch stehen- denPfeilerder imJahre104 von Trajangeschlagenen Brückenur ersteinenhalben Zoll tief versteinert,was na- türlichingeradem VerhältnißzudemKieselsäuregehalt desDonauwassers steht.
Von besonderem Interesse istdienur stellenweiseer-
folgte VersteinerungimInnernvonHolzstücken. Inder reichen Cotta’schen,jetztinBerlin besindlichen Versteine- rungssammlungbefand sichein StückBuchenholztauseiner sehraltenWasserleitungimBückeburgischen,inwelchem
nur federkieldicke,inderRichtungderHolzzellenverlau- fendePartieninKalk versteinertwaren, undzwarmit vollkommensterErhaltungdereinzelnen Zellen, während ringsumdiese versteinerten PartiendasHolzzwaretwas verrottet Undbrüchig,abersonst nochganzgesundwar.
NachderAuflösungdes Kalkes inSalzsäureblieb nach Göppekks Untersuchungvondenversteinerten Theilendie organischeSubstanzdesZellengewebes zurück,inwelcher dieeinzelnenZellenundinderenHäuten noch Gerbsäure nachweisbarwar, so daßderKalkwohlin keinechemische VerbindungmitdemZellenstoff eingegangen gewesensein, sondernnur indenZellen eingelagertund in dieZellen- wandungen endosmotischeingedrungen seinkonnte-
Unsere Figuren1,2und3sollenunsnun zeigen, daß namentlichdasHolz oftmit dervollkommenstenErhaltung desZellengewebes versteinertvorkommt. DasFig.1ab- gebildeteStücksiehteinem lebenden StückFichtenholz täuschendähnlichundkönnteleichtfür solches angesehen werden,wenn diesnichtderKlang,dieSchwereundHärte
663
und dermuschlig-blättrigeBruch verhinderte.Man er- kennt daran leichtdieJahresgrenzenunddiesehr feinen Markstrahlen. Fig.2zeigtaneinemetwastecknadelkopf- großendünnenSplitterchenvom Querschnittedasblos ausZellen (ohne Gefäße) bestehendeunddaher bestimmt einNadelholz anzeigendeGewebe, welcheszumTheilaus von allenlebendenHolzarten sehr abweichendgestalteten Zellenbesteht,diereihenweisedem§-Zeichen ähnlichsind.
Man erkennt deutlichdie dünnegelblicheZellenhaut(a) undinnerhalb derselbendenaufgelagerten wasserhellenVer- steinerungsstoff(Kieselerde)(b),so daßvon demZellen-
raume nursehr Wenigesleerübriggebliebenist(’«).Auf
einemanderen Splitterchen, welchesvom Längsschnittege- nommen ist (Fig.2),siehtman diequergehendenMark- strahlen,UndaufdenZellenwandungendiedemNadelholz
eigenthümlichenTüpfel, welchewir inNr.14,Fig.4- km- nenlernten. Hier sehenwirimLängsschnittdieunregel- mäßigenleerenRäumeindenZellen(*), inwelchenwegen derin denZellen enthaltenen LuftdieVersteinerungslösung nicht eindringenkonnte.
Dieses Holz ist währendderVersteinerungaugenschein- lich gesundundfrischgewesen. Ebenso bestimmtkannman aber anderemversteinertenHolze ansehen,daßes dabei be- reitsverfaultwar.
Das zierlicheGebilde,welchesinFig.4u.5abgebil- detist,gehörtzudenzahlreichenVersteinerungenderLias- schichten,esistein Stückdesoft sehr langen gegliederten Stieles einesHaarsternes (Pentacrinus scalaris),vondem jedesGlied auf beiden Seiten aufdasregelmäßigstege- prägt ist, so daß dieseoft ungemein häusigvorkommenden
664
Gebildesicherlichin das GebietderNaturindustrie gehören, welcheinunsererNr·4in der,,Ausstellung«zurAnschau- unggebrachtwar. Dies zeigt namentlichdieFlächen- ansichteinesGliedes, welcherechts dargestellt ist.
YeslialjlungoderMumisirung Von derhöchstenpraktischenBedeutung istvon den verschiedenenVersteinerungs-Vorgängendie Verkohlung.
Man fühlt sich nicht sehr geneigt, dieselbeeineVersteine- rungzunennen, weilwirdenKohlenstoss,densehrüber- wiegendenHauptbestandtheilderStein- undBraunkohle, alseines der4sogenannten organischenElemente (Sauer-, Stiel-, Wasser-undKohlenstoff)denübrigenalsdenun-
organischenElementen gegenüberstellen,undweildurchden VorgangderUmwandlunginStein- oderBraunkohle nicht
indemselbenSinneversteinernde Mineralstoffein diePflan- zenmasseeindringen;wieesbei derechtenBersteinerungmit Kalk,KieselsäureoderEisenderFall ist. IhrenBestand- theilen nachwerden diePflanzen,aus denen die Stein- undBraunkohlen entstehen,nur wenig verändert,denn es dringtderMenge nachnur wenigvon fremden Bestand- theilenin dieverkohlendeMasseein.
Daß selbstdiedichtesteSteinkohle,welchekeine Spur vonZellenbildungerkennen läßt,dennochausPflanzen- masseentstanden ist,darüber ist dieWissenschaftnicht mehr zweifelhaft Zwischen ihrundmanchennur sehr wenig von lebendigem Holze verschiedenenBraunkohlen (soge- nanntem bituminösenHolze) läßt sicheineununterbrochene Reihevon allmäligenUebergangennachweisen,undes kommenselbstechte, scheinbarganzdichteSteinkohlenvor,