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Der Koordinationsmechanismus der Europapolitik der Bundesrepublik

W dokumencie Katowice 2011 (Stron 41-49)

Kapitel I: Die Prämissen für das Interesse der Bundes republik Deutschland

2. Politische Prämissen

2.6. Der Koordinationsmechanismus der Europapolitik der Bundesrepublik

(Art. 24, 32, 65, 73) bei folgenden Bundesorganen: Bundeskanzler, Bundesregie-rung, Bundestag, Bundesrat und Bundespräsident. Nach Art. 65 Abs. 1 bestimmt der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung (Richtlinienkompetenz).62 Die Stellung des Kanzlers ist außerdem durch seinen Sitz im Europäischen Rat privilegiert. Seine unmittelbare Beteiligung an den

Entschei-59 B. Koszel, Mitteleuropa..., s. 45–49.

60Vgl. z. B.: W. Markiewicz, Zjednoczenie Niemiec i przyszła Europa /Das vereinte Deutschland und das zukünftige Europa/, „Dziś“, Nr. 5 (8), Mai 1991, S. 3-13; V. Handl, Germany and Central Europe: Mitteleuropa Restored?, „Perspectives. Review of Central European Affairs“

1993, (Prague), No. 1, S. 45-51; L. Xiang, Is Germany in the Western or in Central Europe?, „Or-bis“ Summer 1992, Vol. 36, No. 3, S. 411 i n.; T. G. Ash, Germany’s Choice, „Foreign Affairs“ July/

August 1994, Vol. 73, No. 4, S. 65-81. Eingehender vgl.: M. Mathiopoulos, Das Ende der Bonner Republik, Dt. Verl.-Anst., Stuttgart 1993.

61B. Koszel, Mitteleuropa..., op. cit., S. 148. Por. M. Stolarczyk, Podział i zjednoczenie Niemiec jako elementy ładów europejskich po drugiej wojnie światowej /Teilung und Vereinigung Deutschlands als Element der europäischen Ordnung nach dem 2. Weltkrieg/, Wydawnictwo Uniwer-sytetu Śląskiego, Katowice 1995, S. 197 und 216.

62 Grundgesetz….

dungsprozessen der EU (Europäischer Rat) mit Unterstützung des Verteidigungsmi-nisters und die Festlegung der Grundlinien für die weitere Entwicklung der EU zusam-men mit anderen Regierungschefs und Regierungen festigt die Position des anzlers und verleiht ihm eine entscheidende Stimme im Namen Deutschlands.63 Offizielle Stellungnahmen in Fragen, die sich aus der Mitgliedschaft in der EU ergeben, stehen allein den Regierungsinstitutionen und ihren Bevollmächtigten zu. Eine wichtige Rolle bei der Koordination und der Richtungsbestimmung in der Europapolitik spielt das Bundeskanzleramt. EU-Angelegenheiten wurden dort bis Herbst 2002 in zwei Referaten behandelt: Referat 221 (Aspekte der Integrationspolitik) und Referat 431 (wirtschaftliche Aspekte). Am 1. September 2002 wurden die Referate in zwei Grup-pen (51 und 52) der Europa-Abteilung 5 umgewandelt. Diese GrupGrup-pen sind wieder-um in die Referate 511 und 512 bzw. 521 und 522 eingeteilt. Für die Koordinierung der Europapolitik der Regierung und die laufenden Fragen der EU sind die Refe-rate 511 und 521 zuständig, für die Beziehungen zu den Mitgliedsländern der EU das Referat 512, für Wirtschaftsangelegenheit das Referat 522.64 Auf die Gesamtheit der für die Europapolitik verantwortlichen Regierungsstrukturen haben zwei Ressorts den größten Einfluss: das Bundesministerium für Wirtschaft65 und das Auswärtige Amt.66 Nach dem Sieg der Koalition aus SPD und Grünen bei den Bundestagswah-len im Herbst 1998 wurde die Abteilung E (Europa-Abteilung) aus dem Bundesmi-nisterium für Wirtschaft in das BundesmiBundesmi-nisterium für Finanzen verlegt. Erweitert wurden auch die Zuständigkeiten des Auswärtigen Amts, insbesondere in der Frage der Koordination, Vorbereitung und Weitergabe von Anweisungen an die Ständige Vertretung der Bundesrepublik bei der Europäischen Union. Der Ständige Vertreter ist ein hochrangiger Diplomat, der beim Auswärtigen Amt angestellt ist, sein Stell-vertreter gehört zum Wirtschaftsministerium. Dem Auswärtigen Amt wurde auch das Sekretariat des Staatssekretärsausschusses für Europaangelegenheiten anver-traut.67 Die Hauptaufgabe des Auswärtigen Amts, des Wirtschafts- und des

Finanz-63 Por. J. Grünhage, Entscheidungsprozesse in der Europapolitik Deutschlands. Von Konrad Adenauer bis Gerhard Schröder, Berlin: Nomos, 2007, S. 53-56.

64Ebd., S. 56-60.

65 Das Bundesministerium für Wirtschaft wurde 1998 in das Bundesministerium für Wirt-Das Bundesministerium für Wirtschaft wurde 1998 in das Bundesministerium für Wirt-schaft und Arbeit umgestaltet Und im Herbst 2005 aufgeteilt in das Bundesministerium für WirtWirt-schaft und Technologie und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

66 In den fünfziger und sechziger Jahren waren die Schlüsselressorts der Europapolitik das Au-In den fünfziger und sechziger Jahren waren die Schlüsselressorts der Europapolitik das Au-ßen-, Wirtschafts-, Finanz- und Landwirtschaftsministerium. Die Staatssekretäre dieser Ministerien wurden als „Vier Musketiere“ bezeichnet. W. Wessels, D. Rometsch, German administrative interac­

tion and European Union – The fusion of public policies, [in:] Y. Mény, P. Muller, J.-L. Quermonne (ed.), Adjusting to Europe – the impact of the European Union on national institutions and policies, Routledge, London 1996, S. 82.

67 Zu den Aufgaben des Ausschusses gehört vor allen Dingen die Abstimmung des deutschen Standpunkts, der später auf dem Forum des Rats der Europäischen Union und des Europäischen Rats eingenommen wird. Der Ausschuss tritt einmal im Monat unter dem Vorsitz des Staatsministers oder des Staatssekretärs für Europa-Angelegenheiten im Auswärtigen Amt zusammen. Feste Mitglieder sind

ministeriums ist die Aufsicht über Vorbereitung und Weitergabe von Anweisungen an die deutsche Ständige Vertretung für die Sitzungen des Ausschusses der Ständi-gen Vertreter (AStV, Comité des Représentants Permanents, COREPER).

Tabelle 2. Koordinationsgremien interministerieller Zusammenarbeit im Bereich Europapolitik

Gremium Ebene Häufigkeit

* Gebiete bezüglich des Europäischen Wirtschaftsraums, Antidumpingpolitik, internationale Verträge mit ausschließlich wirtschaftlichem Charakter sowie Fragen, die vom Rat für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) behandelt werden, Haushalt, Fiskalpolitik im Bereich der Kompetenzen des Finanzministeriums.

Quelle: S. Bulmer, A. Mauler, W. Paterson, Das Entscheidungs­ und Koordinationssytem deutscher Europapolitik: Hindernis für eine neue Politik, [in:] H. Schneider, M. Jopp, U. Schmalz (Hrsg.), Eine neue Deutsche Europapolitik. Rahmenbindungen­Problemfelder­Optionen, Bonn: Eu-ropa Union Verlag, 2000, S. 265.

Das Bundesfinanzministerium koordiniert die Vorbereitungen von Anwei-sungen für COREPER I (AStV I), mit Ausnehme der Bereiche, die gemäß der Aufga-benverteilung i der deutschen Regierung im Zuständigkeitsbereich des Auswärtigen Amts liegen, aber auch Fragen der Kultur, der Medien und der Audiovisualpolitik.

die Staatssekretäre im Auswärtigen Amt, Finanzministerium, Ministerium für Wirtschaft und Techno-logie, Innenministerium, Justizministerium, Ministerium für Arbeit, Ministerium für Umweltschutz, Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sowie der Ständige Vertreter der Bundesrepublik bei der EU und der Chef des Bundeskanzleramts. Mit Zustimmung des Vorsitzen-den können auch Staatssekretäre anderer Ressorts an Vorsitzen-den Ausschusssitzungen teilnehmen.

Das auswärtige Amt ist hingegen für die Koordinierung der Vorbereitung von An-weisungen für COREPER II (AStV II) zuständig. Dies sind hauptsächlich Fragen der EU-, der Finanz- und der Innenpolitik sowie der Entwicklungshilfe. Das Aus-wärtige Amt spielte zusammen mit der 1993 in ihm eingerichteten Europaabteilung eine führende Rolle bei den Arbeiten, die mit der Problematik der EU-Erweiterung zusammenhängen. Mit dem Regierungswechsel im Herbst 2005 und der Entste-hung der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD sowie der Übernahme der bei-den für die Europapolitik wichtigsten Ressorts, des Außen- und des Finanzministe-riums, wurde beschlossen, die Schlüsselrolle des Bundeswirtschaftsministeriums wiederherzustellen, das die allgemeine Koordination der Anweisungen für die Sit-zungen des Ausschusses der Ständigen Vertreter übernahm (siehe Abb.1).68

In der Regierungsverwaltung wurde der Grundsatz der Vereinbarung von Standpunkten und der Entscheidungsfassung auf möglichst hoher Ebene sowie der gegenseitigen Konsultation zwischen den Ressorts angenommen. Im Rahmen der einzelnen Ressorts bestehen spezielle Zellen für Europafragen – die Referate.

Die Referatsleiter sind zugleich Bevollmächtigte für Europafragen des jeweiligen Ministeriums. Einmal pro Woche finden Meetings statt, auf denen die Anweisungen für die Sitzungen des COREPER vorbereitet werden. Sämtliche Streitfragen werden auf der Ebene der Unterabteilungsleiter oder Abteilungsleiter bearbeitet. Die Ab-teilungsleiter treffen sich zwei bis drei Mal in der Woche unter dem abwechseln-den Vorsitz des Auswärtigen Amts oder des Finanz- bzw. Wirtschaftsministeriums.

An ihnen nimmt auch ein Vertreter der ständigen Vertretung teil. Im Fall von Aus-einandersetzungen wird der endgültige Standpunkt auf Regierungsebene oder bei bilateralen Vereinbarungen der Ministerien aufgestellt.

Die Regierung bestätigt den Standpunkt der Bundesrepublik in der Euro-papolitik und berücksichtigt die Meinung des Bundestags, die jedoch nicht ver-bindlich sein muss.69 Die Legislative erhält gemäß der Novelle von Art. 23 im Jahr 1992 die Möglichkeit der Beteiligung an der Koordinierung der Europapolitik.

68 Vgl.. A. Thomas, W. Wessels, Die deutsche Verwaltung und die Europäische Union. Berlin­

Brüssel­Berlin. Beteiligungs­ und Einwirkungsmöglichkeiten deutscher Verwaltungsbediensteter im politischen System der Europäischen Union, Brühl: Bundesakademie für öffentliche Verwaltung, 2006.

69 Wenn die geplante Rechtsakte der Union ausschließliche gesetzgeberische Berechtigungen der Länder, die Schaffung von Einrichtungen der Bundesländer oder Verwaltungsvorgänge der Län-der betrifft, ist die Bundesregierung verpflichte, sich an den Standpunkt des Bundesrats zu halten.

Art. 23. Abs.5 GG „Soweit in einem Bereich ausschließlicher Zuständigkeiten des Bundes Interessen der Länder berührt sind oder soweit im übrigen der Bund das Recht zur Gesetzgebung hat, berück-sichtigt die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundesrates. Wenn im Schwerpunkt Gesetzge-bungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betrof-fen sind, ist bei der Willensbildung des Bundes insoweit die Auffassung des Bundesrates maßgeblich zu berücksichtigen; dabei ist die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes zu wahren. In Angele-genheiten, die zu Ausgabenerhöhungen oder Einnahmeminderungen für den Bund führen können, ist die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich.“

Abbildung 1 Koordination der Europapolitik auf Bundesebene (vom 31. Januar 2005)

BVG Politische Parteien Kirchen und Gewerkschaften

Quelle: eigene Zusammenstellung auf der Grundlage der einschlägigen Fachliteratur

Nach der „Europaklausel“ spielen bei der Verwirklichung der Idee der Einigung des Alten Kontinents der Bundestag und der Bundesrat – und mit ihm die Bundes-länder – eine wichtige Rolle.70 Die Bundesregierung wurde zur Berücksichtigung

70 Grundgesetz, Art. 23 Abs. 1 „Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bun-desrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität ver-pflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz ge-währleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte über-tragen. (…)“ Abs. 2 „In Angelegenheiten der Europäischen Union wirken der Bundestag und durch den Bundesrat die Länder mit. Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten.“ Abs. 3 „Die Bundesregierung gibt dem Bun-destag Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union. Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahmen des Bundestages bei der Verhand-lungen. Das Nähere regelt ein Gesetz.“ Abs. 4 „Der Bundesrat ist an der Willensbildung des Bundes zu beteiligen, soweit er an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnahme mitzuwirken hat oder soweit die Länder innerstaatlich zuständig wären“ Vgl.: Gesetz über die Zusammenarbeit von Bun­

desregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993, „Bundesgsetzblatt“, Teil I, S. 311-312. Vgl. eingehender: F.H.U. Borkenhagen (Hrsg.), Euro­

papolitik der deutschen Länder. Bilanz und Perspektiven nach dem Gipfel von Amsterdam, Opladen:

des Standpunkts des Bundestages bei den Verhandlungen und der Informierung bei-der Parlamentskammern verpflichtet. Der Bundestag beruft für jede Legislaturperi-ode einen Europaausschuss (Art. 45 GG). Unter Vermittlung des Europaausschus-ses kommt die Regierung ihrer Informationspflicht gegenüber dem Bundestag nach.

Der Bundesrat ist verfassungsrechtlich (Art 52 Abs. 3a) zur Einrichtung einer Eu-ropa-Kammer zur Betrachtung von Fragen mit EU-Bezug befugt.71 Die von ihr be-schlossenen Standpunkte werden wie Beschlüsse des ganzen Bundesrats behandelt.

Die deutschen Länder haben noch weitere institutionalisierte Möglichkeiten der Ein-flussnahme auf die Gestaltung der Europapolitik, nicht nur durch den Bundesrat:

Einfluss auf die Abgeordneten zum Europaparlament (Konsultationen) – Vertreter der Länder sitzen im Ausschuss der Regionen, ständige Konferenzen der Ressortchefs (u. a. Konferenzen der Landesminister für Europafragen) oder der Ministerpräsidenten der Länder, Arbeitsgruppen der Vertreter der Landesregierungen und der Bundesre-gierung, Arbeitsgruppen bei der Europäischen Kommission, Mitgliedschaft mehrerer Länder in internationalen Organisationen, die eine wichtige Lobby in den europäi-schen Einrichtungen darstellen (z. B. Conference of European Regions with Legisla-tive Powers/Reg Leg, European Industrial Regions Association/ EIRA).72

Eine wichtige Rolle in der europäischen Politik spielte und spielt weiterhin das Bundesverfassungsgericht. Am 12. Oktober 1993 lehnte es eine Verfassungs-klage gegen die Ratifizierung des Vertrags von Maastricht ab. Das Gericht stellte fest, dass das der Union vorgeworfene Demokratiedefizit so lange unbegründet ist wie der Vertrag über die Europäische Union die Errichtung eines Staatenverbunds zum Ziel hat, die Union der europäischen Völker, und nicht eines Staatenbunds oder Bundesstaats mit einem europäischen Volk. Die demokratische Legitimierung ist vor allem durch die Parlamente der Nationalstaaten gewährleistet. Das Bundesver-fassungsgericht stellte zudem fest, dass im Zuge der Entwicklung der Gemeinschaft und der Vertiefung der der Integration die Notwendigkeit einer Stärkung der Kom-petenzen des europäischen Parlaments wächst.73

Leska+Budrich, 1998; Ch. Schede, Bundesrat und Europäische Union. Die Beteiligung des Bundes­

rates nach dem neuen Artkel 23 des Grundgesetztes, Frankfurt am Main: Peter Lang GmbH, 1994, J. Grünhage, op. cit., S. 145-152; 201-213.

71 Der Europa-Kammer gehören 16 Mitglieder des Bundesrats an, einer aus jedem Bun- Der Europa-Kammer gehören 16 Mitglieder des Bundesrats an, einer aus jedem Bun-desland, die von den Landesregierungen bestimmt werden (meistens die Chefs der Ländervertretun-gen in Berlin). Vgl.: G. Brigelen, Europapolitische Meinungsbildung in Deutschland. Institutionelle Struktur der Formulierung europapolitischer Positionen, dargestellt am Beispiel der Regierungskon­

ferenz zur Revision des Maastrichter Vertrages, [in:] W. Weidenfeld (Hrsg.), Deutsche Europapolitik.

Optionen wirksamer Interessenvertretung, Bonn: Europa Union Verlag, 1998, S. 105-109.

72 K. Bachmann, Polityka europejska. Ucieczka od federalizmu europejskiego /Europapolitik.

Die Flucht vor dem europäischen Föderalismus/, [in:] K. Bachmann, P. Buras, S. Płóciennik, Repu­

blika bez gorsetu. Niemcy po wyborach 18 września 2005 roku /Republik ohne Korsett. Deutschland nach den Wahlen vom 18. September 2005/, Wrocław: Oficyna wydawnicza ATUT–Wrocławskie Wydawnictwo Oświatowe, 2005, S.148-149. Vgl.: J. Grünhage, op. cit., S. 242-267.

73Vgl.: Urteil des Bundesverfassungsgerichts, 2. Senat, 12.10.1993, über verschiedene Ver­

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 2009 in der Frage der Übereinstimmung des Vertrags von Lissabon mit dem Grundgesetz bewirkte die Verabschiedung neuer Kompetenzvorschriften des Bundestags in Angelegenhei-ten der Europäischen Union.74 Die Verfassungsklagen gegen den Vertrag von Lis­

sabon wurden vom Vorsitzenden der Ökologisch­Demokratischen Partei Klaus Buchner, dem CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler und der Linkspartei (Die Linke) vorgebracht. Dazu kommt eine Gemeinschaftsklage des ehemaligen Vorstandsvor-sitzenden der Thyssen AG Dieter Spethmann, des ehemaligen Europaabgeordneten der CSU Franz Ludwig von Stauffenberg, des Wirtschaftexperten Joachim Starbatty und des Berliner Jura-Professors Markus Kerber. Die Klage stützte sich auf die Ar-gumentation, dass der Vertrag von Lissabon das Demokratiedefizit in der EU ver-tiefe und das Grundgesetz schwäche. Das Verfassungsgericht bewertete die drei Gesetze, die in Zusammenhang mit der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon geschlossen worden waren: das Ratifizierungsgesetz, das Gesetzt zur Grundgesetz-änderung und auch das so genannte Begleitgesetzt über die Erweiterung und Stär-kung der Rechte von Bundestag und Bundesrat in europäischen Angelegenheiten.

Die Richter der zweiten Spruchkammer befanden, dass der Vertrag von Lissabon nicht im Widerspruch zum Grundgesetz steht, stellten aber gleichzeitig das Be-gleitgesetz in Frage. Sie wiesen auf ein Defizit an Mitentscheidung des Bundestags und des Bundesrats in europäischen Fragen hin. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist die Europäische Union weiterhin ein Verbund unabhängiger Staa-ten (StaaStaa-tenbund) und keine Föderation (StaaStaa-tenbund). Eine eventuelle zukünftige Umformung der Europäischen Union in eine föderative Struktur bedarf der unmit-telbaren Legitimierung durch das deutsche Volk und der Verabschiedung einer neuen Verfassung. Die Machtorgane der Bundesrepublik sind nach dem Grundgesetz nicht befugt, „das Recht auf Selbstbestimmung in Form einer völkerrechtlichen staatli-chen Souveränität aufzugeben.“75

Der Bundestag nahm die Interpretation des Bundesverfassungsgerichts an, das an den Gesetzgeber appellierte, die Positionen von Bundestag und Bundeslän-dern im Koordinationsprozess der Europa-Politik zu stärken, und machte den Weg

fassungsbeschwerden gegen Gesetz vom 28. Dezember 1992 zum Vertrag vom 7. Februar 1992 über die Europasche Union sowie gegen das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 21. Dezember 1992, 2 BvR 2134/92 und 2159/92; G. Brigelen, op. cit., S. 110-111; vgl.: Ch. Deubner, Deutsche Europapolitik: Von Maastricht nach Kerneuropa?, Baden-Baden: Nomos, 1995, S. 20.

74 Urteil des Bundesverfassungsgerichts, 2. Senat vom 30. Juni 2009, BVerfG, Urt. v.

30.6.2009, 2 BvR 1010/2008, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 5/08 und 2 BvR 182/09; zu-gänglich auch auf der Webseite des Bundesverfassungsgerichts: http://www.bverfg.de/entscheidun-gen/ es20090630_2bve000208.html (Februar 2010).

75 R. Formuszewicz, Wyrok niemieckiego Federalnego Trybunału Konstytucyjnego w kwestii ratyfikacji traktatu lizbońskiego /Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in der Frage der Ratifi­

zierung des Vertrags von Lissabon/, „Biuletyn“, Nr. 48 (580), 12. August 2009, PISM, Quelle: http://

www.pism.pl/biuletyny/files/20090812_580.pdf (März 2010).

frei zum Abschluss der Ratifizierung des Vetrags von Lissabon durch die Bundes-republik. Die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD führte unverzüglich Kon-sultationen mit den parlamentarischen Oppositionen auf Bundes- und Landesebe-ne durch und erarbeitete den Entwurf für die vier detaillierten Kompetenzgesetze (18. August 2009). Die Verabschiedung der neuen Vorschriften am 8. September 2009 durch den Bundestag mit beträchtlicher Stimmenmehrheit (446 dafür, 46 da-gegen, 2 Enthaltungen) und am 18. September durch den Bundesrat (einstimmig) stärkte die Befugnisse der Legislative in Fragen der Union.76 Die neuen Kompe-tenzgesetze verpflichten die Bundesregierung dazu, das Parlament „umfassend und möglichst frühzeitig“ über die Verhandlungen auf dem Forum der Europäi-schen Union zu informieren und alle notwenigen Unterlagen und Rapporte über deren Ergebnisse vorzulegen. Durch die neuen Berechtigungen zur Mitentscheidung wurde die Bundesregierung verpflichtet, in Fragen der Übertragung nationalstaatli-cher Befugnisse an die Union, jedes Mal zuerst den Bundestag anzuhören, dessen Standpunkt die Grundlage für das Vorgehen der Bundesregierung sein sollte, da-bei allerdings nicht verbindlich ist. Die Regierung behält weiterhin die vollständige Verhandlungsbefugnis, ist allerdings dazu verpflichtet, dem Parlament Berichte über die Differenzen zwischen den Schlussergebnissen und den vorherigen Standpunkten des Bundestags und des Rats zu leisten. Nichtsdestoweniger muss jede Rechtsakte der Union, die weiteren Ausweitungen der Kompetenzen der EU vorsieht, vom Bun-destag in Form eines Gesetzes verabschiedet werden. Auch für die Einlegung ei-nes Vetos durch den deutschen Vertreter im Rat der Europäischen Union muss vorab das Einverständnis des Bundestages eingeholt werden.77

Der Beschluss der neuen Kompetenzvorschriften hob erheblich die Bedeu-tung der Legislative im Koordinationssystem der Europapolitik. Eine Schwächung erfuhr die Position des Auswärtigen Amts, während die Position des Kanzleramts gestärkt wurde, das nun eine Konzeptions-, Koordinations- und Kontrollfunktion ge-genüber den anderen Ressorts ausübt und zur Berichterstattung gege-genüber dem Bun-destag verpflichtet ist. Die Pflicht der Informierung des BunBun-destags und Bundesrats über die Verhandlung auf dem EU-Forum betrifft auch die Erweiterung der Union, im Falle des Bundesrats dann, wenn die Erweiterung die Interessen der Bundesländer tangieren könnte. Die Regierung erstattet zudem Bericht über die

Beitrittsverhand-76 E. Cziomer, Polityka zagraniczna Niemiec w dobie nowych wyzwań globalizacji, bezpieczeństwa międzynarodowego oraz integracji europejskiej po 2005 r. /Die deutsche Außenpolitik in der Zeit neuer Herausforderungen der Globalisierung, der internationalen Sicherheit und der eu­

ropäischen Integration nach 2005/, Dom Wydawniczy Elipsa/ Krakowska Akademia im. Frycza Modrzewskiego, Warszawa–Kraków 2010, S. 187-188.

77 Vgl.: Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern...; zuletzt geändert durch das Gesetz vom 22. September 2009, „Bundesgesetzblatt“ Teil I, S. 3031. Gesetz über die Zusammen­

arbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 zuletzt geändert durch das Gesetzt vom 22. September 2009, „Bundesgesetzblatt“ Teil I S. 3026. Die Gesetze sind auf den offiziellen Webseiten des Bundestags und des Bundesrats zugänglich.

lungen auf Antrag des Europa-Ausschusses des Bundesrats. Die Regierung kann den Standpunkt des Bundesrats berücksichtigen. Die Länder können einen Vertreter zu den Abstimmungen in den Ressorts über die Verhandlungsstandpunkte delegie-ren, möglich ist auch ihre Teilnahme an der Arbeitsgruppe des Bundesrats zu Fragen der Erweiterung. Beide Fälle sind dann möglich, wenn die auf diesen Treffen bespro-chenen Fragen ausschließliche gesetzgeberische Kompetenzen der Länder und ihre existenziellen Interessen betreffen.78

In dem oben dargestellten Modell des Entscheidungsprozesses der Europa-politik der Bundesrepublik (Abb. 1) wurde zudem der Einfluss der großen Interes-senverbände berücksichtigt. InteresInteres-senverbände sind vor allem die Gewerkschaften (z. B. der Deutsche Gewerkschaftsbund), gemeinnützige Vereine (z. B. Friedensbe-wegung, Greenpeace), Kirchen, Wirtschaftsverbände (z. B. der Deutsche Indust-rie- und Handelstag, DIHT, der Deutsche Bauernverband, DBV) und die politischen Parteien. Die Parteien werden ihrer Funktion nach zu den institutionalisierten Inte-ressengruppen gezählt, die politischen Einfluss auf den Entscheidungsprozess aus-üben können.79 Auch verschiedene Stiftungen zeigen eine große Aktivität in Fragen

In dem oben dargestellten Modell des Entscheidungsprozesses der Europa-politik der Bundesrepublik (Abb. 1) wurde zudem der Einfluss der großen Interes-senverbände berücksichtigt. InteresInteres-senverbände sind vor allem die Gewerkschaften (z. B. der Deutsche Gewerkschaftsbund), gemeinnützige Vereine (z. B. Friedensbe-wegung, Greenpeace), Kirchen, Wirtschaftsverbände (z. B. der Deutsche Indust-rie- und Handelstag, DIHT, der Deutsche Bauernverband, DBV) und die politischen Parteien. Die Parteien werden ihrer Funktion nach zu den institutionalisierten Inte-ressengruppen gezählt, die politischen Einfluss auf den Entscheidungsprozess aus-üben können.79 Auch verschiedene Stiftungen zeigen eine große Aktivität in Fragen

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