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Die Frage der Neutralität ..............................................................................11 5

W dokumencie Katowice 2011 (Stron 116-124)

Kapitel III: Die Erweiterung der Europäischen Union um die Staaten

3. Der Weg zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union

3.1. Die Frage der Neutralität ..............................................................................11 5

Ein gewisses Hindernis bei der Integration mit der EG stellte die Frage der Neutralität der meisten EFTA-Staaten dar. Diese Neutralität hatte zwei Formen:

28 Agreement on the European Economic Area, źródło: http://secretariat.efta.int/ Web/Euro-peanEconomicArea/EEAAgreement/EEAAgreement/EEA_Agreement.pdf, (März 2008).

29 Vgl.: Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum unterzeichnet in Porto am 2. Mai 1992 (Auszug), [in:] Curt Gasteyger, Europa von der Spaltung zur Einigung. Darstel­

lung und Dokumentation 1945-2000, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2001, S. 350-360;

A. Michalski, H. Wallace, The European Community: the Challenge of Enlargement, Royal Institute of International Affairs, London 1992, S. 130-136; K. Dośpiał-Borysiak, Państwa nordyckie a Unia Europejska /Die nordischen Staaten und die Europäische Union/, Wydawnictwo Sejmowe, Warszawa 2007, S. 100-108.

30 Verträge über den Handel mit Agrarerzeugnissen der EWG schlossen Finnland, Island, Norwegen, Österreich, Schweden und die Schweiz. Fragen bezüglich des Fischfangs wurden durch Abkommen zwischen der EWG und Island, Norwegen und Schweden geregelt. Zusätzlich schloss die EWG Verträge mit Österreich und der Schweiz in der Frage des Straßentransits. Vgl.: B. Mucha-Leszko, Stosunki EWG–EFTA. Europejski Obszar Gospodarczy /Die Beziehungen zwischen EWG und EFTA. Die europäische Wirtschaftszone/, „Biuletyn Europejski“ 1997, S. 67.

die erste – als Grundsatz der staatlichen Außenpolitik, die aus der Annahme des völ-kerrechtlichen Status der Ewigen Neutralität folgt (Österreich, Schweiz), die zweite – als politische Willenserklärung eines Staates, die sich nicht auf völkerrechtliche Verträge stützt (Schweden, Finnland). In beiden Fällen sind dies freiwillige Akte, die mit einer in unterschiedlicher Form geäußerten Akzeptanz seitens anderer Staa-ten, insbesondere der Großmächte, einhergeht. Die Neutralität Österreichs, Schwe-dens und Finnlands war vor allem eine Folge ihrer geopolitischen Lage im Span-nungsfeld der Supermächte.31

Jeder dieser Staaten war mit seinem Dasein als „asymmetrisch“ neutraler Staat konfrontiert. Einerseits handelte es sich um hoch entwickelte Staaten mit de-mokratischer Verfassung, die die Werte und Ideen Westeuropas teilten, auf der an-deren Seite jedoch auch nahe Beziehungen zum Osten unterhielten. Besonders deut-lich sind hier die Beispiele Finnland und Österreich, ihr Streben nach Integration mit dem Westen bei gleichzeitigem Interesse an einer Kooperation mit den Staaten des realen Sozialismus in Mittel- und Osteuropa.

Für die neutralen Staaten war eine Mitgliedschaft in der EFTA leichter zu ak-zeptieren als eine Beteiligung an der EWG. Die Ziele und Rechtsgrundlagen der EG wurden häufig als unvereinbar mit dem Wesen der Neutralität gedeutet. In der euro-päischen Integration sah man neben der wirtschaftlichen Grundlage auch politische und militärische Prämissen. Dagegen war die EFTA einzig ein Zusammenschluss mit begrenzten wirtschaftlichen Zielen. Der Status einer Ewigen Neutralität, geregelt durch das internationale Recht (Schweiz, Österreich) wurde als internationale Frage behandelt und nicht eine individuelle Angelegenheit eines einzelnen Landes. Des-halb begegnete man der Annäherung dieser beiden Staaten mit besonderer Vorsicht.

Aus diesem Grund engagierten sich die neutralen und eine Politik der Neutralität betreibenden Staaten vor allem auf die Beteiligung an der EFTA.

Die Europäische Freihandelsassoziation beschränkte in wesentlich geringe-rem Maße als die EWG die Entscheidungsfreiheit ihrer Mitglieder. Der Grundsatz der Einhelligkeit bei Beschlüssen hemmte das Tempo der Integration und bewirk-te, dass der EFTA gewisse Merkmale einer überstaatlichen Organisation fehlten.32 Die Mehrzahl der Mitgliedsstaaten der EFTA war nicht so sehr an einer Mitglied-schaft in der EWG interessiert wie vielmehr an Handelsabkommen mit der Gemein-schaft. Dieser Weg wurde – insbesondere von Österreich – als Art und Weise der An-näherung an das sich integrierende Europa betrachtet (im Sinne der Konzeption des

31 L. Miles, Sweden and Security, [in:] J. Redmond (ed.), op. cit., S. 87-92; R.M. Czarny, Szwecja w Unii Europejskiej /Schweden in der Europäischen Union/, Wyższa Szkoła Ubezpieczeń, Kielce 2002, S. 36-40. D. Popławski, Austriacka polityka neutralności… /Die österreichische Neu­

tralitätspolitik…/, op. cit., S. 23; idem, Szwajcarska polityka bezpieczeństwa /Die Neutralitätspolitik der Schweiz/, Wydawnictwo Naukowe Scholar, Warszawa 2007, Kap. I; J. Sutor, Państwa neutralne i niezaangażowane /Neutrale und und unbeteiligte Staaten/, Wiedza Powszechna, Warszawa 1972, Kap. I–VI; P. Andrzejewski, op. cit., S. 203-266.

32 J. Sutor, op. cit., S. 73-80.

„Brückenschlags“). Für Österreich blieb jedoch die Frage des Verbots einer politi-schen oder wirtschaftlichen Verbindung mit Deutschland in irgendeiner Form ge-mäß Art. 4 des Staatsvertrags vom 15. Mai 195533 und Art. 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Neutralität Österreichs vom 26. Oktober 195534 problematisch. In ähnlicher Weise formulierte auch das Abkommen über Freundschaft, Zusammenarbeit und ge­

genseitigen Beistand vom 6. April 1948 zwischen Finnland und der Sowjetunion in seiner Präambel den Grundsatz des „Strebens Finnlands nach Abstand gegenüber den gegensätzlichen Interessen der Großmächte“.35 Diese Vorschrift galt bis 1991 und bildete die Grundlage für die finnische Politik der Neutralität, die von den ersten Nachkriegspräsidenten Juho Kusti Paasikivi und Urho Kalevi Kekkonen vorange-trieben worden war.36 Der Kernpunkt der schwedischen Neutralitätspolitik hingegen war das 1945von Östen Undén formulierte Prinzip „keine Bündnisse in Friedens-zeiten, um Neutralität in Kriegszeiten bewahren zu können“.37 Die internationalen Gegebenheiten zu Beginn der neunziger Jahre, insbesondere der Zusammenbruch der Sowjetunion, ermöglichten insbesondere Finnland und Österreich eine Vereinba-rung der Frage der Neutralität mit der europäischen Integration.

Gegen Ende der achtziger Jahre standen die EFTA-Staaten vor dem „Integra -tionsdilemma“.38 Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts verlor die Konzeption der Neutralität in der Außenpolitik an Bedeutung. Die Europäischen Gemeinschaften und die spätere Europäische Union wurden zu einem „Gravitationszentrum der Ent-wicklung in Europa“. Wie Morten Kelstrup bemerkte, musste die EU ihre Beziehun-gen zu den übriBeziehun-gen Nichtmitgliederstaaten definieren. Die EFTA-Staaten standen vor der Wahl zwischen der Übertragung eines Teils ihrer Souveränität mit der Gefahr des „Eingeschlossenwerdens“ durch die europäische Integration und der Bewahrung der Unabhängigkeit mit der Gefahr der Vereinsamung und Isolierung von den In-tegrationsprozessen. Die erste Option konnte zu einem Verlust der Unabhängigkeit und der Fähigkeit zum Ausdruck der eigenen nationalen Interessen führen, die andere zu einem Rückstand gegenüber den sich schneller entwickelnden Staaten.39

Gemäß der Einheitlichen Europäischen Akte im Rahmen der EU bis Ende 1992 sollte ein gemeinsamer Markt entstehen. Für die wirtschaftlich stark mit der EG

33 Vgl.: D. Popławski, Austriacka polityka neutralności… /Die österreichische Neutralitäts­

politik…/, op. cit., S. 169.

34 Art. 1 Abs. 2 Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen mi- Art. 1 Abs. 2 Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen mi-Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen mi-litärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.“ Bundesverfassungsgestz vom 26. Oktober 1955 über die Neutralität Österrecihs, „Zbiór Dokumentów“ 1955, Nr. 10, S. 2114.

35 Vgl.: P. Andrzejewski, op. cit., S. 210-211.

36 Vgl.: M. Jakobson, Finland in the New Europe, Praeger with Center for Strategic and In-ternational Studies, Washington D.C. 1998, S. 49-100.

37 Zit. nach: P. Andrzejewski, op. cit., S. 228.

38 M. Kelstrup, Small States and European Political Integration, [in:] T. Tiilikainen, Ib D. Pe-tersen (eds), op. cit., Copenhagen Political Studies Press, Copenhagen 1993, S. 136-162.

39 Ebd., S. 154, 157.

verbundenen Staaten stellte das eine Gefährdung ihrer Position dar. Vorausgese-hen wurde, dass die Integrationsfortschritte zum Ausschluss der EFTA-Staaten aus der Beteiligung an Investitionen und öffentlichen Bestellungen der EG verblei-ben würde. Die Entscheidung der Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation über die Stellung des Antrags auf Mitgliedschaft in der EG war nicht von den Idealen der Gründerväter der europäischen Union (J. Monnet, R. Schuman) diktiert, sondern von der Vermeidung der Kosten, die eine Nichtmitgliedschaft mit sich bringen wür-de. Der entscheidende Impuls war der geplante gemeinsame Markt oder vielmehr die Furcht, davon „ausgeschlossen zu bleiben“.40

Die Frage der Formierung eines großen gemeinsamen Marktes in Westeuro-pa war ziemlich attraktiv für die assoziierten Staaten. Die EG begann langsam dazu zu prätendieren, eine Wirtschaftsweltmacht zu werden. In diesem Zusammenhang standen die EFTA-Staaten vor zwei Fragen: Würden der Beitritt zur EG ihre wei-tere Entwicklung erleichtern? Würde der Beitritt zu viele Opfer mit sich bringen (wie etwa den Verlust des Neutralitätsstatus)?41

3.2. Beitrittsanträge

Österreich stellte als erster unter den EFTA-Staaten am 17. Juli 1989 einen Antrag auf Mitgliedschaft in EWG, EGKS und Euratom.42 Nach Ansicht von Lothar Rühl ist der Fall Österreich am wichtigsten, denn er ist zusammen mit der deutschen Wiedervereinigung zu sehen. Nicht nur im Hinblick auf die gemeinsame Grenze, Sprache, Geschichte, Kultur und Handelsbeziehungen, sondern auch im Hinblick auf die neuen internationalen Gegebenheiten nach 1989, die Österreich noch stärker an Westeuropa annäherten.43 Ähnliche Prämissen bestimmten das Interesse der nor-dischen Staaten an einer Mitgliedschaft in der EU.

Der Antrag Österreichs stieß auf große Unterstützung seitens der Bundes-regierung unter Helmut Kohl. Am 30. Januar 1991 unterstrich der Bundeskanzler, dass für Deutschland „Europa die Zukunft ist“ und deshalb die Einigung des Alten Kontinents Priorität besitzt. Er rief die EG dazu auf, sich den europäischen Staa-ten, die nicht zu ihren Mitgliedern zählen, zu öffnen. „Das bedeutet nicht, dass sie von heute auf morgen alle Länder Europas aufnehmen könnte. Aber es bedeutet

eben-40 J. Redmond, Introduction, [in:] idem (ed.), op. cit., S. 4.

41 C. Gasteyger, op. cit., S. 339. Vgl.: A. Michalski, H. Wallace, op. cit., S. 82-83;

D. Popławski, Droga neutralnych państw EFTA do Unii Europejskiej /Der Weg der neutralen EFTS-Staaten in die Europäische Union/, [in:] P. Łaciński (Hrsg. u. Red.), Dylematy rozszerzenia Unii Eu­

ropejskiej /Die Dilemmas der Erweiterung der Europäischen Union/, Wydawnictwo Wyższej Szkoły Cła i Logistyki, Warszawa 2006, S. 42-51.

42 Vgl.: J. Barcz, Austria w Unii Europejskiej. Problemy prawne w procesie akcesyjnym /Öster­

reich in der Europäischen Union/, Wydawnictwo Uniwersytetu Opolskiego, Opole 2001, S. 303.

43 L. Rühl, Deutschland als europäische Macht. Nationale Interessen und internationale Ver­

antwortung, Bouvier Verlag, Bonn 1996, S. 131-132.

so wenig, dass wir europäische Nachbarn in irgendeiner Weise ausgrenzen wollen.

Das gilt in erster Linie für die Länder der ETA, von denen sich einige ja bereits heute um eine Mitgliedschaft in der Gemeinschaft bemühen oder sich darauf hinorientieren.“

Er unterstrich, dass die Annäherung der Staaten, die Mitglieder der Europäischen Frei-handelszone sind, im Interesse Deutschlands liege.44 Die Bundesrepublik unterstützte die Kandidatur Österreichs und wertete diese als Ausdruck der Solidarität dieses Landes mit Europa. Österreich, gelegen in der Mitte des Kontinents, so erklärte im September 1992 Bundespräsident Richard von Weizsäcker in Lindau, hat die Chance eine bedeut-same Rolle „im Dienst der Einigungsbewegung Europas“ zu spielen.45

Eine nicht unwesentliche Rolle bei der entschiedenen Unterstützung der ös-terreichischen Beitrittsbemühungen hatten die Handelsbeziehungen zu diesem Staat.

Zu Beginn der neunziger Jahre belief sich der deutsche Import und Export mit Ös-terreich auf rund 40% des Außenhandels.46

Weiter Aufnahmeanträge stellten Schweden am 1. Juli 1919 und Finnland am 18. März 1992. Di österreichische Bewerbung war vor allem von der Umstrukturie-rung der Industrie bestimmt gewesen, während auf die Entscheidungen Schwedens und Finnlands die tiefe Rezession an der Grenze zur Wirtschaftskrise Einfluss hatte.

Die Wirtschaft in beiden Ländern bedurfte einer strikten Finanzdisziplin, um ihre Währungen auf einem gleichbleibenden Kurs zu halten und die Ausgaben für den öf-fentlichen Sektor zu kürzen. Die Geldpolitik in diesen Staaten wurde durch die ein-seitige Kursbindung der schwedischen Krone und der finnischen Mark an den ECU geführt. Auf die finnischen Beitrittsbemühungen hatten auch die internationalen Be-dingungen Einfluss. In den achtziger Jahren war der Haupthandelspartner Finnlands die EWG gewesen, auf die 40% des Umsatzes des finnischen Außenhandels entfie-len, gegenüber 25% auf die EFTA-Staaten und 15% auf die RWG-Staaten. Gegen Ende der achtziger Jahre machte der Handel allein mit der UdSSR ein Viertel des fin-nischen Handelsaustauschs aus. Mit dem Zusammenbruch der UdSSR ging der Ver-kauf finnischer Waren heftig zurück.47 Deshalb wurde die eventuelle Mitgliedschaft in der EG/EU als „Arznei“ gegen die Wirtschaftskrise betrachtet.

44 Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor dem Deutschen Bundestag am 30. Januar 1991. Unsere Verantwortung für die Freiheit. Deutschlands Einheit gestalten – Die Einheit Europas vollenden – Dem Frieden der Welt dienen, „Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundes-regierung“ vom 31. Januar 1991, Nr. 11, S. 73.

45 Besuch des Bundespräsidenten der Republik Österreich vom 11. bis 12. September 1992 in Lindau, „Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung“ vom 16. September 1992, Nr. 97, S. 921.

46 Deutschland ist der wichtigste Handelspartner Österreichs. In den Jahren 1992, 1993 und 1944 belief sich der Import aus der BRD nach Österreich auf 42,9%, 42,9% bzw. 40% und der Ex-port von Östereich in die BRD 39,8%, 39% bzw. 38,1%. Vgl.: D. Popławski, Austriacka polityka neutralności… /Die österreichische Neutralitätspolitik…/, op. cit., S. 197; ,,Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland“ 1994, S. 317.

47 Vgl.: R. Väyrynen, Finland on the Way to the European Community, [in:] T. Tiilikainen, Ib D. Petersen (eds), op. cit., S. 68-69

Anlässlich eines offiziellen Besuchs in Helsinki im Juni 1991 bezeichnete Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher die deutsch-finnischen Beziehungen als „harmonisch“ und erklärte die volle Unterstützung Deutschlands und die Suche nach konstruktiven Lösungen für einen raschen Beitritt.48

Der Rat der Europäischen Gemeinschaften fasste am 10. Dezember 1991 auf einer Sitzung in Maastricht den Beschluss über die Aufnahme von Beitritts-verhandlungen mit Österreich und Schweden. Als nächstes wurde die Kommission zur Vorbereitung eines Rapports über die eventuelle Erweiterung und seine Präsenta-tion auf der Sitzung des europäischen Rats in Lissabon im Juni 1992 aufgefordert.49 Die Schweiz stellte ihren Mitgliedschaftsantrag am 20. Mai 1992. Nicht ganz einen Monat später hielt Helmut Kohl im Schweizerischen Institut für Auslandfor-schung eine Rede, in der er hervorhob, dass Deutschland der Frage der Mitglied-schaft der Schweiz in der EG positiv gegenübersteht: „Ich freue mich darüber, dass die Schweiz vor wenigen Tagen ein Beitrittsgesuch gestellt hat. Der Entschluss des Bun-desrates bedeutet eine für ganz Europa wichtige Weichenstellung. (…) Die Schweiz gehört politisch und wirtschaftlich zu den stabilsten Ländern in Europa und ist im Kreise der Gemeinschaft willkommen. Die Schweiz wäre ein Gewinn für die Ge-meinschaft, aber ebenso wäre die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft ein Gewinn für die Schweiz. Über die erwähnte politische Kultur hinaus, die die Schweiz in die Eu-ropäische Union einbringen kann, würde Ihr Land natürlich auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein wertvoller Partner der Gemeinschaft sein. (…) Wir befürworten nach-drücklich einen möglichen Beitritt auch anderer Länder der EFTA zur Europäischen Union (…) Unserer Wunsch ist es, dass diejenigen, die es wollen, so schnell wie mög-lich der Gemeinschaft beitreten. Die Verhandlungen müssen individuell geführt wer-den – natürlich ausgehend von dem, was bereits bei wer-den Verhandlungen mit der EFTA erreicht wurde.“50 Diese Hoffnungen erfüllten sich jedoch nicht. Am 6. Dezember 1992 siegten bei einem Volksentscheid die Gegner der Integration.51

Die Schweiz nimmt einen sehr wichtigen Platz im deutschen Außenhandel ein. Der Export von Waren aus der Bundesrepublik in die Schweiz belief sich 1990 auf 38.852,9 Mio. DM und gegen Ende des Jahrzehnts auf 44.679,4 Mio. DM, wäh-rend der Import aus der Schweiz 1990 sich auf einen Wert von 24.083,3 Mio. DM und 1999 auf 33.412,5 Mio. DM belief.52

48 Vgl.: T. Forsberg, Finnland und Deutschland, [in:] B. Auffermann, P. Visuri (Hrsg.), Nor­

deuropa und die deutsche Herausforderung, Nomos, Baden-Baden 1995, S. 152.

49 European Council, Conclusions of the Presidency, 9-10 December 1991, Maastricht, „Bul-letin of the European Communities“ 1991, No. 12, pkt. I.4.

50 Die Politik der konsequenten Verwirklichung der Europäischen Union. Rede des Bun­

deskanzlers in der Universität Zürich am 18 Juni 1992, „Bulletin des Press- und Informationsamtes der Bundesregierung“ vom 3. Juli 1992, Nr. 73, S. 699.

51 Vgl.: D. Popławski, Perspektywy przystąpienia Szwajcarii do Unii Europejskiej /Die Per­

spektiven für den Beitritt der Schweiz zur EU/, [in:] P. Łaciński (Hrsg. u. Red.), op. cit., S. 173-183.

52 Daten vgl.: „Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschlands“ 1994, 2000, 317 bzw. 284.

Die Schweiz liegt als Handelspartner Deutschlands in Europa an vierter Stelle nach Frankreich, Großbritannien und Italien. Die Bundesrepublik unterstütz-te und ununterstütz-terstützt die Idee der Mitgliedschaft der Schweiz in der Europäischen Union. „Wir halten der Schweiz nach wie vor eine Tür offen“, sagte im November 1993 die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Ursula Seiler-Albring. Sie unter-strich, dass die Schweiz zweifelsohne zur Gemeinschaft der europäischen Völ-ker gehöre und vor denselben Herausforderungen stehe wie die westliche Welt.

Zu diesen Herausforderungen seien vor allem die Globalisierungsprozesse zu zäh-len, die nicht im Rahmen eines Nationalstaats zu bewältigen seien. Deshalb werde Deutschland weiterhin eine enge Zusammenarbeit mit der Schweiz in Europa un-terstützen.“ 53

Norwegen legte am 25. Oktober 1992 erneut ein Beitrittsgesuch vor. Den ers-ten Antrag hatte das Land am 30. April 1962 gestellt. Die Verhandlungen in den sech-ziger Jahren waren durch das französische Veto gegen die Aufnahme Großbritanniens unterbrochen worden. Die wiederaufgenommenen Assoziierungsgespräche führten zur Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit Dänemark, Irland, Norwe-gen und Großbritannien54. Jedoch lehnten die norwegischen Bürger den Beitritt mit knapper Mehrheit (53,5%) ab. Das Ergebnis des Volksentscheids war für Kanzler Willi Brandt eine „herbe Enttäuschung“. Brandt erblickte in der negativen Haltung der Norweger vor allem historische Gründe: das Gedächtnis an die nazideutsche Ok-kupation im 2. Weltkrieg und die Union mit Schweden, aus der sich die Norweger im Jahr 1905 „befreit“ hatten. Nach Ansicht des Kanzlers war die norwegische Ge-sellschaft noch nicht reif für eine enge Kooperation innerhalb überstaatlicher Struk-turen, insbesondere mit Deutschland.55 Obwohl die deutsch-norwegischen Bezie-hungen von der Erinnerung an die Okkupationszeit überschattet waren, stand man in Norwegen der deutschen Politik, insbesondere der Brandtschen Entspannungspo-litik, wohlgesonnen gegenüber. In den neunziger Jahren erneuerte Norwegen des-halb sein Beitrittsgesuch.

53 Rede von Staatsministerin im Auswärtigen Amt Ursula Seiler-Albring im Außenpolitischen Institut in Helsinki am 16. November 1993, „Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundes-regierung“ vom 19. November 1993, Nr. 101, S. 1132.

54 Vertrag über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands, des Königreichs Norwe­

gen und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zur Europäischen Wirtschafts­

gemeinschaft und zur Europäischen Atomgemeinschaft und Beschluss des Rates über den Bei­

tritt des Königreichs Dänemark, Irlands, des Königreichs Norwegen und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl;

geändert durch Beschluss des Rates vom 1. Januar 1973., J. Plaňavová-Latanowicz (Hrsg.), Do­

kumenty dotyczące przystąpienie do Unii Europejskiej Austrii, Finlandii i Szwecji Dokumente über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens zur EU/, Bd. 3, Centrum Europejskie Uniwersy-tetu Warszawskiego, Warszawa 1998, s. 61-189.

55 W. Brandt, op. cit., S. 332. Zum Thema der Erinnerung an die Nazi-Okkupation in Norwe- W. Brandt, op. cit., S. 332. Zum Thema der Erinnerung an die Nazi-Okkupation in Norwe-gen vgl.: S. Maerz, Die lanNorwe-gen Schatten der Besatzungszeit. „VerganNorwe-genheitsbewältigung“ in Norwe­

gen als Identitätsdiskurs, BWV Berliner-Wissenschaft, Berlin 2008.

Die Bemühungen Finnlands, Norwegens und Schwedens um Aufnahme in die Europäischen Gemeinschaften stießen auf große Unterstützung vor allem seitens der Bundesrepublik und Großbritanniens. Helmut Kohl nahm am 5. März 1992 bei ei-nem Staatsbesuch in Helsinki an einer feierlichen Tagung des Nordischen Rats anläss-lich seines 40. Jubiläums teil. In seiner Rede unterstrich er, dass die Mitgliedschaftsbe-strebungen der nordischen Staaten von enormer Bedeutung für den gesamten Kontinent und die Normalisierung der deutschen Beziehungen mit den skandinavischen Staaten seien. Er sagte, dass diese Staaten ihre besondere Erfahrung der überstaatlichen regi-onalen Zusammenarbeit in die Union einbrächten, die für die Entwicklung Europas von unschätzbarem Wert seien und eine wichtige Rolle bei der Annäherung an die neu-en Demokratineu-en in Mittel- und Osteuropa, insbesondere dneu-en baltischneu-en Staatneu-en, spie-len würden. Österreich wiederum wurde aufgrund seiner historischen und kulturelspie-len Verbundenheit als potenzieller Fürsprecher der Interessen der Staaten Mitteleuropas gesehen. Kanzler Kohl betonte, dass es der Bundesrepublik daran gelegen sei, dass

Die Bemühungen Finnlands, Norwegens und Schwedens um Aufnahme in die Europäischen Gemeinschaften stießen auf große Unterstützung vor allem seitens der Bundesrepublik und Großbritanniens. Helmut Kohl nahm am 5. März 1992 bei ei-nem Staatsbesuch in Helsinki an einer feierlichen Tagung des Nordischen Rats anläss-lich seines 40. Jubiläums teil. In seiner Rede unterstrich er, dass die Mitgliedschaftsbe-strebungen der nordischen Staaten von enormer Bedeutung für den gesamten Kontinent und die Normalisierung der deutschen Beziehungen mit den skandinavischen Staaten seien. Er sagte, dass diese Staaten ihre besondere Erfahrung der überstaatlichen regi-onalen Zusammenarbeit in die Union einbrächten, die für die Entwicklung Europas von unschätzbarem Wert seien und eine wichtige Rolle bei der Annäherung an die neu-en Demokratineu-en in Mittel- und Osteuropa, insbesondere dneu-en baltischneu-en Staatneu-en, spie-len würden. Österreich wiederum wurde aufgrund seiner historischen und kulturelspie-len Verbundenheit als potenzieller Fürsprecher der Interessen der Staaten Mitteleuropas gesehen. Kanzler Kohl betonte, dass es der Bundesrepublik daran gelegen sei, dass

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