• Nie Znaleziono Wyników

Die Etappe der Beitrittsverhandlungen

W dokumencie Katowice 2011 (Stron 124-0)

Kapitel III: Die Erweiterung der Europäischen Union um die Staaten

4. Die Etappe der Beitrittsverhandlungen

Auf der Sitzung des Europäischen Rats vom 11.-12. Dezember in Edinburgh wurde der Beschluss über den offiziellen Beginn der Beitrittsverhandlungen mit

Ös-58 Zum Gefühl einer „europäischen Identität“ gehören historische, geografi sche und kultu- Zum Gefühl einer „europäischen Identität“ gehören historische, geografische und kultu-relle Elemente. Vgl.: A. Podraza, Unia Europejska a Europa Środkowa i Wschodnia /Die Europä­

ische Union und Mittel- und Osteuropa/, Redakcja Wydawnictw KUL, Lublin 1997, S. 21-22. Vgl.:

F. Gołembski (Hrsg.), Tożsamość europejska /Die europäische Identität/, Instytut Nauk Politycznych UW, Warszawa 2005.

59 Vgl.: European Commission, Europe and the challenge of enlargement…

60 European Council, Conclusions of the Presidency, 26­27 June 1992, Lisbon, ,,Bulletin of the European Communities“ 1992, No. 6, pkt. I.4; F. Cameron, Keynote Article: The European Union and the fourth Enlargement, „Journal of Common Market Studies“, Vol. 33, Annual Review, August 1995, S. 18.

61 Die früheren Erweiterungen fanden auf der Grundlage von Art. 98 des Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Art. 237 des Vertrags zur Grün­

dung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Art. 205 des Vertrags zur Gründung der Euro­

päischen Atomgemeinschaft statt. Die Aufnahme Österreichs, Finnlands und Schwedens war die erste Erweiterung der Europäischen Union und die vierte Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften.

terreich, Finnland und der Schweiz gefasst.62 Die Europäische Kommission erteilte am 24. März eine positive Stellungnahme zum norwegischen Beitrittsgesuch (einge-reicht im Herbst 1992). Die offizielle Aufnahme der Verhandlungen mit Österreich er-folgte am 1. Februar 1993, die Gespräche mit Norwegen begannen am 5. April 1993.

Die Grundlage für die Verhandlungen war und ist die Akzeptierung des ge-meinschaftlichen rechtlichen Besitzstandes, des Acquis communautaire, durch die beitrittswilligen Länder. Der Acquis communautaire ist die Gesamtheit der Rech-te und PflichRech-ten der MitgliederstaaRech-ten der EG/UE. Das europäische Recht lässt sich allgemein in Primärrecht und Sekundärrecht (das abgeleitete Recht) einteilen.63

Das Primärrecht der Europäischen Gemeinschaften besteht aus dem Ver­

trag über die Gründung der Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (inkraftgetreten am 23. Juli 1952); den Römischen Verträgen über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomge-meinschaft vom 25. März 1957 (inkraftgetreten am 1. Januar 1958) mit Änderungen, wie zum Beispiel dem Fusionsvertrag vom 8. April 1965 (inkraftgetreten am 1. Juli 1967), der einen Rat und eine Kommission für alle drei Gemeinschaften errichtete, den Haushaltsverträgen vom 22. April 1970 und 22. Juli 1975, der Einheitlichen Eu­

ropäischen Akte vom 17. Februar 1986 (inkraftgetreten am 1. Juli 1987); dem Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 (inkraftgetreten am 1. November 1993). Die Kandidaten der nächsten Erweiterungen mussten weitere Verträge der EU akzeptieren, wie den Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 (inkraftgetreten am 1. Mai 1999), den Vertrag von Nizza vom 26. Februar 2001 (inkraftgetreten am 1. Feb-ruar 2003), den Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13. Dezember 2007 (inkraftgetreten am 1. Dezember 2009).64 Neben den Vertragsgrundlagen sind eine wichtige Quelle der EU-Gesetzgebung die interna-tionalen Verträge, die von der Gemeinschaft mit Drittstaaten und internainterna-tionalen Ein-richtungen geschlossen wurden, sowie die Verträge über den Beitritt zur EG/EU.

Das Sekundärrecht der Europäischen Gemeinschaften setzt sich aus den Rechtsakten der Gemeinschaftseinrichtungen in Zusammenhang mit der Im-plementierung von Verträgen, Konventionen und internationalen Verträgen zusam-men. Artikel 249 (früher 189) des Vertrags über die Gründung der Europäischen

62 European Council, Conclusions of the Presidency, 11­12 December 1992, Edinburgh,

„Bulletin of the European Communities“12–1992, pkt I.6.

63 F. Emmert, M. Morawiecki, Prawo Europejskie /Europarecht/, Wydawnictwo Naukowe PWN, Warszawa-Wrocław 2002, S. 1-6, 107-119; J. Barcz (Hrsg.), Prawo Unii Europejskiej. Zagad­

nienia systemowe /Das Recht der Europäischen Union. Systemfragen/, Wydawnictwo Prawo i Prak-tyka Gospodarcza, Warszawa 2002, S. 68-69, 177 i n.; Z.J. Pietraś, Prawo wspólnotowe i integracja europejska /Gemeinschaftsrecht und europäische Integration/, Wydawnictwo UMCS, Lublin 2005, S. 21 i n.

64 Die Vertragstexte sind auf der offi ziellen Webseite des polnischen Außenministeriums zu-Die Vertragstexte sind auf der offiziellen Webseite des polnischen Außenministeriums zu-gänglich: http://www.polskawue.gov.pl.

Wirtschaftsgemeinschaft nennt folgende Arten von Rechtsakten des Sekundärrechts:

verbindliche Akten, Verordnungen, Beschlüsse; darüber hinaus nichtobligatorische und unverbindliche Akten, Empfehlungen und Stellungnahmen. Zum Sekundärrecht werden zudem die Rechtsprechungen des Europäischen Gerichtshofs und des Euro-päischen Gerichts der ersten Instanz gezählt.

Die Verhandlungen wurden nach dem Grundsatz bilateraler Gespräche mit jedem einzelnen Kandidaten in Form von internationalen Konferenzen zwi-schen der EU-12 und den Beitrittskandidaten im Rahmen des Ministerrats mit Hilfe der Europäischen Kommission geführt. Die Kommission berief auf ihrer Tagung am 22. Februar 1993 zu diesem Zweck eine spezielle Aufgabengruppe für die Erwei-terung (Enlargement Task Force). Zu den Verhandlungen wurden zudem Experten aus allen Generaldirektionen (GD) der Europäischen Kommission geladen (GISE-LA, Groupe Interservice Elargissement). An den Gesprächen nahmen teil: die Task Force, die GD der Kommission, das Sekretariat der Kommission, der aktuelle EU-Vorsitz, die „Trojka“ (neben dem aktuellen Vorsitz der vorherige und der nächste) sowie die Kandidaten. Die Verhandlungen verliefen auf zwei offiziellen Ebenen:

Treffen der Chefunterhändler und Begegnungen auf ministerieller Ebene, auf denen die schwierigsten Fragen behandelt und die bei den Gesprächen der Chefunterhänd-ler getroffenen Vereinbarungen bestätigt wurden. Zum Verhandlungsprozess lassen sich auch die zahlreichen nichtformellen Zusammenkünfte von Expertengruppen, Staatsbesuche und private Begegnungen der Regierungschefs, Besuche von Vertre-tern der europäischen Einrichtungen, die Tätigkeit von NGOs, nationale Kampagnen für oder gegen den jeweiligen Beitritt sowie die Aktivität der Medien zählen.65

In der Endphase der Verhandlungen mit Österreich sowie der Gespräche mit Finnland in der Frage der Landwirtschaft spielte neben dem Vertreter des grie-chischen Vorsitzes Theodoros Pangelos und dem belgischen Außenminister Willy Claus auch Bundesaußenminister Klaus Kinkel eine bedeutende Rolle, insbesonde-re wähinsbesonde-rend der nichtformellen Gespräche nach dem „Beichtstuhlprinzip“.66 Ohne die entschiedene Haltung Deutschlands wären die Verhandlungen mit Finnland ver-mutlich nicht fristgerecht abgeschlossen worden.67 Zu erwähnen ist, dass der

Chef-65 F. Granell, The First Enlargement. Negotiations of the EU, [in:] J. Redmond (ed.), op. cit., S. 44; Ph. Nicolaides, S.R. Boean, The Process of Enlargement of the European Union,

„EIPAScope“1993, No. 3, S. 2-4. Vgl.: Negocjacje akcesyjne. Wnioski z doświadczeń Austrii, Fin­

landii, Norwegii i Szwecji /Beitrittsverhandlungen. Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen Öster-Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen Öster­

reichs, Finnlands, Norwegens und der Schweiz/, Kolegium Europejskie – Natolin, Warszawa 1999.

66 Eine informelle Verhandlungsmethode, die auf dem Abbruch formelle Verhandlungen beim Auftreten von Schwierigkeiten und der Delegationsleiter der Anwärterstaaten durch den Vorsitzenden des Rats zu inividuellen Gesprächen beruht. Häufig nehmen neben auch die vorherigen und kommen-den Vorsitzenkommen-den an diesen Gesprächen teil, die nach dem Prinzip der „Beichtanhörung“ verlaufen.

67 Vgl.: Negocjacje akcesyjne. Wnioski z doświadczeń Austrii… /Beitrittsverhandlungen.

Schlussfolgerungen…/, op. cit., S. 30, 45; J. Schild, Deutschland, Frankreich und die EFTA­Erweite­

rung der Europäischen Union, [in:] A. Sauder, J. Schild (Hrsg.), Handel für Europa. Deutsch­franzö­

sische Zusammenarbeit in einer veränderten Welt, Leske+Budrich, Opladen 1995, S. 123.

unterhändler der Kommission bei den Gesprächen mit Schweden der Deutsche Ni-kolaus G. van der Pas war.68

Im Rahmen der Verhandlungen wurde ein Screening durchgeführt, also eine Durchsicht der Gesetzgebung des jeweiligen Kandidaten hinsichtlich ihrer Übereinstimmung mit dem Acquis communautaire. Nach dessen Abschluss stellten die Kandidaten ihre Verhandlungsstandpunkte dar und begannen mit den eigentli-chen Verhandlungsgespräeigentli-chen, deren Ziel es war, sämtliche Streitfragen, die sich aus der Inkongruenz der Rechtssysteme ergaben, zu entscheiden. Am zweiten Tag nach dem offiziellen Verhandlungsbeginn wurden Ablauf und Organisation der Ver-handlungen sowie eine Liste mit 29 Verhandlungskapiteln festgelegt.

Die Verhandlungen als Teil des Erweiterungsprozesses beginnen an ei-nem vom Rat der Europäischen Union festgelegten Datum. Sie gehen zu Ende, wenn das letzte Verhandlungskapitel geschlossen wird. Der Europäische Rat äußerte am 21.-22. Juni 1993 auf seiner Sitzung in Kopenhagen die Absicht der Finalisie-rung der ErweiteFinalisie-rung am 1. Januar 1995. Auf der nächsten Tagung des Rats am 29.

Oktober in Brüssel wurde der Termin für den Abschluss der Beitrittsverhandlungen auf den 1. März 1994 festgelegt. Beide Entscheidungen wurden von der Bundes-regierung mit Befriedigung aufgenommen. Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt Ursula Seiler-Albring erklärte in Helsinki, Deutschland täte alles dafür, da-mit die Mitgliedschaft am 1. Januar 1995 möglich werde, was bedeuten sollte, dass die die Beitrittsverhandlungen bis zum 1. März 1994 abgeschlossen sein mussten.69

Ein Beschluss des Gipfels von Brüssel bewirkte die Einführung eines neuen Verhandlungsmodells in Form von mehrtägigen „Verhandlungsmarathons“ oder „Jun-bo-Sessions“.70 Auf politischer Ebene endeten die Beitrittsverhandlungen am 1. März 1994 mit Österreich, Finnland und Schweden und mit Norwegen am 16. März.

Der Bundesaußenminister unterstrich in einer rede am 10. März 1994 vor dem Bun-destag, dass „der Beitritt der drei nordischen Länder und Österreichs ein wesentli-cher Schritt auf dem Weg zur Schaffung eines neuen Gleichgewichts in Europa“ sei.

Für das vereinte Deutschland ist die Aufnahme neuer Mitglieder besonders in geogra-fischer und politischer Hinsicht besonders bedeutsam, da Deutschland mitten im Zen-trum der Integrationsprozesse steht. Die Erweiterung der EU um die EFTA-Staaten ermöglichte nach Ansicht von Klaus Kinkel die Schaffung eines Gleichgewichts zwi-schenWest-, Süd- und Nordeuropa und der Öffnung nach Osten.71

68 Für die Verhandlungen mit Östereich war auf Seite der Europäischen Kommission Graham Avery (Großbritannien) zuständig, mit Finnland – Francisco Granell (Spanien), mit Norwegen – En-rico Grillo Pasquarelli (Italien). Vorsitzender der Aufgabengruppe Task Force Enlargement der Euro-päischen Kommission wurde der Däne Steffen Szmidt.

69 Rede von Staatsministerin im Auswärtigen Amt Ursula Seiler­Albring…, S. 1130.

70 Zur Verhandlungsmarathon bzw. „Jumbo-Session“ vgl.: Negocjacje akcesyjne. Wnioski z doświadczeń Austrii… /Beitrittsverhandlungen. Schlussfolgerungen…/, op. cit., S. 16-19.

71 Zit. nach: J. Schild, Deutschland, Frankreich und die EFTA­Erweiterung…, op. cit., S. 123-124. „Das Parlament“ vom 18. März 1994.

Der Abschluss der Verhandlungen wurde auf einer Zusammenkunft der Au-ßenminister in Ioannina am 27. März 1994 verkündet. Auf diesem Forum wurde auch der Kompromiss über die Abstimmungen im erweiterten Europäischen Rat geschlos-sen.72 Die Beitrittsverhandlungen hatten nur 13 Monate gedauert.73 Am 19. März 1994 erteilte die Europäische Kommission eine positive Stellungnahme. Als nächs-tes nahm das Europäische Parlament am 4. Mai 1994 nach sechsstündiger Debatte eine Resolution an, die diesen Standpunkt der Kommission bestätigte. Die Europa-Abgeordneten stimmten mit 378 Stimmen bei 24 Gegenstimmen und 60 Enthaltun-gen für den Beitritt Österreichs und die Annahme des Vertrags über den Beitritt Ös­

terreichs zur EU. Für den Beitritt Finnlands sprachen sich 377 Abgeordnete bei 21 Gegenstimmen und 61 Enthaltungen aus, für den Beitritt Schwedens 381 Abgeord-nete bei 21 Gegenstimmen und 60 Enthaltungen und für den Beitritt Norwegens 376 Abgeordnete bei 24 Gegenstimmen und 57 Enthaltungen.74 Die Einwilligung des Europäischen Parlaments in den Erweiterungsprozess war eine Prozedur die hier erstmals angewandt wurde. Sie ergab sich aus den Bestimmungen des Vertrags von Maastricht. Der Bundeskanzler nahm die Entscheidung des europäischen Parla-ments mit Befriedigung auf und erklärte, der Beitritt dieser Staaten werde die Union politisch und wirtschaftlich stärken.75

Nach der positiven Entscheidung des Europäischen Rats am 16. Mai und der Ak-zeptierung der einzelnen Beitrittsdokumente durch die Mitgliederstaaten fand die Zere-monie der Unterzeichnung des Vertrags über die Erweiterung der Europäischen Union um die Länder der EFTA am 4. Juni auf der griechischen Insel Korfu statt.

***

Nach Abschluss der Beitrittsverhandlungen begann der Ratifizierungsprozess.

Der österreichische Nationalrat nahm am 5. Mai 1994 mit 140 Stimmen bei 35

Ge-72 Es wurde festgelegt, dass, wenn Mitgliedsstaaten, die über 23-26 Stimmen im Rat verfü- Es wurde festgelegt, dass, wenn Mitgliedsstaaten, die über 23-26 Stimmen im Rat verfü-gen, Widerspruch gegen eine vom Rat getroffene Entscheidung einleverfü-gen, der Ratsvorsitz versuchen wird, eine Lösung zu finden, die mit mindestens 68 angenommen werden kann. Beschluss des Ra­

tes vom 29. März 1994 über die Beschlussfassung des Rates mit qualifizierter Mehrheit, „Amts-blatt der Europäischen Gemeinschaften“, Nr. C 105 vom 13/04/1994, S. 1. Dieser Beschluss wurde am 1. Januar 1995 geändert, der die Zahl der Widerspruch einlegenden Staaten von 23-26 auf 23-25 und die Zahl der beschlussfassenden Mehrheit auf 65 korrigierte. Beschluss des Rates vom 1. Januar 1995 zur Änderung des Beschlusses des Rates vom 29. März 1994 über die Beschlussfassung des Ra­

tes mit qualifizierter Mehrheit, „Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften“, Nr. C 1 vom 1.1.1995, S. 1. Vgl.: F. Granell, The first Enlargement…, S. 35-63.

73 Zum Vergleich: Die Beitrittsverhandlungen Großbritanniens, Irlands und Dänemarks hat- Zum Vergleich: Die Beitrittsverhandlungen Großbritanniens, Irlands und Dänemarks hat-ten 19 Monate gedauert, die Portugals gar 80 Monate. Zum Thema der norwegischen Verhandlungen vgl.: J. Haaland, „And Never the Twain Shall Meet“ Reflections on Norway, Europe and Integration, [in:] T. Tiilikainen, Ib D. Petersen (eds), op. cit., s. 43-63. Por. C. Archer, Norway: the One that got away, [in:] J. Redmond (ed.), op. cit., S. 147-170.

74 F. Granell, The European Union Enlargement. Negotiations with Austria, Finland, Norway and Sweden, „Journal of Common Market Studies“, Vol. 30, No. 1, March 1995, S. 123.

75 Zustimmung des Europäischen Parlament zur Erweiterung der Europäischen Union, „Bul-letin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung“ vom 9. Mai 1994, Nr. 41, S. 364.

genstimmen das Bundesgesetz über den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union an. Zwei Tage darauf bestätigte der Bundesrat dieses Gesetz mit 51 Stimmen bei 11 Gegenstimmen. Das Inkrafttreten hing noch vom Ergebnis eines Volksentscheids ab, der am 12. Juni 1994 durchgeführt wurde. Bei einer Beteiligung von 82,4% spra-chen sich 66,6% der an der Abstimmung teilnehmenden Bürger für den Beitritt aus.

Dies war die höchste Zustimmung in den Beitrittsländern dieser Erweiterungswelle.

Der Volksentscheid in Finnland fand am 16. Oktober 1994 statt, 56,9% der ab-gegebenen Stimmen waren bei einer Beteiligung von 70,8% für den Beitritt. Das finni-sche Parlament sprach sich mit 97 Stimmen bei 80 Gegenstimmen und 18 Enthaltungen für die Annahme des Vertrags über den Beitritt Finnlands zur Europäischen Union aus.

Bundeskanzler Kohl reagierte auf die Ergebnisse der Volksentscheide in Ös-terreich und Finnland „mit großer Befriedigung“. Beide Referenden hätten gezeigt, dass das vereinte Europa eine große Anziehungskraft besitz. Die Idee der europä-ischen Integration sei „in den Herzen der Bürger der Beitrittsländer verwurzelt“

und „von einer angeblichen Europamüdigkeit der Bürger könne keine Rede sein“.76 In Schweden fand der Volksentscheid am 13. November 1994 statt. 52,3%

der Bürger sprachen sich für den Beitritt aus, 46,8 % dagegen. Schon am darauf-folgenden Tag unterstrich Bundeskanzler Kohl, dies sie, ähnlich wie die Ergebnisse der Referenden in Österreich und Finnland ein klares Signal dafür, dass die Bürger dieser Länder die universellen Werte und Ideen der europäischen Integration teilen und von „keinerlei Europamüdigkeit die Rede sein könne“.77 Am 14. Dezember be-stätigte der Riksdag die Änderungen in der schwedischen Verfassung, die den Bei-tritt zur EU mit dem 1. Januar 1995 ermöglichten.

Der Volksentscheid in Norwegen fand am 27.-28. November 1994 statt.

Bei einer hohen Wählerbeteiligung von 88,8% stimmten 52,2% der Bürger gegen den Beitrittsvertrag. Zum zweiten Mal lehnte somit Norwegen die Mitgliedschaft in der EG/EU ab.78 Der erwartete Domino-Effekt nach den erfolgreichen Volksent-scheiden in Österreich, Finnland und Schweden bleib aus. Die Norweger reagierten mit Reserve auf den Beitritt zur durch den Vertrag von Maastricht reformierten

In-76 Erklärung des Bundeskanzlers Helmut Kohl zum Ausgang des Referendums über den Bei­

tritt zur Europäischen Union in Finnland, Bonn den 17. Oktober 1994, „Bulletin des Presse- und In-formationsamtes der Bundesregierung“ vom 19. Oktober 1994, Nr. 98, S. 908.

77 Erklärung des Bundeskanzlers Helmut Kohl zum Ausgang des Referendums über den Bei­

tritt zur Europäischen Union in Schweden, Bonn den 14. November 1994, „Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung“ vom 25. November 1994, Nr. 109, S. 1000.

78 Über die Skepsis der Norweger gegenüber des EU-Beitritts vgl: I. Sogner, C. Archer, Nor­

way and Europe: 1972 and Now, „Journal of Common Market Studies“, Vol. 33, No. 3, September 1995, S. 381-410; S. Konopacki, Norwegia na drodze do członkostwa w UE /Norwegen auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft/, „Sprawy Międzynarodowe“ 2000, Nr. 2, S. 125-130; K. Nowicka, Stosunki Unia Europejska-Norwegia /Die Beziehungen zwischen EU und Norwegen/, „Przegląd Europejski“

2003, Nr. 1, S. 159-185; K. Hansen Bundt, Norwegia mówi „Nie!“. Źródła sprzeciwu wobec człon-Źródła sprzeciwu wobec człon­

kostwa w Unii Europejskiej / Norwegen sagt Nein. Die Quellen des Widerstands gegen die EU-Mit-Die Quellen des Widerstands gegen die EU­Mit­

gliedschaft/, Instytut Spraw Publicznych, Warszawa 2000.

tegrationsstruktur. Helmut Kohl nahm das Ergebnis „mit Bedauern“ auf. Die Bun-desregierung war von Anfang an der Ansicht gewesen, dass der Beitritt Norwegens einen Gewinn für beide Seiten bedeutet hätte. Am 29. November äußerte der Kanzler in einer Presseerklärung, das Deutschland den souveränen Willen des norwegischen Volkes respektiere, und unterstrich, das trotz des Ergebnisses des Volksentscheids die Türen zur Europäischen Union für Norwegen geöffnet blieben.79

Norwegen blieb bei dem im Rahmen des Europäischen Wirtschaftsraums erhaltenen gegenseitigen Nutzen. Gegen Ende der neunziger Jahre ging ca. 80%

des norwegischen Exports auf den EU-Markt- Gleichzeitig stammte 70% des nor-wegischen Imports aus dem Europäischen Wirtschaftsraum. Im Jahr 2005 waren um die 80% des Exports und 65% des Imports mit der EU verbunden. Im Jahr 2007 waren die wichtigsten Handelspartner Großbritannien, Deutschland und Schwe-den. Der Handelsaustauch mit Deutschland machte 12,3% des Exports und 3,5%

des Imports aus.80 Die engen Beziehungen zu den übrigen skandinavischen Staaten bewegen Norwegen zu einer Festigung seiner Beziehungen zur Union. 1997 wurde der Beitritt zur Kooperation im Rahmen des Schengener Abkommens beschlossen.81

Deutschland ratifizierte den Vertrag über den Beitritt Österreichs, Finnlands, Norwegens und Schwedens zur Europäischen Union am 2. September1994.82 Nach der Ratifizierung durch alle Mitglieds- und Beitrittsstaaten wurde er als Deposit der italienischen Regierung hinterlegt. Am 1. Januar trat er in Kraft.83

Am 16. Juli 2009 beschloss auch Island aus wirtschaftlichen Gründen ein Bei-trittsgesuch einzureichen. Die globale Finanzkrise hatte vor allem das isländische

79 Erklärung des Bundeskanzlers Helmut Kohl zum Ausgang des Referendums über den Bei­

tritt zur Europäischen Union in Norwegen, Bonn den 29. November 1994, „Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung“ vom 30. November 1994, Nr. 111, S. 1020.

80 CIA, The Word Fact Book. Norway, Quelle: https://www.cia.gov/library/ publications/the-world-factbook/geos/no.html, (Märzc 2008).

81 Vgl. Agreement concluded by the Council of the European Union and the Republic of Ice­

land and the Kingdom of Norway concerning the latter’s association with the implementation, appli­e latter’s association with the implementation, appli­

cation and development of the Schengen acquis ­ Final Act, „Official Journal“, L 176, 10/07/1999, s. 36-62, Quelle: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/ LexUriServ.do?uri=CELEX:2199“9A0710(02 ):EN:HTML, (März 2008).

82 Gesetz zu dem Vertrag vom 24. Juni 1994 über den Beitritt des Königreichs Norwegen, der Republik Osterreich, der Republik Finnland und Königreichs Schweden zur Europäischen Union vom 2.09.1994, „Bundesgesetzblatt“ 1994, II, S. 2022.

83 Beeitrittsdokumete vgl.: Vertrag über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands, des Königreichs Norwegen und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zur Eu­

ropäischen Wirtschaftsgemeinschaft und zur Europäischen Atomgemeinschaft, [w:] J. Plaňavová-Latanowicz (Hrsg.), op. cit., S. 35-37. Die Grundbedingungen für den Beitritt Österreichs, Schwe-dens und Finnlands sowie die Änderungen in den Gründungsverträgen wurden in der Beitrittsakte bestimmt. Im Zusammenhang mit der Verweigerung des Beitritts Norwegens durch einen Volksent-scheid, wurden 36 Artikel, vier Anlagen und ein Protokoll aus der Beitritsakte gestrichen. Vgl.: Akte über die Bedingungen des Beitritts der republik Österreich, der Republik Finnland und des König­

reichs Schweden zu den Gründungsverträgen der Europäischen Union [in:] Ebd., S. 38-84.

Bankwesen mit voller Härte getroffen. Die Banken gingen aufgrund ihrer Über-schuldung und des Kurseinbruchs der isländischen Krone bankrott. Um die Krone zu stabilisieren, die Fiskalpolitik zu konsolidieren und den Bankensektor zu re-strukturieren, musste sich Island beim Internationalen Währungsfonds verschulden.

Der Gesamtbetrag des Kredits beläuft sich auf 4,75 Mrd.USD. Die in Reykjavik seit April 2009 regierende Sozialdemokratie erkannte die Chance zur Rettung der islän-dischen Wirtschaft in der Europäischen Union. Der Beschluss über die Einreichung des Beitrittsgesuchs stieß bei der Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel auf große Befriedigung – trotz kritischer Anmerkungen einiger Politiker der CSU.

Der Gesamtbetrag des Kredits beläuft sich auf 4,75 Mrd.USD. Die in Reykjavik seit April 2009 regierende Sozialdemokratie erkannte die Chance zur Rettung der islän-dischen Wirtschaft in der Europäischen Union. Der Beschluss über die Einreichung des Beitrittsgesuchs stieß bei der Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel auf große Befriedigung – trotz kritischer Anmerkungen einiger Politiker der CSU.

W dokumencie Katowice 2011 (Stron 124-0)