• Nie Znaleziono Wyników

Preradović’ Novelle besitzt eine tiefe, existenzielle Bedeutung. Am Beispiel eines Ereignisses aus dem Leben zweier Menschen erörtert sie komplexe Probleme, denen viele Christen ausgesetzt sind. Eines davon ist der Kampf gegen die Versuchungen, von denen in der Novelle mehrere genannt werden.

„Wonach er [Columba] mit aller Inbrunst lechzte, das war nicht nur das langentbehrte Land, es war das menschlich-warme Leben derer, die ohne Sendung sind“716, heißt es im Text. In seinen Gedanken blendet Columba die Vergangenheit aus. Er scheint die Gründe für die Auswanderung nach Iona vergessen zu haben und sehnt sich nach dem, was er in seiner Heimat zurückließ. Schließlich beginnt er sich nach dem

»Was-wäre-wenn…?« zu fragen und stellt sich ein alternatives Lebensszenario in Erin vor. Der Wunsch nach einer eigenen Familie lässt ihn nicht zur Ruhe kommen.

Columba zeigt sich nicht stark genug, um der Versuchung der Sehnsucht nach dem

»menschlich-warmen Leben« zu widerstehen. Er ringt nicht um seine Identität und seine Sendung, außerdem zeigt er sich unfähig die Versuchung zu entlarven.

Auch die Versuchung der Angst spielt im Text eine wichtige Rolle. Dabei handelt es sich um die Angst vor den Gefahren und Mühen des Lebens in der Fremde und den Widerwillen diese zu tragen. Es ist eine Angst, die jeder Mensch in sich trägt und die viele davon abhält, verantwortungsbewusst und agil zu handeln. Sie hat auf Columba eine lähmende Wirkung. Er malt sich die Mission in Schottland in den dunkelsten Farben aus. Seine Gedanken werden im Text folgendermaßen geschildert:

Es ergriff ihn eine grauenhafte Angst vor der kalten und feindlichen Fremde der Länder, in die als ein Bekehrer zu ziehen er sich vorgesetzt hatte; er glaubte den Haß in den Augen der heidnischen Priester dicht vor sich blitzen zu sehen und zu fühlen, wie die Einwirkungen ihrer zauberischen Künste sich vernichtend in seinen Körper einbohrten.717 Eine Furcht, wie er sie nie in seinem Leben empfunden hatte, lähmte seinen Geist und seine Seele, Schweiß brach ihm allenthalben aus der Haut, und er begann zu zittern. In Bildern des Grauens sah er sich selbst und seine Gefährten hingeschlachtet, noch als Leichen mißhandelt und ohne Gebet und christliches Begräbnis den wilden Vögeln zum Fraß überlassen. Nichts schien ihm fürchterlicher, als den Vorsatz auszuführen, den er nun schon Monde lang gehegt und wenn auch mit Zagen, so doch ohne zu zweifeln als Anruf Gottes erkannt hatte. Ganz laut vor sich hinsprechend, wiederholte er seinen letzten Gedanken: »Es ist Zeit, daß mit all diesem ein Ende gemacht werde«.718 Der Wunsch die Christianisierungspläne Schottlands aufzugeben hat noch einen zweiten Grund. Dieser liegt im Verlust des Vertrauens in Gottes Fürsorge und Beistand, der

716 Ebd., S. 876.

717 Nachdem Columba mit großer Hochachtung von König Bruide in Inverness empfangen worden war, soll es tatsächlich zu einer Auseinandersetzung mit dem Hofmagier Broichan gekommen sein (vgl. Próinséas Ní Chatáin: »Columba«, a.a.O., S. 157).

718 Paula von PRERADOVIĆ: Die Versuchung des Columba, a.a.O., S. 876f.

Folge der dritten Versuchung, welcher der Abt erliegt. Es handelt sich dabei um die Versuchung des Kleinmuts. Sie sei häufi g schwieriger als Versuchung des Bösen zu erkennen, als die Verführung zum Hochmut, heißt es im Text.719 Der irische Mönch beginnt daran zu zweifeln, ob er Gott genüge und ob er für die Verwirklichung der ihm anvertrauten Mission gut genug sei. Er sucht nach Argumenten, die seine defätistische Haltung untermauern sollen. Mag er auch vor der Krise ein wenig selbstgefällig gewesen sein, so zieht er daraus keine konstruktiven Schlüsse, sondern rechtfertigt die Aufgabe seiner Pläne vor Gott und sich selbst mit falscher Bescheidenheit. Es handelt sich hier um eine Abkehr von der göttlichen Berufung, die auch eine Form von Hochmut darstellt. Folgende Gedanken gehen ihm durch den Kopf:

[…] die hoffärtigen Pläne von der Bekehrung der Piktenstämme will ich als das erkennen, was sie sind: ein Gaukelspiel meiner eigenen Eitelkeit. Wer bin ich, daß ich mich vermessen dürfte, zu glauben, Gott hätte so Großes mit mir vor? Ich gehöre zu jenen, von denen es im Psalm heißt, daß sie untüchtig sind und nicht Gutes tun können. Ich bin Gottes letzter und erbärmlichster Knecht, keine Ämter und Würden ziemen mir, und es ist Zeit, daß mit all diesem ein Ende gemacht werde.720

Indem Columba unter dem Vorwand der Bescheidenheit die ihm anvertraute Mission aufgibt, verfehlt er den Weg der Demut, der in den Werken der österreichischen Dichterin als der einzig richtige Weg eines jeden Christen dargestellt wird. Reginald Vospernik schrieb, das menschliche Herz müsse – so die Meinung der Dichterin – „in Demut Gottes Wege wandeln […]. Allein im Rhythmus des Göttlichen, das heißt des Natürlichen, möge auch der Mensch es unbequem fi nden, liegt der wahre Weg“.721 Dieser Gedanke gewann im Leben der Dichterin an Gestalt. Er spiegelt sich auch in ihren Texten wider.

Preradović’ Novelle zeigt einerseits, dass auch der Verstand eines tiefgläubigen Menschen vom Bösen verwirrt werden kann. Dies geschieht manchmal aufgrund der sündhaften Neigungen des Menschen, die ihn für Versuchungen anfällig machen. Andererseits werden aber auch die objektiven Schwierigkeiten bei der Erkennung des göttlichen Willens gezeigt. Es sind die Dilemmata jedes Christen, der verstehen will, was Gott von ihm verlangt. Inwiefern greift die Vorsehung in die biographischen Abläufe der Menschen ein? Gibt Gott den Menschen Zeichen? Welche Ereignisse können als Botschaften Gottes interpretiert werden und welche nicht? Was soll man tun, wenn die vermeintlichen Zeichen eine widersprüchliche Bedeutung zu haben scheinen?

Mit den meisten dieser Fragen sieht sich auch der Abt von Iona konfrontiert. Zum ersten Mal in seinem Leben scheint er beim Versuch den Willen Gottes zu erkennen völlig desorientiert zu sein. Er fragt sich, was Maurinns Erscheinen bedeuten soll und weshalb seine Versuche sie von ihrem Plan abzubringen gescheitert sind. Könne

719 Vgl. Reginald VOSPERNIK: Paula von Preradović. Leben und Werk, a.a.O., S. 139.

720 Paula von PRERADOVIĆ: Die Versuchung des Columba, a.a.O., S. 876.

721 Reginald VOSPERNIK: Paula von Preradović. Leben und Werk, a.a.O., S. 27.

beides nicht als eine Mahnung Gottes verstanden werden? Folgende Passage bringt Columbas innere Konfl ikte deutlich zum Ausdruck:

Was bete und was singe ich? Hat Gott mir noch nicht deutlich genug gezeigt, daß eines Abtes Amt mir nicht taugt? Wäre es Ihm nicht ein leichtes gewesen, die Jungfrau Maurinn von Iona fernzuhalten? Da er sie die gefährliche Reise bestehen und den Mut fi nden ließ, zu mir zu reden, so ist, was sie wünscht wohl das Gute […].722

Als Columba die Nachricht von Fursas Tod erhält, sieht er darin auch ein mögliches Zeichen und eine Bestätigung seiner Deutung des göttlichen Willens. „Gott, mein Gott wie deutlich willst du noch zu mir reden?“723, ruft er zum Himmel empor.

Weiter heißt es: „Während er zur Zelle des Verstorbenen eilte, glaubte er mit voller Deutlichkeit zu erkennen, daß alle geistliche Kraft von ihm genommen war“.724 Die Tatsache, dass er nicht imstande war seinen Mitbruder zu heilen, geschweige denn zu erkennen, dass dieser in Todesgefahr schwebte, lässt ihn nicht mehr zur Ruhe kommen. Sie bestärkt ihn in der Überzeugung, Gott verlange von ihm, dass er die geistliche Laufbahn verlasse.

Man erkennt in Columba, dem plötzlich alle übernatürliche Macht entzogen wurde, das Bild eines durchschnittlichen Menschen, mit all seinen Schwächen und Zweifeln.

Er überwindet die geistige Krise nicht aus eigener Kraft, sondern wird von ihr befreit.

Ohne Gottes Hilfe ist er unfähig sein Problem zu lösen.725 Columba wirkt deshalb sehr menschlich und ist eine realitätsnahe Gestalt, mit der man sich identifi zieren kann.

Die Versuchung des Columba ist eine Novelle über die Irrwege des Lebens. Der Mensch wird immer wieder auf die Probe gestellt. Manche dieser Prüfungen besteht er, manche nicht. Häufi g steht er ratlos da oder irrt im Dunkeln umher und ist trotzdem gezwungen in seiner Ahnungslosigkeit Entscheidungen zu treffen, deren Folgen er kaum erahnen kann. Es kommt vor, dass er ohne sich dessen bewusst zu sein Gottes Pfade verlässt. Oft sind es scheinbar oder objektiv gute Dinge, die ihn vom rechten Weg abbringen. Beispiele dafür fi nden wir in Preradović’ Text. Weder die Liebe zur Heimat noch die weltliche Liebe und der Wunsch eine Familie zu gründen sind aus christlicher Sicht etwas Verwerfl iches, doch gerade diese Wünsche und Sehnsüchte werden Columba zum Verhängnis. Am Ende des Textes wird er sich dessen bewusst, wovon folgende Passage zeugt:

[…] Er erwog mit zitternder Seele, daß längs des Weges der zu weittragender Sendung Berufenen die Herzen schlicht und warm liebender Menschen mitunter ebenso eingesät

722 Paula von PRERADOVIĆ: Die Versuchung des Columba, a.a.O., S. 874.

723 Ebd., S. 874f.

724 Ebd., S. 875.

725 Der Mensch ist und bleibt jederzeit auf die Hilfe Gottes angewiesen – dies ist einer der wichtigsten Gedanken dieser Novelle. Auch Columba wird sich dieser Wahrheit aufs Neue bewusst. Seine Erfahrung erfüllt ihn wieder mit Kraft. Columbas Haltung nach der Überwindung der Krise ist durchaus nachah-menswert. Er gibt sich nicht geschlagen und verzweifelt nicht an der eigenen Unstetigkeit, sondern geht energisch ans Werk.

werden, wie in wilder Heidenzeit beim Bau neuer Burgen und Häuser lebende Menschen in die Grundfesten waren eingemauert worden, auf daß der Bau um so beständiger den Läuften gewachsen sei.726

Die Novelle enthält eine Lehre von universeller Gültigkeit: Es erscheint manchmal sinnvoll auf Gutes zu verzichten, insofern auf diese Weise Besseres erreicht werden kann. Aus christlicher Sicht ist die Entsagung vor allem dann gut, wenn sie religiös motiviert ist, Gottes Willen dient sowie zur praktischen Umsetzung der Nächstenliebe beiträgt.