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Den beiden Eheleuten Pave und Pero kommt im Text eine exponierte Stellung zu, wobei jedoch Pave lange Zeit im Mittelpunkt der Handlung steht. Sie ist eine zarte und sensible Frau. Das entbehrungsreiche Leben an der Seite des kaiserlichen Offi ziers erträgt sie mit großer Mühe. Allein die Liebe zu ihrem Mann hilft ihr bei der Bewältigung des Alltags. Die erzählende Instanz betont, dass Pave sich von den tapferen Frauen aus Peros Grenzerfamilie durch ihre Empfi ndlichkeit und Hinfälligkeit unterscheidet. Folgende Passage gibt darüber Aufschluss:

Und wen hatte er seinen Kindern zur Mutter gegeben? Eine herbe, tapfere Grenzertochter, allen Wettern gewachsen, aller Läufe gewärtig, liebevoll und warm, eine namenlose Mutter?

/ Nein, es hatte ihm gefallen, sich ebenfalls eine einzelne zu gesellen, die schöne, adelige Pave, lateinischen Stammes, durch Kultur und Reichtum verfeinerten und ermüdeten Blutes, liebevoll und opferfreudig, aber zu gebrechlich, um der Liebe Last und Leid zu tragen, viel zu zart und versehrbar, um das wechselvolle Leben einer Soldatenfrau durchzustehen […].272 Pave sehnt sich nach Ruhe und Stabilität. Die häufi gen Reisen von einer Garnison zur anderen sind für sie sehr belastend. Sie ist eine zarte Frau und gehört zu jenen

„Naturen, die sich nicht verpfl anzen lassen, nicht körperlich und nicht seelisch“.273 Neben dem Wunsch nach Sesshaftigkeit begleitet sie ständig die Angst, dass Peros Liebe zu ihr erlöschen könnte. Folgende Textstelle zeigt das besonders deutlich:

Trotz aller ihrer fl ehenden inneren Gebete: Nur nicht wieder fort, nur nicht wieder in die Fremde, nur ein wenig bleiben und Ruhe halten dürfen, hatte sie […] mit kleinen hilfl osen Kindern ungewisser Fremde entgegenfahren müssen […]. Und jenes andere Gebet, jenes brennendste: O Gott, erhalte mir die Liebe meines Pero! War es erhört worden? […] Je mehr sie sorgte und bangte, desto mutloser wurde sie, desto unfähiger, einem Mann wie Pero die einzige zu bleiben […].274

Die junge Frau nimmt vor allem die schwierigen Seiten des Lebens wahr und fi ndet nicht genügend Kraft, um sich ihnen zu stellen. Nach Tonis Abreise aus Motta di Livenza spricht sie zu ihrer Schwester folgende Worte, die Aufschluss über ihre Denkweise geben und ihren Schwermut enthüllen: „Ich bin immer so müde, und das Leben scheint

272 Ebd., S. 427.

273 Ebd., S. 417.

274 Ebd., S. 432f.

mir wie ein fürchterlich hoher Berg, auf den ich hinaufkeuchen muß. Und überall sind Höhlen voll Drachen und wilden Tieren, die jeden Augenblick hervorbrechen können und mich und die Meinen verschlingen“.275 Dieses »Gehetztsein«, das die gebrechliche Frau so sehr ängstigt, empfi ndet sie besonders stark kurz vor Cotias Tod, als sie verzweifelt versucht ihr geliebtes Kind zu retten. Pave „hörte nicht auf, Cotias Kranksein zu spüren, jeder Husten drang ihr in die Seele, sie fühlte sich gehetzt und vorwärtsgetrieben, als wären Feinde hinter ihr her […]“.276

Der Tod Ljubomirs, Paves ersten Kindes, erfüllt die Frau schon kurz nach ihrer Heirat mit seelischem Schmerz. Es ist ein Leiden, mit dem sie nicht zurecht kommt.277 Ihre Gebete für die Gesundheit des Jungen blieben unerhört und das Vertrauen in Gottes Fürsorge nimmt schweren Schaden. Andererseits ist jedoch Paves Religiosität durch eine gewisse Oberfl ächlichkeit und Unreife gekennzeichnet. Ihre stürmischen Gebete begrenzen sich auf zahlreiche Bitten, die sie immer wieder an Gott richtet. Man er-kennt, dass diese Andachten von Unsicherheit und Angst geprägt sind. Pave fühlt sich von ihren Problemen dermaßen überwältigt, dass sie die Liebe und Obhut Gottes gar nicht wahrnimmt. Immer wieder stößt ihr Herz einen „verzweifelten Schrei aus, der nachgerade zu seiner gewohntesten Sprache geworden war: Friede! Friede! Gott, laß mich in Geborgenheit mit den Meinen leben! Gott, mehr erbitte ich nicht, nur dieses gib mir, sonst vermag ich dieses Dasein nicht zu meistern!“278 Begegnungen mit Menschen, die ihre Kinder verloren haben, wirken auf Pave zutiefst deprimierend. Die lebensbe-jahende Haltung von Vuk Karadžić und Gräfi n Strassoldo ändern daran nichts. Ganz im Gegenteil, sie kann deren Optimismus nicht nachvollziehen und fi ndet es schwer, sich daran zu erbauen. Folgender Abschnitt zeigt ihre Angst und ihre Befremdung:

Waren alle anderen stark und nur sie schwach, feige und hinfällig? Sandte Gott ihr absichtlich diese mutigen Vorbilder geprüfter Menschen, um ihr zu zeigen, daß sie selbst keinerlei Anlaß zur Betrübnis und Verzagtheit habe? Oder wollte er sie auf ein kommendes Unheil vorbereiten, sie kräftigen und stählen? Nein, o Gott, nein!

Prüfe mich nicht! Nimm mir niemanden! Denn ich bin schwach, ich müßte zugrunde gehen! Ich könnte nicht tränenlos ein Grab grüßen, wie jene Fremde. Gott, Gott, prüfe mich nicht!279

Tatsächlich weiß Pave nach Cotias Tod nicht, wie sie sich ihrem Schmerz stellen soll.

Durch die Zurechtweisung seiner Schwägerin während eines hysterischen Anfalls erzielt Miho das Gegenteil des Gewünschten: Anstatt die schwere Last hinzunehmen und zu tragen, fl ieht Pave vor der tragischen Wirklichkeit und dem Schmerz. Sie versucht die Wahrheit aus ihrem Bewusstsein zu verdrängen. Ihr Ausweg ist „das Fürchterliche, über Menschen- und Muttermaß hinaus Traurige und Unerträgliche

275 Ebd., S. 594.

276 Ebd., S. 613.

277 Vgl. ebd., S. 433.

278 Ebd., S. 469.

279 Ebd., S. 491.

nicht wahrzuhaben und es fortrücken zu wollen“.280 Deshalb entschließt sie sich auch die schreckliche Nachricht vor Pero zu verheimlichen. Der Wunsch ihren Ehemann zu verschonen spielt bei dieser Entscheidung eine wichtige Rolle, doch ebenso bedeutend ist das Bedürfnis die Illusion, dass Cotia am Leben sei, aufrecht zu erhalten. „War es nicht in jeder, in durchaus jeder Hinsicht besser, menschlicher, liebevoller, ja Gott wohlgefälliger, wenn das unsagbare Traurige zunächst stumm blieb, wenn sie allein litt und den Geliebten noch nicht mit hinein in den Abgrund dieses Schmerzes riß?“281, beginnt sich Pave zu fragen.

Die junge Frau scheint ihre Stärken gar nicht wahrzunehmen. Sie ist sich ihrer Schönheit zwar bewusst, betrachtet diese aber nicht als einen Anlass zur Freude. Die Liebe anderer Menschen ihr gegenüber erscheint Pave völlig unverständlich. „Die Menschen sind viel zu gut und lieben mich, weil sie nicht wissen, wie wenig ich es verdiene“282, sagt sie eines Tages zu der Hauswirtin. Pero liebe sie nur „aus Güte und Barmherzigkeit“283, ansonsten sei sie für ihn nur eine Last. Selbst die Kinder kämen gut ohne sie klar, da Bepi ihnen eine viel bessere Mutter wäre.284 Das starke Minderwärtigkeitsgefühl artet schließlich in Selbsthass aus, der zum ersten Mal in folgender Passage deutlich zum Vorschein tritt:

Oh, wie haßte sie sich selbst, wie widerwärtig war ihr dieses Wesen, das Pave genannt war und von dem es mitunter hieß, es sei liebenswert, hübsch oder gar schön, zu dem die Kinder zärtlich Mutter sagten und dem Pero in seltsamer Verblendung dereinst seine Liebe geschenkt hatte! Wie haßte sie dieses trügerisch blühende Fleisch, dies schön frisierte Haar, diesen unzulänglichen Geist, diesen trägen Willen, diesen ganzen Menschen, der wahrlich das letzte der Geschöpfe war!285

Pave weiß, dass ihre Probleme Pero große Sorgen bereiten. Daher hegt sie tief im Herzen den Wunsch, mit ihm jeden Augenblick der Freude teilen zu können und mehr heitere Momente zu erleben. Während der Bahnfahrt nach Laibach macht sie sich darüber Gedanken. Folgende Textstelle beschreibt ihre Erwägungen:

[Es] verlangte […] sie danach, ihn Zeuge ihrer eigenen Entfl ammtheit sein, ihn fühlen zu lassen, daß sie doch noch, nach allem Kleinmut, aller Verzagtheit, fähig war, sich über ein Ding außerhalb ihrer selbst und des engsten häuslichen Kreises so sehr zu freuen […].

Ja, gemeinsame Freude, das war es, was Pero und sie nötig gehabt hätten, was mit einem hellen, schmetternden Jauchzen manche geheime Wunde geheilt, manche Fremdheit zurechtgerückt hätte. Pave wußte wohl, wie tief seine Enttäuschung zu sein pfl egte, wenn sie auf seine dringliche, liebevolle Zumutung, sich mit ihm in einen jener Feuerbrände

280 Ebd., S. 622.

281 Ebd., S. 627.

282 Ebd., S. 672.

283 Ebd.

284 Vgl. ebd.

285 Ebd., S. 521.

der Freude mit hinreißen zu lassen, […] nur lahmes Lächeln, kühl erstaunte Ablehnung, müden Hinweis auf die Schwere der täglichen Dinge bereit hatte.286

Zu den wichtigsten Charakterzügen Paves gehört die tiefe Liebe zu ihrer Familie. Sie macht sich große Sorgen über Peros Unzufriedenheit mit seiner Arbeit und versucht ihn immer wieder zu trösten. Dabei vergisst sie häufi g ihren eigenen Gram, wovon folgende Passage zeugt: „[…] Alles, was sie an liebendem Trost, an Begütigung und Rat ersinnen konnte, brachte sie […] nur vor, um Pero zu beruhigen […]. Sie, die sonst so leicht in Rat- und Trostlosigkeit verfi el, für die Pero stets der herrisch Leuchtende war, der keiner Stärkung und Linderung bedurfte, nun, da sie wußte, daß er litt, wurden ihr die Gaben und des Trostes zuteil“.287 Paves Liebe gilt nicht nur ihrem Mann und ihren Kindern, sondern auch den beiden Geschwistern Bepi und Toni. Als ihr Bruder sich auf die Reise nach Mailand macht, bemerkt sie traurig, es sei „schrecklich, daß man das ganze Leben fern voneinander hinbringt“.288

Paves tiefe Verbundenheit gilt auch der dalmatinischen Heimat. Sie äußert sich immer wieder in Form von starker Sehnsucht. Wenn die junge Frau ihre Augen schließt, vermag sie sich die mediterrane Landschaft, das Meer, die Pfl anzenwelt und das Landhaus in Lukoran in allen Details vorzustellen.289

Pero stammt aus einer kaisertreuen südslawischen Familie, die seit Generationen an der Grenze zum Osmanischen Reich lebte. Einer seiner Ahnen machte sich bereits im Dreißigjährigen Krieg verdient und erhielt den Adelstitel.290 Über Peros Herkunft ist Folgendes zu lesen:

In der Zadruga, der slawischen Hauskommunion, hatten die Sippen sich fortgepfl anzt, seine Eltern noch waren in ihr geboren worden und darin aufgewachsen. […] Reisige Männer, die auf allen Schlachtfeldern dem Kaiser gedient und für das Abendland geblutet hatten;

mutige, schweigsame, namenlose Mütter, die in den endlosen Abwesenheiten der in den Krieg gezogenen Männer den Familien vorgestanden, die Kinder in Züchten auferzogen, die der Hausgemeinschaft gehörenden Felder bestellt hatten, ja die, wenn die Not am höchsten gewesen war, gar selbst mit Büchsen bewaffnet an die Granitz beordert worden waren und in Scharmützeln wider den türkischen Erbfeind kühn und ohne Aufhebens ihren Mann gestellt hatten […].291

Das Familienethos prägte Peros Charakter. Darauf ist auch sein österreichischer Patriotismus zurückzuführen, der schließlich seine Berufswahl beeinfl usste. Es stellt sich jedoch heraus, dass der junge Offi zier sich im Soldatenleben nicht zurechtfi ndet und unter den Schikanen seines Vorgesetzten leidet. Hauptmann Oresković behauptet

286 Ebd., S. 484f.

287 Ebd., S. 571.

288 Ebd., S. 593.

289 Vgl. ebd., S. 482f.

290 Vgl. ebd., S. 426.

291 Ebd.

von ihm, dass sein Widerwille gegen das Soldatendasein tief sei und er sich als Söldner fühle.292 Das Leiden und die Unzufriedenheit ihres Mannes bereitet Pave immer größere Sorgen und beeinfl usst letzten Endes die Entscheidung, ihm die Nachricht von Cotias Tod vorzuenthalten.

Pero ist ein begabter Lyriker. Er betrachtet seine dichterischen Fähigkeiten als Gabe Gottes. Die Kehrseite seines Talents – die künstlerische Natur, die sich mit der soldati-schen Lebensart nur schwer vereinen lässt – und die überdurchschnittliche Sensibilität sind für ihn jedoch nicht immer leicht zu tragen. Andererseits ist er Gott für seine

»innere Flammenglut« dankbar, denn nur sie ermöglicht es ihm zu dichten. Folgendes Gebet Peros gibt nicht nur seine Zerrissenheit, sondern auch seine innige Religiosität wieder: „[…] Du hast mir dieses Herz gegeben, o Gott, du hast mir die vielfache Qual verliehen, die vertiefte Lust, das tanzende Blut, das nie rastende Wittern und Suchen auf deiner großen, verborgenen Spur. Zwang und Vermögen hast du mir gegeben […].

Du weißt es […] daß die Lieder, die zu singen mein Teil ist, nur der aufgewühlten Seele sich entschwingen können […]“.293 Die starken Gegensätze in Peros Charakter zeigen sich deutlich, als er die Nachricht von Cotias Tod erhält. Der Leidende ist vom Schmerz wie gelähmt und der Resignation nahe, doch dann strafft er sich „[…] mit dem selbstlosen Gehorsam des Kriegers und des Christen. In seinem harmvoll blassen Gesicht stand der Entschluß, hilfreich zu sein, durchzuhalten und weiterzugehen“.294 Die zweite große Krise erlebt Pero in Motta di Livenza. Auf dem Friedhof San Giovanni wird er von Todessehnsucht übermannt und beginnt sich zu fragen, ob er nun, nach dem Verlust von Pave und Cotia, nicht „im Tode fester beheimatet als im Leben“295 sei.

Am Grab seiner Tochter wendet er sich an sie mit folgenden Worten: „[…] Die Welt ist mir öde und schal geworden ohne dich, meine holde Vila, und ohne Pave, die bei dir ist. Willst du mir eine Stätte bereiten, so will ich kommen und mit dir spielen und alles verlassen, was mein ist“.296 Erst als er die weinende Miliza sieht, erwacht sein Verantwortungsgefühl und die „unterirdische Lockung“297 fällt von ihm ab.

Peros Dichternatur stört ihn nicht ein liebender Ehemann und Vater zu sein. Er hält Pave für seinen größten Besitz – ein „kostbares, still leuchtendes Juwel“.298 Das Wohl seiner Familie liegt ihm sehr am Herzen. Immer wieder macht er sich Sorgen über Paves psychische Verfassung. Er weiß, dass sie von einem ruhigen und geborgenen Heim träumt, ist aber nicht imstande diesem Wunsch nachzukommen. Seine Bemühungen bleiben erfolglos: „Wie auf einem gebrechlichen Schiff trieb er mit den Seinen, mit diesen geliebten, hilfl osen, in allem und jedem auf ihn angewiesenen Geschöpfen auf dem feindlichen Lebensstrom dahin, und alle Bemühungen, in ein stetigeres sanfteres Fahrwasser zu gelangen, scheiterten immer aufs neue“.299

292 Vgl. ebd., S. 495.

293 Ebd., S. 475f.

294 Ebd., S. 662f.

295 Ebd., S. 700.

296 Ebd.

297 Ebd., S. 701.

298 Ebd., S. 475.

299 Ebd., S. 423f.

Eines der Gefühle, die Pero nach dem Tod seiner Frau begleiten, ist die Einsamkeit.

Er meint von Pave alleingelassen worden zu sein und ist tief enttäuscht, dass sie ihm – wie er glaubt – zu wenig Vertrauen entgegenbrachte.300 Trauer und Unmut zeigen sich abwechselnd in den Tagen nach seiner Ankunft in Motta. Viel stärker als der Gram ist jedoch sein Mitgefühl mit Pave, deren Leid er nachvollziehen kann. Auf dem Friedhof

schien es ihm plötzlich, als sickere […] Paves Qual aus der Erde empor; […] Pero erkannte mit einem Male, was die Frau gelitten hatte in ihrer unberatenen Verlassenheit, in ihrem blutenden Muttertum, beim rührend unseligen Versuch, noch in ihrer Hilfl osigkeit ihm zu helfen. Er sah sie ihr schönes, verzweifeltes Gesicht durch die Schwärze dieser Wochen tragen, er sah sie kämpfen, irren und untergehen.301

Seine Empathie und Liebe zu Pave sind stärker als die tiefe Betrübnis.

Obwohl der Roman einen Titel trägt, der sich deutlich auf die Protagonisten bezieht, und obwohl diese überaus deutlich konturierte Gestalten sind, erfüllen einige Nebenfi guren wichtige Funktionen und nehmen auf das Geschehen und die Charakterentfaltung der Protagonisten Einfl uss. Die Nebengestalten wurden nicht als statische Instanzen bzw.

als typisierte Figuren konzipiert. Im Gegensatz zu den später erschienenen Novellen ist die Anzahl an Details, die der Leser über diese Personen erfährt, relativ groß, was aber nicht zuletzt auf die Gattungsspezifi k des Romans zurückzuführen ist. In einzelnen Fällen sind die Nebengestalten psychologisch vertieft. Manchmal beobachtet man bei ihnen Entwicklungsprozesse. Sie schlagen alternative Wege ein, hinterfragen ihr Weltbild. Als Beispiel für eine solche Figur kann Bianca angeführt werden, die dank Paves Hilfe ihre Eheprobleme bewältigt und neues Glück fi ndet.

Eine der Nebenpersonen, die im Roman eine wichtige Rolle spielen, ist Gräfi n Strassoldo. Pave ist für sie voller Bewunderung, da die Frau, nachdem sie ein totes Kind zur Welt brachte, imstande ist ihr Schicksal zu tragen. Andererseits wirkt die lebensbejahende Haltung der Gräfi n auf sie befremdend. Doch nicht die Geistesstärke Strassoldos beeindruckt sie am meisten, sondern vor allem die Tatsache, dass die Gräfi n bei all ihrer emotionalen Stabilität eine zarte und sensible Frau ist. Trotz der rätselhaften Ausgewogenheit „schien die Fremde keineswegs kaltherzig, sie machte im Gegenteil einen mütterlichen und lieblichen Eindruck“.302 Strassoldo versucht Pave zu mehr Fröhlichkeit und Selbstbewusstsein zu ermuntern. Sie weiß genau, dass eine dauerhaft bedrückende Stimmung ihrer Beziehung schaden wird. Pave erkennt, wie wertvoll eine Freundschaft mit der Gräfi n sein könnte, da sie jedoch Wien verlässt, reißt der Kontakt ab. Die Erinnerung an die Begegnung bleibt aber stets lebendig und gibt Pave häufi g zu denken.

Ähnlich wie Gräfi n Strassoldo möchte die Hauswirtin, Frau Biba, auf Pave motivie-rend einwirken und ihr mit Lebenserfahrung beistehen. „[…] Das Leben ist schwer,

300 Vgl. ebd., S. 698.

301 Ebd., S. 699.

302 Ebd., S. 440.

aber reich, und man muß es nehmen, wie es ist“303, sagt sie zu der jungen Mutter.

Früh erkennt sie die Gefahr, die Pave droht, und will sie „in jeder Weise ins Leben zurückrufen“.304 Frau Biba ist auch die einzige, der Paves trügerische Ruhe nach der Zurechtweisung durch Miho Unbehagen bereitet. Sie ist eine zutiefst religiöse Person, der die allgemeine Verweltlichung des Lebens missfällt. „Unsere Zeit ist vor lauter Bildung so verlottert und verwildert, daß die Menschen das Einfachste verlernt und vergessen haben. […] Die Bauern, die wissen das richtige noch, aber wir gebildeten Leute? […]“305, sagt sie, als über den Brauch der Totenwachen, der in den bürgerlichen Kreisen im 19. Jahrhundert starke Veränderungen erfuhr, diskutiert wird.

Pfarrer Don Raffaello gehört zu den markantesten Priestergestalten in den Texten der österreichischen Autorin. Anfangs wird er als ein strenger Geistlicher dargestellt, der von Pave kategorisch fordert, ihrem Mann sofort von Cotias Tod zu berichten. „Gott schickt die Leiden […]. Wir dürfen sie nicht totschweigen wollen“306, mahnt er Pave und erinnert sie daran, dass Eheleute sich gegenseitiges Vertrauen schuldig sind.

Gleichzeitig nimmt er sich Paves Sache zu Herzen und zeigt starke Anteilnahme. Man erkennt, dass er der Frau wirklich helfen möchte. Da er jedoch verpfl ichtet ist das Beichtgeheimnis zu wahren, sind seine Möglichkeiten stark begrenzt. Nach dem Tod der unglücklichen Mutter billigt er ihr ein kirchliches Begräbnis zu, da er überzeugt ist, dass eine so gute Frau nur in Sinnesverwirrung307 Selbstmord begehen konnte.308

„[…] Das war doch eine gute Frau, eine tugendhafte Frau, eine liebende Mutter, eine getreue Gattin. […] Der Tod des kleinen Mädchens hat sie krank gemacht“309, erklärt er Pero und fordert ihn auf seiner Frau zu verzeihen, da diese aus Liebe zu ihm gehandelt und die Liebe ihr Unglück verschärft habe.310 Don Raffaellos Verhalten zeugt von seiner guten Menschenkenntnis und seiner großen Empathie. Er erkennt die Gefahr, dass Pero in Resignation versinken bzw. von Todesgedanken überwältigt werden könnte und versucht ihn am Ende des Gesprächs mit folgenden Worten zu motivieren: „[…] ich will Ihnen etwas sagen: es gibt schauerlich viel Leid auf der Welt. Ein alter Priester wie ich weiß das. Wenn wir da immer »warum« fragen wollten!

303 Ebd., S. 630.

304 Ebd., S. 633.

305 Ebd.

306 Ebd., S. 638.

307 Ähnlich wie die mosaische Religion betrachtet das Christentum den Suizid als Sünde. Da das mensch-liche Leben für Christen als heilig und einzigartig gilt, müsse es geschützt werden. Außerdem gehöre das

307 Ähnlich wie die mosaische Religion betrachtet das Christentum den Suizid als Sünde. Da das mensch-liche Leben für Christen als heilig und einzigartig gilt, müsse es geschützt werden. Außerdem gehöre das