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Kindheit am Meer. Versuch einer selbstbiographischen Skizze (1967)

In dem kurzen, fragmentarischen Selbstporträt beschreibt die Dichterin einige Aspekte ihrer Kindheit und Jugendzeit bis zum vierzehnten Lebensjahr. Sie ist in Wien geboren, wo ihr Vater, damals ein junger Seeoffi zier und Angestellter der Marinesektion des Kriegsministeriums, die Mutter der Dichterin kennengelernt und geheiratet hatte.

Aus jener Zeit besitzt sie keine Erinnerungen, denn als sie anderthalb Jahre alt war, übersiedelte die junge Familie nach Pola. Es folgt eine Beschreibung der Halbinsel Istrien und der Umgebung der Hafenstadt.

Besonders aufschlussreich ist die Passage, in der die Dichterin die Einwirkung der Landschaft auf ihre künstlerische Entwicklung beschreibt. Die mediterrane Umgebung habe ihre dichterische Begabung wachgerufen, und das, obwohl sie als Kind keine Faszination für diese Landschaft verspürte. Folgende Passage beschreibt die Einwirkung der Mittelmeerlandschaft auf das kindliche Gemüt:

[…] Es war eine gesichtreiche Landschaft, eine offene und freie Meerlandschaft ohnegleichen, in der ich aufgewachsen bin, und diese Landschaft war es, die das Beste in mir geformt hat, dessen bin ich sicher. Das Erbe an dichterischer Begabung, das meinem jüngeren Bruder Peter und mir wohl von unserem Großvater […] überkommen ist: wer weiß, ob es die Kraft besessen hätte, sich zu entwickeln, wäre nicht von früh an diese herbe und unvergleichliche Landschaft um uns gewesen. Für das Heranreifen meiner Gaben jedenfalls waren nicht die Menschen wichtig, die mich beeinfl ußten, noch die Bücher, die ich las.

Wichtig waren die Steinnelken […], wichtig die Muscheln im Kies der Buchten, wichtig Salzgeruch, Bläue und Ferne, wichtig die Wellen, die kamen und kamen und deren ewiges Rauschen und Atemholen für immer in den Rhythmus meines Blutes übergegangen ist.

/ Wie eine Muschel umschloß diese Meerwelt mein werdendes Wesen, doch brachte ich es als Kind eigentlich noch nicht fertig, sie zu lieben. Sie war da, sie war das Gegebene und Unausweichliche […].836

836 Paula von PRERADOVIĆ: Kindheit am Meer. Versuch einer selbstbiographischen Skizze, in: Gesammelte Werke. Herausgegeben, eingeleitet sowie mit Vor- und Nachwort versehen von Kurt Eigl, Wien 1967, S. 938f.

In der fünften Volksschulklasse schrieb die zehnjährige Paula ihr erstes Gedicht, das den Titel Wanderersehnsucht trug und zusammen mit anderen kurzen Texten in der Jugendzeitschrift Epheuranken veröffentlicht wurde. Die Klassenlehrerin Anna Tittmann erkannte das Talent des Mädchens und begann dieses zu fördern, indem sie ihm Metrikunterricht erteilte. Bis zu ihrem vierzehnten Lebensjahr besuchte Paula die »Marineschule« in Pola und genoss eine deutsche Erziehung. Deshalb sei sie der kroatischen Sprache, trotz ihres Namens, „[…] des starken Anteils, den die slawische Blutmischung an der Entwicklung [ihrer] Wesenheit hat, und der wissenden Liebe, die [sie] allem Slawischen entgegenbringe, leider nur sehr unvollkommen mächtig […]“.837 Der autobiographische Roman Pelagia auf dem berstenden Stern blieb ein Fragment, doch die entstandenen Teile – darunter vor allem die rhapsodische Laudatio auf Istrien – lassen bereits das christliche Gedankengut der Dichterin deutlich erkennen.

Die religiöse Motivik ist hier – aufgrund des relativ kleinen Umfangs der Texte – be-scheidener als in dem Roman Pave und Pero sowie den in dieser Arbeit analysierten Novellen. Sie besitzt jedoch eine ausgereifte Form, was verständlich erscheint, wenn man berücksichtigt, dass der selbstbiographische Roman als Summa des dichterischen Lebens und Schaffens sowie des denkerischen und religiösen Weges der Autorin geplant war. Man erkennt, dass es sich um dieselben Motive, bzw. deren Abwandlungen und Weiterentwicklungen handelt. Die Texte ergänzen das Wissen des Lesers um wertvolle Erkenntnisse und lassen vorsichtig auf die nie verwirklichten literarischen Pläne der Dichterin schließen.

837 Ebd., S. 940.

Neben fi ktionaler Literatur schrieb Paula von Preradović auch eine Reihe publi-zistischer Texte. Dabei handelt es sich zumeist um Essays, Glossen und andere polemische journalistische Meinungsbeiträge sowie Reiseberichte, Rezensionen, Porträts, Glückwünsche zu Geburtstagen und Jubiläen, Nachrufe und Besprechungen des Lebenswerkes verschiedener Autoren.838 Die meisten dieser Texte erschienen in österreichischen und deutschen Zeitschriften und Zeitungen, vor allem aber in solchen Blättern, wie »Wort und Wahrheit« und »Die Presse«, manchmal auch in weniger bekannten, wie z.B. dem »Grazer Volksblatt«, der »Kölnischen Volkszeitung« und anderen. Der feuilletonistische Stil der Autorin ist schwungvoll und im Vergleich zur fi ktionalen Prosa modern, was aber den gelegentlichen Gebrauch archaisch anmutender Wendungen und Sprachkonstruktionen nicht ausschließt. Es ist ein Stil, der sich vielfältiger rhetorischer Figuren bedient. Für die meisten der Texte ist eine meinungsbetonte Schreibweise und eine offene Darlegung des Standpunktes der Autorin charakteristisch.

Allein der Vergleich des Umfangs des lyrischen Werkes und der fi ktionalen Prosa mit dem Umfang der publizistischen Texte lässt darauf schließen, dass der Journalismus im Schaffen der österreichischen Autorin eine weniger bedeutende Rolle spielte.

Es muss jedoch festgestellt werden, dass die Familie Molden, vor allem aber der Ehemann der Dichterin, der Publizistik große Aufmerksamkeit schenkte. Man kann vermuten, dass Ernst Molden diesbezüglich einen gewissen Einfl uss auf seine Frau hatte und dass die Ideen und Impulse zu manchen Presseartikeln von ihm stammten.

Obwohl die Autorin sich zu diversen Themen äußerte, verfasste sie nie politische Texte. Ihre Stellungnahmen beschränkten sich auf einen ästhetischen, philosophischen und religiös-humanistischen Bereich, wovon in der nachstehenden Passage aus Ernst Moldens Skizzen zu einem Porträt die Rede ist:

Wie von selbst war Paula von Preradović nicht etwa nur, weil das Haus ihres Gatten sich gewissermaßen schon in der zweiten Generation, da auch der Vater politischer Publizist

838 Im Folgenden werden die wichtigsten jener Texte – mit Ausnahme der in dieser Arbeit besprochenen – genannt: Dalmatinische Frühlingsfahrt (»Kölnische Volkszeitung und Handelsblatt« /Sonntagsbeilage/, 16. Mai 1931, S. 1f.), Von adriatischer Landschaft (»Grazer Volksblatt«, 8. Jänner 1935, S. 1f.), Neue öster-reichische Lyrik (»Die Presse«, 18. Mai 1946, S. 7), Ein Pasquill (»Wort und Wahrheit. Zeitschrift für Religion und Kultur«, 1. Heft, 3. Jahrgang, Jänner 1948, S. 393–395), Haben die Dichter enttäuscht? (»Die Presse«, 27. März 1948, S. 10), Von der Verfemung des Gedichtes (gekürzte Wiedergabe in: Paula von PRERADOVIĆ: Gesammelte Werke, Wien 1967; erschien erstmals in den dreißiger Jahren in der »Neuen Freien Presse«).

gewesen war, als ein politisches darstellte, in diese Aufgabe des Stellungnehmens hinein-gewachsen. Es war ein Stellungnehmen nicht im engeren politischen Sinn, vielmehr im weitesten geistigen. Leidenschaftlich hat sie bekämpft, was diesen Idealen widersprach.

Wenn sie nach ihrem ganzen Wesen tolerant war und es bewußt zu sein wünschte, so lehnte sie es stets ab, in dem Konzessionen zu machen, was ihr heilig am Herzen lag. Zwischen der Freiheit des Geistes und den Bindungen ihres Glaubens – nichts war ihr ernster als diese beiden – hat sie nirgendwo einen unüberbrückbaren Widerspruch gesehen […].839 In diesem Abschnitt betont Molden die Rolle des Glaubens für seine Frau, nicht nur in einem allgemeinen Sinne, sondern vor allem auch in ihrer publizistischen Tätigkeit.

Seine Worte lassen darauf schließen, dass Preradović’ christlich-humanistisches Weltbild auch in ihren journalistischen Texten zu fi nden ist. Auf den nachstehenden Seiten sollen deshalb zwei von ihnen näher betrachtet werden. Die Texte wurden unter Berücksichtigung des wichtigsten Kriteriums dieser Arbeit ausgewählt – sie enthalten christliche Elemente bzw. geben Aufschluss über das christlich-humanistische Weltbild der Dichterin und sollen deshalb zum Gegenstand der Analyse werden.

6.1 Ein Jugendreich. Die Neuland-Schulsiedlung