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Die 1950 erschienene Novelle der österreichischen Schriftstellerin handelt von dem im 11. Jahrhundert in Kroatien herrschenden König Slavatz, welcher sich der Einfüh-rung der lateinischen Liturgie in seinem Land widersetzt und nach einer verlorenen Schlacht gegen das Normannenheer des Comes Amicus432 in die Verbannung geschickt wird. Der Gefangene wird von den Verbündeten des Papstes auf eine einsame Insel in der Adria gebracht. Während der Wanderung zur Meeresküste versucht eine von Petar Junak angeführte Räuberbande den Gefangenen zu befreien, doch der Versuch scheitert. Nach einiger Zeit begegnet Slavatz einer Vila.433 Dieser weibliche Naturgeist prophezeit, dass er nie mehr wieder König sein und als einfacher Fischer im Westen leben werde. Ein paar Tage später wird der Kačić434 im Spliter Benediktinerkloster von einem Mönch namens Stjepan aufgesucht. Es stellt sich heraus, dass Stjepan ein

432 Comes Amicus II. von Giovenazzo war Angehöriger einer normannischen Familie, die an den Kämpfen gegen die Byzantiner in Apulien teilgenommen hatte. Es lässt sich nicht mehr nachweisen, ob der Angriff der Normannen auf Kroatien, der von Comes Amicus angeführt wurde, tatsächlich im Auftrag Papst Gregor VII. erfolgte (vgl. Kurt EIGL: Nachwortzu »Königslegende«, in: Paula VON PRERADOVIĆ: Gesammelte Werke.

Herausgegeben, eingeleitet sowie mit Vor- und Nachwort versehen von Kurt Eigl, Wien 1967, S. 847.

433 Eine Vila (Víla/Wila/Wiła) ist in der slawischen (hauptsächlich in der süd- und ostslawischen) Mytho-logie ein weiblicher Naturgeist. Víly sind Gruppenwesen und leben in Gewässern, Wäldern, Felsen, Gebirgen und auf Feldern. Sie zeigen sich als junge Frauen mit langen Haaren und durchsichtigen Körpern, nicht selten erscheinen sie in der Gestalt von Schwänen, Pferden, Falken, Wölfen oder Luftwirbeln. Manchmal warnen sie Bauern vor Hagelschlägen und sagen die Zukunft voraus. Obwohl sie den Menschen meistens freundlich begegnen, darf ihre Leutseligkeit nicht überschätzt werden: Sie können äußerst launisch sein, Stürme und Dürren auslösen, Verwirrung stiften, junge Männer verführen und Menschen in den Tod treiben. Die Helden der serbischen Volkslieder haben oft eine Víla zur Wahlschwester [serb. posestrina], die sie beschenkt und beschützt.

Mit den Víly sind die slawischen Russalken (Rusálky/Rusałki) und die griechischen Nymphen verwandt (vgl.

Zdeněk VÁŇA: Mythologie und Götterwelt der slawischen Völker. Die geistigen Impulse Ost-Europas, Stuttgart 1992, S. 109–113). Víly waren Paula von Preradović, ebenso wie ihrem Großvater Petar, aus Heldenliedern bekannt, wo sie den Protagonisten als Deus ex Machina erschienen (vgl. Zorka ORLANDIĆ, a.a.O, S. 87f.).

434 Der Stamm Kačić (Pluralform: Kačići) war ein kroatisches Adelsgeschlecht (vgl. »Kačići«, in: Sla-ven RAVLIĆ (Hrsg.), a.a.O., Band 5, S. 424f.). Dieses stammt aus der Gegend von Biograd na Moru und Zadar. Die Bane (Markgrafen) aus der Familie Kačić besaßen im Mittelalter das Privileg zusammen mit den anderen Banen den kroatischen König zu wählen, insofern der verstorbene Herrscher keinen männlichen Nachkommen hinterließ. Aus diesem mächtigen Adelsgeschlecht stammte der König Petar Svačić (?–1097), der letzte Herrscher Kroatiens mit einer ethnischen kroatischen Herkunft (vgl. »Petar, hrv. vladar«, in: Slaven

Angehöriger der Trpimiriden-Dynastie und der rechtmäßige Thronfolger Kroatiens ist.

Da jedoch die kroatischen Stämme Slavatz aus dem Adelsgeschlecht der Kačići zum König gewählt hatten, wurde der mit dem westlichen Christentum sympathisierende Stjepan in das Spliter Kloster verbannt. Er hegt jedoch keinen Groll gegen seinen ehemaligen Konkurrenten und behauptet aller weltlichen Macht entsagt zu haben.

Schließlich kommt Slavatz auf Issa, einer einsamen Adriainsel an, wo er bis ans Ende seines Lebens verbleiben soll. Er wohnt in dem Haus des Fischers Tomaso, darf sich auf dem Eiland zwar frei bewegen, doch es ist ihm verboten die Insel zu verlassen und mit Besuchern in Kontakt zu treten. Anfangs trachtet er nach einer Möglichkeit von der Insel zu fl iehen, doch mit der Zeit gibt er seine Pläne auf und verzichtet auf die königliche Macht. Zu seinem Gesinnungswandel trägt vor allem die vom Benediktiner Hieronymus überbrachte Nachricht vom Tod Königin Jelenas und dem Aufenthalt des Prinzen Michael in Byzanz bei. Slavatz entschließt sich Tomasos Tochter Lucia zu heiraten. Nach dem Tod seines Schwiegervaters wird Slavatz zum reichsten Inselbewohner. Lucia bringt vier Söhne zur Welt und die Familie führt auf Issa ein arbeitsames aber glückliches Leben. Eines Tages wird jedoch der ehemalige König unerwartet an seine Vergangenheit erinnert. Durch Zufall gelangt der Guslar435 Assor auf die Insel. Der kroatische Sänger erzählt in seinen Liedern von den neuesten Entwicklungen in Kroatien. Slavatz, der von Assor als »Ketzerkönig« bezeichnet wird, erfährt nicht nur, dass die Liturgiesprache in seiner Heimat nun Latein sei. Er hört auch, dass sein Verwandter, der letzte ethnisch kroatische König Petar Svačić in der Schlacht am Gvozd (1097) fi el. Nun soll der ungarische Herrscher Koloman zum König von Kroatien gekrönt werden. Slavatz entschließt sich aber nicht in die Ereignisse in seinem Heimatland einzugreifen. Er bleibt mit seiner Familie auf der einsamen Adriainsel.

Weshalb entschied sich Paula von Preradović eine Novelle über diesen kroatischen Herrscher aus dem 11. Jahrhundert zu schreiben? Die Themenwahl hängt in erster Linie mit den geschichtlichen Recherchen ihres Vaters zusammen.436 Die Autorin der Königslegende kannte das Schicksal König Slavatz’ (Slavic, Slavac) von ihrem Vater,

RAVLIĆ (Hrsg.), a.a.O., Band 8, S. 422). Die Kačići betrieben an der dalmatinischen Küste professionelle Seeräuberei. Sie überfi elen hauptsächlich Handelsschiffe aus Ragusa (Dubrovnik) und der Republik Venedig.

435 Der Guslar (albanisch: Lahutar) ist ein epischer Sänger aus dem südslawischen und albanischen Sprach-raum. Er trägt Heldenlieder vor und begleitet seinen Gesang auf der Gusle (Gusla), einer Schalenhalslaute mit einer Roßhaarsaite (vgl. »Gusle«, in: Brockhaus Enzyklopädie in 30 Bänden, Band 11, Leipzig/Mannheim 2006, S. 608). In den gesellschaftlichen Strukturen der Balkanhalbinsel spielten Guslare eine wichtige Rolle, weil sie für das Aufrechterhalten der Sitten und Traditionen verantwortlich waren. Sie sangen sowohl für Adelige als auch vor dem Bauernvolk. Meistens waren Guslare Analphabeten. Ihre Lieder, die auswendig gelernt und mündlich tradiert wurden, behandelten vor allem historische Ereignisse, hauptsächlich die Kriege der Kroaten und Serben gegen die Türken, aber auch Sagen, Legenden und Märchen. Der Kern war oft frei erfunden. Als Poesie des Volkes spiegeln sie die kulturelle Entwicklung der Südslawen wider (vgl. »Guslar«, in: Slaven RAVLIĆ (Hrsg.), a.a.O., Band 4, S. 411). Für die Illyrische Bewegung, welche im 19. Jahrhundert die Einheit aller Südslawen propagierte, war die Gestalt des Guslar das Symbol des alten Kulturgutes (vgl.

Zorka ORLANDIĆ, a.a.O., S. 83–85).

436 Sie könnte jedoch auch familiengeschichtlich motiviert sein. Petar Preradović, der Großvater der Dichterin, war in seiner Kindheit und Jugend ein griechisch-orthodoxer Christ. Erst während der Ausbildung an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt konvertierte er zum Katholizismus. Der

jahrhun-der einen Aufsatz über die Invasion jahrhun-der Normannen in Dalmatien verfasst hatte.437 Dušan Preradović zufolge wurde der ehemalige Narentaner Ban (Markgraf) Slavic, der von der am slawischen Gottesdienst festhaltenden Partei auf den kroatischen Thron gehoben wurde und nur ein knappes Jahr regierte (1074–1075), von den auf der Apenninenhalbinsel ansässigen und wahrscheinlich mit Papst Gregor VII. verbündeten Normannen besiegt. Was anschließend mit ihm geschah, ist unklar. Auch die genauen Umstände, unter denen seine Gefangennahme erfolgte, sind nicht bekannt.438 Der Vater der Dichterin vertrat die Auffassung, dass Slavic möglicherweise nicht getötet, sondern auf eine einsame Adriainsel verbannt wurde, wo er den Rest seines Lebens verbrachte.

Diese Theorie wird zwar in dem Aufsatz nicht erwähnt, doch Paula von Preradović kannte die Mutmaßungen Dušans über Slavatz’ Schicksal. In der Königslegende führte sie die Geschichte des verbannten Kroatenherrschers fort.439

3.2 Literarische Form, Stil und Sprache

Hinsichtlich der literarischen Form, des Stils und der Sprache gibt es zahlreiche Parallelen zwischen der Königslegende und der früher verfassten Versuchung des Columba.440 Bezeichnend für beide Texte ist eine plastische, häufi g pathetische und vor allem archaisierende Sprache. Hierfür seien einige maßgebende Beispiele genannt.

In den ersten Tagen der Reise an die Adriaküste tut Slavatz nichts anderes, „als sich in übermenschlichem Gram zu verzehren“.441 Das Aussehen der Normannen ist „unwirscher als ihr Verhalten gegen ihn“.442 Nur „der rotblonde, jünglinghafte Svein“443 ist für ihn ein „Augentrost während der bitteren Tage des Rittes“.444 Die Augen des Königs starren auf das Karrendach, wie wenn „es das einzige Himmelsgewölbe, das zu betrachten ihnen fürder ziemte […]“445 sei. Als Petar Junak in Slavatz’ Klosterzelle eindringt und gefragt wird, ob er im Auftrag des Basileus käme, antwortet er: „Ich bin ein Bote, aber

dertealte Zwiespalt der Südslawen machte sich also auch in seiner Lebensgeschichte bemerkbar (vgl. Reginald VOSPERNIK: Paula von Preradović. Leben und Werk, a.a.O., S. 9).

437 Dušan PRERADOVIĆ: Eine normannische Landung in Dalmatien (1075), in: »Mitteilungen aus dem Gebiete des Seewesens«, Band 36, Pola 1908, S. 875ff.

438 Vgl. Kurt EIGL: Nachwort zu »Königslegende«, a.a.O., S. 848.

439 Die Germanistin Joan Kristin Bleicher weist darauf hin, dass religiöse Geschichtsdichtung die his-torische Form als reine Äußerlichkeit nutzt. Eine genaue Stimmigkeit hishis-torischer Inhalte werde in solchen Texten grundsätzlich nicht angestrebt. (vgl. Joan K. BLEICHER, a.a.O., S. 99) Preradović’ Novelle stellt ein gutes Beispiel für ein Werk dar, dessen Inhalt nur teilweise auf geschichtlichen Erkenntnissen beruht.

440 Obwohl Die Versuchung des Columba erst 1951 erschien, entstand sie früher als die Königslegende, welche bereits 1950 veröffentlicht wurde. Paula von Preradović verfasste die Novelle über den Missionar Irlands kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, doch der Text wurde erst kurz vor dem Tod der Schrift-stellerin gedruckt.

441 Paula von PRERADOVIĆ: Königslegende, in: Gesammelte Werke, Wien 1967, S. 755.

442 Ebd., S. 752.

443 Ebd., S. 773.

444 Ebd., S. 774.

445 Ebd., S. 752.

von einer so hohen Herrschaft komme ich nicht“.446 Im Gebirge spricht der weibliche Naturgeist folgende Worte zum Gefangenen: „Immer wenn du königlich und heldisch verfuhrst. Da du auf euren Schiffen die Narenta hinuntersegeltest, da man dich krönte, da dein Knabe geboren wurde. Da war ich dir nahe […] Nicht dich zu befreien komme ich, Slavatz aus dem Stamme Kačić, König zuvor, König nicht mehr“.447

Bestimmend für die Sprache der Königslegende ist die Erklärung und Steigerung von Zuständen, Merkmalen und Fähigkeiten durch zwei aufeinanderfolgende Ausdrücke, die eine ähnliche Bedeutung besitzen. Dasselbe Phänomen ist in dem Text über den Missionar Irlands zu fi nden. Es folgen einige Beispiele aus der Königslegende: Als Slavatz die Reise in die Verbannung antritt, wird er von „mehr als einem halben Hundert […] gut gewappneter und geschienter Krieger […], die ihn dicht und wachsam“448 umgeben, begleitet. Die Normannen stimmen einen Gesang an, „der ihn häßlicher dünkte als das Heulen von Wölfen und Schakalen“.449 Der Gedanke, dass sich unter seinen „Wächtern und Feinden“450 auch Kroaten befi nden, erfüllt ihn „mit wildem und schmerzendem Haß“.451 Er betrachtet diese Menschen als den Inbegriff „alles Verräterischen und Hassenswerten“.452 Nachdem Slavatz von Jelenas Tod erfährt, sieht er seine Frau mit den Augen der Seele „überirdisch zart und fein, eigenwillig und schelmisch, leidenschaftlich und […] stolz“.453 Er gedenkt „der guten Tage, da sie […] an seiner Seite zu Schiffe gefahren, geritten und […] auf Festen und Versammlungen die Erste gewesen war“.454

Die Alliteration kommt in der Königslegende häufi ger als in der Columba-Novelle zur Anwendung. Diese literarische Stilfi gur wirkt überall dort, wo sie im Text anzutreffen ist, stark archaisierend. Es folgen einige Beispiele, die dieses Phänomen veranschau-lichen. Der Kroatenkönig weiß, dass er von seinen normannischen Bewachern keine Auskunft „über Ziel und Zweck“455 der Reise erhalten wird. Immer wieder denkt er an die Schlacht gegen die nordgermanischen Eroberer. Das Bild dieses Tages liegt

„blinkend und brausend, sonnenleuchtend, blau und hoffnungsfroh vorwärtsfl utend“

vor ihm. Die Segel des Schiffes, das ihn zur Insel Issa bringt, sind „braun und blutrot gefärbt“.456 Dieses wird von Delphinen und Möwen begleitet, deren „Geschrei und Gelächter […] voll gewichtiger Botschaft“457 zu sein scheint. Als der Gefangene auf der Insel ankommt, „wird mit Jubel, Gestampf und Geschrei Weinlese gehalten“.458

446 Ebd., S. 765.

447 Ebd., S. 777f.

448 Ebd., S. 752.

449 Ebd.

450 Ebd., S. 753.

451 Ebd.

452 Ebd.

453 Ebd., S. 824.

454 Ebd., S. 824f.

455 Ebd., S. 754.

456 Ebd., S. 795.

457 Ebd., S. 796.

458 Ebd., S. 800.

Von Vater Hieronymus erfährt er, dass sein Sohn nach Byzanz gebracht wurde, wo er in ein „unerreichbar fernes und fremdes Leben“459 hineinwuchs.

Ähnlich wie in der Columba-Novelle bemerkt man auch in diesem Text eine cha-rakteristische Dreiteilung bzw. Verdreifachung der Sprache. Im Folgenden werden einige Beispiele dafür genannt. Die Narentaner fassten den Plan, während der Schlacht gegen die Normannen eine Zangenbewegung auszuführen. Sie wollten ihr Heer „in sich saugen, umzingeln und erdrücken“.460 Stattdessen beginnen sie „in Unordnung zu geraten, sich zurückzubiegen, zu weichen […]“.461 Slavatz ist nicht imstande „das plötzliche Schwanken, Weichen und Unterliegen“462 zu erklären. Der vierte Winter, den der entthronte König in der Verbannung verlebt, zieht „[…] mit Stürmen von allen Seiten, mit wilder Brandung und mit hohen, blauen, windstillen Tagen über das Eiland weg […]“.463 Eines Tages kommen Seeleute auf die Insel. Da sie zuvor „so viel mit Wind und Luft und Meeresfeuchte“464 zu kämpfen hatten, verbringen sie den Abend nicht im Freien, sondern in der Küchenstube.

Ähnlich wie in den meisten lyrischen Texten der Dichterin fi ndet man auch in den Satzkonstruktionen der Königslegende viele Partizipien, die Substantive und Adjektive ersetzen, sowie zahlreiche substantivierte Verben. Besonders charakteristisch ist die geringe Anzahl an Fremdwörtern. Der Literaturwissenschaftler Reginald Vospernik bezeichnet die spezifi sche pathetische und anschaulich-bildhafte Ausdrucksweise in der Novelle als „barock“.465 Er vertritt den Standpunkt, dass die Sprache von Preradović’

Prosa manchmal zu Übertreibungen neigt.466 Andererseits muss jedoch festgestellt werden, dass ein derartiger Stil für viele archaisierende und historisierende Texte typisch ist und dass die Behandlung geschichtlicher Themen die Dichterin zu solch einer Schreibweise berechtigt.

Man fi ndet im Text an mehreren Stellen biblisch stilisierte Passagen. Auf der sprachlichen Ebene werden manchmal biblische Stilzüge imitiert. Es seinen hier zwei Abschnitte genannt, in denen diese Stilisierung besonders deutlich zum Ausdruck kommt.

Slavatz war lange Zeit überzeugt für eine gerechte Sache zu kämpfen. Er betrachtete sich selbst als „die Verkörperung aller echten Kräfte des Vaterlandes […], als einen Boten Gottes fast […]“467 und fühlte sich berufen „den altheiligen Sinn und Brauch des Volkes gegen fremde Sendlinge zu verteidigen […]. Wie Gideon aus der Schlacht gegen die Madianiter, so sah er sich stark und siegreich aus dem gerechten Kampf hervortreten“.468 Neben dieser Anspielung auf das Alte Testament und vielen Stellen, wo allgemeine biblische Stilzüge erkennbar sind, gibt es auch auch eine Passage mit

459 Ebd., S. 825.

460 Ebd., S. 756.

461 Ebd., S. 757.

462 Ebd.

463 Ebd., S. 826.

464 Ebd., S. 834.

465 Reginald VOSPERNIK: Paula von Preradović. Leben und Werk a.a.O., S. 173.

466 Vgl. ebd.

467 Paula von PRERADOVIĆ: Königslegende, a.a.O., S. 756.

468 Ebd.

einem direkten Bezug auf das Evangelium. Slavatz vergleicht eine der Situationen, die er während seiner Reise an die Adriaküste erlebt, mit einem bekannten Ereignis, das sich im Garten Getsemani zutrug. Als Petar Junak vor dem König erscheint und ihm den gebührenden Respekt erweist, bleibt der entthronte Herrscher trotzdem misstrauisch, „denn hatte sich nicht Judas mit einem Kusse genaht und gesprochen:

»Sei gegrüßt, Meister!«, und war doch der Verräter gewesen?“.469

Lange Beschreibungen kommen in der Königslegende selten vor. Die Entwicklung der Handlung hat immer Vorrang. Das führt zu einer Dynamisierung des Textes.

Die Erzählweise hebt das dramatische Moment der Novelle hervor, was für dieses literarische Genre durchaus charakteristisch ist. Darüber hinaus erkennt man einen stark ausgeprägten Haupterzählstrang. Die klare Handlungsstruktur verleiht dem Werk eine gewisse Geschlossenheit, obwohl die Zukunft der Figuren nach dem Ende der Handlung nicht vollständig geschildert, sondern nur angedeutet wird. Die Linearität der Vorgänge stören an manchen Stellen Rückwendungen. Es gibt auch einige Zeitraffungen.

Manchen Ereignissen räumt die Erzählinstanz deutlich mehr Raum als anderen ein.

Längere, breiter behandelte Szenen sind Stationen und Wendepunkte zugleich. Sie strukturieren das novellistische Geschehen. Die Weissagung der Vila fungiert als eine Art Klammer, die entlegene Teile der Novelle miteinander verbindet. Es handelt sich dabei um eine Vorausdeutung, welche sowohl den Rezipienten als auch den entthron-ten König auf die künftigen Geschehnisse vorbereitet. Die Handlung selbst wurde in einem Rahmen von überlieferten Ereignissen platziert. Sie setzt sofort ein, ohne dass die Erzählinstanz die Vorgeschichte und den historischen Kontext einführt. Erst nach und nach erhält der Leser Informationen, die die Lage des Gefangenen erklären.

Geschichtliche Aspekte bleiben in der Novelle jedoch stets im Hintergrund.470 Die Erzählinstanz behandelt in erster Linie Slavatz’ persönliches Einzelschicksal.471 Von Belang sind also hauptsächlich die elementaren, stets gleich bleibenden Wahrheiten über den Menschen sowie der unhistorische Kern der Geschichte. In der Struktur der Novelle lassen sich drei erregende Momente ausmachen. Das erste ist der misslungene Fluchtversuch, das zweite die Begegnung mit dem Naturgeist, das dritte das Gespräch mit Stjepan. Den Höhepunkt bildet die Szene, in der Vater Hieronymus Slavatz die Nachricht von Königin Jelenas Tod überbringt. Dieser Augenblick hat für den geistigen Wandel des Verbannten eine Schlüsselbedeutung.472

469 Ebd., S. 765.

470 Wichtig ist die Art und Weise der Auffassung von historischen Ereignissen in Preradović‘ Werken.

Vergangenes wird nicht als einmalig, sondern vielmehr als wiederholbar betrachtet, deshalb verliert es nie an Aktualität (vgl. Reginald VOSPERNIK: Paula von Preradović. Leben und Werk, a.a.O, S. 69). Das zeitlich Ent-legene ist manchmal lebendiger und bedeutsamer, als das Gegenwärtige. Es besteht ein fester Zusammenhang zwischen dem, was einst existierte und dem, was es heute gibt. Ohne das Vergangene kann man das Gegen-wärtige nicht verstehen. Obwohl die Handlung der Königslegende nicht zu Preradović‘ Lebzeiten spielt, wäre es dennoch falsch der Dichterin die Flucht in eine irreale, vergangene Welt vorzuwerfen. (vgl. ebd., S. 84f.)

471 Vgl. Zorka ORLANDIĆ, a.a.O., S. 219.

472 Die Literaturwissenschaftler Zorka Orlandić und Reginald Vospernik vertreten im Gegensatz dazu die Auffassung, dass die Begegnung mit Stjepan den eigentlichen Höhepunkt der Handlung bildet und dass Slavatz‘ geistiger Wandel bereits in diesem Augenblick einsetzt (vgl. ebd., S. 213).

Die Sprache von Preradović’ Prosa trägt im Prinzip dieselben oder ähnliche Merkmale, wie die ihrer Lyrik, denn auch die epischen Werke streben eine ausgewogene Wortwahl, einen harmonischen Rhythmus und eine vollendete Form an.473 Im Vergleich zu der Sprache der frühen Poesie ist die der Prosa relativ knapp. Onomatopoetische Ausdrücke, Synästhesien und der Szenerie der südlichen Landschaft entnommene Vergleiche sind keine Seltenheit. Ähnlich wie in der Lyrik werden auch in der Königslegende die Eindrücke der Sinne nachgeahmt. Es handelt sich also um einen Stil, der nicht auf eine abstrakte, sondern in erster Linie auf die sinnlich wahrnehmbare Realität gerichtet ist.

Eine solche Prosa erinnert vor allem an die Volksdichtung, welche für Preradović eine wichtige Inspirationsquelle darstellte.474 Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, das ihre Jugendlyrik und Balladen stilistisch und formal dem südslawischen Volkslied näher stehen, als die ungebundene Dichtung.475

Die späten epischen Werke der österreichischen Autorin sind von einem spezifi schen Legendenstil geprägt, der in dem Kapitel über die Columba-Novelle ausführlich behandelt wird. Es sei an dieser Stelle nur erwähnt, dass dieser Stil einerseits auf die Handlung konzentriert, andererseits aber von einer bildhaften Ausdrucksweise geprägt ist.476 In der mittelalterlichen Legende spielten wunderhafte Ereignisse eine wichtige Rolle. Man fi ndet das Wunder auch in der Königslegende, doch im Vergleich mit dem seelischen Ringen des Protagonisten ist es von zweitrangiger Bedeutung.477 In der Legendendichtung der Gegenwart kommt es häufi g zu einer künstlerischen Gestaltung profaner Stoffe. Die Novelle über den kroatischen König ein Beispiel dafür.