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Darstellung religiöser Inhalte – Verfahrensweisen der Repräsentation

Der Begriff »Repräsentation« wurde von der Literaturwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher in ihrer Arbeit Literatur und Religiosität. Untersuchungen zu deutschsprachiger

736 Ebd., S. 866.

737 Ebd., S. 864.

738 Kurt EIGL: Nachwort zu »Die Versuchung des Columba«, a.a.O., S. 884f.

739 Ebd., S. 885.

Gegenwartsliteratur (1993) in die Literaturtheologie eingeführt. Sie defi nierte ihn als Versuch die Wahrheit der Religion in der Wahrheit der Literatur zu manifestieren.740 Die Repräsentation spielt bei der Interpretation der Columba-Novelle eine Schlüs-selrolle. Indem die Schriftstellerin in ihrem Text eine Episode aus dem Leben des irischen Heiligen, vor allem aber den heilbringenden Einfl uss Gottes auf sein Schicksal darstellte, bezog sie sich im Grunde auf das Leben aller gläubigen Menschen. Sie bediente sich also der Repräsentation. Die Gestalt Columbas steht hier stellvertretend für alle Christen.

Die Darstellung des göttlichen Wirkens im menschlichen Leben ist in religiöser Literatur häufi g anzutreffen. In dieser Hinsicht bildet Preradović’ Novelle keine Ausnahme.

Joan Kristin Bleicher äußerte sich zu diesem Problem folgendermaßen:

Das Leben des Menschen als Zentrum der Vermittlung religiöser Aussagen in der Literatur kann der Abstraktheit und dem allgemeinen Bezug theologischer Lehre entgegenwirken.

Bereits in der Bibel lassen sich Konkretionen von Glaubensaussagen anhand von Beispielen aus dem Bereich der menschlichen Existenz ermitteln. […] Gottes allgemeines Handeln und Wirken wird anhand eines individuellen Lebensverlaufes, anhand individueller Erfahrungen und Veränderungen sichtbar gemacht.741

Indem die Dichterin eine wichtige Episode aus dem Leben des großen irischen Heiligen beschrieb, in der das Wirken und die Obhut Gottes besonders deutlich zum Ausdruck kamen, verknüpfte sie eine subjektive Glaubenserfahrung mit der christlichen Lehre vom fürsorglichen Handeln Gottes und dessen Barmherzigkeit.

Preradović’ Text bestätigt Joan Kristin Bleichers These, der zufolge anhand eines menschlichen Einzelschicksals auch abstrakte religiöse Fragen in ihren praktischen Auswirkungen konkretisiert und verdeutlicht werden können.742 Gerade das Alltägliche und das Profane des menschlichen Lebens kann mittels der Kunst auf das Absolute, Unendliche und Heilige hindeuten, was auch der Literaturhistoriker Walter Jens zum Ausdruck brachte.743

In dem Text spielt vor allem die sprachliche Repräsentation eine wichtige Rolle. Bei dieser Verfahrensweise handelt es sich um den Versuch religiöse Erfahrungen, die sich außerhalb der Sprache vollziehen, in sprachliche Begriffe umzusetzen. Da sich jedoch Transzendenzerfahrungen aufgrund ihrer Komplexität einer adäquaten sprachlichen Beschreibung entziehen, kommt es zu einer zwangsläufi gen Reduktion.744 Dieser kann mithilfe des »Verrätselungsverfahrens« entgegengewirkt werden, welches in der Zuordnung eines Begriffs, der in der Alltagssprache der Beschreibung eines visuell wahrnehmbaren Gegenstandes dient, zum transzendenten Bereich der Religion besteht.

Der Begriff gewinnt dadurch die Bedeutung eines religiösen Symbols, welches nur für

740 Vgl. Joan K. BLEICHER, a.a.O., S. 197.

741 Ebd., S. 20.

742 Vgl. ebd.

743 Vgl. Walter JENS: Kanzel und Katheder. Reden, München 1984, S. 126.

744 Vgl. Joan K. BLEICHER, a.a.O., S. 197f.

diejenigen erkennbar ist, die dessen nichtgegenständlichen Bedeutungsbereich kennen.

Zumeist handelt es sich da um gläubige Menschen.745 Folgende Begriffe wurden in Preradović’ Novelle durch die »Verrätselung« zu religiösen Symbolen: »Jungfrau«,

»Brot«, »Fisch«, »Hügel«, »Auferstehung«, »Wind«, »Sturm«, »Wasser«, »Taufe«,

»Meer« und »Boot«. Im Anschluss soll auf drei weniger verständliche Symbole näher eingegangen werden.

Im Text ist an mehreren Stellen von Wind und Sturm die Rede. Als Columba sich zum dritten Mal an Gott wendet, steht er „wehenden Haares, denn der Wind blies immer heftiger, […] auf dem Strandfelsen, und indes er die Arme zum Gebet ausbreitete, sah er auf das stürmische Meer hinaus“.746 Wind und Sturm fungieren, ähnlich wie die Flamme, die hier jedoch nicht erwähnt wird, als Symbole für den Heiligen Geist, doch die Bedeutung dieser Symbole liegt noch tiefer. Es sei deshalb auf einige er-gänzende Bibelstellen hingewiesen. Der Wind wird im Buch der Weisheit als „Atem des Allmächtigen“ (Weish 5,23) bezeichnet, welcher sich gegen die Bösen erhebt und diese „wie ein Sturm“ (Weish 5,23) wegfegt. Im Buch Hiob heißt es, dass Gott dem frommen Mann „aus dem Wettersturm“ (Hiob 38,1) antwortet, im Buch der Psalmen fi ndet man die Worte „Du riefst in der Not / und ich riss dich heraus; ich habe dich aus dem Gewölk des Donners erhört […]“ (Ps 81,8) und das Buch Nahum enthält folgenden Vers: „Der Herr ist langmütig und von großer Macht; / doch lässt der Herr gewiss keinen ungestraft. In Wirbel und Sturm nimmt er seinen Weg, / die Wolken sind der Staub seiner Füße“ (Nah 1,3). Man erkennt, dass sich Gott in der Bibel häufi g bei Wind und Sturm an den Menschen wendet, ihn führt, erhört, mahnt und ihm Gerechtigkeit widerfahren lässt.747 Ähnlich ist es in Preradović’ Novelle, denn obwohl Columbas Gebet – es sei hier daran erinnert, dass der Abt seine Gebete auf einem Strandfelsen bei rauem Wetter abhält – scheinbar nicht erhört wird, hält der Schöpfer über den irischen Heiligen seine schützende Hand. Während der Sturm tobt, wird auch Maurinns Seele in den Himmel aufgenommen. Sie beendet ihr irdisches Dasein in einer „winddurchbrausten Zelle“748 auf einer einsamen Insel. Auch hier scheint Gott greifbar nah zu sein.

Columbas Zelle befi ndet sich auf einem Hügel, fernab aller anderen Mönchszellen.

Ihre abgesonderte Lage unterstreicht die wichtige Rolle des Geistlichen – dieser lebt auf der Anhöhe fast als Eremit. Als einziger unter den Mönchen genießt er das Privileg in direktem Kontakt zu Gott zu stehen. Die Anhöhe, auf der er wohnt, sowie der benachbarte Hügel, auf dem er zu beten pfl egt, symbolisieren in der Novelle, ähnlich wie das in vielen biblischen Texten der Fall ist, die Nähe Gottes. Bereits in den Anfängen der Menschheitsgeschichte wurde höheren Mächten auf Felsen, Hügeln und Gipfeln Verehrung erwiesen. Das Alte Testament lässt Berge als überzeitliche Orte erscheinen, die das Heilige, Erhabene, Beständige und Ewige symbolisieren. Moses

745 Vgl. ebd.

746 Paula von PRERADOVIĆ: Die Versuchung des Columba, a.a.O., S. 871.

747 Beide Wettererscheinungen gehorchen dem göttlichen Willen (z.B. Hiob 37,9) und zeugen häufi g von der Präsenz Gottes.

748 Paula von PRERADOVIĆ: Die Versuchung des Columba, a.a.O., S. 881.

lernt JHWH auf dem Berg Horeb749 kennen, als Gott zu ihm von einem brennenden Dornbusch aus spricht. Deshalb heißt es im Buch Deuteronomium: „Der Herr kam hervor aus dem Sinai, / er leuchtete vor ihnen auf aus Seïr, / er strahlte aus dem Gebirge Paran […]“ (Dtn 33,2). Der biblischen Tradition zufolge erhält Moses den Dekalog auf demselben Berg. Ab diesem Augenblick symbolisiert Sinai die Nähe Gottes und seine fürsorgliche Haltung gegenüber dem auserwählten Volk. Als König Salomo den ersten Jerusalemer Tempel auf dem Berg Zion errichten lässt, wird dieser von den Juden als JHWHs Wohnsitz betrachtet. Er gewinnt eine spirituelle Bedeutung.

Im Neuen Testament benutzt Christus eine Anhöhe am See Genezareth, um von ihr aus seine Bergpredigt zu halten. Für Ihn sind Berge und Hügel Orte des Gebets, der besonderen Gottesnähe und der kontemplativen Zurückziehung.

Das dritte und letzte Symbol, auf das näher eingegangen werden soll, ist das Meer.

Im Text ist an verschiedenen Stellen von ihm die Rede. Fast jedes Mal wird die von der See ausgehende Gefahr deutlich gemacht. Beispielsweise begibt sich der irische Heilige eines Morgens „[…] auf einen kahlen Küstenhügel […], von dem aus man nichts erblickte als einen schmalen Felsenstreifen vor der Unendlichkeit des düster wogenden Meeres und, von dieser fast verschlungen, ein […] kleines Inselchen […]“.750 Das „wilde Meer“751 und die heftige Brandung machen es den Mönchen unmöglich Maurinn auf der kleinen Insel mit Wasser und Mundvorrat zu versorgen. Ähnlich wie das in der Novelle der Fall ist, steht auch in der Bibel das Meer für Bedrohliches. Es symbolisiert die ungeordneten Verhältnisse der materiellen Welt (Offb 13,1), die am Ende der Zeiten aufgrund ihrer Abkehr von Gott ausgelöscht werden soll.

Umsetzungsprobleme hinsichtlich der Repräsentation sind in Preradović’ Text nicht zu fi nden. Der darzustellende Themenkomplex wird mithilfe der Handlung gestaltet. Die Novelle enthält keine übermäßig langen Dialoge und keine von der Handlungsabfolge losgelösten Passagen, die der Erläuterung bzw. der Annäherung an das Thema dienen sollen. Die Handlung und die Auslegung der religiösen Thematik verlaufen nicht parallel zueinander, wie das in manchen Texten der Fall ist, sondern sind miteinander integriert.

4.10 Die Versuchung des Columba und die Königslegende