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Religiöse und nicht-religiöse Symbolik, Archetypik

Die Novelle ist reich an Symbolik, die für das Verständnis des Textes nicht ohne Bedeutung bleibt. Zu den wichtigsten Beschäftigungen der Mönche zählt außer dem Gebet und der Feldarbeit, der Fischfang. Als eines Tages Columba seinen Mitbrüdern zuschaut, sieht er sie „bei emsiger und getreuer Arbeit“.694 Einige Mönche fahren

„[…] von einer schmalen Sandbucht aus […] trotz des heftig wehenden Windes im lederüberzogenen Boot […] zum Fischfang aus“.695 Im Kontext der Missionstätigkeit des Klosters und seiner besonderen Lage an der schottischen Westküste, von wo aus die Christianisierung des heidnischen Piktenlandes erfolgen soll, gewinnt die Fischfangsymbolik eine besondere Bedeutung. Christus machte Simon Petrus, dessen Bruder Andreas und ihre Begleiter Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, zu den ersten »Menschenfi schern«.696 Ihnen folgten weitere Männer, die am See Genezareth lebten und als Fischer tätig waren. Auch einige der Mönche von Iona werden zu »Menschenfi schern«, da sie sich zusammen mit ihrem Abt als Missionare ins heidnische Schottland begeben.

Bereits am Anfang der Novelle begegnet der Leser der Pfl anzensymbolik. Diese hat einen christlich-mittelalterlichen Ursprung. Als Maurinn auf Iona ankommt, geht sie

„[…] bis zur Zelle des Abtes Columba, die […] aus Binsen gefl ochten und mit ganz jungem Efeu überwachsen war“.697 Der immergrüne Efeu, der die Zelle des Heiligen

691 Ebd.

692 Günter BENKER, a.a.O., S. 13.

693 Ebd.

694 Paula von PRERADOVIĆ: Die Versuchung des Columba, a.a.O., S. 873.

695 Ebd.

696 Mt 4,18–22, Mk 1,16–20, Lk 5,1–11, Joh 1,35–51.

697 Paula von PRERADOVIĆ: Die Versuchung des Columba, a.a.O., S. 856.

bedeckt, gilt als das Sinnbild des ewigen Lebens, der Zuverlässigkeit und einer Treue, die stärker ist, als der Tod.698 Die Symbolik der Binse ist weitaus komplexer und birgt eine gewisse Doppeldeutigkeit in sich. Sie steht einerseits für Klugheit, Bescheiden-heit und Demut, also Eigenschaften, die einen Mönch kennzeichnen sollten. Da die Binse äußerst langlebig ist, symbolisierte sie im Mittelalter das beharrliche Streben der Gläubigen nach Gott.699 Andererseits verknüpfte man sie aber manchmal auch mit Unbeständigkeit, Unzuverlässigkeit und Schwäche. Ihr Schwanken im Wind wird mit negativen Charakterzügen assoziiert. Inwiefern die Autorin die aus dem Mittelalter stammende Symbolik dieser beiden Pfl anzen kannte ist unklar, doch die Übereinstimmung zwischen deren Bedeutung und Columbas Charaktereigenschaften ist unverkennbar.

Eine wichtige Rolle spielt auch die Symbolik der verzauberten Kräuter, die der Abt von Maurinn erhält. Deren Namen werden im Text an derjenigen Stelle genannt, an der Columba mit den größten Zweifeln zu kämpfen hat. Der Mönch drückte plötzlich

„das Kräuterbündel ohne seinen Willen heftig mit der Hand zusammen“.700 „[…] die trockenen Pfl anzen zerbröckelten, der Knoten löste sich und Salbei, Muskat, Thymian und wilde Hyazinthe“701 fi elen auf den Boden. All diese Kräuter gelten als Heilpfl anzen und wurden seit der Antike zu Heilungszwecken eingesetzt. Der Salbei war im Mittelalter als Allheilmittel schlechthin bekannt, doch man verwendete ihn vor allem gegen Hei-serkeit. Zu ähnlichen Zwecken nutzte man den Thymian. Als Maurinn Columba das Kräuterbündel übergibt, sagt sie: „Deine Kehle ist rauh und wund vom Predigen und Singen im scharfen Wind. […] Diese Kräuter hier sind in Erin gepfl ückt. Sie bringen Gesundheit. Nimm sie und lege sie zur Nacht unter dein Kissen“.702 Der starke Duft der ätherischen Öle, den Columba als Kräutermediziner vermutlich gut kennt, lässt ihn das Bündel leichtgläubig annehmen. Er übersieht jedoch, dass jede dieser vier Pfl anzen zu magischen Zwecken verwendet werden konnte und dass jeder von ihnen, vor allem aber dem Thymian und dem Muskat, eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt wurde.

Die von einem Druiden verzauberten Kräuter haben in der Novelle eine komplexe symbolische Bedeutung. Sie stehen einerseits für die hinterlistige Magie aus der Heidenzeit, aber auch für die verdeckte Gefahr, die schweren Prüfungen, denen jeder Gläubige ausgesetzt wird, und die bösen Mächte, welche den Menschen auf Abwege zu leiten versuchen. Andererseits versinnbildlichen sie die Sehnsucht nach Heimat, Liebe und Geborgenheit. Trotz ihrer vielschichtigen Bedeutung sind die Meinungen über die

698 In der Legende über Tristan und Isolde heißt es, dass die Geliebten nach ihrem Tod an zwei verschie-denen Seiten einer Kirche begraben wurden. Auf diese Weise wollte man sie endgültig voneinander trennen.

An beiden Gräbern begann jedoch Efeu zu wachsen. Die Pfl anzen trafen und vereinten sich schließlich zu einem Busch. Als Symbol der Treue, der Beständigkeit und der Auferstehung wird der Efeu bis heute gerne auf Friedhöfen angepfl anzt. Er gilt auch als Sinnbild der Tugend und der Gerechtigkeit sowie des Enthusiasmus, besonders der Propheten und Dichter. (vgl. »Efeu«, in: Günter BUTZER / Joachim JACOB (Hrsg.): a.a.O., S. 72f.).

699 Vgl. »Binse«, in: Gerd Heinz MOHR: Lexikon der Symbole. Bilder und Zeichen der christlichen Kunst, Köln 1981, S. 52.

700 Paula von PRERADOVIĆ: Die Versuchung des Columba, a.a.O., S. 877.

701 Ebd.

702 Ebd., S. 870.

Rolle des Kräutersäckchens geteilt. Der Herausgeber von Preradović’ Gesammelten Werken schrieb z.B., es sei nur ein „Symbol ohne entscheidende Funktion – so real sich seine Magie auch gibt, Columbas Heimatliebe und Heimweh […] würden vollauf genügen, um den Konfl ikt auszulösen“.703

Das Meeresmotiv zieht sich wie ein Leitfaden fast durch das gesamte Werk der Dichterin. Die Literaturwissenschaftlerin Zorka Orlandić bewies, dass es meist in Verbindung mit solchen Motiven, wie z.B. dem Traummotiv, dem Heimwehmotiv, dem Schiffsmotiv, dem Inselmotiv, dem Sturmmotiv und dem Perlenmotiv auftritt.704 Die Versuchung des Columba stellt keine Ausnahme von dieser Regel dar, wobei jedoch in der Novelle keine Verknüpfung mit dem Perlenmotiv vorhanden ist. Das Schiffsmotiv erscheint hier auch nicht explizit. An seine Stelle tritt aber das Bootsmotiv, welches seine Rolle übernimmt und das Schiffsmotiv ersetzt. Die Symbolik des Meeres ist in dem Text doppeldeutig. Einerseits stellt es für die Insulaner eine lebensbedrohende Gewalt dar und trägt nicht zuletzt die Schuld am Tode Maurinns, andererseits gibt es eine Vorstellung von der Allmacht Gottes. Das Meer ist Teil der unberührten Natur.

In der Begegnung mit ihm offenbart sich dem Menschen Gottes Schöpfung in ihrer Ursprünglichkeit. Es eröffnet ihm den Zugang zu Gott.705 Nicht ohne Bedeutung ist auch die Tatsache, dass das Meer die Welt der Mönche vor feindlich gesinnten Eindringlingen abschirmt und ihnen den Raum für ihre kontemplative Lebensweise sichert. Schließlich bildet es eine Art Brücke, über die die Iroschottische Kirche den christlichen Glauben in fremde Welten zu tragen gedenkt. Indem Paula von Preradović die Weite und Einsamkeit des Meeres als Schauplatz für ihre Novelle wählte, knüpfte sie an das dichterische Schaffen ihres Großvaters Petar Preradović an, der das Mee-resmotiv häufi g in seiner Lyrik aufgriff.706

Der Text enthält eine reiche Frauensymbolik. Er birgt mehrere archetypische Symbole und Bilder, welche Verbindungen zu einer Reihe geistiger Ideen herstellen. Die Gestalt Maurinns707 weckt Assoziationen mit drei weiblichen Archetypen. Beim ersten handelt es sich um die Jungfrau. In Märchen, Mythen und Sagen stehen Jungfrauen für Unschuld, unverbrauchte Lebenskraft, Lauterkeit des Herzens, natürliches Wesen, Klugheit und noch nicht verwirklichte Möglichkeiten. Sie sind Priesterinnen und Retterinnen aus tiefer Not sowie Befreierinnen der Unterdrückten. In der christlichen Symbolik steht die Jungfrau für Einfachheit, Reinheit, Demut und geistige Kraft. Maurinn entspricht

703 Kurt EIGL: Nachwort, a.a.O., S. 884.

704 Vgl. Zorka ORLANDIĆ, a.a.O., S. 55.

705 Der Literaturwissenschaftler Reginald Vospernik erkennt in Preradović’ Weltauffassung drei Wege zu Gott. Die Landschaft (somit auch das Meer) als Teil der Schöpfung eröffnet dem Menschen den ersten Weg.

Diese Prämisse gilt jedoch nicht für die frühen Texte der Dichterin, in denen landschaftliches Erleben noch Selbstzweck war. Der zweite Zugang liegt im Erfahren scheinbar sinnlosen Leides. Den dritten Weg bildet die tätige Liebe zum Mitmenschen, die häufi g eine leidende Liebe ist. Aus diesen drei Gedanken – so Vospernik – lebt Preradović’ gesamtes Dichten heraus. (vgl. Reginald VOSPERNIK: Paula von Preradović. Leben und Werk, a.a.O., S. 42–45).

706 Vgl. ebd., S. 61f.

707 Kurt Eigl vertritt die Auffassung, dass die Gestalt Maurinns als Personifi kation Irlands interpretiert werden kann (vgl. Kurt EIGL: Nachwort zu »Die Versuchung des Columba«, a.a.O., S. 885). Womöglich ließe sie sich auch als Personifi kation der Jugend deuten.

diesem archetypischen Bild, allerdings repräsentiert sie den bewussten und tatkräftigen Typus der Jungfrau. Während eines der Gespräche Maurinns mit Columba erfährt der Leser, was sie dazu bewegte, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Sie sagt:

„[…] Vergangenen Monat hat mein Bruder beschlossen, mich an Dungal zu verheiraten, der der Schwestersohn des Großkönigs von Tara ist. Da wußte ich, daß die Zeit des geduldigen Wartens vorbei war. Da du nicht zu mir kamst, mußte ich zu dir kom-men […]“.708 Columba, der eine dominierende Persönlichkeit besitzt, fühlt sich durch Maurinns selbstbewusstes Auftreten verunsichert. Er fi ndet ihr Verhalten unangemessen, was jedoch verständlich ist, wenn man berücksichtigt, dass im Mittelalter die Demut als Zentraltugend der Frau galt. Eine demütige Grundhaltung erwartete man vor allem von Adelstöchtern und höfi schen Damen. Deshalb antwortet der Mönch Maurinn:

„Wie vermagst du, eine Jungfrau königlichen Blutes, so zuchtlos zu einem Mann zu reden? […] Bist du etwa eine Hexe, und hat Gott dich mir zu meiner Prüfung und Heimsuchung gesandt?“.709 An dieser Stelle offenbart sich die zweite weibliche Urfi gur – die Zauberin bzw. die Femme fatale. Warnungen vor lasterhaften, gottlosen Frauen, die imstande waren Verderben über jeden Gerechten zu bringen und sich zu diesem Zweck nicht nur ihrer körperlichen Attraktivität, sondern auch der Magie bedienten, fi ndet man bereits in Texten antiker jüdischer Weisheitsschulen.710 Auch im Mittelalter galt die verführerische Frau, welche Männer manipuliert und sie ins Unglück stürzt, als ernstzunehmende Bedrohung, vor allem für junge Geistliche. In diesem Kontext ist Columbas vehemente Reaktion verständlich, denn „er ahnte, daß eine fi nster heidnische Kraft hier im Spiel sein müsse“.711 Um sich abzusichern, beschließt er Maurinn zu fragen, ob sie getauft sei und ob die Druiden ihr nicht „das Herz verzaubert“712 und „den Geist mit Krankheit verdunkelt“713 hätten. In demselben Gespräch offenbart sich auch der dritte und letzte Archetypus – die Mutter. Als Maurinn verkündet, es sei ihre Sendung „die Mutter der Kinder zu sein, die ich von dir [also Maurinn von Columba – Anm.: M.S.]

empfangen werde“714, zeigt sie sich als pfl ichtbewusste Frau und Adelige, die bereit ist die ihr zugedachte Rolle als Mutter zu erfüllen und dem königlichen Geschlecht Nachkommen zu schenken. Sie nimmt sich aber auch, trotz aller Widrigkeiten, das Recht den Vater für ihre Kinder auszusuchen. Ihre Wahl fällt nicht auf Dungal, den sie verabscheut und mit dem sie nicht „in Schmach und Unzucht“715 leben will, sondern auf Columba. Ihre mütterliche Sorge um das Wohlergehen ihrer zukünftigen Familie und ihrer Kinder gibt sich bereits zu erkennen.

708 Paula von PRERADOVIĆ: Die Versuchung des Columba, a.a.O, S. 860.

709 Ebd.

710 Fromme Juden stellten sich die Kultdienerinnen fremder Göttinen als verführerische Frauen mit ma-gisch- dämonischen Zügen vor (vgl. Julia IWERSEN: Metanoia und Brautgemach. Der frühgnostische Seelenmy-thos als KonversionsmySeelenmy-thos, in: Rainer FLASCHE / Fritz HEINRICH / Carsten KOCH (Hrsg.): Religionswissenschaft in Konsequenz. Beiträge im Anschluß an Impulse von Kurt Rudolph, Münster [u.a.] 2000, S. 67).

711 Paula von PRERADOVIĆ: Die Versuchung des Columba, a.a.O., S. 861.

712 Ebd.

713 Ebd.

714 Ebd.

715 Ebd., S. 860.