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Man kann durchaus sagen, dass der Roman das christliche Weltbild der Autorin widerspiegelt. Es wäre jedoch übertrieben zu behaupten, der Text werde im Sinne appellativer Verkündigung instrumentalisiert, obwohl man annehmen kann, dass eine der wichtigsten Zielsetzungen des Werkes, neben der Erinnerung an Paolina de Ponte und Petar Preradović, die Vermittlung der Glaubensauffassung der Autorin ist. Dabei geht es um eine beispielhafte Bekundung des Glaubens anhand der Erlebnisse und Erfahrungen der Protagonisten. Jede konstruierte fi ktive Erzählhandlung beinhaltet eine distanziertere Perspektive als die unmittelbare Beschreibung einer Glaubenserfahrung in einer Autobiographie oder einem Tagebuch. Im Falle dieses Textes ist es jedoch anders, da der Leser weiß, dass die Handlung stark an eine wahre Begebenheit angelehnt ist. Die Schriftstellerin hält sich detailliert an alle erhaltenen Dokumente. Nur ein geringer Teil der Erzählung beruht nicht auf außerliterarischen Fakten. Das Innenleben der Hauptgestalten wird mit großer Genauigkeit und Einfühlsamkeit geschildert. Die psychologisch plausible Darstellung lässt den Eindruck von Realitätstreue entstehen, als ob es der Autorin tatsächlich möglich gewesen wäre die Gedankengänge der Protagonisten zu studieren. Die erzählende Instanz ist mit weitreichenden Kenntnissen

311 Ebd.

312 Ebd., S. 547.

über das Innenleben der Figuren ausgestattet. Man erkennt, dass die Verfasserin den Anspruch einer subjektiven Authentizität stellt: Die beschriebenen Erlebnisse der Figuren, darunter die Glaubenserfahrungen, sollen sich so im Leben dieser Menschen auch in der außerliterarischen Welt ereignet haben.

Einer der Einwände, mit denen christliche Literatur immer wieder konfrontiert wird, beruht auf der Annahme, dass die Autoren solcher Texte geneigt sind nur diejenigen Lebensabschnitte von Menschen zu erfassen und diese in die fi ktive literarische Welt zu transponieren, denen nachträglich eine gewünschte – christliche – Bedeutung zugeschrieben werden kann. Dies betrifft vor allem autobiographische Werke, deren Autoren ihr eigenes Leben wahlweise schildern, indem sie manche Fakten und Sachverhalte überzeichnet darstellen, während sie andere gänzlich auslassen. Auf diese Weise soll es zu einer »Verfälschung« der tatsächlichen Geschehnisse und einer Instrumentalisierung von Literatur kommen, denn die Auswahl von Fakten unter religiösen Gesichtspunkten stellt den Text in den Dienst der Religion. Es wäre jedoch schwer zu beweisen, dass im Roman Pave und Pero nur das beschrieben wird, was in die durch die religiöse Auffassung bestimmte Kausalitätskette passt. Selbst wenn man den Versuch einer solchen Argumentation unternähme, wäre man mit bedeutenden Schwierigkeiten konfrontiert. Hier sei nur angedeutet, dass Paves Suizid bei einer derartigen, stark vereinfachenden Interpretation wohl die größten Probleme bereiten würde, da sich die Tragik ihres Schicksals nicht ohne Weiteres von späteren – im christlichen Sinne – positiven Entwicklungen überblenden lässt.

Der Erzähler und Lyriker Rudolf Otto Wiemer äußerte sich folgendermaßen über die Rolle des christlichen Schriftstellers:

Dort also müßte der christliche Schriftsteller stehen, bei den Zweifl ern, bei den Angefochtenen, bei den Betroffenen, den Lückenbüßern, den Sündenböcken, den Stummen, den Stotternden, den Achselzuckern, den Spöttern, den Einfältigen, den Randfi guren, kurz bei allen, die es schwer haben. Gerade der christliche Schriftsteller, indem er sich mit der Irdischkeit der Welt einläßt, mit Schuld, mit Hemmung, mit Lästerung, mit Krankheit, mit Perversität, könne dem weltlichen Schriftsteller die tiefere Erfahrung der Realität, die bessere Perspektive und auch die zwingendere Verpfl ichtung voraushaben, weil er, der Christ, imstande ist, das Böse in der Welt nicht allein aus der Sicht des Nihil zu begreifen und ihm damit auch künstlerisch ausgeliefert zu sein. Er allein weiß, daß das Böse, das die Menschen immer wieder tun und erleiden, mit der Kreuzigung zu schaffen hat, auch wenn die Betroffenen selber das nicht begreifen. Gerade dieses Unbegriffene soll der christliche Autor stehenlassen. Er soll sich hüten, vorschnell sogenannte christlich formulierte christliche Lösungen anzubieten.313 Die Art und Weise, wie Preradović die Gestalt Paves darstellte, zeugt von einer weitreichenden Empathie und einem tiefen Verständnis für die Probleme dieser Frau,

313 Rudolf Otto WIEMER: Anmerkungen zur Situation christlich engagierter Literatur, in: Carsten Peter THIEDE (Hrsg.): Christlicher Glaube und Literatur 1, Wuppertal 1987, S. 50f., zit. nach: Joan K. BLEICHER: Literatur und Religiosität. Untersuchungen zu deutschsprachiger Gegenwartsliteratur, Frankfurt am Main/

Wien [u.a.] 1993, S. 196.

ganz im Sinne Rudolf Otto Wiemers. In ihrem Roman beschrieb die Schriftstellerin eine Gestalt, die von Schicksalsschlägen niedergeschmettert wird. Angesichts des Todes ihrer Tochter ist sie außerstande die innere Ausgeglichenheit zu bewahren und wirkt deshalb so lebensecht, wie kaum eine andere literarische Figur. Man erkennt, dass die Autorin Paves Leid nachvollziehen konnte, daher auch die überaus realis-tische Darstellung dieser Figur. Die erzählende Instanz versucht die junge Mutter weder als negatives Beispiel darzustellen, noch mithilfe von trivialen Belehrungen auf den Rezipienten einzuwirken. Preradović nutzt Paves Schicksal vielmehr als Ausgangspunkt für tiefgreifende Überlegungen, eröffnet dem Leser neue Betrach-tungsperspektiven, bewegt sein Gemüt, regt zum Nachdenken an, hinterfragt gängige Sichtweisen und stellt Fragen, auf die es keine einschlägigen Antworten gibt. Es werden keine »christlichen Lösungen« angeboten und keine vorschnellen Schlüsse gezogen. Gleichzeitig lässt die Autorin Pero, der sich mit der Tragödie seiner Frau auseinandersetzt, deren Unheil nicht aus dem Blickwinkel des »Nihil«, sondern mit den Augen eines Christen sehen, der den Tod und das Tragische als integralen Bestandteil des menschlichen Lebens begreift. Über Paves Entscheidung wird nicht geurteilt, denn eine moralische Einschätzung ihrer Tat steht keinem Menschen zu.

Nur Gott, der selbst ans Kreuz geschlagen wurde und das größtmögliche Leid erlitt, hat das Recht ein Urteil zu fällen. Auch wenn rein oberfl ächlich die christlichen Elemente im Text eine Nebenrolle spielen, ist die Tiefenstruktur des Romans von einem theologisch fundierten Glaubensverständnis gekennzeichnet.

Ein gemeinsames Merkmal vieler christlich geprägter Werke ist der weitgehende Verzicht auf formale Experimente. Preradović’ Roman teilt dieses Charakteristikum, obgleich man das Fehlen einer experimentellen Form kaum als Erkennungszeichen der christlichen Literatur betrachten darf. Ästhetische und formale Neuerungen sind in diesem Text nicht vorhanden. Ganz im Gegenteil, die Sprache wurde an vielen Stellen bewusst archaisiert, was ihre Qualität keineswegs nachteilig beeinfl usst.

Zu den wichtigsten Merkmalen der christlichen Literatur gehört deren Verweischarakter, der auch in Preradović’ Roman deutlich zum Ausdruck kommt. Dieser Problematik in ihrem Schaffen soll in dem Kapitel über die Novelle Die Versuchung des Columba mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, wo von den Verfahrensweisen der Reprä-sentation314 der Religion die Rede sein wird. Hier sei nur angedeutet, dass ähnlich wie in der Columba-Novelle, auch im Roman Pave und Pero der Prozess der literarischen Spiegelung zu erkennen ist, in dem vom Besonderen auf das Absolute verwiesen wird.

Das Irdische fungiert als Spiegel für Transzendenz. Da die immateriell-metaphysische Sphäre nicht visuell erfahrbar ist, soll sie mithilfe der diesseitigen Wirklichkeit vor-stellbar gemacht werden. Für dieses Verfahren können mehrere Beispiele angeführt werden, unter denen jedoch die Schönheitserfahrung der Landschaft sowie der Tier- und Pfl anzenwelt eine herausragende Rolle spielt. Die Natur deutet auf die Vollkommenheit

314 Der Begriff »Repräsentation« wurde von der Literaturwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher in ihrer Arbeit Literatur und Religiosität. Untersuchungen zu deutschsprachiger Gegenwartsliteratur (1993) eingeführt.

Sie defi nierte ihn als Versuch die Wahrheit der Religion in der Wahrheit der Literatur zu manifestieren (vgl.

Joan K. BLEICHER: a.a.O., S. 197).

Gottes hin. Vor allem für Pero ist die ästhetische Wahrnehmung der Schönheit und des Erhabenen eine lebendige Spur zum Schöpfer. Seit undenklichen Zeiten erinnerte die Natur die Menschen an Gott. Zu dieser Jahrtausende alten Menschheitserfahrung, die in Preradović’ Roman eine deutlich erkennbare Gestalt annimmt, äußerte sich der evangelische Theologe Reinhold Gestrich wie folgt:

Sie [die Menschen – Anm.: M. S.] empfi nden in den wunderbaren Formen, Farben, Gerü-chen, Lichtbrechungen der Natur eine Bezeugung von etwas Mehr-als-Irdischem […] / In der Tat erscheint es einfacher, Gott in der Natur zu begegnen als in einer geschichtlichen Offenbarung, wie sie von Judentum und Christentum bezeugt wird. Der Anblick herrlicher Bäume und Blumen, das Erleben der Ruhe und Majestät des Waldes, das Schauen auf mächtige Gebirge oder das weite Meer kann anrühren, und der Mensch fühlt sich dabei dankbar. Das Wunderbare des »Waldesdomes« erweckt Liebe und Ehrfurcht, Meer und Gebirge erzeugen ein Gefühl, dem Erhabenen gegenüberzustehen. […] In der Natur ist man mitten in dem Bereich, in welchem sich Schönheitsgeheimnisse am vielfältigsten entfalten.

/ […] Jeder kann Schönheit als Gabe empfi nden und im Geschaffenen den Erschaffenden ahnen. Schönheitserleben in der Natur gehört zu den Schöpfungswohltaten Gottes […].315 In Peros Augen spiegelt die Schöpfung das Transzendente wider, doch zu einer solchen Auffassung muss sich der Protagonist nach dem tragischen Tod seiner Frau erneut durchringen. Dies ist auch eines der Merkmale, die der Roman mit anderen Werken der christlichen Literatur teilt.

Bei Preradović’ Roman handelt es sich keineswegs um triviale Erbauungsliteratur, sondern um eine dichterische Betrachtung menschlicher Probleme und weltlicher Angelegenheiten im Kontext christlich-humanistischer Wertvorstellungen. Der religiöse Grundgedanke, welcher sich nach und nach im Text offenbart, spiegelt die christliche Geisteshaltung der Autorin wider. Obwohl Gott im Zentrum der Lebensanschauung von Preradović steht und die literarische Welt der Dichterin eine gottzentrierte ist, verlieren in ihrem Weltbild die menschlichen Nöte nicht an Bedeutung. Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Betrachtung der Schicksale der beiden Protagonisten, die von den Wirrnissen ihres Lebens überwältigt werden und damit alleine nicht zurechtkommen. In der dargestellten Welt des Romans vermag Gott gerade in solchen Situationen seine Macht und Liebe deutlich zu demonstrieren.

Beachtenswert ist vor allem die Entwicklung Peros, eines Menschen, dessen Leben durch den Tod von Frau und Tochter zerstört wurde. Der kaiserliche Offi zier ist eine psychologisch glaubwürdige Figur. Sein Bild wurde natürlich und lebensnah gezeichnet.

Er erlebt eine schlimme Krise und erweckt den Eindruck eines Menschen, der von Gott verlassen wurde. In seinem Elend lernt er jedoch auf Gott zu vertrauen, dessen Gnade wahrzunehmen und sie wirken zu lassen. Wie jeder Mensch, der aus dem Abgrund der Sünde den Weg zu Gott sucht, steht Pero im Spannungsfeld zwischen Untergang und Triumph. Am Ende der Handlung glaubt er jedoch seinen neuen Weg zu erkennen und erlebt nach dem schweren Schicksalsschlag zum ersten Mal einen

315 Reinhold GESTRICH, a.a.O., S. 73f.

Augenblick der Zuversicht. Obwohl er die Rettung aus der Verzweifl ung allein Gott zu verdanken hat, stellt er seine Tapferkeit, den Willen die Krise zu bewältigen und die heilende Gnade zu nutzen, unter Beweis. Preradović’ Roman ist ein Text, in dem das Verhältnis des Menschen zu Gott im Mittelpunkt steht. Ihm liegt der Gedanke zugrunde, dass das Leben, mag es noch so sehr von Krisen geschüttelt sein, eine sinnvolle Begebenheit zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer ist. Preradović’

Roman kann in einer Reihe mit denjenigen Texten der Dichterin genannt werden, die das Motiv des Untergangs und der Verwandlung enthalten. Durch den Zusammenbruch seines alten Lebens gewinnt der Mensch ein neues, höheres Dasein.

Der Text zeigt eine von den Einfl üssen des Bösen beeinträchtigte Welt. Zugleich wird diese von der göttlichen Offenbarung erleuchtet. Alle Geschehnisse sind Teil des Heilsplans. Diese Tatsache ist von entscheidender Bedeutung, denn in einer solchen Wirklichkeit gibt es keine ausweglosen Situationen. Für den von den Wechselfällen des Lebens geplagten Menschen bestehen immer Möglichkeiten der Rettung, un-abhängig davon, wie aussichtslos seine Lage zu sein scheint, denn er wandelt stets unter der Obhut Gottes. Jedes Ringen mit Schicksalsschlägen und Sünde bildet einen integralen Bestandteil der Heilsgeschichte. In ihrem Zusammenhang gewinnt alles, auch das Tragische und Schreckliche, eine neue religiöse Bedeutung. Das ist im Text deutlich erkennbar.

Im Roman Pave und Pero spielt der Mensch als ein gefallenes, auf Irrwegen wandelndes, lasterhaftes, mit Schuld befl ecktes und gleichzeitig zum ewigen Leben auserkorenes Wesen eine Schlüsselrolle. Das Schicksal der Protagonisten steht stellvertretend für das eines jeden Menschen, der mit Not und Elend konfrontiert wird, aber berufen ist, selbst in den schwersten Krisen Gott und dessen Willen zu suchen.

2.6 Die Problematik der göttlichen Naturordnung und die