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1.3 Einführung in die Analyse der Prosatexte

1.3.3 Einige thematische Schwerpunkte der Analyse

Aufgrund der Vielfalt an Elementen und Strukturen in den Werken der österreichischen Autorin sowie der in den Prosatexten wirksamen Einfl usssphären ist eine gesonderte Analyse der christlichen Traditionslinie und die Wahl thematischer Schwerpunkte unvermeidlich, zumal eine breitere Betrachtung dieser komplexen Problematik den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Exkurse zu anderen, nichtchristlichen Elementen, wie z.B. zu den südslawischen Motiven, sollen jedoch die die Analyse ergänzen.

Gleichzeitig wird auf die selbstgesetzten Grenzen und Unvollständigkeiten deutlich hingewiesen.

In der vorliegenden Arbeit sollen hauptsächlich folgende Fragen beantwortet werden:

Welche Elemente des Weltbildes und welche christlichen oder biblischen Gedanken klingen in Preradović’ Prosa an? Welche biblisch-christlichen Elemente, Inhalte und Strukturen werden hauptsächlich rezipiert? Lassen sich daraus konkrete Tendenzen ablesen? Wie werden die christlichen Inhalte zur Sprache gebracht? Welche Personen wurden in den Texten beschrieben und wie sehen die Figurenkonstellationen aus?

Welche Wirkung haben sie in den Texten?

Besondere Aufmerksamkeit soll der religiösen und nicht-religiösen Symbolik, der Archetypik und Motivik, den biblischen Bezügen und Anspielungen sowie anderen intertextuellen Beziehungen geschenkt werden. Für eine möglichst genaue Analyse soll die Herkunft des Stoffes erörtert sowie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Werkes umrissen werden. Neben dem Inhalt wird auch der Form, dem Stil und der Sprache Aufmerksamkeit geschenkt. Insofern Parallelen zu anderen, zumeist älteren literarischen Genres auftreten, soll darauf ebenfalls hingewiesen werden. Jedes der hier analysierten Werke müsste auch im Kontext des Zeitgeschehens betrachtet werden.

Nun seien einige thematische Schwerpunkte genannt, denen in der vorliegenden Arbeit besondere Beachtung geschenkt werden soll. Zu den wichtigsten literaturtheologischen

216 Vgl. Karlheinz F. AUCKENTHALER: Anstatt eines Vorwortes. Vorüberlegungen zur Problematik der religiösen Literatur, in: Karlheinz F. AUCKENTHALER (Hrsg.): Numinoses und Heiliges in der österreichischen Literatur, Bern/Wien [u.a.] 1995, S. 16.

217 Vgl. ebd.

Problemen, von denen in der nachfolgenden Analyse die Rede sein wird, gehört das der göttlichen Naturordnung. Der Schöpfer macht den Menschen immer wieder auf seine Präsenz in der Welt aufmerksam, die Protagonisten werden seines Wirkens in der Natur gewahr und gewinnen die Erkenntnis des »einheitlichen« Lebens. Auch von der göttlich inspirierten und gottbezogenen Nächstenliebe (»Agape«), ist in den Texten die Rede. Wo diese fehlt, gelangt der Mensch auf Irrwege. Dafür sollen Beispiele angeführt werden.

Ein recht komplexes Problem ist die Erfahrung der Gottesferne – ein Phänomen, das im Zusammenhang mit der vom spanischen Mystiker Johannes vom Kreuz beschriebenen

»Nacht des Geistes« erörtert werden soll.

Die Prosawerke der österreichischen Autorin sind von den Erfahrungen beider Welt-kriege gezeichnet. Das Leid wird darin als menschliche Grunderfahrung dargestellt und spielt in den Texten eine wesentliche Rolle. Obwohl die im 20. Jahrhundert infolge des Kriegsinfernos wieder aktuell gewordene Theodizeefrage nicht die thematische Hauptachse dieser Prosa bildet, ist sie darin vertreten und erfüllt eine wichtige Funktion.

Weshalb lässt Gott das Böse zu? Wieso werden Menschen mit Problemen konfrontiert, denen sie scheinbar nicht gewachsen sind? Wie soll man mit sinnlosem Leid umgehen?

Mit all diesen Fragen wird der Leser in Preradović’ Prosa konfrontiert.

Für viele zeitgenössische Autoren christlicher Provenienz bleibt Gott für den Menschen unbegreifl ich, doch jeder Leidende besitzt die Möglichkeit ihm statt Verzweifl ung und Resignation unbedingtes Vertrauen entgegenzubringen. In den Texten dieser Schriftsteller ist der Gottvertrauende imstande selbst im sinnlosen Leid einen Sinn zu bejahen. Wenngleich der Mensch von seinem Schmerz nicht sofort befreit wird, ist Gott bereit den Protest des Menschen gegen das Leid zu respektieren und sich letzten Endes als sein Erlöser zu manifestieren. Der Glaube an Gott und an die Auferstehung Christi kann einen Sinn in das äußerlich sinnlose Leiden hineinbringen, einen Sinn, den der Mensch von sich aus nicht entdecken und nur im Kontext des Kreuzestodes Jesu verstehen kann. Viele christlich geprägte Texte machen den Leser auf die Tatsache aufmerksam, dass Gott, der selbst dann anwesend bleibt, wenn das Leid scheinbar sinnlos ist, den Menschen zwar nicht vor, dafür aber in allem Leid bewahrt.

Folgende Worte aus der Offenbarung des Johannes können den Betrachtungen in jenen Werken als Motto vorangestellt werden: „Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen […] Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal.

Denn was früher war, ist vergangen“.218 In der vorliegenden Arbeit soll die Frage beantwortet werden, inwiefern sich Preradović’ Sichtweise mit der hier beschriebe-nen deckt, und ob Unterschiede vorhanden sind. Eine wichtige Tatsache sei jedoch schon jetzt angedeutet: Die Werke der österreichischen Schriftstellerin behandeln das Theodizeeproblem anders als viele ältere – aber auch zeitgenössische – Texte und müssen deshalb aus einer anderen analytischen Perspektive betrachtet werden.

Sie sind ästhetisch gestaltete Zeugnisse »authentischer« Erfahrung. Der Wechsel von der doktrinalen zu einer praktisch-authentischen Theodizee, in welcher nicht mehr theoretisch-philosophisch, sondern erfahrungsbezogen und existenziell die Frage

218 Offb 21,3–4.

nach Gott angesichts des Bösen gestellt wird, ist ein Phänomen, das für ihre Texte charakteristisch ist. In der vorliegenden Arbeit soll also auch der Theodizeefrage Aufmerksamkeit geschenkt werden, wobei jedoch nur der praktisch-authentische und der biblische, nicht aber der doktrinale Aspekt der Theodizee berücksichtigt werden soll.

In Preradović’ Texten sind Bezüge auf den Personalismus zu erkennen. Vieles deutet darauf hin, dass diese philosophische Denkrichtung, die aus dem christlich-humanis-tischen Welt- und Menschenbild hervorging und im 20. Jahrhundert vor allem unter christlichen Denkern populär wurde, auch auf die österreichische Autorin Einfl uss ausübte.219 Der Personalismus betrachtet die Entscheidungsfreiheit als das wichtigste Prinzip des menschlichen Lebens, dessen geistige Dimension er betont. Er tritt für wertorientiertes Handeln ein und sieht die Gemeinschaft als Entwicklungsgrundlage des Einzelnen. Die Fähigkeit zu freier Entscheidung und Verantwortlichkeit sei ein Charakteristikum des Menschen, der sich selbst als Person bestimmt, indem er von seiner Freiheit Gebrauch macht. Die sozialen Bezüge spielen dabei eine entscheidende Rolle. Der Personalismus entwickelte sich u.a. auf der Grundlage der christlichen Soziallehre, die den Wert der Person des Menschen betont. Ihr zufolge hängen mit der Tatsache des Von-Gott-Geschaffen-Seins die Abhängigkeit des Menschen von Gott, die dem Menschen gegebene Würde und Freiheit sowie die damit korrespondierende Verantwortlichkeit zusammen.220 Nach biblischem Verständnis ist der Mensch keine Sache, nichts Abstraktes, keine Spezies und keine Idee, sondern eine Person (»biblischer Personalismus«).221 Die hier beschriebene christlich-humanistische Denkrichtung – vor allem aber Mourniers Personalismus – widersetzt sich marxistischen, faschistischen und individualistischen Theorien des Menschen.222 Textinterne Strukturen, die auf den Personalismus zurückzuführen sind, sollen während der Analyse der Prosatexte deutlich gemacht werden.

Einen wichtigen thematischen Schwerpunkt in Preradović’ Prosa bilden die Anspielungen auf Kirche und Klerus. Vier Funktionen des Priesters fallen besonders auf – die Rolle als Berater, Begleiter, Mahner und Künder. Man fi ndet häufi g Bezugnahmen auf religiöse, darunter auch auf spezifi sch katholische Denk- und Verhaltensweisen, denen ebenfalls Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. In allen Texten ist das Gebet von großer Be-deutung und wird als ausdrückliche Begegnung des Menschen mit Gott beschrieben.

Die Gebetsszenen stellen gewöhnlich Wendepunkte der Handlung dar und hängen mit wichtigen Erkenntnissen der Protagonisten zusammen bzw. leiten diese ein.

Trotz aller genau spezifizierten Forschungsschwerpunkte, Blickrichtungen und Fragestellungen ist die vorliegende Arbeit als ein Dialog mit prinzipiell offenem

219 Zu den wichtigsten Repräsentanten der personalistischen Bewegung im 20. Jahrhundert gehörten Em-manuel Mournier, Autor des Personalistischen Manifests (1936) und Herausgeber der Zeitschrift Esprit, sowie Gabriel Marcel und Jacques Maritain vgl. »Personalismus«, in: Hans Dieter BETZ (Hrsg.): Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, Band 6, Tübingen 2003, S. 1132f.

220 Vgl. Thomas ZIMMERMANN: Christliches und humanistisches Menschenbild. Ein Vergleich, in: CSL- -Schriftenreihe: Christsein in Politik und Gesellschaft, Heft 4, Bonn 1994, S. 3.

221 Vgl. ebd., S. 4.

222 Vgl. »Personalismus«, in: Hans Dieter BETZ (Hrsg.): a.a.O., S. 1132.

Ausgang gedacht. Sie stellt nicht den Anspruch, alle möglichen Aspekte der oben umrissenen Problematik zu erfassen. Der Forschungsschwerpunkt soll auf das christliche Weltbild gesetzt werden – es ist die erste Arbeit, die sich detailliert mit diesem Thema auseinandersetzt. Es wären aber durchaus noch andere Blickrichtungen und Fragestellungen denkbar. Deshalb darf die vorliegende Disseration auch als ein möglicher Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen betrachtet werden.